Ronco - Die Tagebücher 25: Die Händler des Todes - Dietmar Kuegler - E-Book

Ronco - Die Tagebücher 25: Die Händler des Todes E-Book

Dietmar Kuegler

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Beschreibung

Eine furchtbare Krankheit wütet in Cornwall. Immer mehr Menschen werden von der Lepra heimgesucht. Camelot lernt den Mönch Alun kennen, der in seiner kleinen Dorfkirche ein besonderes Kreuz aufbewahrt. Camelot fasst einen gewagten Plan.Die Printausgabe umfasst 132 Buchseiten.

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Seitenzahl: 277

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RONCO

In dieser Reihe bisher erschienen

2701 Dietmar Kuegler Ich werde gejagt

2702 Dietmar Kuegler Der weiße Apache

2703 Dietmar Kuegler Tausend Gräber

2704 Dietmar Kuegler Apachenkrieg

2705 Dietmar Kuegler Das große Sterben

2706 Dietmar Kuegler Todesserenade

2707 Dietmar Kuegler Die Sonne des Todes

2708 Dietmar Kuegler Blutrache

2709 Dietmar Kuegler Zum Sterben verdammt

2710 Dietmar Kuegler Sklavenjagd

2711 Dietmar Kuegler Pony Express

2712 Dietmar Kuegler Todgeweiht

2713 Dietmar Kuegler Revolvermarshal

2714 Dietmar Kuegler Goldrausch

2715 Dietmar Kuegler Himmelfahrtskommando

2716 Dietmar Kuegler Im Fegefeuer

2717 Dietmar Kuegler Die Ratten von Savannah

2718 Dietmar Kuegler Missouri-Guerillas

2719 Dietmar Kuegler Höllenpoker

2720 Dietmar Kuegler Das Totenschiff

2721 Dietmar Kuegler Der eiserne Colonel

2722 Dietmar Kuegler Der Feuerreiter

2723 Dietmar Kuegler Die Ehre der Geächteten

2724 Dietmar Kuegler Der letzte Wagen

2725 Dietmar Kuegler Die Händler des Todes

2726 Dietmar Kuegler Das Massaker

Dietmar Kuegler

Die Händler des Todes

Diese Reihe erscheint als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2022 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-172-4Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Heiße Grenze

von Jim Elliot

4. Dezember 1881

Es ist schon fast ein Jahr vergangen, seit ich zu den Texas Rangers gestoßen bin. Mein Leben hat sich geändert, aber nicht verwandelt. Auch jetzt komme ich tagelang nicht aus dem Sattel, durchstreife wieder die Wüsten und Prärien, die mir aus meiner Verbannungszeit noch so gut in Erinnerung sind. Nur jage ich jetzt die Männer, von denen ich früher gejagt wurde.

Die kleinen Handlanger der großen Verbrecher, die dem Gesetz die Macht ihres Geldes entgegenstellen, haben keine Prämie mehr zu erwarten, wenn sie sich mir in den Weg stellen. Ich kämpfe nicht mehr um mein persönliches Recht und um ein gerechtes Schicksal. Der Stern der Texas Ranger verpflichtet mich dazu, für alle zu kämpfen, die guten Willens sind. Für das Gesetz, das jedem von uns Gerechtigkeit verspricht.

Nur das hat sich in meinem Leben verändert, der Sinn meines Kampfes. Die Strapazen und Anforderungen meines Daseins hingegen sind die gleichen geblieben. Vielleicht haben sie sogar noch zugenommen, wenn ich an meine letzten Aufträge denke.

Früher kämpfte ich gegen Männer, die mir ihr eigenes Gesetz aufzwingen wollten, die es skrupellos zurecht­bogen, weil sie die Macht dazu besaßen. Heute versuche ich, die Gemeinschaft vor dieser Willkür zu schützen.

Als ich dieses Tagebuch zu schreiben begann, war ich noch das Opfer einer korrupten Justiz. Ich wollte mich mit meinem Tagebuch rechtfertigen, meine Unschuld beweisen, etwas hinterlassen, aus dem andere lernen konnten. Rechenschaft ablegen vor mir selbst und meinen Nachkommen. Inzwischen bin ich rehabilitiert, aber damit ist der Sinn meines Tagebuchs nicht aufgehoben oder verändert worden.

Die kritische Auseinandersetzung mit sich selbst schärft den Blick für unsere Mitmenschen und vertieft das Verständnis für unsere Umwelt. Es ist gut, mit sich selbst hart ins Gericht zu gehen, ehe man über andere richtet. Ich verstehe jetzt mein Tagebuch als eine Notwendigkeit, mich ständig von neuem zu prüfen.

Wer den Stern trägt, muss das Gesetz vertreten, das Gerechtigkeit für jedermann verspricht. Früher, als Outlaw, hätte ich nur höhnisch darüber gelacht, wenn mir jemand gesagt hätte, Gesetz und Gerechtigkeit wären ein und dasselbe.

Doch in den Jahren davor, als ich noch Armee-Scout in Fort Calhoun in Texas war, hätte ich leidenschaftlich dagegen protestiert, dass die Welt mehr Unrecht kannte als Gerechtigkeit. Gab es denn ein besseres Ideal als die Gerechtigkeit, eine andere Möglichkeit, das Leben einer Gemeinschaft sinnvoll zu gestalten? Nein. Also musste auch die Welt so sein, wie ich sie mir vorstellte. Fehlerhaft zwar, aber im Großen und Ganzen in Ordnung.

