Liebe: Zwischen Glück und Drama - Suizid, erweiterter Suizid, Verlobung, Trennung, Betrug, Kunststudium, Galerie, Leukämie, Alkoholsucht, Körperverletzung, Trost, Adoption, Erben, - Rolf Horst - E-Book

Liebe: Zwischen Glück und Drama - Suizid, erweiterter Suizid, Verlobung, Trennung, Betrug, Kunststudium, Galerie, Leukämie, Alkoholsucht, Körperverletzung, Trost, Adoption, Erben, E-Book

Rolf Horst

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Beschreibung

Dieser Sammelband enthält sechs bereits erschienene Romane mit dramatischen Entwicklungen. Es geht um Suizid, erweiterten Suizid, gefährliche Körperverletzung, Leukämie, Verlust, Tod und Trauer. Es geht um Freundschaft, Verrat, Lügen und um Betrug. Es geht um Cliquen, in denen sich Ereignisse zutragen, die nicht alle aushalten können.

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Seitenzahl: 312

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Rolf Horst

Liebe: Zwischen Glück und Drama

 

 

 

 

Dieser Sammelband enthält sechs bereits erschienene Romane mit dramatischen Entwicklungen.

Es geht um Suizid, erweiterten Suizid, gefährliche Körperverletzung, Leukämie, Verlust, Tod und Trauer. Es geht um Freundschaft, Verrat, Lügen und um Betrug. Es geht um Cliquen, in denen sich Ereignisse zutragen, die nicht alle aushalten können.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rolf Horst

 

 

 

 

 

 

 

Liebe: ZwischenGlück und Drama

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Sammelband mit sechs dramatischen Geschichten

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Autor: Rolf Horst wurde 1960 in Bremen geboren. Er lebt mit seiner Ehefrau einer Hündin und der Katze, die beide aus dem Tierschutz kommen, in der Nähe einer norddeutschen Kleinstadt. Nieke Horst, heute 60, ist Asperger Autistin, studierte Germanistik, Französisch, Erwachsenenpädagogik und Sport, übte viele Jahre japanisches Rinzai-Zen nebst Klosteraufenthalt in Japan und entwickelte daraus mit ihrem Mann ihre Lebensform der Stille, Schlichtheit und Struktur, die es ihr möglich macht, am Rande einer gehetzten, ignoranten NT-Gesellschaft zufrieden zu leben.. Ihr Buch „Böse Essays“ ist im Januar 2024 bei tredition erschienen. Seit Kurzem ist ihr neues Buch „Autistische Essays – Gedanken eine alten Autistin“ bei tredition und im Buchhandel erhältlich.

 

© 2025 Rolf Horst

ISBN Softcover:      978-3-384-57420-6ISBN Hardcover:       978-3-384-57421-3ISBN E-Book:       978-3-384-57422-0 

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany.Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

 

Inhaltsverzeichnis

 

 

Keine Rücknahme      7

 

Kannst du bleiben?      67

 

Kämpfen wir für deine Gesundheit …      131

 

Ich nehme dich mit      165

 

Seit wann heißt du Moritz?      197

 

Dem Erben geht der Tod voraus      247

 

Keine Rücknahme

 

Wie ist das, wenn man plötzlich verlassen wird? Mit dieser für ihn neuen Situation muss Olaf fertig werden. Seine Verlobte Annette und sein bester Freund Ulrich hatten sowohl Olaf als auch Ulrichs Lebensgefährtin Christa monatelang hintergangen, belogen und betrogen und jetzt wollten die beiden die Trennung von ihren bisherigen Partner*innen. Olaf fand sich damit nicht zurecht, er brauchte Zeit zum Trauern. Während der Rest der Clique um Christa so weitermacht, als sei gar nichts geschehen, zieht Olaf sich immer weiter aus dieser Gruppe zurück. Ulrich war nicht das erste Mal fremdgegangen und nach ein paar Wochen zu Christa zurückgekehrt. Sollte das wieder passieren, dann wäre Olaf schon nicht mehr in der Clique, und was wäre mit ihm und Annette? Für ihn war eine »Rücknahme« ausgeschlossen. War nicht schon vor Ihrem Fremdgehen in Ihrer Beziehung alles vorbei? Doch dann überschlagen sich die Ereignisse und alles kommt so ganz anders, als Sie es sich jemals vorstellen konnten.

 

 

 

 

 

 

 

 

Olaf kam aus einer Alkoholiker-Familie und war mittlerweile achtzehn Jahre alt. Nicht nur seine Eltern, die ihn und seine Zwillingsschwester nicht wollten, auch seine Geschwister waren im Laufe der Jahre suchtkrank geworden.

Er war der Einzige, der kein Problem mit dem Suchtmittel Alkohol hatte. Er wollte anders sein als seine Eltern - als sein Vater, der mit seinem Leben nicht zurechtkam. Seine Mutter und seine Zwillingsschwester starben an Krebs. Sein Vater und ein Halbbruder begingen Selbstmord.

Überhaupt fanden sich in seinem familiären Umfeld einige Suizide, viele Alkoholiker*innen, uneheliche Kinder und Scheidungen. Olaf ahnte gar nicht, wie sehr sein eigenes Leben davon beeinflusst und beeinträchtigt war.

 

Er war ruhig und fühlte sich ausgeglichen. Seine Haare waren nicht mehr Schulterlang, wie in der Schulzeit, und er trug gerne Jeans mit Hemd oder Pullover. Er befand sich im Wechsel vom zweiten zum dritten Ausbildungsjahr zum Bürokaufmann, als er die etwas jüngere Annette kennenlernte. Ihre Ausbildung zur Arzthelferin sollte nach den Sommerferien beginnen. Sie war ein wohlbehütetes Einzelkind. Ihr Vater war Pilot und meistens nur am Wochenende zuhause, ihre Mutter Chefsekretärin in einem großen Unternehmen. Sie bewohnten eine Eigentumswohnung.

