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Diana ist schon als Schülerin Lukas Sommer aufgefallen. Gezielt wird ihr Umfeld manipuliert, so dass es gelingt, dass sie von ihren Klassenkameraden gemieden wird.
Nur Thorsten Hellmann steht ihr zur Seite. Aber auch er ist nicht der Draufgänger, so dass er mehr im Hintergrund steht und auf ihre Signale wartet.
Nach dem Abitur wird Lukas aggressiver. Er will nun endlich seine fixe Idee verwirklichen und Diana zu seinem Besitz machen. Ungewollt bringt er aber damit Diana und Thorsten näher zusammen.
Lukas will sie als seine Sklavin in Besitz nehmen und setzt sie fest, um sie mit Zwang zu überreden. Glücklicherweise kann Thorsten sie befreien und bringt sie in Kontakt mit seinen Freunden Sonja und Rainer, dem Thorsten bei seiner Gesundung hilft.
Vor allem Sonja erkennt das schwache Selbstbewusstsein von Diana. Da Sonja aktiv Judo betreibt, übernimmt sie es, Diana durch den Sport aufzubauen.
Lukas nimmt den Rückschlag, wie er es sieht, nicht hin und versucht weiterhin, Diana in seine Gewalt zu bringen. Schließlich gelingt es ihm auch und Diana bleibt verschwunden. Je länger sie in Lukas Gewalt ist, desto stärker werden ihre Zweifel auf Hilfe.
Allein Sonja sieht noch eine Möglichkeit, Diana wieder zu finden. Allerdings müsste sie dafür einen Weg gehen, der bei ihr große Zweifel hervorruft.
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Veröffentlichungsjahr: 2020
Liebe Liveta. Wieder einmal hast du mir mit deinen Ideen und Kommentaren beim Schreiben sehr geholfen. Manchmal hast du mir auch den Kopf wieder in die richtige Richtung gedreht, wenn ich nicht weiterkam. Wieder meinen ganz herzlichen Dank dafür.
Ich erzähle eine Geschichte, keinen Tatsachenbericht.
Wegen der expliziten Beschreibungen ist sie für Leser (m/w/d) ab 18 Jahren geeignet.
Alle hier vorkommenden Personen sind erwachsen und frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind nicht beabsichtigt.
Es werden auch Aktionen aus dem Bereich BDSM beschrieben.
Bitte denken Sie immer an die Grundsätze bei BDSM:
Gegenseitiges Einverständnis, bewusste Akzeptanz und vor allem Sicherheit.
Ich möchte in dieser Geschichte auch auf die Risiken bei BDSM hinweisen, besonders durch falsches Denken. Deswegen betone ich den Sicherheitsaspekt so häufig. Wenn es richtig gelebt wird, ist es schön.
Wer aber nur mal ausprobieren will, sollte sich vorher sehr genau damit auseinandersetzen. Vielleicht gefällt eine Sequenz und man möchte sie nachmachen. Gern. Aber man überlege sich bereits beim Anlegen von Fesseln, wie und wie schnell man sie wieder lösen kann.
Diese Geschichte ist eine unabhängige Weiterführung von „Sklavenliebe“. Wer diese Geschichte bereits kennt, wird sich freuen, die Personen von dort hier wiederzufinden. Diesmal mit dem Fokus auf die Erlebnisse von Diana und Thorsten.
Es würde mich freuen, wenn diese Geschichte gefällt.
Diana ist schon als Schülerin Lukas Sommer aufgefallen. Gezielt wird ihr Umfeld manipuliert, so dass es gelingt, dass sie von ihren Klassenkameraden gemieden wird.
Nur Thorsten Hellmann steht ihr zur Seite. Aber auch er ist nicht der Draufgänger, so dass er mehr im Hintergrund steht und auf ihre Signale wartet.
Nach dem Abitur wird Lukas aggressiver. Er will nun endlich seine fixe Idee verwirklichen und Diana zu seinem Besitz machen. Ungewollt bringt er aber damit Diana und Thorsten näher zusammen.
Lukas will sie als seine Sklavin in Besitz nehmen und setzt sie fest, um sie mit Zwang zu überreden. Glücklicherweise kann Thorsten sie befreien und bringt sie in Kontakt mit seinen Freunden Sonja und Rainer, dem Thorsten bei seiner Gesundung hilft.
Vor allem Sonja erkennt das schwache Selbstbewusstsein von Diana. Da Sonja aktiv Judo betreibt, übernimmt sie es, Diana durch den Sport aufzubauen.
Lukas nimmt den Rückschlag, wie er es sieht, nicht hin und versucht weiterhin, Diana in seine Gewalt zu bringen. Schließlich gelingt es ihm auch und Diana bleibt verschwunden. Je länger sie in Lukas Gewalt ist, desto stärker werden ihre Zweifel auf Hilfe.
Allein Sonja sieht noch eine Möglichkeit, Diana wieder zu finden. Allerdings müsste sie dafür einen Weg gehen, der bei ihr große Zweifel hervorruft.
Dank
Vorwort
Zum Buch
Inhalt
Vergangenheit mit 16
Vergangenheit mit 17
Abitur
Schuld …
… und Sühne
Versuch
Zweifel im Kampf
Geschenk
Zweifel am Leiden
Lernen
Freundinnen
Veränderungen
Hölle und Himmel
Letzte Alternative
Versprechen
Konsequenzen
Epilog
Nachdenklichkeit als Nachwort
‚Sweet little sixteen‘. Der Liedtext von Chuck Berry ging ihr nicht aus dem Kopf.
‚Everybody wanna dance with sweet little sixteen’.
Und heute Abend würde sie auf ihrer ersten richtigen großen Klassenfete sein. Es würde getanzt werden und vielleicht … auch geküsst.
Diana war aufgeregt, als sie ihren Rucksack neben ihren Schreibtisch stellte.