Damals, im Frühjahr des Jahres 1866, begann die Auseinandersetzung mit jenen Männern, die das Gesetz mit Füßen traten und mich aus der Gesellschaft ausstießen. Ich musste erfahren, wie schwer es ist, sich an Ideale zu halten, wenn man ungerecht behandelt wird. Wie ­verdammt schwer das ist, trotzdem ein Mensch zu bleiben, der das Richtige tut. Was für eine verflucht schwere Aufgabe das sein kann, wenn man hungert, friert, kein Zuhause hat, verzweifelt ist.

Ich wusste noch nicht, dass diese Welt ständig darum kämpfen muss, einigermaßen in Ordnung zu bleiben. Und dass der Glaube an ein Ideal nicht viel wert ist, wenn er sich nicht in härtester Prüfung bewährt oder behauptet.

Heute bin ich bescheidener geworden. Die Gerechtigkeit ist schwer, aber keine unlösbare Aufgabe.

1.

„Bringen Sie ihn zurück“, hatte mir Colonel Hampton Lester befohlen. „Verhaften Sie ihn. Es wird Ihnen ja nicht schwerfallen. Er hat sich von seinem Stamm getrennt und ist allein unterwegs. Außerhalb seines Reservats wird er nicht weit gelangen.“

„Jawohl, Sir“, hatte ich erwidert. Das war vor einer Woche gewesen. Ich hatte den Apachen immer noch nicht verhaftet. Und ich konnte froh sein, überlegte ich erbittert, wenn ich allein nach Fort Calhoun zurückkehrte. Lebend.

Snakeman war ein Unterhäuptling der Chiricahua-Apachen, so alt wie ich und mindestens so zäh.

Er hatte mich in die Berge der Halcon Mountains gelockt, mich hinter sich hergezogen wie an einer unsichtbaren Leine. Mir blieb gar keine andere Wahl, als ihm zu folgen. Ich hatte meine Befehle und wurde dafür bezahlt. Außerdem stand Snakeman im dringenden ­Verdacht, mit einer Horde junger Krieger die Farmen am Rio Doro und am Eagle Pass überfallen zu haben. Mit modernen Spencer-Karabinern. Das war für mich der entscheidende Grund, warum ich die Verfolgung nicht aufgeben durfte. Snakeman musste von den Waffenschmugglern mit Gewehren versorgt worden sein, die ich schon seit einem halben Jahr unermüdlich verfolgte. Leider vergeblich bisher.

Jetzt hatte ich das verdammte Gefühl, dass ich Snakeman nur noch nachlief, um am Leben zu bleiben.

Aus der Verfolgung war ein Katz- und Mausspiel geworden.

Ich hatte mich schon gewundert, dass die Fährte nach Osten lief, statt nach Süden oder Westen. Er hatte sich in eine Richtung gewandt, die ihn von seinen roten Brüdern wegführte. Und das hatte ich nicht verstanden.

Ein Büffel läuft auch nicht von seiner Herde weg, es sei denn, er war krank oder wurde von dem Leittier aus der Gemeinschaft ausgestoßen. Snakeman war weder ein Ausgestoßener seines Stammes noch eine Rothaut, die sich in die Berge zurückzieht, weil sie ihren Tod nahen fühlt. Er war so gesund wie eine junge Bachforelle und so kräftig wie ein Berglöwe vor der Paarungszeit. Er lockte mich immer tiefer in die Canyons am Halcon Peak hinein, in eine öde, steinige Wildnis, in der es nichts zu holen gab, außer Schlangenbissen, Moskitostichen und Steinlawinen.

Damit hatte mich Snakeman gestern Morgen zur Begrüßung überrascht. Mit einer Steinlawine, der ich nur mit knapper Not entwischt war. Seitdem häuften sich die Pannen, bis ich allmählich begriff, warum er hierher geflohen war.

Er erfüllte offenbar ebenfalls einen Auftrag. Das Fort hatte nur einen Scout, auf den es sich verlassen konnte, und zwar mich. Denn Jicarilla, der zweite Scout, war für die Offiziere des Forts in erster Linie ein halber Apache und dazu noch die meiste Zeit betrunken, was allerdings seinen Blick für Spuren nicht trübte, aber manchmal seine Pflichtauffassung, wie ich zugeben muss.

Wenn ich also nicht mehr ins Fort zurückkehren würde, hätten es die rebellischen Apachen viel leichter als bisher, weiße Siedler in der Umgebung des Forts zu überfallen. Ohne mich war die Armee „blind.“ Vielleicht klingt das ein wenig überheblich. Aber seit sich die Übergriffe der Indianer am Rio Doro häuften, war ich der meistbeschäftigte Mann im Fort geworden, weil ich ein paar Jahre als Halbwüchsiger bei den Chiricahua gelebt hatte und ihre Sprache und Gewohnheiten recht gut kannte. Und wer Apachen verfolgen will, muss ihre Fährten lesen können. Soldaten lernten so etwas nicht. Sie suchten sie meistens dort, wo sie schon nicht mehr waren.

„Snakeman“, sagte ich laut, „wir haben als Kinder in derselben Sandkuhle gespielt. Ich kann dich ganz gut verstehen, dass du mich aus dem Verkehr ziehen willst. Aber ich hänge genauso am Leben wie du. Ich habe meinen Auftrag. Und zum Teufel noch mal, ich will mich nicht blamieren!“

Das dachte ich heute Morgen, als Snakeman mich von einem Plateau in der Schluchtwand aus unter Feuer nahm, während ich hinter einem Felsblock hervorkroch, um über einem rauchlosen Feuer einen Becher voll Kaffee aufzuwärmen. Ich hatte gesehen, wo sein Pinto angehobbelt war. Keine tausend Yards von mir entfernt, wenn auch unerreichbar, weil dazwischen ein ­unüberwindlicher Felsspalt klaffte.