Annette war sehr auf Ihre Figur bedacht und trug häufig zu enge Cordhosen, die sie in einem Fachgeschäft erstand. Sie hatte eine schwarze Lockenpracht auf dem Kopf und für ihre schlanke Figur eine viel zu große Oberweite. Dass Olaf und Annette ein Paar wurden, war eher Zufall, denn Christa, eine Kollegin von Olaf - sie hatte ein Jahr nach ihm die Ausbildung angefangen - hatte eigentlich alles ganz anders geplant.

 

Da sie aus derselben Richtung zum Ausbildungsbetrieb fuhren - Christa wohnte allerdings näher am Betrieb als Olaf - trafen sie sich oft morgens in der Straßenbahn und fuhren meist auch nachmittags zusammen zurück. Christa war groß, schlank und hatte – wie man früher so sagte – ein gebärfreudiges Becken. Sie wohnte noch zuhause, trug Jeans und Blusen und sie konnte reden wie ein Wasserfall, dabei nahm sie kein Blatt vor den Mund. Berichtete sie den einen Tag von ihrer aktuellen Beziehung, dann sprach Christa ein paar Tage später davon, dass es diese nicht mehr gab. Sie erzählte nach Olafs Vorstellung viel zu viel Privates, das ihn nichts anging und das er auch gar nicht wissen wollte.

 

Olaf wurde das Gefühl nicht los, dass Christa an ihm interessiert war, und das war ihm gar nicht recht. Und tatsächlich lud sie ihn eines Tages zu einer Fete im Kleingarten ihrer Eltern ein. Aus einem anderen Betriebsteil würden eine junge Frau mit ihrer Zwillingsschwester und ein junger Mann dabei sein, die Olaf beide kannte. Christas jüngere Schwester Uschi und deren beste Freundin Annette vervollständigten die Reihen der Gäste. Olaf fand nicht, dass Christa zu ihm passte, sie war so überhaupt nicht sein Typ, und er erklärte Ulrich, seinem besten Freund, dass Christa zwar ganz hübsch sei, er sie aber irgendwie uninteressant fand.

Da Olaf aber Angst davor hatte, auf dieser Feier irgendwelchen Blödsinn zu machen, fragte er Christa, ob er seinen Kumpel Ulrich mitbringen dürfe. Er durfte. Ulrich war ein stiller, in sich gekehrter junger Mann, der ein Jahr älter war als Olaf. Er hatte gerade seinen Wehrdienst hinter sich und war innerhalb der Firmengruppe in ein anderes Autohaus versetzt worden.

Auch sein familiärer Hintergrund war schwierig. Seine Mutter rauchte und trank zu viel und lebte mit ihm und seiner jüngeren Schwester allein. Beide Kinder waren von unterschiedlichen Vätern, aber er erzählte Olaf längst nicht alles aus seinem Privatleben.

Olaf und Ulrich hatten eine Vielzahl von übereinstimmenden Interessen und verstanden sich daher prächtig. Ulrich hielt zu Olaf, als eine ganze Clique wegen einer Freundin von Olaf auseinanderbrach. Nun fuhren die beiden zu Christas Fete und es wurde ein lustiger Abend. Die Zwei, die Olaf aus dem Betrieb kannte, gingen dann auch irgendwann zusammen mit der Zwillingsschwester nach Hause, während die anderen Fünf noch jede Menge Spaß hatten. Sie liefen und alberten im Dunkeln am See herum, und irgendwie war immer wieder Annette in Olafs Nähe. Beide spürten ein Kribbeln in der Magengegend, konnten es aber noch nicht als die berühmten Schmetterlinge im Bauch einordnen.

 

Auch Christa und Ulrich verstanden sich prächtig und beide waren froh, dass Olaf ihn mitgebracht hatte. Da die beiden Jüngeren nach den Sommerferien ihre Berufsausbildung anfingen, Uschi als Verwaltungsangestellte bei der Stadt und Annette als Arzthelferin bei einem Orthopäden, wollten sie noch einmal zusammen Urlaub machen.

Da passte es ganz gut, dass Annette eine ganze Reihe von Verwandten auf den Inseln und an der Küste hatte. Die Reise hatte allerdings einen Nachteil: Olaf würde sie jetzt eine ganze Weile nicht mehr sehen.

 

Doch Christa hatte eine Idee und brauchte nicht lange, um Ulrich und Olaf dafür zu begeistern. Ulrich hatte ein Auto und alle die Zeit, diese Idee umzusetzen. Christa wusste von ihrer Schwester, dass die beiden einen Ausflug mit einem von Annettes Onkeln geplant hatten, der Fahrgäste unter anderem zu Seehundebänken fuhr. Sie wusste auch, wann und wo das Boot einen längeren Halt machen würde. Und genau dort fuhren sie samstags hin. Seit diesem Tag waren die vier zwei Paare.

 

Olaf hatte seit Kurzem auch ein Auto, einen alten Kadett Olympia mit Doppelvergaser und viel Rost und Spachtelmasse. Dafür hatte er nur hundert Mark gekostet und hatte noch für ein Jahr eine TÜV-Plakette. Er hielt leider auch nicht ganz so lange.

 

Olafs Ausbildung verlief gut, er kam in fast allen Abteilungen zurecht. Das Personalbüro und eine spezielle Verkaufsabteilung fand er besonders interessant. Olafs Ausbilder traute ihm zu, seine Abschlussprüfung um ein halbes Jahr vorzuziehen, und meldete ihn entsprechend zur Prüfung an. Olaf bestand die Prüfung und verließ das Unternehmen.

 

Sein Ausbilder war schon ein wenig enttäuscht, dass Olaf nicht im Ausbildungsbetrieb bleiben wollte. Aber die Stelle, die ihn interessierte, bekam er nicht und die Position, die man Olaf anbot, interessierte ihn nicht. Der Nachbar seiner Eltern arbeitete in der Verwaltung eines, nein, dreier Elektrofachbetriebe und hatte seit Olafs Ausbildungsbeginn immer wieder an ihn appelliert, nach bestandener Prüfung bei ihm anzufangen. Gesagt, getan.

