Lassiter 2634 - Katja Martens - E-Book

Lassiter 2634 E-Book

Katja Martens

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Beschreibung

Neun Jahre hat Susanna keinen Fuß in ihre Heimat gesetzt. Zu bitter sind die Erinnerungen an den Überfall auf die Ranch ihrer Familie und an das, was sie verloren hat. Nun will ihre jüngere Schwester heiraten. Die Bitte, heimzukommen und an ihrem großen Tag bei ihr zu sein, kann Susanna nicht abschlagen.
Ihre Heimkehr wird jedoch überschattet von einem unheilvollen Wiedersehen. Susanna bleibt keine Wahl: Sie bittet den gefährlichen Carter Jones und seine Kumpane um Hilfe. Doch die Halunken haben eigene Pläne. Pläne, für die sie einen Köder brauchen. Ein Sturm braut sich über dem Tal zusammen - und bald steckt Susanna mittendrin ...


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Seitenzahl: 140

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Inhalt

Cover

Sturmreiter

Vorschau

Impressum

Sturmreiter

von Katja Martens

Zweifellos war es eine Falle. John Southerton tappte wissend, ja bereitwillig hinein. Er hatte den Ärger schon immer der Langeweile vorgezogen und glaubte sich bereit für alles, was da kommen mochte – sei es eine Mutprobe, ein Wettstreit oder eine anständige Prügelei.

Bei den Schultern gepackt und eine Treppe hinuntergestoßen zu werden, kam jedoch unerwartet. Er prallte auf die Stufen, überschlug sich und landete auf kaltem Stein, sein Körper ein Bündel aus loderndem Schmerz. Bevor er auch nur Atem schöpfen konnte, wurde ihm die Augenbinde abgerissen. Schlagartig erkannte er, dass das Wort »Ärger« in dieser Nacht für ihn eine ganz neue Bedeutung erhalten würde.

Sie hatten die Katze ihres Ausbilders eingefangen.

Die Graugestromte saß in einem grob geflochtenen Weidenkorb, offenbar zu verängstigt, um einen Fluchtversuch zu unternehmen. Die Ohren nach hinten gelegt und den Kopf geduckt, schaute sie aus Augen groß wie Murmeln auf.

Johns Adamsapfel tanzte, als er schluckte.

Madame Colette war der Liebling von Superintendent Thayer. Die Kadetten erzählten sich hinter verschlossenen Türen, er hätte sie nach seiner ersten und einzigen Geliebten benannt, einem französischen Freudenmädchen, das ein tragisches Ende gefunden hatte. An ihrem offenen Grab hätte er geschworen, keine andere Frau mehr anzusehen. John war sich nicht sicher, ob er den Geschichten Glauben schenken durfte. Er kannte die Fantasie heranwachsender junger Männer, zählte er mit seinen vierzehn Jahren doch selbst zu ihnen.

Eines war ihm jedoch sternenklar: Sollten sie Madame Colette auch nur ein Schnurrhaar krümmen, würde Thayer dafür sorgen, dass sie es für den Rest ihrer Ausbildung bereuten. Er würde sie Latrinen ausheben und Ställe ausmisten lassen, bis ihnen die Hände bluteten und selbst die Fliegen des Gestanks wegen einen Bogen um sie machten.

Heiliger Rauch, in was hatten sie ihn da hineingezogen?

Die Öllampen warfen zuckende Flammen an die feuchten Steinwände des Kellers. In ihrem Licht standen fünf Kadetten und sahen John mit ausdruckslosen Mienen an. In ihrer Mitte ragte der Earl auf – ein Kadett von siebzehn Jahren, der sich eine Menge darauf einbildete, dass seine Vorfahren dem englischen Adel entstammten. Er war ein sehniger, lang aufgeschossener Bursche mit hellblonden Haaren und wasserblauen Augen, die so tot schienen wie die der Fische, die John früher mit seinem Vater aus dem East River geangelt hatte.

Keiner der fünf sagte ein Wort.

John rappelte sich vom Boden hoch und verbiss einen Wehlaut. Die älteren Kadetten machten sich einen Sport daraus, Erstsemester zu quälen, und sie schlossen Wetten darüber ab, wie lange es dauern würde, bis einer mit klappernden Zähnen aufgab und die Akademie verließ. John würde sich eher die Zunge abbeißen, als ihnen eine Schwäche zu zeigen.