Aber solange ich sein Pferd vor Augen hatte, das irgendetwas Grünes abweidete, konnte ich mir auch die Zeit für ein karges Frühstück nehmen. Ich hatte noch sechs Bis­cuits, eine Armeekonserve mit Cornedbeef und ein Säckchen mit Rohrzucker. Und einen Wasserschlauch, der so dünn war wie der Euter einer trockenstehenden Zuchtkuh. Er mochte vielleicht noch einen Liter Wasser enthalten, und wenn ich nicht bald eine Quelle erreichte ...

Tsuing-hui, machte es, und mein Wasserschlauch hatte ein Loch. Ich hatte ihn unvorsichtigerweise fallenlassen, als die erste Kugel über den Felsblock pfiff und mir nadelfeine Splitter ins Gesicht warf.

Ich sah ihn nicht. Er hatte sich so gut versteckt, dass ich den Rauch aus seinem Gewehr erst erblickte, nachdem er vom Wind weit abgetrieben war, aufgelöst zu einem dünnen Schleier.

Ich streckte mich, angelte verzweifelt nach meinem Wasserschlauch und trank so viel Wasser, wie ich konnte. Mit dem Rest spülte ich mir den Mund aus. Der bittere Geschmack blieb.

Klang ‒ klirr-kling!

Ich starrte auf den flachen Stein, wo ich mein Blechgeschirr abgestellt hatte. Im Stein klaffte eine helle Narbe. Mein Geschirr hüpfte über den Rand der schmalen Steinterrasse, die ich als Nachtlager gewählt hatte, rollte den Abhang hinunter und klirrte noch einmal hell auf, ehe es über eine Steilwand hinausschoss.

Amen, dachte ich ergeben. Es ist nicht ganz allein meine Schuld. Du musst mit einem Gewehr ausgerüstet sein, das ich noch nicht kenne. Dem allerletzten, allerneuesten Fabrikat irgendeiner renommierten ­Waffen­fabrik. Einem Repetiergewehr stark verbesserter Reichweite und Treffgenauigkeit.

Gut, dachte ich mit jäh aufkeimendem Zorn, während er offenbar sein Gewehr nachlud, ich habe kein Wasser und kein Geschirr mehr. Mein Pferd lebt zwar noch, aber das kann sich rasch ändern, wenn ich versuchen sollte, es zu satteln. Du hast mich offenbar hierhergelockt, weil du diesen Canyon für einen idealen Schießplatz hältst. Ich vermute, du willst mich hier auch beerdigen, den Geiern und Coyoten opfern und dann frohlockend zu deinen Auftraggebern zurückkehren und dir als Belohnung noch ein paar von diesen fabelhaften Feuerwaffen geben lassen, um noch mehr Farmer überfallen zu können, bis tatsächlich ein neuer Indianerkrieg ausbricht.

Soweit werde ich es nicht kommen lassen, dachte ich wütend. Und ich werde jetzt genau das tun, was du von mir nicht erwartest! Ich werde dich angreifen, und wenn ich das mit den Zähnen und den bloßen Händen erledigen muss!

Snakeman musste meine Gedanken gehört haben. Sein Gewehr ratterte dreimal hintereinander, und die Steinsplitter hagelten mir nur so um die Ohren.

Er ist verliebt in dieses Gewehr, dachte ich. Er sieht mich nicht und verschwendet nur seine Munition. Er schießt aus purem Übermut.

Ich kroch ein paar Yards weiter bis zu einer Stelle, wo ich durch einen Spalt zwischen den Felsblöcken die Nordwand der Schlucht übersehen konnte, die in bizarren Terrassen zum fahlgelben Morgenhimmel hinaufstieg. Ich war kein übler Kletterer. Ich musste nur wissen, wo er sich genau versteckt hielt, den toten Winkel abschätzen und ihn irgendwo festnageln.

Es war eine verfluchte Wand, steil und zerklüftet wie ein kalbender Gletscher. Und genauso nackt. Nicht ein einziger Busch in dem rotbraunen, zerklüfteten Gestein. Nur Steine jeder Größe und Form, die sich über- und nebeneinander zu einer fast unbezwingbaren Barriere türmten.

Nicht ganz, dachte ich, nicht, wenn man genauer hinschaute.

Aber zunächst musste ich wissen, wo dieser Bastard sich versteckte.

Ich hob meinen Spencer über den Kopf und schoss einfach in die Luft. Dreimal wie er, nur in längeren Abständen. Bei mir ging es nicht so rasch.

Es wirkte. Jeder Mensch hat seine Schwächen. Und eine Rothaut, die sich dem Sieg so nahe glaubt und in ein Spielzeug verliebt ist, lässt manchmal jede Vorsicht außer Acht.

Ich schätze, das ist eine angeborene Schwäche der Indianer: Ihr Nachlassen im letzten Augenblick, wenn sie den Erfolg schon mit Händen greifen können, ihre unsinnige Neigung, sich kindisch zu benehmen, nachdem sie tagelang mit grimmiger Ausdauer schier Übermenschliches geleistet hatten.