Dort bekam er jetzt mit seiner Festanstellung ein gutes Gehalt und konnte seiner Mutter das Geld, das sie ihm in einer finanziellen Krisenzeit geliehen hatte, schnell zurückzahlen. Er schwor sich selbst, nie wieder sein Konto derart zu belasten und seine Finanzen niemals aus den Augen zu verlieren.

 

Der für Olaf schlimmste Moment war damals der, als ein Scheck von ihm, den er in seinem Ausbildungsbetrieb eingelöst hatte, von der Bank nicht mehr anerkannt wurde. Er bekam Ärger mit seinem Ausbilder und musste mit der Peinlichkeit leben, dass man im Betrieb jetzt sicherlich über ihn reden würde. Bei seiner Bank erstellte er mit Hilfe einer sehr freundlichen Mitarbeiterin einen Rückzahlungsplan und durch das Gehalt aus seiner Angestelltentätigkeit war sein Konto sehr schnell wieder ausgeglichen.

In dieser Zeit hatte es angefangen, dass Olaf alles kontrollieren musste. Ob der Herd in der Küche ausgeschaltet, abends die Kellertür abgeschlossen oder morgens, wenn er aus dem Haus ging, die Wohnungstür zugesperrt war. Oft genug ging er seinen Weg noch einmal zurück, um das zu überprüfen.

 

Dieser Kontrollzwang, kombiniert mit Versagensängsten, begleitete ihn viele Jahre und er ertappt sich heute noch manchmal dabei, wie er prüft, ob er in einem Raum das Licht ausgeschaltet hat.Er konnte während seiner Ausbildung mit einer älteren, sehr freundlichen und interessierten Mitarbeiterin über diese Kontrollzwänge reden. Sie verstand ihn nur zu gut, litt sie doch selbst darunter. 

Annette, Olaf, Ulrich, Christa, Hartmut und Uschi waren jetzt die „neue Clique“ und unternahmen ganz viele Dinge gemeinsam. Olaf wohnte noch zu Hause und musste Kostgeld abgegeben. Da sein Erspartes noch nicht für einen anderen Gebrauchtwagen reichte, war Olaf eine längere Zeit ohne eigenen Wagen. Aber er konnte sich am Wochenende immer einen Firmenwagen von seinem Bruder ausleihen.

 

Leider war er an einem Sonntagnachmittag sehr unaufmerksam. An einer Straße mit zwei Ampeln kurz hintereinander bremste Ulrich seinen Wagen an der zweiten Ampel ab, weil diese auf Rot umschaltete. Olaf war viel zu dicht hinter ihm und unkonzentriert. Er hatte gerade sein Augenmerk auf Annette gerichtet und reagierte viel zu spät. Ulrichs Auto hatte eine demolierte Rückfront.

Der kleine Firmenwagen musste auf dem Seitenstreifen abgestellt werden, er konnte nicht mehr weiterfahren. Die Kosten für diesen übernahm sein Bruder – natürlich nicht selbst, sondern seine Firma. Den Schaden an Ulrichs Wagen – immerhin achthundert Mark – wollten sich Olaf und Ulrich teilen.

 

Auch Olafs ältere Schwester, die nach ihrer zweiten Scheidung wieder in ihrer Heimatstadt lebte, lieh ihm ab und zu ihren Wagen. Sie wohnte in der Innenstadt und arbeitete abends in einer Szenekneipe. Hier lernte sie auch Ihren dritten Ehemann kennen.

 

Annettes Mutter Simone hatte durch einen tragischen Unglücksfall ihren Mann verloren. Annette war immer ein wenig angespannt, wenn ihr Vater am Wochenende zuhause war. Er war sehr streng mit ihr. Olaf hat ihn nur ein einziges Mal gesehen und gesprochen, und auch nur ganz kurz.

Als er Annette von zuhause abholen wollte, stand plötzlich ihr Vater draußen an der Straße vor Olaf und fachsimpelte mit ihm über den Kadett Olympia.

 

Jetzt hatte Simone sich einen Kleinwagen zugelegt und ein paar Fahrstunden in ihrem eigenen Auto absolviert. Als die Clique zum Hamburger Fischmarkt fahren wollte, durfte Olaf Simones Wagen nehmen.

 

Annette hatte sich für den Tag etwas Besonderes ausgedacht. Sie nahm Ihre Kollegin Viola mit. Olaf kannte Viola fast so lange wie Annette und mochte ihre fröhliche Art. Sie trug gerne Latzhosen aus Jeansstoff mit kunterbunten Blusen dazu. Ihre rote Kurzhaarfrisur passte genauso gut zu ihr wie die Sommersprossen und ihr Lachen. Einmal konnte Olaf sie sogar überraschen und ihr eine große Freude bereiten. Er wusste genau, dass Viola ein großer Fan des britischen Popmusikers Robert Palmer war, und als im örtlichen Radio Eintrittskarten für eines seiner Konzerte in ihrer Stadt verlost wurden, gelang es Olaf tatsächlich, eine für Viola zu gewinnen.

 

Auf dem Fischmarkt war sehr viel los und auch die Clique konnte sich diesem besonderen Flair nicht entziehen und kaufte die unterschiedlichsten Waren ein. Es war ein herrlicher, wegen des frühen Aufstehens und der langen Fahrt auch anstrengender Tag. Allerdings mit einem ungewöhnlichen Ende oder besser mit einem unerwarteten Anfang. Olaf wusste nicht, ob es Annettes Absicht war, aber Ulrich zeigte enormes Interesse an Viola und diese war genauso begeistert von ihm. Ulrich trennte sich von Christa und war ab sofort mit Viola zusammen. Er war in seinem ganzen Verhalten wie ausgewechselt. Diese fröhliche junge Frau hatte ihn irgendwie total verändert, was besonders Olaf freute.

