Verliebter Hai - Rene Winter - E-Book

Verliebter Hai E-Book

Rene Winter

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Beschreibung

Lilith Dawn betreibt ein Touristengeschäft und zeigt mit ihren Semi-Subs den Gästen die Unterwasserwelt rund um Key West in Florida. Über Wasser wie ein Ponton-Boot aussehend, unter Wasser eher ein Bus mit vielen Fenstern und Sitzen, geht es in Touren hinaus. Schwimmen und Tauchen inklusive. Und Capt'n Lil, wie sie auch genannt wird, weiß, wo sie Haie und Delphine findet, um ihre Gäste zu beeindrucken. Nebenbei ist ihr Geschäft auch Tarnung, denn als verdeckte Ermittlerin beobachtet sie andere Schiffe und deren Tätigkeiten auf dem Meer. Gibt es Verstöße, informiert sie die Coast Guard. Als sie eine Schleuseraktion auffliegen lässt, erregt sie die Aufmerksamkeit von Peter Banks, dem Boss des Unternehmens. Er plant eine finale Lösung. Doch Ronald McGormon kann es zufällig verhindern. Dadurch kommen Lilith und Ronald zusammen und lernen sich kennen. Es verschlägt ihm teilweise die Sprache, was er dabei herausfindet. Lilith arbeitet nämlich nicht alleine. Sie hat eine Partnerin, Desdemona Rollings. Und die hat es ebenfalls in sich. Doch Peter Banks hat nicht aufgegeben. Er ist nicht nur Schleuser für illegale Immigranten, sondern verkauft nebenbei auch junge Frauen als Sklavinnen. Peters nächster Racheplan ist damit perfider und, wie er denkt, sogar profitabel. Eine Rothaarige mit grünen Augen ist ein gesuchtes Angebot. Deswegen wird Lilith von ihm entführt. Und nicht nur sie. Es wird sich zeigen, wie groß seine Gewinnspanne am Ende ist. Peter Banks unterschätzt die Freunde der beiden Entführten. Er unterschätzt vor allem deren Möglichkeiten. Es wird sich noch zeigen, ob er seine eigene Macht dabei überschätzt.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Rene Winter

Verliebter Hai

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Verliebter Hai

 

 

Eine Fantasy-Lovestory

 

(DSC 5)

 

 

 

 

 

 

Rene Winter

 

2023

 

 

[email protected]

 

Vorwort

 

Ich erzähle eine Geschichte, keinen Tatsachenbericht.

 

Wegen der expliziten Beschreibungen ist sie für Leser (m/w/d) ab 18 Jahren geeignet.

Alle hier vorkommenden Personen sind erwachsen und frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind nicht beabsichtigt.

 

 

Persönliche Ergänzung:

wer einmal die Gelegenheit hat, mit Haien oder Delphinen zu schwimmen, sollte sie nutzen. Es ist ein wahnsinniges Gefühl, diesen faszinierenden Tieren in der Natur zu begegnen und von ihnen akzeptiert oder toleriert zu werden. Man sollte ihnen mit dem Respekt begegnen, den sie verdienen. Sie sind weder Bestien noch Streicheltiere, sie sind neugierig oder ignorierend, sie haben einen eigenen Willen.

 

 

Es würde mich freuen, wenn diese Geschichte gefällt.

 

 

 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

 

Beobachtungen

Anschlag

Überraschung

Partnerschaft

Nackenschläge

Entführung

Bündnis

Befreiung

Sicherheit

Turtle Island

Sanftheit

Fragezeichen

Jagd

Thesen & Fakten

Epilog

 

 

Beobachtungen

 

Ein Monat zuvor:

Jeff Hopkins arbeitete als ziviler Mitarbeiter bei der Küstenwache. Er war Ende 50 und sein Leben lang mit der Marine verbunden gewesen. Früher war er aktiv bei der Küstenwache im Einsatz gewesen. Ein schwerer Unfall an Bord seines Schiffes hatte seine Karriere dort beendet, denn nun saß er im Rollstuhl. Der Unfall hatte seine Wirbelsäule am Becken beschädigt und damit waren die Beine nur noch nutzlose Anhängsel. Doch die Marine hatte seine Fähigkeiten und Erfahrungen zu schätzen gewusst und ihn als zivilen Mitarbeiter übernommen. Heute machte Jeff Hopkins Analysen und bediente die Radarüberwachung.

Schiffe, die die Gewässer zwischen den Vereinigten Staaten und Kuba passierten, wurden vom Radar beobachtet. Ein stationärer Satellit gab zusätzlich die GPS-Daten aller Schiffe an Jeff weiter. Jedes Schiff hatte einen Transponder, der seine Kennung inklusive GPS regelmäßig ausstrahlte. Dies diente zum Erkennen von Positionen ebenso wie für automatische Notrufe. Außerdem reduzierte es Kollisionen bei Schlechtwetter. Gerade diese Automatismen nutzen alle Unternehmer heute, um die Position ihrer Schiffe zu kennen. Nur so war ein optimales Planen möglich. Liegezeiten in Häfen kosteten Geld. Je schneller die Entladung und das erneute Beladen durchgeführt war, desto günstiger wurde die Fracht und damit stieg der Gewinn. Falsches Timing band aber die Stauer in die Warteschleife und das kostete wieder.