Wie auch immer sie es angefangen hatten, Madame Colette zu erwischen, so waren sie gut beraten, die Katze baldmöglichst freizulassen. Der Superintendent war nicht für seine Nachsicht bekannt. Schon so mancher Absolvent bekam noch Jahre nach seinem Abschluss eine Gänsehaut, sobald der Name Thayer fiel.

John lehnte sich mit einer, wie er hoffte, lässigen Bewegung gegen die Steinwand und harrte der Dinge, die kommen würden. Auch wenn seine Knochen nach dem Sturz schmerzten, bot der Abstecher in die Kellergewölbe eine willkommene Abwechslung. An der Akademie glich ein Tag dem anderen, was ihm schlimmer erschien als der Drill und die Strafen, die selbst dem kleinsten Vergehen unweigerlich folgten. Die Kadetten waren wie Rädchen in einem Uhrwerk, und wehe, eines wich von seiner Bahn ab. Der Alltag in West Point war so berechenbar, dass die Kadetten frühmorgens Wetten darüber abschlossen, ob der Kaffee am Morgen heiß oder lauwarm sein würde, schlicht, weil es sonst kaum Abwechslung gab.

»Wir freuen uns, dass du unserer Einladung gefolgt bist«, brach der Earl sanft das Schweigen.

John stieß ein Knurren aus. Einladung schien ihm kaum der passende Ausdruck dafür zu sein, aus dem Bett gezerrt zu werden, die Augen verbunden zu bekommen und durch die nächtlichen Flure der Akademie gestoßen zu werden.

»Was ist los?« Der Earl zog eine Augenbraue hoch. »Hast du deine Zunge verschluckt, als du auf der Treppe gestolpert bist?« Er betonte den letzten Teil des Satzes besonders, und seine vier Kumpane lachten.

»Mir geht es gut«, brachte John hervor, und zu seinem Leidwesen kletterte seine Stimmlage, während er sprach, um einige Oktaven nach oben und endete in einem Geräusch, das dem einer Katze nicht unähnlich war, deren Schwanz unter den Absatz eines Stiefels geriet.

»Ausgezeichnet«, machte der Earl. »Wir wollen, dass es dir gut geht, wenn wir dich in unseren Zirkel aufnehmen.«

»In euren Zirkel?«

»Aber natürlich. Deswegen haben wir dich eingeladen.«

»Was genau wollt ihr von mir?«

»Ist das nicht offensichtlich?« Ein Mundwinkel des älteren Jungen hob sich. »Wir bieten dir unsere Freundschaft an.«

»Im Gegenzug wofür?«

»Für deine Treue natürlich.«

»Meine Treue.«

»Unser Bund wählt seine Mitglieder sorgfältig aus.«

Ja, verdammt, das wusste er. An der Akademie erzählte man sich Gerüche über einen Zirkel von ausgewählten Kadetten – allesamt aus Familien, die über Macht und Vermögen verfügten. John hatte nichts davon. Weder Macht noch Vermögen.

Nicht einmal eine Familie.

Was also erhoffen sie sich von ihm?

Die Antwort kam ihm in den Sinn und beinahe hätte er gelacht, weil es so offensichtlich war: einen Zeitvertreib. Ihnen mussten die Tage und Nächte ebenso eintönig erscheinen wie jedem Kadetten in West Point. Originalität, Neigungen zu Kunst oder Wissenschaft und persönliche Vorlieben wurden einem hier abtrainiert. Jeder Absolvent war das Musterbild eines Soldaten.

John straffte sich und wartete ab.

»Er zittert.« Einer der anderen Jungen lachte verächtlich. »Seht ihn euch nur an. Er zittert wie ein kleines Mädchen. Hast du etwa Angst vor uns?«

»Mir ist nur kalt«, erwiderte er und gratulierte sich selbst dazu, dass seine Stimme ruhig und gefasst klang.

»Soll ich dir meine Jacke leihen?«, warf einer der anderen ein. »Oder noch besser: Wir machen ihm Feuer unter dem Ar...«

»Hör auf, Vince!«, zischte der Earl. »Wir wollen seine Freundschaft und uns nicht über ihn lustig machen.«

»Sprich nicht für uns andere. Du willst seine Freundschaft. Nur du.«

»Ich habe schon Freunde, aber vielen Dank«, unterbrach John ihren Wortwechsel. »Und jetzt werde ich gehen.« Damit wandte er sich zur Treppe um. Da erklangen schnelle Schritte hinter ihm. Er wurde bei der Schulter gepackt und zurückgerissen. Die Rechte des Earls bohrte sich in seinen Arm.