 

Die Vier trafen sich jetzt häufiger bei Olaf oder sie spazierten durch den großen stadteigenen Park. Es war eine fröhliche Zeit. Die Situation mit dem Rest der Clique war aber für Annette und Olaf nicht einfach. Auf der einen Seite hielten sie den Kontakt zu Ulrich und Viola, auf der anderen zu Christa, Uschi und Hartmut.

Leider hielt Ulrichs Liaison mit Viola nicht lange, was Olaf sehr schade fand. Ulrich hatte sich nach drei Wochen schon wieder von ihr getrennt und war reumütig zu Christa zurückgekehrt. Er wollte jetzt sogar mit ihr Zusammenziehen.

 

Ulrich kam seit einigen Monaten jeden Abend gegen zehn, halb elf noch bei Olaf vorgefahren, klopfte an das Kellerfenster, und wenn Olaf noch wach war, dann fuhren die beiden oft stundenlang durch die Gegend und unterhielten sich. Allerdings sprachen sie während ihrer Autofahrten weder über Viola und die Trennung noch über Ulrichs Absicht, mit Christa zusammen eine Wohnung zu mieten. Zu dieser Zeit konnten sie nur Ulrichs Auto nehmen, denn Olafs Olympiabefand sich ja bereits auf dem »Graveyard of the rusted Automobiles« – um es mit Arlo Guthrie zu sagen.

Der nächste Wagen war in der Anschaffung teurer, aber dafür hatte Olaf etwas länger Freude an ihm. Allerdings verkürzte ein Lastwagen, der Olaf beim Abbiegen die Fahrspur schnitt, die Lebensdauer - Totalschaden! Olaf kaufte einem Nachbarn das Auto ab, einen älteren Ascona B.

Da einige Bekannte als Kraftfahrzeugmechaniker in einem Autohaus arbeiteten, versorgten sie Olaf mit günstigen Teilen von Unfallautos. Nach kurzer Zeit und einer Lackierung sah der Wagen nicht nur fast wie neu aus, sondern auch wie das aufgehübschte Nachfolgemodell.

 

Hartmut und Uschi hatten mit Ulrich und Christa einen Urlaub auf Langeoog gebucht und Olaf und Annette besuchten sie dort einen Tag lang. Allerdings war Uschi mit dem Urlaub überhaupt nicht zufrieden. Während Sie und Hartmut Frühaufsteher waren und gerne etwas unternahmen, lagen Ulrich und Christa oft bis mittags im Bett.

 

Im nächsten Jahr sollte das anders werden, und die beiden fragten Olaf und Annette, ob sie mit ihnen nach Hirtshals im Nordwesten Jütlands fahren würden. Die waren begeistert und so fuhren die vier mit zwei fast identischen Autos für zwei Wochen nach Dänemark in den Urlaub. Eines Morgens, die Frauen waren Brötchen holen, Hartmut kochte Kaffee, Olaf stand noch unter der Dusche, da reagierte er plötzlich auf die Duschcreme, die er seit Jahren verwendete, allergisch.

Sie löste eine Ganzkörper-Juckattacke aus und er musste schnellstmöglich zum Arzt. Er konnte nicht einmal die Kleidung auf der Haut aushalten, das machte alles nur noch schlimmer. Zum Glück kam er sehr schnell beim Arzt an die Reihe und dieser wusste auch gleich, wie er helfen konnte. Er verschrieb Olaf ein Antihistaminikum und der sollte sich eine PH-Wert-neutrale Seife kaufen.

 

Als Annette ihn später fragte, ob er mit ihr allein in den Urlaub fahren würde, sie wollte zwei Wochen zu ihrer Oma auf die Insel, da sagte Olaf begeistert »Ja«. Er konnte ja nicht wissen, dass er nur tagsüber mit Annette zusammen war. Nachts musste er alleine schlafen, denn Oma hatte ihn in einem ehemaligen Gästezimmer im Keller untergebracht.

Es war trotzdem ein schöner Urlaub, mit viel Sonne und Sonnenbrand. Olaf war da sehr empfindlich, was jeder Arzt seiner Haut heute noch ansieht. Erstaunlicherweise konnte er auf der Insel alles essen, ohne dass er danach an Sodbrennen oder Ähnlichem litt, wie es ihm zuhause immer erging.

Die Clique machte mehrfach Kurzurlaube auf dieser großen Nordseeinsel. Da waren dann oft auch Olafs Zwillingsschwester Doris und ihr damaliger Freund mit von der Partie. Lange Strandspaziergänge, gutes Essen, Schwimmen, Fahrrad- oder Kettcarfahren, sie nahmen alles mit und hatten eine Menge Spaß, aber irgendwie waren diese Wochenenden immer sehr kurz. Und während die anderen Paare im alten Dorfhotel nächtigten, schliefen Annette und Olaf bei ihrer Oma. Natürlich getrennt!

 

Die Band, die Olafs alter Freund Olli und er gegründet hatten, war für ihn ja schon einige Zeit Geschichte. Aber Olaf hatte diese abrupte Trennung nicht verarbeitet, denn zu der Zeit war er nicht so klar, dass er diesen Verlust betrauern konnte. Er wäre trotzdem nicht zurück in die Band gekommen, selbst wenn Olli ihn gefragt hätte.

 

In der neuen Clique interessierten sich alle für Musik und hatten zum Teil sehr unterschiedliche Geschmäcker. Olaf hatte mittlerweile eine recht große Plattensammlung und nahm immer mal wieder Musikkassetten – die kennt heute kaum noch jemand – mit den neuesten Platten für Hartmut auf. Aber Musik war nicht alles.

Besonders Ulrich war ein Motorsportfan und hatte Christa regelrecht angesteckt. Olaf war eigentlich mehr an Musik interessiert, wollte aber kein Spielverderber sein. So fuhren sie alle von Zeit zu Zeit zum Rallyecross am Estering, zum Autocross nach Hoope, zwischen Bremen und Bremerhaven, und einige Male zum Flugplatzrennen nach Diepholz. An den Abenden, wenn sie in Hoope waren, holte Ulrich Olaf noch sehr spät ab und sie fuhren noch einmal zum Birkenring. Über das Fahrerlager gelangten sie auf die Autocross-Strecke und Ulrich fuhr seinen Wagen bis ans Limit. Darin war er besonders gut.