Das Abschlussfest der gesamten Klassenstufe. Und die nächsten beiden Jahre würden im Zeichen von Abitur und Punktejagd stehen. Deswegen wollte die Klassenstufe am Abend die Party veranstalten.
‚Everybody wanna dance with sweet little sixteen’.
Sie freute sich auf den Abend. Das Lied passte ganz einfach. Diana war 16 und sie wollte tanzen. Und sie wünschte sich einen netten Tanzpartner. Bisher hatte sie nie Gelegenheit gehabt. In der Klasse war sie eher als Streberin und Außenseiterin verschrien.
Dieses Schuljahr war vorüber. Morgen gab es noch die Zeugnisse und dann waren 6 Wochen Ferien. 6 Wochen, in denen sie sich ihr Taschengeld durch einen Ferienjob aufbesserte. Natürlich hatten ihren Eltern ihr den Job angeboten. Die hatten immer genug Arbeit zu vergeben und technische Zeichnungen und Berechnungen lagen ihr. Das machte sie nun schon seit drei Jahren. Und sie war ganz gut, wie sie fand. Ihre Eltern hatten bisher nichts zu mäkeln gefunden.
Natürlich wollte sie auch an den Baggersee, und etwas im Garten liegen war ebenso in ihrer Planung für die nächsten Wochen. Alles in allem werden es wieder ruhige Sommerferien in Balkonien, dachte sie. Groß weggefahren sind wir in den letzten Jahren nicht. Die Firma, war das klassische Argument der Eltern gewesen, gefolgt von ‚keine Zeit‘ und ‚ist sowieso nur reiner Touristennepp‘. In den Ferien büffeln brauchte sie nicht. Lernen konnte sie gut. Besonders Mathe und ähnliche Fächer lagen ihr. Dafür hatte sie mehr Probleme mit den Sprachen. Das nervte sie regelmäßig.
Die Welt der Zahlen war so einfach. Hatte man die Formeln begriffen, war es Schablone. Aber Englisch? Mit diesen dämlichen unregelmäßigen Verben und diesen blöden Idioms. Das war reines auswendig lernen. Und wenn man meinte, ein System entdeckt zu haben, dann lief das nächste Wort wieder aus dem Ruder. Warum konnten Menschen nicht in Zahlen reden? Das war universell und so einfach.
Aber heute Abend war die große Klassenparty. Alle drei Parallelklassen ihrer Stufe an dem Gymnasium hatten zusammengelegt und die Aula in der Schule gebucht. Die Schulband kam dazu und dann würde man heute ‚die Sau rausgelassen‘. Party, Party, Party!
Auch, wenn die Klassenlehrer dabei waren, so als Aufsicht und so, würde es ein toller Abend. Das mit der Aufsicht war angeblich notwendig. Von wegen erst 16 und nicht volljährig. Und um 22 Uhr würde auch noch nicht Schluss sein. Aber egal. Mit denen kam man gut aus. Und einige würde man in den nächsten beiden Jahren wieder haben.
Die Hauptsache war, dass sie am Abend etwas erleben konnte. Und vielleicht würde sie auch einen Jungen kennenlernen, mit dem sie etwas mehr erlebte, als nur das Reden über Schulisches.
‚Sweet little sixteen‘.
Diana summte die Melodie mit, als sie unter der Dusche stand.
Das Haus war leer. Wie üblich arbeiteten ihre Eltern noch. Vor ein paar Jahren hatten sie sich selbständig gemacht und kämpften nun mit den Aufträgen. Eigentlich lief es gut. Die beiden galten als eingespieltes Team und lieferten gute, sogar sehr gute Arbeit. Die beiden hatten nur ein winzig kleines Problem. Beide waren absolute Praktiker und Asse bei technischen Problemen. Aber keiner hatte große kaufmännische Erfahrung.
Diana sah es etwas kritischer. Nach ihrem Empfinden wurden ihre Eltern oft über den Tisch gezogen, wie es so schön hieß.
Aber eine Bürokraft wollten sie auch nicht einstellen. Vielleicht, wenn sie noch mehr Aufträge hatten und Verstärkung brauchten.
Aber im Moment ….
Diana grinste. „Der Tag hat 24 Stunden und wenn das nicht reicht, kommt noch die Nacht dazu“, hatte sie einmal zu den Eltern gesagt. Die hatten sie verständnislos angesehen. „Nicht zu vergessen, die Pausen“, hatte sie noch nachgeschoben. Dann hatten alle den Kopf geschüttelt. Die Eltern, weil sie nicht verstanden, worauf Diana hinaus wollte und Diana, weil die Eltern nicht die Anspielung auf den 16-Stunden-Tag bei ihrer Arbeit verstanden.
Wahrscheinlich saßen sie auch jetzt noch auf der Baustelle und tüftelten an Details. Wieder rollte Diana mit den Augen. Allein die simple Mathematik bewies doch, dass bei dem Stundenaufwand der beiden die Abrechnung an den Kunden nach Stunden und nicht nach Tagen besser war.
‚Sweet little sixteen‘, sang Diana, als sie ihr neues Kleid aus dem Schrank holte. Bronzefarbene gecrashte Seide. Am Oberkörper ein etwas hellerer Farbton, bis zur Taille eng anliegend und dann locker gebauscht fallend. Knielang und von oben nach unten dunkler werdend. Sie fand das Kleid einfach Klasse.
Diana grinste. Heute gab es noch eine Feier. Auch, wenn ihr AA-Cup noch nicht ganz gefüllt war von ihrer Brust, würde sie heute Abend erstmals ohne Taschentucheinlage gehen. Ihre beiden Wespenstiche als Brust waren ihr persönlicher Schandfleck. Ihre Mutter trug D und sie füllte mit 16 noch nicht einmal AA richtig aus. ‚Knabenhafte Figur‘ hieß es immer beschönigend von Mutter. Verdammt, ich bin ein Mädchen und möchte mich auch wie ein Mädchen fühlen. Zumindest schafft der BH eine Illusion.