Snakeman war verliebt in sein Gewehr. Er schoss zurück, als sich noch der Pulverqualm über meiner Deckung zu einer dunklen Wolke ballte. Er sah nichts von mir, aber seine Kugeln tanzten zwischen den Steinen.

Ich sah ganz deutlich den bleckenden Strahl der Mündungsflammen zwischen zwei Felstürmen, die ich aus der Entfernung für eine glatte Wand gehalten hatte.

Zwei Felstürme, etwa fünfzig Yards höher als meine Deckung, und eine Lassolänge von der obersten Terrasse der Schluchtwand entfernt. Er musste von oben hinuntergeklettert sein und hatte gewartet, bis das Licht gut genug zum Zielen war.

Warum hatte er nicht gewartet, bis ich ganz aus meiner Deckung herausgetreten war?

Jagdinstinkt, dachte ich spöttisch. Mir zeigen, wie gut er mit seinem Feuerrohr umgehen konnte, bevor er mich zu den Geiern schickte.

Ich maß die Entfernung bis zur nächsten Stufe im Felsen mit den Augen. Vier Sprünge waren es mindestens. Ich musste über freien Fels hetzen, bis ich die Schluchtwand erreichte. Von dort aus ging es knapp zehn Yards senkrecht hinauf. Zwei Vorsprünge in einer Höhe von sechs Fuß. Dann ein Spalt, der schräg durch den Stein lief. Darüber ein schmales Felsband. Dann ein Überhang.

Ich hämmerte es mir ins Gedächtnis. Das Gewehr konnte ich nicht mitnehmen. Damit hätte ich mir spätestens auf halbem Weg nach oben das Genick gebrochen. Dort wurde es ganz schmal und kritisch. Aber dort begann der Felsenturm, hinter dem er sich versteckte. Ich vermutete, dass es sich um einen Felsenkamin handelte.

Junge, dachte ich böse, ich kenne auch ein paar Tricks!

Ich hatte ein paar dünne, feste Stricke mitgenommen. Eine ganze Rolle davon. Sergeant Tucker hatte sie mir mitgegeben, um den Unterhäuptling damit zu fesseln, wenn ich ihn einfing. Als sollte ich ihn wie einen zusammengerollten Teppich verschnüren.

„Warum so viel, Sergeant?“, hatte ich Tucker gefragt.

Der breitschultrige Rekrutenschinder hatte mich mit strafendem Blick gemustert.

„Da fragen Sie noch, Ronco? Haben wir es nicht im letzten Winter bei diesem frommen Quäkertreck nach Norden erlebt, wozu diese Hunde fähig sind?“

„Welche Hunde, Sergeant?“

„Diese roten Hunde! Diese rotgesottenen Teufel! Sie schneiden einem bei lebendigem Leib das Steißbein aus dem Hintern, wenn man nicht aufpasst oder sie nicht fest genug einwickelt.“

„Sie sprechen von den Comanchen, Sergeant? Die waren total betrunken. Sie dürfen auch einen Weißen nicht danach beurteilen, was er alles anstellt, wenn er nicht ganz bei Sinnen ist.“

„Pah, Ronco! Sie sind wohl nicht zu kurieren. Für Sie sind diese roten Teufel immer noch zivilisierte Menschen, wie?“

„Zuerst einmal Menschen. Mit Rechten, die besser sind als unsere, weil es ältere Rechte sind.“

„Ach, gehen Sie mir damit! Erzählen Sie mir bloß nicht solchen Stuss! Nehmen Sie das ganze Seil mit, Ronco. Und hängen Sie die Rothaut damit an Ihr Sattelhorn und schleifen Sie sie nach Fort Calhoun zurück. Die treiben das auch so mit unseren Soldaten, die sie fangen. Hängen Sie ihn ans Seil und lassen Sie ihn im Dauerlauf bis nach Fort Calhoun traben! Und schauen Sie sich nicht um, ob er auch folgt. Ich meine, wir werden ihn hier sowieso aufhängen.“

Ich hatte nichts mehr darauf gesagt, weil ich wusste, dass sich Tuckers Einstellung zu den Indianern nie ändern würde. Er dachte nicht darüber nach, warum die Apachen weiße Farmen niederbrannten und nicht immer appetitliche Leichen zurückließen. Wenn er nicht an die absolute Gerechtigkeit der Sache, für die er kämpfte, geglaubt hätte, wäre er ein schlechter Soldat gewesen. Außerdem hatte er mir bei dem Treck nach Norden das Leben gerettet. Aber es war nicht von den roten Teufeln bedroht worden, sondern von weißen Teufeln.

Sie kennen die Geschichte aus meinem letzten Tagebuchkapitel.

Ich holte die Seilrolle aus meinen Satteltaschen. Vielleicht tat sie mir jetzt gute Dienste.

Ich schob das Gewehr durch den Spalt zwischen den Felsblöcken meiner Deckung, hinter der ich immer noch wie ein Hase kauerte, der auf dem Feld von einer Treibjagd überrascht wird. Ich keilte das Gewehr mit ein paar kleinen Sandsteinbrocken fest, nachdem ich es auf die Stelle ausgerichtet hatte, wo die Schüsse von Snakeman zuletzt aufgeblitzt waren. Ich verband das Seil mit dem Repetierbügel, zog es um einen Stein herum, dass der Bügel sich frei bewegen konnte, zog wieder eine Schleife und verband sie mit dem Abzug.