 

Da er auch während der Fahrt Zigaretten rauchte, passierte ihm so mancher Unfall. Einmal fiel ihm seine Zigarette beim Abbiegen mit dem Auto auf den Boden des Fahrzeugs. Anstatt sich auf das Abbiegen zu konzentrieren, bückte er sich danach und wollte sie aufheben. Dieser Moment der Unachtsamkeit genügte, um direkt in ein parkendes Auto zu fahren.

 

Olaf und Annette überlegten, das Haus von Olafs Eltern zu kaufen, und berieten sich mit Annettes Onkel, einem Steuerberater, der total begeistert war. Allerdings legte sich einer von Olafs Halbbrüdern quer und verhinderte den Kauf. Er war der Ansicht, dass Olaf einen viel zu niedrigen Kaufpreis zahlen wollte. Der Hauskauf war nie wieder Thema, weder bei Annette und Olaf noch bei seinen Eltern oder Geschwistern.

 

Annette und Uschi hatten ausgelernt und waren jetzt festangestellt. Die Clique unternahm quasi jedes Wochenende etwas zusammen. Die Männer trafen sich oft schon Samstagmorgen bei Hartmut, der immer irgendetwas zu Schrauben hatte. Hartmut wohnte bei seiner Oma im Haus, seine Eltern und Geschwister eine Straße weiter in einem Mehrfamilienhaus. Irgendwann kaufte Hartmut das Haus und hatte dann natürlich noch mehr Arbeit.

 

Ulrich und Christa waren das erste Paar, das zusammengezogen war, allerdings über seine Verhältnisse lebte. Olaf hatte häufiger Schecks von Ulrich mit zur Bank genommen, weil dieser das tagsüber einfach nicht schaffte, aber genauso häufig schüttelte die Kassiererin auch mit dem Kopf, da Ulrichs Konto total überzogen war. Anstelle einer Waschmaschine schaffte Ulrich sich eine Spiegelreflexkamera mit reichlich Zubehör an. Die Wäsche blieb in zugedeckten Körben liegen, und wenn die Clique ausgehen wollte, dann kauften die beiden sich ein paar neue Kleidungsstücke – wovon eigentlich? Den in unmittelbarer Nähe befindlichen Waschsalon haben sie nur einmal ausprobiert - das war einfach nichts für sie.

 

Wenn Olaf ohne Geld kam und Ulrich den Scheck zurückgab, dann zuckte der nur mit den Schultern. Ratschläge wollte er von Olaf nicht haben, und das, obwohl der sich damit auskannte.

 

Annette übernachtete jetzt manchmal bei Olaf und irgendwann bat sie ihn, ob er nicht mit ihrer Mutter sprechen könnte, wegen der Pille. Natürlich konnte er. Er rief Simone an und fragte, ob sie einmal Zeit für ihn hätte. Olaf duzte Simone. Sie war eine sehr umgängliche, moderne Frau, mit der er sich gerne unterhielt. Und dann saßen die beiden zusammen in Simones Küche bei einer Tasse Kaffee und Olaf sprach mit ihr über einen Termin beim Gynäkologen und die Pille für Annette.

Simone konnte nicht glauben, dass ihre Tochter so wenig Vertrauen hatte, sie selbst anzusprechen, und gleichzeitig fand sie Olaf unglaublich mutig. Denn welcher junge Mann spricht schon mit der Mutter seiner Freundin über möglichen Sex, Antibabypillen und Frauenärzte?

Olaf war mit achtzehn gemustert und für eingeschränkt wehrtauglich eingestuft worden. Er hoffte darauf, dass man ihn bei der Bundeswehr vergessen hatte. Olli hatte das ja alles geschickt umgangen. Er war anerkannter Wehrdienstverweigerer und hatte sich durch die Heirat mit seiner damaligen Freundin auch vor dem Ersatzdienst drücken können. Mittlerweile war er Vater, arbeitete viel zu viel – er machte andauernd Doppelschichten – und hatte zu wenig Zeit für seine Frau. Die suchte sich dann für ihre Aktivitäten einen anderen.

 

Die Elektrofirmen, in denen Olaf und sein Nachbar arbeiteten, waren mittlerweile auch räumlich getrennt, und eines Tages verstarb plötzlich und unerwartet sein Chef. Der Nachfolger, er war vorher Betriebsleiter, ernannte Olaf zum Buchhaltungsleiter und ließ ihm alle mögliche Unterstützung durch das betreuende Steuerberaterbüro zukommen. Da die Buchungsarbeiten jetzt im eigenen Haus durchgeführt wurden, was zusätzliche Arbeit bedeutete, durfte Olaf sich eine zweite Bürokraft suchen. Christa hatte ihre Prüfung mittlerweile auch bestanden und Olaf, der die gute Ausbildung des Betriebes auch auf sie projizierte, fragte Christa, ob sie Interesse hätte.

 

Leider mussten er und sein Chef bald feststellen, dass sie mit Christa die »Mutti des Unternehmens« eingestellt hatten. Durch den Tod des Inhabers und die völlige Neuorientierung in der Führung des Unternehmens gelang es Olafs Chef, ihn vom Wehrdienst zurückstellen zu lassen. Allerdings nicht auf Dauer, und so musste er dann mit zweiundzwanzig Jahren doch noch zur Bundeswehr.

 

In den unterschiedlichsten Zusammensetzungen wurden von der Clique Konzerte, Ausstellungen, Autorennen und vieles mehr besucht. Ab und zu gingen sie alle zusammen am Wochenende in ein griechisches Restaurant und waren durch ihre häufigen Besuche sehr beliebt bei den Besitzern und ihrer mitarbeitenden Tochter. Wie sich herausstellte, hatte der Wirt viele Jahre in demselben Unternehmen gearbeitet wie Hartmut, und das war natürlich Anlass genug, sich immer mal wieder zu diesen jungen Leuten zu setzen und zu reden.