»Du weist uns zurück?«

»Ich sage nur, wie es ist.« Er zuckte zusammen, als sich die Finger des anderen Jungen noch tiefer in sein Fleisch bohrten.

»Freunde«, zischte der, »weisen einander nicht zurück. Du willst uns doch nicht verärgern, oder?«

Sie wollten etwas von ihm. Ein Spiel. Eine Wette. Einen Zeitvertreib. Er wusste nicht, was es war, nur dass es so war. Also wartete er ab, bis sie mit der Sprache herausrückten.

»Schneide der Katze ein Auge raus.« Der Earl sagte es, als hätte er ihn lediglich aufgefordert, die Katze zu streicheln.

John war sich recht sicher, dass er sich verhört haben musste. »Was soll ich tun?«

»Hast du was an den Ohren? Du sollst dem Vieh ein Auge rausschneiden. Sie starrt einen immer so vorwurfsvoll an. Erinnert mich an meine ältere Schwester. Das muss ein Ende haben. Also schneid es raus. Nein, warte, weißt du was? Nimm besser gleich beide Augen.«

»Das kann ich nicht machen.«

»Du kannst es – und du wirst es.«

Der Earl fasste hinter sich, unter seine Jacke, und zog zwei Messer aus seinem Gürtel. Eines drückte er John in die Hand, das andere warf er einem der anderen zu und sagte: »Wenn er sich weigert – hilf nach!« Die Drohung war unmissverständlich.

John nahm das Messer so langsam, als würde er überlegen.

»Nun mach schon«, drängte der Earl.

»So schnell geht das nicht.« In seinem Schädel jagten sich die Gedanken. Er mochte keine Katzen. Musste immer niesen, wenn er einer zu nahe kam. Deshalb ging er ihnen tunlichst aus dem Weg. Aber die Augen rausschneiden? Das war eine ganz andere Sache. Er wog das Messer in seiner Hand. »So etwas darf man nicht übers Knie brechen.«

»Du brauchst uns.« Die Stimme des Earls klang beunruhigend freundlich. »Unseren Schutz.«

»Warum sollte ich den brauchen?«

»Es sind schon Kadetten gestorben in ihrem ersten Jahr in West Point. Wir wollen doch nicht, dass dir das auch passiert.« Die wasserblauen Augen verengten sich. »Oder?«

Ein Schauer lief ihm das Rückgrat hinunter. »Nein, das wollen wir nicht.«

»Also?«

Trotz der Kälte des Kellers brach ihm plötzlich der Schweiß aus. Sie hatten ihn in der Hand. Das war es. Wenn er tat, was sie verlangten, gehörte er ihnen. Sie könnten ihn zwingen, für sie einzutreten oder ihnen sein Essen abzutreten. Nicht, dass es da viel abzutreten gab. Genügsamkeit war eine der Tugenden, die man in West Point eingetrichtert bekam. Verdammt, sie könnten ihn zwingen, seinen Freunden den Rücken zuzukehren, den Einzigen, die er je gehabt hatte. Sollten sie dem Leiter der Akademie vom Ende seiner Katze erzählen, wäre er erledigt.

John kauerte sich vor den Korb mit der Katze, betrachtete sie. In ihren grünen Augen lag kein Falsch. Nur Angst.

Sie saßen alle beide in der Falle – und nur einer konnte sie hier herausholen, und das war er selbst.

Er nickte bedächtig, dann holte er aus und schleuderte das Messer über den Korb hinweg von sich. Klirrend prallte es von der Kellerwand ab. Die anderen zuckten zusammen, als hätte er die Klinge gegen sie geworfen. Er fuhr herum und rammte dem Kadetten mit dem Messer den Schädel in die Magengrube, dass diesem ein vernehmliches »Uff« entwich. Dann packte er die Katze, hob sie aus dem Korb und wirbelte herum. Noch bevor die anderen sich von ihrer Überraschung erholt hatten, war er schon halb die Kellertreppe hinauf.