Im Internet hatte sie schon alles Mögliche gelesen, wie man das Wachstum der Brüste stimulieren konnte. Außer Chemie und Implantate hatte sie alles versucht. Massagen, harte Wasserstrahlen, egal was – nichts wirkte.
Wenn sie da an ihre Klassenkameradinnen dachte, wurde sie manchmal neidisch. Alle hatten mindestens A oder B und sie? Nur Wespenstiche.
Aber dafür wurde sie als schlank und sportlich bezeichnet. Na toll. Was bringt das, wenn man sich nicht als Frau fühlen kann. Mit einem zusammengerollten Socken im Schritt komme ich ja noch eher als Junge durch.
Nur in neuer Spitzenunterwäsche gekleidet, stand sie im Badezimmer noch eine Viertelstunde vor dem Spiegel und bürstete sich die langen glatten Haare, bis sie knisterten. Danach wurde noch ein Hauch Make-Up aufgetragen. Diana gönnte sich da nur wenig. Sie bevorzugte den natürlichen Look und nahm Make-Up nur zur Untermalung oder Betonung. ‚Akzente setzen‘ hatte es die Mutter einer Klassenkameradin ihr einmal erklärt. ‚Spachtelmasse und Farbeimer gibt es im Baumarkt‘, hatte sie damals gelacht, als sie ihrer Tochter und Diana eine Einführung in Make-Up gegeben hatte. Und Diana hatte die Empfehlungen als toll und für sie als passend im Kopf behalten.
Passend zum Kleid zog sie am Ende noch leicht erhöhte Riemchensandaletten aus bronzefarbenem Leder an. Hohe Schuhe mochte sie nicht unbedingt. Da hatte sie zu wenig Übung. Sie fühlte sich unsicher auf den ‚Stelzen‘, wie sie die hohen Absätze nannte. Außerdem war mit den Schuhen der Weg zur Schule, wo der heutige Ball in der Aula stattfinden würde, wesentlich einfacher.
Schließlich waren es nur fünf Querstraßen, die sie zu queren hatte von zu Hause aus. Das waren kaum 10 Minuten Fußweg. Also würde sie weder ein Taxi noch sonst ein Fahrzeug brauchen. Regen war auch für die Nacht nicht angekündigt. Also war es so viel einfacher, weil ihre Eltern sowieso nicht verfügbar waren.
Dianas Mundwinkel bogen sich nach unten. Erneut grummelte sie darüber, dass ihre Eltern es vorzogen, sich auf der Baustelle mit einem Problem herumzuschlagen, anstatt ihrer Tochter ein paar aufmunternde Worte mitzugeben. Nicht einmal die Motivation, dass sie gut aussah, bekam sie. Alles muss man selber machen, dachte sie, als sie in den Spiegel sah.
„Diana, mein liebes Kind. Du siehst heute umwerfend auf. Die Jungs werden sich um dich drängen. Los, zeig’s denen“, fistelte sie mit leiser Stimme als sarkastisches Imitat ihrer Mutter. Prompt streckte sie sich selber die Zunge raus und schnitt eine Grimasse.
Dann hängte sie sich noch die kleine braune Umhängetasche um. Haustürschlüssel, Smartphone, Ausweis und etwas Geld, passten da hinein.
Einen abschließenden prüfenden Blick in den Spiegel und sie zog die Haustür hinter sich zu. Noch richtig abschließen und sie marschierte los.
Das Gehen in den neuen Schuhen war ein bisschen ungewohnt. Normal waren Turnschuhe bei ihr. Auch das Kleid war ein anderes Gefühl beim Gehen als die Jeans. Aber die Luft war angenehm warn und eine Jacke überflüssig.
Diana grinste leicht. Eigentlich war das das ideale Wetter. Nicht zu warm und erst recht nicht kalt. Regnen kann es dann morgen von drei bis um fünf, endschied sie. Den Pflanzen sollte man ruhig auch etwas gönnen. Um die Uhrzeit störte es sie mit Sicherheit nicht in ihrem kuscheligen Bett.
10 Minuten später betrat sie das Schulgebäude. Einer der Aufsichtslehrer stand am Eingang. Er kontrollierte, dass auch nur die Jahrgangsstufe die Aula betreten konnte. Größere Taschen wurden durchgesehen. Die Schulleitung hatte darauf bereits hingewiesen. Immerhin war Alkohol auch heute verboten und niemand sollte etwas einschmuggeln.
Erneut grinste Diana. Solche Verbote sind doch höchstens Herausforderungen für 16jährige. Schließlich hatte sie schon mitbekommen, wie einige Jungs Pläne geschmiedet hatten. Den Flachmann im Socken. Oder vorn in der Hose und ein Hemd locker darüber hängen lassen.
Viel würde es jedenfalls nicht sein und erwischen lassen durfte sich erst recht keiner.
Als sie durch die Eingangshalle zur Aula ging, summte sie den Song gleich mit, der durch die offenen Türen nach draußen drang. Anscheinend hatten die ersten bereits angefangen, Stimmung zu produzieren. Da ja auch die Schulband etwas von dem Abend haben sollte, hatte man zusätzlich noch eine kleine Anlage organisiert und das Ganze an die Lautsprecher der Aula angeschlossen. Momentan waren es die hämmernden Bässe, die bereits für ein leichtes Vibrieren im Bauch sorgten.
An der Tür blieb Diana stehen und orientierte sich. Eigentlich hatte sie gedacht, etwas früher zu kommen und den Start mitzuerleben. So, wie es aussah, hatte das wohl fast alle gedacht und sie selber kam nun eher im letzten Viertel an. Schade.
Auf der Bühne baute die Band gerade auf. Rechts standen die Getränkekästen und links waren einige Stühle platziert. Neben den Getränken war noch ein Tisch aufgebaut mit Fingerfood. Und in der Mitte bewegten sich bereits mehr als ein Dutzend Jungs und Mädchen zu den wummernden Sounds.