An einem Sonnabend waren Christa und Ulrich bei einer Freundin von Christa und deren Lebensgefährten zu einer Party eingeladen, und die anderen Vier saßen zusammen in Olafs Wohnzimmer im Keller seines Elternhauses und hörten Musik.

 

Am nächsten Morgen rief eine ganz verstörte Christa bei Olaf an und fragte, ob Ulrich bei ihm sei. Er wäre die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen. Und dann erzählte sie ihm, was auf der Feier passiert war. Ihre Freundin hatte sich wohl mit einem anderen Mann als dem ihren ins Schlafzimmer zum Sex zurückgezogen. Ulrich sei daraufhin ausgerastet, als sei er der betrogene Partner. Er habe laut herumgeschrien, an die Schlafzimmertür getrommelt und sei schließlich wutentbrannt aus der Wohnung gelaufen und mit dem Auto davon gerast. Christa war das alles sehr unangenehm, ja geradezu peinlich.

 

Olaf war erschrocken über Ulrichs Verhalten und konnte die Geschichte erst gar nicht glauben. Aber er versuchte Christa dahingehend zu beruhigen, dass Ulrich bestimmt nur durch die Gegend gefahren sei, um sich abzureagieren, und bei seiner Mutter übernachtet hatte. Wenn ihm etwas passiert wäre, hätte sich die Polizei schon bei ihr gemeldet. Er würde sicherlich bis Mittag wieder bei ihr sein.

 

Und so war es dann auch. Allerdings verlor keiner von beiden jemals ein Wort über den unangenehmen Vorfall und auch mit Olaf sprach Ulrich nicht darüber.

Seit Ulrich mit Christa zusammenwohnte, kam er abends auch nicht mehr zu Olaf gefahren, der jetzt oft noch zwischen zehn und elf Uhr nachts alleine mit dem Auto unterwegs war.

 

Annette wollte wieder einmal Urlaub mit Olaf machen, auch diesmal alleine und nicht bei ihrer Oma. Eine Insel sollte es trotzdem sein und so mieteten sich die beiden eine kleine Ferienwohnung auf Wangerooge. Aber diese Insel ist sehr klein, die Jahreszeit war nicht mehr für einen Aufenthalt im Wasser geeignet. Der zentrale Punkt war das Café Pudding, bei dem man immer wieder landete. Annette hatte nach drei Tagen keine Lust mehr und so fuhren sie sehr viel früher als geplant und gebucht wieder nach Hause.

 

Olaf verstand erst sehr viel später, dass die Langeweile in ihren Alltag eingekehrt war. Sie hatten keine gemeinsamen Interessen. Ab und zu fuhren sie mit dem Fahrrad, aber sonst? Wozu war eigentlich seine nächtliche Autofahrerei gut? Er dachte über seine Arbeit, seine Beziehung zu Annette und die Clique nach, ohne dass er zu einer Lösung gekommen wäre.

 

Aber das hätte er auch ohne Stress, Müdigkeit und klimaschädliches Verhalten bequem zuhause machen können. Was steckte also dahinter? So angestrengt Olaf auch darüber nachdachte, er kam einfach nicht darauf.

Annette hatte mittlerweile ihren Führerschein gemacht und wollte ein ganz bestimmtes Auto haben. Das gehörte damals noch einem Fachmann, der von Zeit zu Zeit die medizinischen Geräte der orthopädischen Praxis überprüfte und wartete. Alle kannten dieses Auto, aber keiner aus der Clique hätte geglaubt, dass der Besitzer es wirklich verkaufen würde. Und doch, Annette bekam diesen Wagen und war mächtig stolz darauf.

Eines Tages rief sie Olaf im Büro an und berichtete weinend am Telefon, dass sie gerade beim Abbiegen auf regennasser Straße ein Verkehrsschild umgefahren hätte und weitergefahren sei. Sie sei aber dabei beobachtet worden und wisse nun nicht mehr, was zu tun sei.

Olaf riet ihr, zur nächsten Polizeiwache zu gehen und sich selbst anzuzeigen. Das würde bestimmt einen guten Eindruck machen. Recht hatte er. Sie wurde zu einem Termin bei Gericht geladen und eine freundliche Dame erklärte ihr dann, dass solche Einsichten, also sich ein Fehlverhalten einzugestehen und sich selbst anzuzeigen, nur bei Frauen vorherrschten und daher die Strafen dann auch meist sehr milde ausfielen. Männer litten zu oft an Selbstüberschätzung und waren dann überrascht, wenn sie von anderen Menschen angezeigt und vom Gericht mit Geldstrafen und Fahrverboten belegt wurden.

Olaf hatte jetzt immer öfter am Sonnabend keine Lust auszugehen. Er wäre lieber zuhause geblieben und hätte sich einen ruhigen Abend gegönnt. Aber wie immer wollte er kein Spielverderber sein. Niemand schien etwas davon zu bemerken, dass sich die Stimmung bei ihm und Annette immer mehr ins Negative veränderte. Aber dann kam die rettende Idee! Olaf und Annette wollten sich verloben. Wie andere Paare, die glauben, sie könnten ihre Beziehung durch ein Kind oder ein Haus wieder in Ordnung bringen, hofften sie auf einen positiven Schub, ohne miteinander über ihre Befindlichkeiten zu reden.

 

Eine nette kleine Verlobungsfeier bei Olafs Eltern. Oben im Wohnzimmer die »Erwachsenen«, unten in Olafs Partykeller und seinem Wohnzimmer die jungen Leute. Olaf wusste, dass sein Vater in seiner Werkstatt im Keller Alkohol versteckte. Also standen Olaf und Ulrich so, dass Günther, um zu trinken, an ihnen vorbei musste. Das traute er sich aber nicht und wurde immer nervöser. Olaf ahnte ja nicht, dass er damit einen Alkoholiker in Lebensgefahr brachte, weil dieser plötzliche Entzug zum Kollaps hätte führen können. Deshalb gibt es ja die klinische Entgiftung.