»Schnappt ihn euch!«, gellte die Stimme des Earls. »Bringt ihn mir wieder.«

Die Tür stand noch offen. John stürmte hindurch, prallte gegen einen weiteren Kadetten, der oben als Wache abgestellt worden war, stieß ihn mit der freien Hand zur Seite und rannte weiter, als würden seine Sohlen brennen.

Madame Colette schien zu spüren, dass ihr von ihm keine Gefahr drohte, denn sie schmiegte sich an ihn und sträubte sich nicht gegen seinen Griff. Er war alles andere als ein guter Schütze und stach bei seiner Ausbildung auch nicht gerade durch gute Disziplin hervor, aber eines konnte er: laufen. Er war flink wie ein junger Fuchs, stürmte durch die Gänge der Akademie und die Treppe hinauf zu dem Korridor, in dem die Quartiere der Ausbilder lagen.

Da! Die Unterkunft des Superintendenten.

John blieb stehen. Sein Herz hämmerte wild gegen seine Rippen und sein Atem kam schwer und stoßweise. Er hielt ihn kurz an, um zu lauschen. Keine Schritte zu hören. Er schien seine Verfolger abgehängt zu haben.

Also packte er die schwere Eisenklinke, drückte sie nieder und zog die Tür auf.

Das Zimmer dahinter war dunkel.

Er huschte durch die Tür, wollte die Katze absetzen und verschwinden, aber mit einem Mal kitzelte ihn etwas an der Nase und... »Hatschom!« Sein Niesen durchbrach die nächtliche Stille wie ein Donnerschlag. Gleich noch einmal. »Hatschom!«

Bevor er auch nur fluchen konnte, knarrte etwas in der Dunkelheit. Eine Lampe wurde hochgedreht und in ihrem Schein wurde das grimmige Gesicht des Superintendenten sichtbar.

»Was glaubst du eigentlich, was du da tust?«

John sackte das Herz tiefer.

Schweigend starrte er auf die Katze auf seinem Arm, musste wieder niesen. Seine Augen fingen an zu jucken und tränten.

»Setz sie ab.« Thayer stemmte sich vom Bett hoch und trat vor ihn hin.

John bückte und setzte Madame Colette ab. Sie rollte sich auf seinen Füßen zusammen, schien durchaus zufrieden mit ihrem Los zu sein.

Der Superintendent musterte ihn finster. »Also? Was hattest du mit meiner Katze vor?«

John schwieg, nicht willens, die anderen zu verraten, obgleich er bezweifelte, dass sie ihm denselben Gefallen erwiesen hätten, wäre die Lage umgekehrt gewesen.

Sein Ausbilder wartete eine Weile ab, dann rieb er sich das Kinn. Er schien zu überlegen, was er nun mit ihm anfangen sollte. »Komm mit.« Er wartete nicht, ob John ihm folgte, sondern schritt voraus.

John hob die Katze von seinen Füßen und setzte sie auf das Bett. Wenigstens sie sollte es den Rest der Nacht warm und behaglich haben.

Thayer trat mit ihm vor das Haus in den Hof der Militärakademie. Hier draußen fegte ein kalter Wind von Osten heran. Es schneite nicht. Noch nicht. Lange würde es jedoch nicht mehr dauern, bis das erste Weiß auf die Kasernen, das Hospital, die Waffenkammern und die hohen Mauern fallen würde.

»Zieh deine Stiefel aus.« Thayer sagte es leise, aber mit Nachdruck.

John tat es und stellte seine Stiefel beiseite.

»Die Socken auch.«

Auch die folgten.

»Stell dich hier auf. Morgen früh komme ich wieder und dann reden wir darüber, was dein Verhalten während eines Gefechtes für deine Kameraden bedeuten könnte.« Damit wandte sich Thayer ab und kehrte in das Haus zurück.

John dämmerte, dass diese Nacht reichlich ungemütlich werden würde.

Also schön. Er hatte sich eine Abwechslung gewünscht. Hier war sie.

Er nahm Haltung an und starrte in die Dunkelheit.

Allmählich kroch die Kälte vom Boden durch seine Füße, ließ sie taub werden, wanderte seine Beine hinauf wie ein langsam wirkendes Gift. Seine Zähne schlugen klappernd aufeinander. Er biss die Kiefer zusammen und versuchte, an etwas anderes als das harte, aber nichtsdestominder warme Bett zu denken, das oben auf ihn warten könnte, wenn er nicht...

Plötzlich knarzte die Tür. Drei Gestalten huschten ins Freie.