Dann kroch ich, das Seil über der rechten Schulter, auf einen Busch zu, der der Nordwand der Schlucht am nächsten lag. Ich brauchte vielleicht zehn Sekunden für die freie Geröllstrecke bis zur Steilwand. Zehn lumpige Sekunden, von denen ich aber schon neun in der Ewigkeit verbringen konnte, falls Snakeman dort oben aufpasste.

Ich musste ihn von mir ablenken.

Ich zog an dem Seil und erschrak sogar selbst, als die Spencer in den Felsen losdonnerte. Die Kugel klatschte hoch über mir in die Wand, schlug roten Staub heraus und spuckte etwas Rauch.

Von oben folgte prompt die Antwort. Snakeman in seinem Felsenkamin lachte sich über meine sinnlose Munitionsverschwendung halbtot.

Sehr gut, dachte ich, und zog noch ein paarmal kräftig an der Leine. Der Pulverqualm legte sich wie eine Tarnkappe zwischen mich und die Rothaut hoch oben in ihrem Felsennest. Dann jagte ich los und spulte dabei das Seil ab.

Bei jedem Herzschlag, den ich noch spürte, musste ich ein Dankgebet gesprochen haben. Als ich die Schluchtwand erreicht hatte, küsste ich sogar den Stein ab, als wäre sie die Klagemauer von Jerusalem. Jetzt konnte mich Snakeman nicht mehr sehen, solange er sich nicht aus seinem Versteck herausbewegte. Und damit er das nicht tat, wollte ich auch weiterhin mit meinem fern­bedienten Gewehr herumböllern.

Ich zog mich hoch bis zu dem Felsvorsprung, den ich mir als ersten Tritt für den Aufstieg ausgesucht hatte. Das Seil zog ich locker hinter mir her. Ich hing im Schatten der Schluchtwand, farblos wie der Stein um mich herum. Die Sonne versteckte sich noch hinter den Felsen im Osten. Aber die Geräusche, die sich an den verwitterten Stellen im Felsen nicht vermeiden ließen, würden mich verraten. Ich zog wieder am Seil, das ich fast in seiner ganzen Länge abgespult hatte. Die Sache funktionierte noch. Aber das Gewehr musste seine Lage verändert haben. Ich zog erschrocken den Kopf ein. Um ein Haar hätte ich mich selbst erschossen.

Ich ließ das Seil los und fing fieberhaft an zu klettern.

Oben donnerte es wieder. Das war mir dieses Mal sehr willkommen, ich hatte eine kleine Steinlawine ausgelöst, als ich mit den Stiefelkappen im Grätschschritt zu dem Felsenband unter dem Kamineinstieg hinüberwechselte.

Dort hing ich einen Moment wie ein Hampelmann an einer straffgezogenen Schnur. Ich hatte die kritische Stelle erreicht, den kurzen Überhang vor dem Felsenkamin.

Aus der Nähe war dieses Hindernis beängstigend. Ich verfluchte mich jetzt, dass ich das Seil weggeworfen hatte. Ich konnte den Überhang nur bezwingen, wenn ich ihn seitlich umkletterte, mich oben festkrallte und dann die Beine nachzog. Aber dort gab es nichts, an dem man sich festkrallen konnte.

Ronco, dachte ich, vielleicht hatte Sergeant Tucker gewusst, was für ein leichtsinniges Huhn du bist. Deswegen hat er dir auch einen Patronengurt mit zwei Schulterriemen aufgeschwatzt.

Ich klammerte mich mit dem Kinn in einer Felsspalte fest, während ich mit fliegender Eile und zitternden Händen die beiden Schulterriemen vom Gürtel trennte und sie dann zusammenband.

Dann holte ich tief Luft und warf mit der rechten Hand die beiden zusammengebundenen Lederriemen um eine Felsnadel.

Teufel, da war wieder ein Dankgebet fällig!

Ich schob den verlängerten Schulterriemen unter meine linke Achsel, nahm vorsichtig die rechte Stiefelkappe aus der Felsspalte, wo ich Tritt gefasst hatte, und vertraute der Lederschlaufe vorsichtig zwei Drittel meines Gewichts an.

Es knackte ein wenig, aber das Leder hielt.

Es war verdammt ruhig geworden über mir. Hoffentlich schaute Snakeman mir nicht beim Klettern zu!

Man muss sich manchmal auch auf sein Glück verlassen, dachte ich, und nahm auch den linken Fuß aus dem Felsen.

Einen Moment schwebte ich nur an einem Stück Leder zwischen Himmel und Erde, pendelte im Wind und zog mich mit dem rechten Arm langsam in die Höhe, ganz langsam, als erwarteten mich ein paar giftstrotzende Klapperschlangen auf dem Sims vor dem Einstieg in den Kamin.

Dann, als das Leder wie eine brennende Zündschnur zu knistern anfing, streckte ich rasch den linken Arm aus, um einen Teil meines Gewichtes wieder auf den Felsen zu übertragen, während ich mit den Füßen ruderte, um irgendwo einen festen Tritt zu finden.

Ich wippte mit den Knien nach, schlug den rechten Arm um die Felsnadel und drückte mich mit zusammengebissenen Zähnen nach oben. Dann lag ich wie ein angeschwemmter Walfisch auf dem schrägen Überhang und japste nach Luft.

Eine Kugel fauchte von oben herunter und sägte nur einen Zoll von meiner linken Schulter entfernt Stein­splitter aus dem Überhang.

Er hatte mich entdeckt! Ich war ihm inzwischen so nahe, dass er nur ein paar große Steine zu lösen brauchte, um mich in die Tiefe zu fegen.