Diana trat neben die Tür und sah einige Minuten zu. Während ein Fuß den Takt mitklopfte, suchten ihre Blicke bekannte Gesichter. Gut, eigentlich kannte sie alle hier, aber sie hatte nur sehr wenige Freundinnen. Und die waren zurzeit alle auf der Tanzfläche beschäftigt. Ein Gespräch fiel erst einmal flach.
Dann fing sie an, die Jungs zu sondieren. Wer war alleine und wer konnte sie locken, den Abend mit ihm zu verbringen? Die andere Frage, wer mir ihr etwas anfangen wollte, stellte sie nach hinten. Auch sie musste sich ja entscheiden, wenn einer der Jungs zu ihr kam.
Der stark von Akne geplagte Fred? Diana unterdrückte ein Schaudern, weil sie das mit dicken roten und weißen Pickeln übersäte Gesicht vor Augen hatte.
Simon? Erneut schauderte sie, wenn sie an dessen feuchte Hände dachte. Noch nie hatte sie erlebt, dass er trockene Hände beim Berühren gehabt hatte. Dabei machte er eigentlich nicht den Eindruck, ständig zu schwitzen.
Stefan? Wenn sie Monologe über seine Vorzüge hören wollte, wäre es eine gute Wahl. Den Spruch ‚ein Mann, ein Wort und eine Frau, ein Wörterbuch‘ kannte sie. Stefan würde wohl eher unter mehrbändige Enzyklopädie fallen. Sie dachte auch an den anderen Spruch von wegen ‚Eigenlob stinkt‘. Eigentlich erstaunlich, dass man es in seiner Nähe ohne Atemmaske aushielt, grinste sie innerlich.
Chris? Ja, der wäre etwas, schlank, sportlich und auch witzig konnte er sein. Aber er stand mit Bettina ins Gespräch vertieft.
Da war sie wohl zu spät gekommen. Im Vergleich zu der Schönheit Bettina Wrange hatte sie keine Chance. Blond, blauäugig und immer ziemlich aufgedonnert, fand sie persönlich. Wer trug schon Armani in der Schule? Trotzdem musste sie zugeben, dass Bettina Stil hatte bei ihrer Kleidung. Die Eltern waren Anwälte, sehr erfolgreich und Geld spielte keine Rolle in der Familie. Also trug Bettina nur Nobelmarken. Sie wusste, dass sie schön war und ließ es andere Mädchen regemäßig spüren, dass sie in einer anderen Liga spielte.
Auch heute konnte Diana nur anerkennend nicken. Auch wenn sie Bettina nicht zu ihren Freundinnen zählen würde, konnte sie doch ohne weiteres zugeben, dass sie schick gekleidet war. Zu den langen blonden Wellen passte das knielange Schwarze perfekt. Und dann die hohen Riemchensandaletten mit winzigen Glitzerapplikationen rundeten das Bild ab. Dass das anerkennende Nicken in ein Schmunzeln überging, war für Diana bei dem typisch blasierten Blick des anderen Mädchens fast automatisch.
Chris sah gut aus, aber er schien Bettina nicht genug zu sein. Und trotzdem spielte sie mit ihm. Allein das die Jungs ihr mit heraushängender Zunge hinterherliefen und sie die dann verhungern lassen konnte, stärkte Bettinas Ego. Nur so würde dieser Abend ein guter Abend für sie. Neben Bettina standen wie üblich Anne und Carola, ihre Trabanten. Die beiden waren eher etwas blass, aber dafür huldigten sie Bettina ausführlich. Absolute Ja-Sager, wenn dafür etwas von Bettinas Glanz auf sie fiel.
Langsam nahm der Abend seinen Verlauf. Die Schulband und die Aufsichtslehrer lieferten sich einen verbissenen Kampf um die Verstärkeranlage. Während die Schülerfront für ‚je lauter, desto besser‘ votierte, waren die Lehrer die Spaßbremsen und forderten Lautstärke auf dem Niveau, dass auch eine mündliche Kommunikation Chancen bekam.
Inzwischen hatte Diana auch schon mit mehreren Jungs getanzt. Immerhin waren durch die Parallelklassen genügend Jungs anwesend. Mit dem einen oder anderen hatte sie auch am Rand gestanden und sich bei einer Cola unterhalten.
Meist hatte sie dann gemerkt, dass die Wellenlänge doch nicht richtig harmonierte. Oft waren es einfach die unterschiedlichen Interessen, die nicht zusammenpassten. Manchmal waren es auch die Freunde der Jungs, die ihr teilweise nicht zusagte. Mit denen dann zukünftig enger Kontakt zu haben, gefiel ihr nicht.
Und es gab auch zwei Jungs, die die feste Überzeugung hatten, dass ein gemeinsamer Tanz auch bestimmte Rechte als Folge hatten. Diana war energisch geworden und hatte sich den Griff an ihre Brust deutlich verbeten. Die Jungs hatte nur spöttisch gegrinst und etwas wie ‚frigide‘ gemurmelt.
Auch mit Thorsten aus ihrer Klasse hatte sie zweimal getanzt. Er war fast der einzige, mit dem sie sich gut unterhalten konnte. Auch er wollte später in Richtung BWL studieren. Allerdings stand er meistens nur am Rand. Manchmal wirkte er ein bisschen traurig. Aber er war hilfsbereit. Wo immer jemand Unterstützung brauchte, bot er sich an. Auch jetzt half er wieder an der Getränkeausgabe, damit die anderen auch mal zum Tanzen kamen.
Später kam Chris und tanzte mit ihr. Tanzen konnte er göttlich. Diana konnte sich seiner Führung sofort anvertrauen und es wurden die schönsten Tänze für sie. Da konnten sie zusammen richtig tolle Moves zeigen. Hinterher standen sie noch zusammen und kühlten sich bei einer Cola wieder ab.