Natürlich waren auch Annettes Mutter Simone und Viola, ihre Praxiskollegin, bei der Feier anwesend. Olaf musste plötzlich daran denken, wie er mit seinen Eltern bei einer großen Haushaltsmesse war und in einem der Zelte plötzlich Annette und Simone vor ihnen standen. Simone, sonnengebräunt, mit kurzen, silbrig-grauen Haaren, elegant und modisch gekleidet. Seine Eltern dagegen…, Olaf war diese Begegnung sehr peinlich. Annette und er reagierten blitzschnell und führten ihre Angehörigen in die jeweils andere Richtung davon, ohne sie einander vorzustellen. Nun waren sie also verlobt und hatten keine Vorstellung davon, was sie mit diesem neuen Status ihrer Beziehung anfangen sollten. Auf die Idee, eine gemeinsame Wohnung zu beziehen, wie Christa und Ulrich, kamen sie nicht. Aber vielleicht hätte das auch nicht funktioniert.

 

Olaf wurde von einem Arbeitskollegen als »Finanzberater« für ein Unternehmen angeworben. Erst interessierte sich Olaf überhaupt nicht dafür, aber als der Kollege ihm einige Produkte vorstellte und dazu die Verdienstmöglichkeiten darlegte, war Olaf überzeugt. Es fing mit einem Wochenendtermin an, also Samstag und Sonntag, den ganzen Tag, sozusagen als Einstiegs- und Informationsveranstaltung. Wer danach noch dabei war, der bekam einen erfahrenen Berater an die Seite gestellt. Natürlich nicht umsonst, hier verdiente quasi jeder an den Provisionen mit. Der Vermittler, also Olaf, der Anwerber, also sein Kollege, der Berater, der in der ersten Zeit die Abschlüsse tätigte, und natürlich der Geschäftsstellenleiter. Je mehr Außendienstler, die Geld hereinbrachten, desto höher die monatliche Provision des Chefs! Klang doch logisch.

Am schlimmsten war für Olaf die Akquise, also der Versuch am Telefon jemanden davon zu überzeugen, dass er einen Beratungstermin mit ihm vereinbaren möge. War das erst einmal erledigt, kam es in vier von fünf Beratungen auch zu einem Abschluss.

Olaf hatte innerhalb kürzester Zeit fünfhundert Einheiten erwirtschaftet und erhielt vor versammelter Mannschaft eine Urkunde vom Geschäftsstellenleiter und ein Buch von seinem Berater. Olaf war jetzt regelmäßig montags im Vertriebsbüro. Dann musste er wöchentlich mindestens fünf Gespräche vorweisen, dazu natürlich Beratungstermine. Nur so konnte Geld verdient werden.

 

Olaf hatte immer weniger Zeit für Annette, außerdem wurde diese Nebentätigkeit von Woche zu Woche stressiger, und so beendete er seine beginnende Karriere als Vermögensberater. Nach dem Mauerfall gab es natürlich in den neuen Bundesländern ein enormes Kundenpotenzial, das abgeschöpft werden musste. Olaf war froh, dass er das nicht mehr miterlebte.

Er merkte aber auch nicht, dass er sich unter anderem diese Tätigkeit mit ihren Terminen und Telefonaten als Hilfsmittel bei der Flucht aus der Beziehung zu seiner Verlobten Annette gesucht hatte.

 

Christa, Annette, Ulrich und Olaf fuhren jetzt regelmäßig einmal in der Woche zum Schwimmen ins nähere Umland. Einmal fuhren sie einen ganzen Tag lang mit einem Ausflugsschiff die Weser hinauf bis nach Bremerhaven. Ulrich war zu dieser Zeit bei Annettes Orthopäden in Behandlung und sah nicht nur wegen der im Schulter-Nacken-Bereich aufgeklebten Tapes nicht gut aus. Er wirkte angespannt, gereizt, und darauf angesprochen kamen immer nur irgendwelche Ausflüchte.

 

Olaf wusste nicht, was mit Ulrich los war, ob es die Schmerzen waren oder die schon drei Wochen andauernde Krankschreibung, und eigentlich war er auch viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Irgendwie kamen er und Annette miteinander auf keinen grünen Zweig. So langsam kam er selbst dahinter, dass er sich mit seinem Verhalten aus der Nähe zu seiner Verlobten flüchtete. Er machte sich zum ersten Mal Gedanken darüber, sich von Annette zu trennen. Aber es kam wieder einmal anders, als er sich das vorgestellt hatte.

 

Ulrich fragte eines Abends nach dem Schwimmen, ob er und Christa noch mit zu Olaf kommen könnten. Christa war von diesem Ansinnen sichtlich überrascht, zumal er dies vorher gar nicht mit ihr abgesprochen hatte. Olaf sah Annette an und diese nickte nur, also stimmte er zu. Was gab es denn noch so Wichtiges, das keinen Aufschub duldete?

 

Annette und Olaf waren mit Annettes Auto gefahren und die schwieg während der gesamten Rückfahrt. Olaf dachte die ganze Zeit über die Gründe für dieses Treffen nach, natürlich ohne Erkenntnis.

Was dann aber passierte, das erstaunte ihn kolossal! Und nicht nur ihn.

Nach einem Moment der absoluten Stille platzte es plötzlich aus Annette heraus. Sie und Ulrich hätten seit Monaten ein Verhältnis und wollten nun endlich reinen Tisch machen und sich von Olaf und Christa trennen.

Olaf verstand die Welt nicht mehr. Annette und sein bester, nein, ehemals bester Freund, hatten ihn und Christa betrogen. Annette hatte die olaffreie Zeit dafür genutzt, sich mit Ulrich zu treffen, bei ihr zuhause, sie hatte ja „sturmfreie Bude“, seit Simone bei ihrem Lebensgefährten wohnte. Er forderte beide auf, sofort zu gehen.