Ich löste den Knoten der Riemen, die mich jetzt an den Felsen fesselten, mit den Zähnen wieder auf und warf mich nach vorn.

Ich erreichte gerade noch rechtzeitig die Deckung, ehe die Steinlawine niederdonnerte, die mich zerschmettern sollte.

2.

Er hatte nur das Gewehr, und ich hatte nur einen Colt. Aber in dieser engen Röhre, in der wir uns belauerten, war der Colt die weitaus bessere Waffe.

„Gib es auf, Snakeman!“, rief ich ihm in seiner eigenen Sprache zu.

„Ich denke nicht daran, gelber Falke!“, rief Snakeman von oben zurück, ebenfalls in seiner Sprache. Wörtlich übersetzt, hörte sich seine Antwort folgendermaßen an: „Der Große Geist wird mir den Sieg über dich geben und dich zu deinen Ahnen schicken!“

„Ich brauche dich lebend, Snakeman. Aber wenn du mich dazu zwingst, schicke ich dich ebenfalls in die Ewigen Jagdgründe!“

Er hatte nur noch ein paar Patronen für sein wunder­volles Gewehr, während mein Gürtel mit 45er-Colt-­Munition gespickt war wie die Haut eines Stachelschweins mit spitzen Hornnadeln.

Ihm gingen auch die Steine aus, die er nun schon seit einer halben Stunde auf mich herunterprasseln ließ. Ich konnte diesen Geschossen bequem ausweichen, weil sie nicht im Zick-Zack herumjagten wie die verdammten Querschläger, mit denen er es anfangs versucht hatte. Dabei hätte er mich um ein Haar erwischt.

Ich war im Vorteil, und Snakeman wusste das. Ich kontrollierte von meinem Versteck aus den Ausstieg aus dem Felskamin. Und sobald er hinter seiner Deckung aufzustehen versuchte, schickte ich ihm eine 45er Kugel hinauf. Die tobte sich über seinem Kopf aus wie eine wild gewordene Hornisse. Ich wollte ihn lebend, sonst hätten ihn meine Querschläger längst umgebracht. Ich brauchte nur ein bisschen tiefer zu halten.

„Gib es auf, Schlangenmann!“, rief ich. „Ich möchte dein neues Gewehr sehen!“

„Hol es dir!“, rief die Stimme des Unterhäuptlings von oben.

„Ich nehme dich beim Wort!“

Ich lud die Trommel meines 45er nach und hantelte mich nach oben. Ich brauchte nur die Ellenbogen dazu und meine Knie. Den Colt konnte ich immer auf seine Deckung richten. Er hatte keine Steine mehr zum Werfen. Vielleicht steckte noch eine Patrone in der Kammer seines Gewehrs, die er sich bis zum Schluss aufheben wollte, sobald ich die Plattform am oberen Ende des Kamins erreicht hatte.

Aber er empfing mich mit einem stoßbereiten Messer.

Ich wollte ihn lebend haben. So hatte es mir der Colonel empfohlen. Aber Snakeman schien jetzt den Tod zu suchen, weil er sich auf mich warf, obwohl ich ihm aus dieser Nähe den Kopf vom Hals hätte schießen können.

Ich schoss knapp daneben, um ihn einzuschüchtern und mit dem Knall zu betäuben. Stattdessen zerriss ich mir beinahe selbst die Trommelfelle.

Er duckte sich und zielte mit dem Messer nach meinem Bauch.

Ich parierte den Stoß mit dem Lauf meines Colts. Und dann schlug ich zu, als er sich abduckte, um meinen Schuss abzuwarten. Ich schmetterte ihm den Griff meines Peacemaker-Colts auf den Hinterkopf und fing ihn auf, ehe er in den Kamin abstürzen konnte.

Als er wieder erwachte, hatte ich ihm die Hände auf den Rücken geschnürt ‒ mit den beiden Schulterriemen.

*

„Willst du mir nicht sagen, von wem du dieses Gewehr erhalten hast?“

Er saß auf seinem Pinto, und sein Gewehr steckte in meinem Sattelschuh. Ich hatte ihm das Seil, das mir Sergeant Tucker mitgegeben hatte, mit einem Slip­knoten um den Hals gelegt. Und wir ritten auf demselben Weg zurück nach Westen, auf dem er mich in die Berge gelockt hatte.

„Ich kann mir vorstellen, Schlangenmann, dass du nicht gern mit einem Strick um den Hals sterben möchtest, angegafft von uniformierten Bleichgesichtern. Ich könnte mir denken, dass dieses Seil, an dem ich dich jetzt festgebunden habe, reißen könnte. Irgendwo zwischen den Halcon Mountains und dem Rio Doro. Vielleicht an dem Fox Canyon, der zum Rio Grande und hinüber nach Mexiko führt. Ich könnte es mir gut vorstellen, wenn ich den Namen der Männer erfahre, die dir so ein prächtiges Gewehr verschafft haben. Ein Repetiergewehr mit einem Fernrohr darauf. Nun?“

Der Unterhäuptling saß auf seinem Pinto, die Schlinge meines Seils um den Hals, die Hände auf dem Rücken gebunden. Ich ließ das Seil ziemlich locker, damit er meinen guten Willen spürte. Aber statt mir den Namen dieser Bleichgesichter zu nennen, die mir schon seit einem halben Jahr zusetzten, stimmte er ein indianisches Klagelied an.