Plötzlich zuckte Chris leicht zusammen. Er hatte an ihr vorbeigeblickt. Jetzt stotterte er eine flüchtige Entschuldigung und verschwand gleich darauf in der Menge. Erstaunt sah Diana ihm nach. Was hatte ihn nur erschreckt.
Sie drehte sich um, weil er anscheinend hinter ihr etwas gesehen hatte. Dann erschrak sie selber. Vor ihr stand Bettina und deren Gesichtsausdruck war nur finster zu nennen. In der Hand hielt sie ihren Trinkbecher mit Wasser. Diana starrte in Bettinas Augen. Sie bekam nicht mit, wie deren Freundin Anne sich an ihr vorbeibewegte und hinter sie stellte. Carola, Bettinas zweite Freundin, blieb hinter Bettina stehen und grinste höhnisch.
„Wer hat dir erlaubt, mit Chris zu tanzen und zu reden, du Schnepfe“, zischte Bettina.
Es hatte ihr gar nicht gefallen, dass Chris so toll mit Diana getanzt hatte, dass die anderen Beifall geklatscht hatten. Und anscheinend hatte er sich auch noch gut mit dieser Ziege unterhalten. Sie allein war die Königin des Ballsaals. Nur ihr hatte man zu huldigen.
„Was soll das, Bettina. Er ist nicht dein Freund, wenn ich es richtig verstanden habe und ich will ihn dir auch nicht wegnehmen. Wir haben uns nur unterhalten und miteinander getanzt.“
„Du hast mich vorher um Erlaubnis zu fragen, verstanden?“ grinste Bettina mit einem bösen Lächeln.
„Spinnst du? Er ist weder dein Eigentum noch muss ich dich fragen, mit wem ich reden will.“
„Meinst du. Ich glaube, da braucht jemand einen deutlichen Hinweis.“
Mit einem fiesen Grinsen, nickte Bettina und blickte an Diana kurz vorbei. Bevor die sich umsehen konnte, was das bedeutete, hatte Bettina schon ihre Hand mit dem halbvollen Wasserbecher gedreht.
Erschrocken schrie Diana auf, als das kühle Wasser sie direkt auf der Scham traf. Das sie gleich darauf erneut Wasser, diesmal auf ihren Po, traf, spielte keine Rolle mehr. Entsetzt sah sie, wie das Wasser sich in ihr Kleid saugte und von der Scham an den Beinen entlang bis auf den Boden tropfte.
Bettina trat einen Schritt zurück und hielt ihren Becher hinter ihren Rücken. Auch das hatte sie so geplant. Dass Anne sich hinter Diana jetzt zurückzog, war auch Teil des Plans, den die drei Mädchen ausgeheckt hatten.
Durch ihren Aufschrei kamen kurz darauf eine der Lehrerinnen und etliche Schüler herbei. Der Schrei versprach etwas Ungewöhnliches.
„Was ist los? Wer hat geschrien?“ wollte die Lehrerin wissen.
„Diana hat geschrien, Frau Dr. Hahn“, sagte Bettina in zuckersüßem Tonfall zu der Lehrerin.
„Ich hätte wahrscheinlich auch geschrien, wenn mir so etwas passiert wäre.“
„Was ist denn passiert?“ wandte sich die Lehrerin an Diana.
Die konnte sie nur entsetzt ansehen. Jetzt sah sie die ganzen Schüler um sich herum und sie sah deren Feixen. Natürlich hatten die schon gesehen, wie sie aussah.
„Gerade hat mit Diana erzählt, wie toll sie die Party findet und da geht es los bei ihr. Vor lauter Freude ist ihre Blase wohl ausgelaufen. Inkontinent nennt man das, glaube ich“, sagte Bettina laut und deutlich im Tonfall einer besorgten Freundin, weil Diana schwieg. Sie sprach laut genug, dass jeder im Umkreis es mitbekam. Ein lautes Gelächter war die Folge und zog noch andere Schüler herbei. Die grölten auch vor Lachen, als sie die Bescherung sahen.
„Stimmt doch gar nicht. Du hast mir das Wasser über den Rock gekippt, Bettina“, rief Diana jetzt, während ihr die ersten Tränen über das Gesicht liefen.
Die Lehrerin blickte fragend auf Bettina.
„Diana hat nun mal eine rege Fantasie, Frau Dr. Hahn“, lachte Bettina und streckte ihr den halbvollen Becher, den sie in der Hand hielt, entgegen.
„Sie sehen, ich habe mein Getränk noch.“
Wie verabredet hatte Carola ihr den Becher hinter ihrem Rücken wieder aufgefüllt. Niemand hatte etwas mitbekommen, da sich alle auf Diana konzentriert hatten. Dann blickte die Lehrerin wegen der anscheinend offensichtlichen Lüge streng auf Diana.
Diana schluchzte auf. Tränen liefen wegen der Demütigung über ihr Gesicht. Sie drängelte sich durch die Menge und rannte aus der Schule. Nur weg, war ihr einziger Gedanke. Gott sei Dank war morgen der letzte Schultag des Jahres und dann waren Ferien. Sie konnte nur hoffen, dass der Vorfall bis dahin vergessen war.
Am nächsten Tag hatte sie Glück. Ihre Klassenlehrerin hatten sie bereits in der ersten Stunde. Krampfhaft hielt sie die Tränen zurück, weil ihre Inkontinenz das Gesprächsthema in der Klasse war. Sprüche wie „Hast du auch eine Windel an, damit du dir nachher nicht in die Hose machst“ bekam sie im Sekundentakt zu hören.
Nach der Stunde entschuldigte sie sich bei der Klassenlehrerin und eilte nach Hause. Die nächsten Tage versteckte sie sich dort nur noch. Erst langsam fing sie dann mit dem Ferienjob bei den Eltern an. Die hatten ihr Verhalten auf die Schule, den Lernstress und die darauf folgende Erholung geschoben, auch weil Diana sich schämte und nichts sagte.