Seine Freunde.

Seine wahren Freunde.

Roderick Eastley, Gilbert Northam und Luke Weston.

Außenseiter wie er. Ohne Familie. Ohne Rang. Ohne eine Menschenseele, die für sie eintrat. Also traten sie füreinander ein.

Sie grinsten ihn an. Dann zogen sie wortlos ihre Stiefel aus, traten neben ihn und nahmen Haltung an, als würden sie den Präsidenten höchstselbst bewachen.

Sie konnten die Strafe nicht ungeschehen machen, aber sie konnten sie mit ihm durchstehen. Und, verdammt, das taten sie.

In dieser Nacht wurde ihr Bund geschlossen.

»He! Träumst du, South?« Etwas traf ihn am Kopf. Als er schnaufte, war gutmütiges Gelächter zu hören. John Southerton richtete sich im Sattel auf und blickte in das lachende Gesicht seines Freundes. »Hast du gerade einen Zweig nach mir geworfen, Luke?«

»Nur einen ganz kleinen.«

»Verdammt. Warum machst du so etwas?«

»Du schienst eingeschlafen zu sein. Das kann einen Mann hier draußen leicht das Leben kosten. Ich hoffe, du hast wenigstens von der schönen Lola geträumt. Wenn ein Mann schon sterben muss, dann hoffentlich mit dem Bild all ihrer Vorzüge vor Augen.« Luke kniff ein Auge zu und malte mit den Händen eine Sanduhr in die Luft.

»Könnte nicht behaupten, dass ich von ihr geträumt habe.« John richtete sich auf. Das Leder des Sattels knarzte unter ihm, als er die Hände auf das Sattelhorn legte, die Zügel in den behandschuhten Fingern haltend. »Ich habe an die Vergangenheit gedacht. An jene Nacht in der Akademie, als wir unseren Bund geschlossen haben.«

»Du meinst, als wir uns den Arsch im Hof der Akademie abgefroren haben?« Sein Freund grinste. »Ich erinnere mich. Verdammt, seither habe ich nie wieder so gefroren wie damals. Es grenzt an ein Wunder, dass wir nicht jeder ein paar Zehen verloren haben. Oder mehr.«

»Viel gefehlt hat nicht.« Zehn Jahre war es her, aber die Bilder jener Nacht standen ihm so deutlich vor Augen, als wäre es gestern gewesen. Sie hatten sich die ganze Nacht hindurch die Beine in den Bauch gestanden. Der Superintendent hatte ihm erst morgens erlaubt, in die Kaserne zurückzukehren, und seine Freunde hatten mit ihm in der Kälte ausgeharrt. Vom Unterricht befreit worden, waren sie deswegen nicht. Erst, als sie zwei Tage später Fieber bekommen und sich mit Husten und hämmerndem Kopfweh herumgeschlagen hatten.

Thayer hatte es ihm nicht so sehr übelgenommen, dass er nachts umhergewandert war. Auch nicht, dass er ihn mit seiner Katze erwischt hatte. Nein, was er ihm wirklich angekreidet hatte, war sein Schweigen. Er hatte den Earl und die anderen nicht verraten, und das hatte sein Ausbilder ihm nicht verziehen.

»Geheimnisse fressen sich wie Gift in die Seele eines Soldaten. Früher oder später bringen sie ihn um oder machen ihn zum Verräter«, hatte er gesagt.

Eine Lektion, die er nicht vergessen hatte.

Damals hatten sich Roderick, Luke, Gilbert und er geschworen, einander durch alle Stürme des Lebens beizustehen. Ihre Namen vereinigten in sich alle vier Winde – Eastley, Weston, Northam und Southerton – doch einem Angriff auf einen von ihnen begegneten sie nicht mit einem lauen Lüftchen, sondern mit Sturm.

Geboren war ihr Bund der Sturmreiter.

Er hatte sie durch die Zeit in der Akademie getragen, durch zahllose Kämpfe und ihr Ausscheiden aus der Armee. Keiner von ihnen wollte den Rest seines Lebens beim Militär verbringen. Sie waren Freigeister, wollten ihre eigenen Herren sein. John, Roderick und Gil träumten von einer eigenen Ranch, Luke von einem eigenen Laden irgendwo im Westen. So hatten sie sich als Cowboys verdingt und trieben Herden den Red River entlang nach Norden.