„Ich will kein Lied hören!“, rief ich gereizt. „Sondern die Namen der Halunken, die dich und deine Krieger mit Gewehren ausgerüstet haben. Das sind Waffen­schmuggler, die gegen unsere Gesetze verstoßen. Ich möchte dich sehen, wenn wir ein paar Skalpjäger in eure Dörfer ins Reservat schicken würden, die mit Armee­gewehren bewaffnet sind und deine Schwestern und Brüder mit unseren Gewehren abschlachten! Das hast du getan, wie du weißt. Du hast friedliche Bleichgesichter in ihren Häusern am Rio Doro überfallen und abgeknallt wie Wild. Trotzdem würde ich dir die Freiheit schenken, wenn du mir die Namen nennst!“

Er hörte mir überhaupt nicht zu. Je lauter ich redete, umso lauter sang er das Totenlied der Chiricahua: Eine monotone Folge von an- und abschwellenden Tönen, die sich endlos wiederholten.

„Du glaubst mir nicht? Du weißt, dass ich noch nie mein Wort gebrochen habe. Ich verstoße sogar gegen die Befehle meines obersten Häuptlings, sobald du mir die Namen nennst! Oder sie mir wenigstens beschreibst, wie sie aussehen, wo sie wohnen, wo sie sich mit euch getroffen haben. Das genügt mir schon, Schlangenmann!“

Er sang stur weiter.

Es war zum Verrücktwerden. Ich verlor allmählich die Geduld mit ihm.

„Sie werden dich im Fort an einem Galgen aufhängen, wenn du nicht redest! Und sie werden dafür sorgen, dass deine Seele nicht zu deinen Vätern einkehren kann, sondern ruhelos auf der Erde herumirren muss! Willst du das? Dann musst du nicht ganz richtig im Kopf sein, Schlangenmann!“

Das zeigte immerhin Wirkung und bewies mir, dass er durchaus hörte, was ich hinter ihm brüllte. Er zuckte zusammen und presste die Fersen in die Weichen des Pinto, dass sich die Schlinge um seinen Hals bedenklich zusammenzog. Doch dann fuhr er mit seinem monotonen Singsang fort, als er wieder Luft kriegte.

Er glaubte mir kein Wort. Das kränkte mich, weil wir uns gut verstanden hatten, als seine Leute sich noch friedlich im Reservat mit dem Kommandanten von Fort ­Calhoun auseinandersetzten, wenn sie Beschwerden hatten. Und Beschwerden hatten sie oft genug gehabt.

Er glaubte, dass ich ihn genauso betrügen wollte wie die Lieferanten, die von der Regierung dafür bezahlt wurden, die Apachen mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Mit gutem Geld für verdorbenes Fleisch und verschimmelten Mais, bis wir diese Halunken zum Teufel jagten. Sie hatten mir immer vertraut, bis die ersten Feuerwaffen ins Reservat geschmuggelt wurden und die Überfälle auf die weißen Siedler begannen. Seitdem schienen sie nur noch einer Sorte von Bleichgesichtern zu vertrauen: Den Waffenschmugglern.

Verwunderlich ist es nicht, dachte ich wütend, während ich die Waffe in meinem Sattelschuh betrachtete. Es war ein nagelneues Spencer-Gewehr, ein besseres Modell, als die Regierung an die Armee lieferte. Von den Waffenschmugglern hatten die Apachen nur erstklassige Ware erhalten. Das musste sie davon überzeugt haben, dass diese Bleichgesichter es nur „gut“ mit den Indianern meinten.

Natürlich meinten sie es schlecht mit ihnen. Sie wollten die Apachen dazu verleiten, einen Krieg anzufangen, damit sie dann reißenden Absatz für ihre Ladenhüter fanden, alte Gewehre aus dem Bürgerkrieg, die jetzt nutzlos in ihren Depots herumlagen. Denn Friedenszeiten sind flaue Zeiten für Waffenhändler.

Aber keine Rothaut opfert das Heil seiner Seele für ein nagelneues Repetiergewehr. Nicht für tausend ­Repetiergewehre. Nicht für eine Million. Das Heil seiner Seele ist einem Indianer mindestens so wichtig wie für einen Christen. Ich wage zu behaupten, sie ist ihm wichtiger als einem Durchschnittschristen.

Schlangenmann musste nicht mehr ganz richtig im Kopf sein, dass er sich lieber hängen ließ als die Namen der Waffenschmuggler zu verraten.

Oder er glaubte, ich würde nie mit ihm zusammen Fort Calhoun erreichen.

Aber ich schaffte es und überzeugte mich selbst, dass er im Arrestblock in die ausbruchsicherste Zelle gesperrt wurde, ehe ich mich bei Colonel Lester zurückmeldete.

*

„Das hatte er bei sich, Sir.“

Ich legte das Spencer-Gewehr feierlich auf den Schreibtisch des Kommandanten.

Er betrachtete es schweigend von allen Seiten, nahm es auf, blickte durch das auf dem Lauf befestigte Fernrohr und schüttelte den Kopf.