Auch, wenn das nächste Schuljahr ruhig anfing, musste sie bald lernen, dass die Mitschüler nichts vergessen hatten. Sie wusste nicht, dass Bettina aus der Nachbarklasse die anderen aufstachelte.
Das erste Erlebnis war, dass sie nach den Herbstferien in einer Religionsstunde den Unterricht müde über sich ergehen ließ. Es war die 9. Unterrichtsstunde an dem Tag und das Thema war zum Gähnen langweilig. Zusätzlich hatte der Lehrer auch noch eine leise Stimme und leierte fast monoton seinen Text herunter.
Deswegen dauerte es einige Sekunden, bis ihr bewusst wurde, dass etwas nicht stimmte. Und noch ein paar Sekunden später wurde ihr die Nässe unter ihrem Po bewusst. Mit einem Aufschrei sprang sie auf und sah auf ihren Sitz. Tatsächlich war dort eine kleine Wasserpfütze. Jetzt erst wurde ihr richtig deutlich, dass sich auch ihr Po nass anfühlte. Schnell tastete ihre Hand dorthin und sie spürte die Feuchte. Und immer deutlicher drang das brüllende Gelächter der Klassenkameraden an ihr Ohr, die sie mitten in der Klasse stehen sahen mit dem feuchten Fleck zwischen den Beinen.
Sie nahm nicht wahr, dass auch schon mehr als einer sein Handy gezückt hatte. Sie hörte nur das „Inkontinent“ überdeutlich. Dann rannte sie auch schon weinend aus der Klasse.
Dass der hinter ihr allein sitzende Junge heimlich die Wasserpistole verschwinden ließ, bekam niemand mit. Der Junge jedenfalls freute sich auf die Belohnung von Bettina.
‚Inkontinenz‘ verfolgte sie das ganze Schuljahr. Immer wieder waren es feuchte Hosen oder Röcke, die sie vor den anderen Mitschülern bloßstellten. Immer wieder wurde sie nach der Pause, wenn sie in die Klasse zurückkam, von lachenden Mitschülern begrüßt, weil aus ihrer Schultasche eine Windel halb heraushing. Und immer wieder tauchten diese demütigenden Bilder in den Schülernetzwerken auf. ‚Inkontinenzia‘ war inzwischen ihr Spitzname.
Dauernd zuckte ihr Blick in der Klasse herum, aber sie erwischte niemand. Sie konnte nie jemanden anklagen, geschweige denn es beweisen. Sie sah nur die grinsenden Gesichter. Jeder, den sie irgendwo lachen sah, schien über sie zu lachen. Ihre Nervosität steigerte sich immer weiter – und ihre schulischen Leistungen fingen an, in den Sturzflug überzugehen.
Das rettet sie indirekt.
Nach einem verheulten Wochenende stellte sie fest, dass sie sich das BWL-Studium abschminken konnte, wenn der Sturzflug weiter in den freien Fall überging. Überraschend half ihr das Beispiel der Eltern. Die schauten nicht links oder rechts, sondern nur auf das Ziel. Und genau das wendete sie jetzt an.
Wenn es jetzt feucht um den Po wurde, blieb sie einfach sitzen. Stand sie dann auf, legte sie ihre Windjacke um die Hüfte und verdeckte den Fleck. Eine Windel kommentierte sie mit ‚Vielen Dank, aber falsche Größe‘. Sie reagierte nicht mehr auf Sticheleien. Sprach sie jemand zu dem Thema an, ignorierte sie es. Sie zog sich in sich zurück und hielt sich abseits. Was die anderen von ihr dachten, wurde ihr egal. Nur das BWL-Studium nach der Schule stand als Ziel in ihrem Kopf.
Weil sie nicht mehr reagierte, nahm auch das Interesse an ihr ab. Langsam klangen die Belästigungen ab. Sie wurde nicht mehr Ziel solcher Aktionen. Es wurde langweilig, weil sie nicht reagierte und sich aufregte. Wie es innerlich in ihr aussah, bekam keiner mit, da sie sich immer mehr verschloss. Innerhalb eine halben Jahres wurde sie zur Einzelgängerin ohne Freund und ohne Freundin an der Schule. Sie mied jeder, weil sie Angst hatte, dass die Späße auf ihre Kosten wieder anfingen.
So verbrachte sie das zweite Halbjahr allein und fast verbissen, um die Schulnoten wieder zu verbessern. Deswegen wurde sie jetzt als Streberin tituliert. Das wiederum störte sie gar nicht. Hauptsache, keiner belästigte sie.
Wieder war ein Schuljahr zu Ende. Das letzte würde nach den Sommerferien beginnen. Diana war zufrieden mit ihrer ‚Ausbeute‘ an Punkten für die Abiturnote. Sie war besonders zufrieden, weil sie sich wieder gefangen hatte. Wenn sie weiter so viel Glück hatte, würde es einen Superschnitt am Ende geben. Mindestens eine Eins würde vor dem Komma stehen. Für den geplanten Studienplatz war das eine hervorragende Ausgangsposition.
Wieder sollte eine Feier stattfinden. Die Aula war organisiert und wieder würde Lehrer die Aufsicht führen. Alle Jahrgangsklassen würden dabei sein.
Dieses Jahr hatte Diana allerdings lange überlegt, ob sie hingehen sollte. Das letzte Schuljahr steckte ihr, was die Demütigungen anging, noch in den Knochen. Aber am Ende hatte sie sich gesagt, dass ihr Nichterscheinen den anderen nur die Bestätigung bieten würde, dass sie die ‚Inkontinenzia‘ niedergemacht hatten.
Sehen und gesehen werden, würde die Devise für sie sein. Diana wollte hingehen, sich eine Zeitlang dort aufhalten und dann still und heimlich wieder verschwinden.