 

Zu Annette gewandt fügte er noch hinzu, dass er alle ihre Sachen, die sich noch in seinen Räumen befänden, einpacken und vor die Tür stellen werde. Dort könne sie die dann abholen. Ulrich besaß sogar noch die Frechheit, Christa nach Hause zu fahren. Über diese Fahrt wurde nie ein Wort verloren. Olaf, der eigentlich überhaupt keinen Alkohol trank, schenkte sich einen von Ollis stehengelassenen Whiskeys ein und rief dann bei Hartmut an. Es dauerte keine fünfzehn Minuten, da war er zur Stelle und fuhr mit dem weinenden und leicht angetrunkenen Olaf eine ganze Weile durch die Gegend und hörte ihm zu.

 

Durch Hartmut erfuhr Olaf auch, dass Ulrich in den Tagen nach der Trennung von Christa immer wieder hin und her schwankte, ob er zurückgehen oder bleiben solle. Er ist schließlich bei Annette geblieben, aber das war Olaf ganz egal.

Nun war also wieder einmal eine Clique auseinandergefallen, aber alle machten weiter wie bisher. Der Rest traf sich wie immer am Samstagabend, um essen zu gehen oder einfach nur zu reden. Aber nicht über die Beziehung von Annette und Ulrich, die jetzt natürlich nicht mehr kamen.

 

Olaf nahm sich eine lange Auszeit, um den zweifachen Verrat, aber auch den Verlust zu verarbeiten und zu trauern. Nein, er wollte nicht zurück in diese Clique. Er brauchte Abstand. Ulrich war ja nicht das erste Mal fremdgegangen und dann nach ein paar Wochen zu Christa zurückgekehrt. Er wollte ihm und auch Annette nie wieder begegnen, also beschloss er, auch die anderen Menschen loszulassen. Christa, Uschi, Hartmut und noch einige mehr, die immer mal wieder dabei waren.

Ja, Olaf stürzte in eine tiefe Lebens- und Sinnkrise. Da nutzte es auch nichts, dass sein alter Freund Olli zu der Zeit gerade Aufbaukurse zu positivem Denken, rhetorisch gewandtem Auftreten und allerlei Mehr eines amerikanischen Autoren besuchte und ihn mit dessen Büchern eindeckte.

 

Olaf brauchte etwas anderes und überlegte zum ersten Mal, ob er einen Psychotherapeuten aufsuchen solle. Aber nach zwei Sitzungen brach er die Therapie ab, er konnte sich nicht darauf einlassen. Vielleicht war es auch einfach nur der falsche Therapeut. Also den nächsten von der Liste, die er von seiner Krankenkasse erhalten hatte, anrufen und es ganz dringlich machen. Sowohl Patient*innen als auch die Therapeut*innen haben die ersten fünf Stunden Zeit, um zu entscheiden, ob „es passt“ oder nicht.

 

Aber hier hatte Olaf schon nach der ersten Stunde die Einsicht: Es passt nicht! Er suchte in seiner Verzweiflung weiter und probierte allerlei Dinge aus, um seiner Lethargie zu entkommen. Wenn er da schon gewusst hätte, dass es sich um eine Depression handelt, wäre er zu einem Neurologen gegangen und hätte sich wahrscheinlich auch ein Antidepressivum verschreiben lassen.

 

Eines Abends rief ihn Viola an. Er hatte schon lange nichts mehr von Annettes Arbeitskollegin gehört, die ja Ulrichs erstes Abenteuer war, in das er sich während seiner Zeit mit Christa stürzte. Olaf war angenehm überrascht, denn Viola war eine fröhliche junge Frau mit roten Haaren und Sommersprossen, und die beiden kannten sich ja auch schon fünf Jahre.

 

Olaf war der Einzige, der damals, als Ulrich aus der Beziehung geflüchtet war, immer mal wieder bei ihr angerufen und sich als Gesprächspartner oder Zuhörer angeboten hatte. Die beiden trafen sich einige Male, hielten es aber vor Annette geheim, damit diese nicht auf komische Gedanken käme. Jetzt wollte Viola sich bei ihm revanchieren und bot ihm ihre Hilfe an, egal was er braucht: ob Gespräche über das, was geschehen war, oder einfach mal zusammen Spazierengehen, Kaffeetrinken oder ruhig zusammensitzen und Musik hören.

 

Das hörte sich für Olaf gut an, aber für eine neue Beziehung war er noch nicht bereit. Denn keine Frau sollte einfach nur eine entstandene Lücke bei ihm füllen. Dafür war ihm auch Viola zu schade. Sie merkte sein Zögern und sagte sofort, dass sie nicht beabsichtige, die Situation auszunutzen, um sich an ihn „heranzumachen“. Aber sie könne sehr gut nachvollziehen, wie Olaf sich jetzt fühlen müsse nach diesen Lügen und dem Betrug. Und dann ausgerechnet von seinem Freund Ulrich, an den sie selbst auch keine gute Erinnerung habe.

 

Olaf entschuldigte sich für seine Gedanken. Er selbst hatte ja damals auch als Freund ohne jeglichen Hintergedanken gehandelt und verabredete sich tatsächlich mit Viola. Er lud sie zum Essen ein und es wurde ein sehr schöner Abend. Olaf konnte endlich einmal mit jemandem über seine Gefühle reden. Er erzählte ganz ehrlich davon, was in ihm vorging und dass er sogar bei verschiedenen Psychotherapeuten war. Viola hörte einfach nur zu, schüttelte manchmal nachdenklich den Kopf, um im nächsten Moment wieder zustimmend zu nicken. Ab und zu meldete sie sich auch ganz kurz zu Wort, auch als er von den Therapeuten sprach. Sie bat ihn inständig, noch einen Versuch zu unternehmen. Er musste es ihr versprechen.