„Wer gibt so etwas den Indianern in die Hand?“

„Soviel ich weiß, Sir, ist die Waffenfabrik von Spencer noch bis zum Dach voller Karabiner, Kaliber 52. Für diese Fabrikanten endete der Bürgerkrieg immer noch zu früh.“

„So eine Spencer habe ich während des Krieges nie in der Hand gehabt, Ronco. Sie haben das Magazin und die Kammer verbessert. Und diese Zieleinrichtung, damit würde ich nur meine besten Scharfschützen ausrüsten!“

„Apachen sind geborene Scharfschützen. Allerdings nur mit Pfeil und Bogen. Aber mit diesen Dingern könnte nicht mal ein Blinder danebenschießen.“

„Sie haben recht. Zuerst waren es nur alte Sharps. Dann kamen die Volcanic-Repetiergewehre mit ausgeleierten Läufen. Und nun das: Funkelnagelneue, verbesserte 52er Spencer-Modelle. Am Ende werden die Indianer noch mit Gatling Guns und Haubitzen versorgt. Unglaublich!“

„Ich sagte schon damals, Sir, als Jerome Vanderbilt hier auf dem Exerzierplatz gehängt wurde, dass er die Namen der Waffenschmuggler nicht preisgeben würde. Nicht einmal auf dem Schafott. Weil diese Leute, gegen die er vergeblich zu konkurrieren versuchte, so mächtig sind, dass sie ihn selbst über den Tod hinaus bestrafen konnten.“

„Wie bitte?“, erkundigte sich Colonel Lester mit einem leisen sarkastischen Unterton.

„Sie drohten ihm, seine Familie umzubringen, wenn er uns auch nur einen Namen nenne. Und wenn er den Mund hielte, bis er baumelt, versprachen sie ihm eine lebenslange Pension für seine Witwe und seine Kinder. Die Witwe lebt sehr gut in ihrem Haus in Corpus Christi, wie ich hörte, Sir. Weitab von den Apachen und Comanchen, die mit geschmuggelten Spencergewehren bewaffnet werden.“

„Aber dieser Snakeman, den Sie heute eingebracht haben, er wird doch reden!“

„Weshalb sollte er?“

„Wir verweigern ihm ein Begräbnis nach Indianerart. Dieses Mittel zieht immer!“

„Diesmal nicht, Sir. Ich habe es schon auf den Ritt hierher versucht. Ich versprach, ihn laufenzulassen, wenn er mir die Namen seiner Lieferanten nennt.“

„Das hätten Sie getan, Ronco? Sie hätten meinen Befehlen zuwidergehandelt!“

„Ich bin Zivilist, Sir, und benutze manchmal meinen eigenen Kopf, um zu entscheiden, was richtig ist und was falsch.“

„Ich hätte Sie fristlos entlassen!“

„Sie hätten gar nichts davon erfahren, Sir“, erwiderte ich gelassen. „Ich hätte Ihnen die Namen der Schmuggler genannt, und das wäre gleichbedeutend gewesen mit einer gewonnenen Schlacht über alle aufständischen Indianer entlang der Grenze.“

„Wenn Sie das Major Fly erzählen, dreht er Ihnen sicher einen Strick daraus.“

„Ich erzähle es ja auch nur Ihnen, Sir. Die Belieferung der Indianer mit immer besseren Waffen wird zentral von irgendeinem Ort jenseits der Grenze gesteuert. Ich tippe auf Mexiko. Dort bestehen günstige Transportmittel nach Norden, wenn wir den Ausbau der Eisenbahnen bedenken. Über die Union Pacific und ihre Nebenstrecken in Colorado und Utah könnten leicht und rasch größere Mengen Karabiner aus den überquellenden Depots der ausgemusterten Yankee-Truppen in die Rocky Mountains transportiert werden. Selbst von Boston aus, dem Sitz der Spencer-Fabrik, ist es mit der Eisenbahn nur ein Katzensprung bis an die Grenze zwischen Texas und New Mexico. Ich vermute, da operierten höchst angesehene Geschäftsmänner in weißem Kragen und luxuriösen Büros, die nachts ruhig schlafen können, weil sie Indianer nur vom Hörensagen kennen. Für diese Leute ist das alles nur eine Frage des Umsatzes und des Profits, Sir.“

„Sie sind noch zu jung dazu, sich so ein Urteil zu erlauben!“

„Ich war alt genug, Sir, um im Bürgerkrieg zu erleben, wie die Stiefelsohlen im Schnee steckenblieben, weil sie nicht richtig am Oberleder befestigt waren. Oder wie ein ganzes Bataillon von Soldaten sterben musste, weil es mit Gewehren aus einer Lieferung ausgerüstet worden war, die beim dritten Schuss buchstäblich explodierten. Fehlerhaftes Material für teures Geld, im Voraus bezahlt. Nicht Schlamperei, sondern ganz bewusster Pfusch!“

„Ich habe auch davon gehört, Ronco. Das passierte auf beiden Seiten der Front.“

„Auf beiden Seiten gab es Kriegsgewinnler. Verbrecher, die sich am Elend anderer bereicherten.“

„Aber dieses Gewehr ist erstklassig! Sie können doch nicht behaupten, es handle sich hier um dieselben Leute, die damals ...“

„Doch“, unterbrach ich ihn hitzig, „es steckt die gleiche Absicht dahinter. Ob ich nun in Zeiten stürmischer Nachfrage absichtlich schlechte Ware liefere, um mich zu bereichern, oder ob ich in einer Flaute mit erstklassiger Ware künstlich eine Nachfrage erzeuge, bleibt sich gleich. Vergessen wir nicht, wer mit der erstklassigen Ware beliefert wird, Sir. Die Indianer, für die der Kauf und Verkauf von Feuerwaffen gesetzlich untersagt ist. Diese Leute stellen immer den Profit über das Gesetz.“

„Die Waffenschmuggler, die Ihnen seit Monaten im Kopf herumspuken?“

„Genau die.“