Diesmal kam sie in Jeans und T-Shirt. Während sich die anderen herausputzten, blieb sie die kleine graue Maus. Sie wollte sich kein neues Kleid kaufen, das dann doch nur wieder halb ruiniert wurde.
Jetzt hatte sie sich abseits an die Wand gelehnt und sah dem Treiben der anderen zu. Sie beobachtete die Gruppen, die sich unterhielten und sah den Tanzenden zu. Niemand beachtete sie selber oder kam gar zu ihr. Sie war isoliert am Rand.
Ein bisschen spöttisch verzogen sich ihre Mundwinkel, als sie Bettina und Chris zusammen tanzen sah. Bettina war wieder einmal overdressed, wie sie es empfand. Mit ihren blonden Locken, die bei den Drehungen wirbelten, dem dunkelroten Seidenkleid und der gleichfarbigen hochhakigen Sandaletten wirkte sie toll. Aber dies war eine Schülerfete und nicht der Empfang beim Bürgermeister.
Dianas Mundwinkel zog sich noch etwas tiefer. Immerhin hatte Bettina ihr Fiasko vor einem Jahr genutzt und vorwiegend mit Chris im diesem Schuljahr sich die Zeit vertrieben. Dem hatte sie auch nicht verziehen, dass er sie damals so im Stich gelassen hatte. Sie war sich bis heute unsicher, ob der nicht sogar Bescheid gewusst hatte über Bettinas Plan.
Eigentlich war Dianas Plan für diesen Abend ganz simpel. Wenn sie nicht mit einem Jungen zusammen war, konnte Bettina nichts gegen sie haben.
Allerdings sah Diana nicht, wie sie von einem Paar brauner Augen beobachtet wurde. Die sahen die junge Frau am Rand stehen und die anderen beobachten. Sie sahen, wie sich der Mund seiner Klassenkameradin manchmal etwas spöttisch verzog. Sie sahen aber auch, wie die Augen manchmal etwas sehnsüchtig auf die Tanzfläche blickten. Und sie sahen auch, wie Dianas Fuß leicht im Takt der Musik wippte.
Der Junge, dem die braunen Augen gehörten, stand in der Nähe der Getränkekisten. Wenn von den dort eingeteilten Schülern jemand einmal dringend weg musste, sprang er ein.
Ansonsten stand er auch meistens alleine hier. Er hatte kaum Freunde in der Klasse. Vielleicht lag es an seiner ein bisschen schroffen Art. Ihm war es egal. Entweder nahm man ihn, wie er war oder man ließ es. Er brauchte niemanden.
Seine Mutter hatte ihn alleine großgezogen. Einen Vater hatte er nie kennengelernt. ‚Er hat uns vor deiner Geburt verlassen‘, hatte seine Mutter ihm einmal erklärt und dann geweint. Einen Freund oder so hatte er bei seiner Mutter auch nie erlebt.
Damit musste er selber sein Leben lang das Sticheln und die Häme der anderen ertragen. Im Kindergarten wurde er nur bemitleidet, keinen Vater zu haben. In der Schule wurde daraus das ‚Muttersöhnchen‘ und in der Pubertät fing es mit den Tiefschlägen an. ‚Du kennst ja nicht einmal deinen Vater‘ klang fast harmlos, aber er hörte das unterschwellige ‚deine Mutter kann dir nicht einmal deinen Vater nennen‘ heraus und lernte auch diese Bedeutung in den unterschiedlichen Facetten kennen.
Es hatte ihn hart gemacht gegenüber den anderen. Seine Mutter und er hatten Höhen und Tiefen durchgestanden. Er war nicht abhängig von den anderen. Er kümmerte sich nicht um die anderen. Er zog sein Ding durch. Warum sollte er um die Zuneigung der anderen buhlen? Leistung zählte – das hatte er schon früh gelernt. Jetzt versuchte er einen guten Abschluss hinzulegen, um dann studieren zu können. Dann konnte er seiner Mutter helfen, ein besseres Leben zu führen, als jetzt als Aushilfe beim Kellnern.
Erneut blickte Thorsten zu Diana. Diesmal gab er sich einen Ruck. Die 17jährige gefiel ihm. Mit ihren langen braunen Haaren und dem hübschen Gesicht sprach sie etwas in ihm an. So allein, wie sie da stand, Sehnsucht ausstrahlte und sich nicht traute, sprach es seinen Beschützerinstinkt an. Er hatte gar nicht gewusst, dass er so etwas hatte, aber Diana würde er gern vor dem Bösen der Welt beschützen.
Er hatte mitbekommen, wie sie Diana im vergangenen Schuljahr mitgespielt hatten, aber er hatte ihr nicht helfen können. Er hatte sich nur nicht beteiligt. Und es war ihm wenige Male gelungen, einen Mitschüler von einer Aktion abzuhalten, indem er ihn nur spöttisch fixiert hatte. So unter Beobachtung zu stehen, hatten schon mal einige abgehalten. Er war Zeuge und sein Grinsen verhieß kein Schweigen.
Langsam ging er an der Wand entlang zu ihr hin. Dabei ließ er sie nicht aus den Augen. Er konnte den Moment erkennen, als sie sein Näherkommen bemerkte. Er sah ihre überraschten Augen und merkte ihr kleines Zusammenzucken. Er schmunzelte.
„Hallo Diana, netter Abend“, begann er mit dem Smalltalk.
Er wollte erst einmal vorfühlen. Enttäuschungen mochte er nicht.
„Hallo Thorsten“, kam ihre zögernde Antwort.
Er hörte, wie angespannt sie klang. Was erwartete sie von ihm? Er wollte ihr doch nichts tun.
„Hast du Lust, mit mir zu tanzen“, fragte er jetzt geradeheraus.
Diana zögerte. Sie hatte schon Lust. Sie wollte nur keine Aufmerksamkeit. Schon gar nicht von Bettina und deren Freunden. Aber Thorsten war auch ein Außenseiter. Er war in keiner Clique. Eigentlich sollte es mit ihm gehen.
„Ja, gern“, erwiderte sie schließlich und prompt hielt er ihr seine Hand hin.
Mit einem Lächeln griff Diana zu und ließ sich zur Tanzfläche ziehen. Am Anfang war sie noch etwas steif in ihren Bewegungen, aber die Anspannung ließ nach. Sie sah Thorstens Lächeln und bald schon bewegte sie sich fast selbstvergessen zur Musik. Tanzen gefiel ihr. Und mit einem Partner, der mitging, machte es noch mehr Spaß.
Etliche Songs später gingen sie lachend zurück zu ihrer Ecke. Unterwegs holte Thorsten für sie und sich noch eine Cola. Beide konnte die Tanzpause gut vertragen. Diana war froh, ihm nachgegeben zu haben. Jetzt hatte der langweilige Abend doch an Farbe gewonnen. Momentan dachte sie noch nicht an das Aufbrechen nach Hause.
In der nächsten Stunde unterhielten sie sich. Besonders, nachdem er zugegeben hatte, sich später für BWL zu interessieren und es auch hier an der Uni zu versuchen, hatten sie ein gemeinsames Thema.
Zwischendurch gingen sie ein paar Runden tanzen. Dann standen sie wieder zusammen und diskutierten weiter. Den Rest der Welt blendeten sie aus. Es machte Spaß, sich mit jemandem, der die gleichen Interessen und Ziele hatte, auszutauschen. Fast war es schon ein bisschen Fachsimpeln, während sie über die Vor- und Nachteile von Zusatzqualifikationen redeten.
Sie konnten sich gegenseitig ihre Stärken und Schwächen zugeben. Das führte dazu, dass Thorsten ihr den Vorschlag machte, sich im nächsten Jahr zusammenzutun und sich gegenseitig Nachhilfe zu geben. Wenn es so lief, wie sie es sich jetzt ausmalten, würde sich vielleicht noch die eine oder andere Punktezahl verbessern. Schaden würde es auf keinen Fall.
Nebenbei sahen beide die Möglichkeit, dieses schöne Gespräch dann fortzusetzen. Bei Diana weckte es kleine Sehnsüchte. Bisher hatte sie noch keinen Freund gehabt. Wenn sie aber im nächsten Schuljahr häufiger zusammenwaren und sich ihre Wellenlänge weiter als gleich darstellte, vielleicht würde sich ja dann doch ….
Zumindest das träumen erlaubte sie sich für einen Moment. Dass auch Thorsten gerade einen sehr ähnlichen Traum hatte, wusste sie genauso wenig, wie er den ihren kannte.
Beide waren über den Verlauf des Abends zufrieden. Sie würden bleiben, bis man sie rauswarf.
Allerdings fand jemand, dass die blöde Ziege viel zu viel Spaß hatte. Hatte die denn nicht kapiert, dass sie erst fragen musste, wenn sie Spaß haben wollte? Das gehörte bestraft. Und sie bekam ihre Chance, als Thorsten um Unterstützung bei den Getränken gebeten wurde. Diana blieb allein zurück.
Schnell hatte Bettina ihre Trabanten eingestimmt. Das Spiel vom letzten Jahr war einfach und klappte immer. Und es würde die dumme Kuh wieder auf ihren Platz bringen.
Und jetzt war sie so herrlich allein. Niemand würde ihr helfen. Die drei holten sich, was sie benötigten und wenig später war Diana eingekesselt.
Erschrocken starrte sie Bettina an. An die hatte sie gar nicht mehr gedacht. Was wollte die denn jetzt?
„Sag mal, du dumme Kuh, hast du nicht begriffen, dass du mich erst um Erlaubnis fragen musst, wenn du hier Spaß haben willst?“ fauchte Bettine mit einem spöttischen Grinsen.
„Am besten ist, du gehst vor mir auf die Knie und küsst meine Füße“, forderte sie im Anschluss.
Hämisch klang das Lachen von Anne und Carola.
„Stimmt, der Boden ist so staubig. Am besten, du leckst Bettinas Füße gleich sauber“, schob Anne hinterher und warf einen schnellen Blick zu Bettina.
Sie hoffte, dass ihre Idee das Wohlwollen ihrer Anführerin fand.
„Nicht schlecht, die Idee, Anne. Ich sehe, du hast gelernt, wie man mit diesen einfachen Bauerntrampeln umgehen muss“, zeigte sich Bettina zufrieden und lachte leise.
„Na, was ist, Diana? Oder möchtest du lieber wieder baden. Entscheide dich. Meine Füße lecken oder Blase auslaufen?“
Erneut kicherten die drei Mädchen hämisch.
„Aufpassen, ihr drei Grazien“, erklang eine sarkastische Stimme hinter ihnen.
Erschrocken drehten sich alle zu dem Sprecher um. Sie hatten nicht erwartet, dass Thorsten so schnell wieder da sein würde. Allerdings hatte er gesehen, wie die drei Diana umzingelt hatten. Und er wusste, was im letzten Jahr gelaufen war.
Jetzt stand er mit zwei vollen Cola-Bechern vor ihnen und grinste.
„Wisst ihr“, meinte er in ganz sachlichem Ton, „wenn jetzt jemand einen überraschenden … - wie hast du gesagt, Bettina? Ach ja, … Blasenauslauf hat, dann könnte ich tollpatschiger Bauerntrampel vor Überraschung zusammenschrecken.“
Seine Stimme wurde hart.
„Und das würde dummerweise dazu führen, dass jemand vielleicht eine Cola-Dusche erlebt. Wie das sich auf blonde Locken und rote Kleidung auswirkt, weiß ich als Bauerntrampel nun gar nicht.“