Für Jeff und seine Kollegen war es das Zusammenspiel aus Radar und Transpondermeldung, das eine Position bestätigten. Auch viele kleinere Privatschiffe, wie Yachten, arbeiteten nach diesem Prinzip. Damit wurden oft auch mögliche Schmuggler enttarnt, die im Radar auffielen, weil eben kein Transpondersignal erkennbar war.

Jeff war gewissenhaft. Und er saß nun seit Jahren hinter seinen Geräten. Er beobachtete nicht nur das Bewegen von Punkten, sondern machte sich seine Gedanken dazu. Zwar führte er kein Buch über jedes einzelne Schiff, aber er hatte ein gutes Gedächnis. Nur wenige Eintragungen über Auffälligkeiten kamen in seine schmale persönliche Kladde. Und dort speicherte er Besonderheiten … wenn sie nicht sowieso melderelevant waren.

Und heute fiel ihm ein Schiff auf. Es war ja nicht so, dass Schiffe über den Radarschirm rasten wie Flugzeuge. Aber ihm fiel auf, dass sich scheinbar alle anderen Punkte bewegten, sich also diesem näherkamen oder sich entfernten. Und das ließ nur einen Schluss zu, dass das Schiff angehalten hatte, oder zumindest ungewöhnlich langsam fuhr. Die Entfernungen zu anderen Punkten dokumentieren keinen Zusammenstoß. Warum hielt ein Schiff auf offener See an? Maschinenschaden? Leckage? Feuer an Bord? Es konnte viele Gründe geben. Also prüfte Jeff das Transpondersignal. Tatsächlich gab es kaum veränderte GPS-Daten. Aber es gab auch keine Kennung für einen Notfall. Es musst auch nicht sein, denn kleinere Schäden versuchte die Besatzung mit Bordmitteln zu beheben. Hilfe anfordern kostete eben Geld, was Unternehmer nicht unbedingt wollten.

Merkwürdig, dachte Jeff. Dann rief er die Schiffsdaten auf. Vielleicht musste er die Funkwarte um einen Anruf bitten. Mit dem Lesen des Schiffsnamens zogen sich seine Brauen zusammen. Moment, den kenne ich doch? Und sein nächster Griff ging zu seinen persönlichen Unterlagen.

Aha. Wieder einmal, stellte er nach dem Blättern in seiner Mappe fest. Wieder das gleiche Schiff, wie die Kennung besagte. Und wieder dieselbe Position, wie das GPS im Vergleich mit seinen Notizen anzeigte. Dass es nun schon zum fünften Mal an derselben Position passierte, sagte ihm seine Kladde mit den Eintragungen.

Und er erinnerte sich an seine Blamage. Als es ihm das vierte Mal aufgefallen war, hatte er den Kommandostab gebeten, dort nachzusehen, ob die Karten eine Untiefe nicht anzeigten. Doch es wurden nur die früheren Tiefenmessungen bestätigt. Der Stab hatte es mit ‚schlechten Maschinen auf einem Seelenverkäufer‘ abgetan. Wasserproben hatten auch keine Anzeichen von illegalem Verklappen von Chemikalien oder Ölen angezeigt.

Doch die Antwort hatte Jeff nicht überzeugt. Er hatte seine Verbindungen spielen lassen und nach dem Schiff gesucht. Es war ein Containerschiff. Kein Riese wie bei Atlantikpassagen, aber mit 280 Metern auch nicht gerade klein. 1982 in Dienst gestellt und mit einer Kapazität von 3000 TEU zählte es zu den älteren und kleineren Schiffen der Branche, war aber noch lange nicht dienstuntauglich. Ein TEU entsprach einem genormten 20-Fuß-Container. Und nach Informationen der Reederei waren alle Schiffe gepflegt.

 

Deswegen machte sich Jeff Gedanken. Warum reduzierte ein Schiff seine Geschwindigkeit für eine oder zwei Stunden fast auf Stillstand? Warum gab es keine Maschinenprobleme, die gemeldet wurden? Und immer nur diese Stelle? Er konnte es nicht einmal auf ein Phänomen des berüchtigten Bermuda-Dreiecks schieben, denn diese Position war außerhalb. Es sei denn, das Dreieck ist gewachsen oder gewandert, dachte er mit einer Portion Ironie.

Zwei Abende später saß er in der Kantine mit einem Freund zusammen, der für die Operationsplanung der FRCs, der Fast-Response-Cutter, den bewaffneten Schiffen der Coast Guard zuständig war. Jeff erzählte von den Merkwürdigkeiten und auch von der Untersuchung, die er vor einem Monat angestoßen hatte. Er nannte auch das Ergebnis der Untersuchung.

Jeffs Freund, Frank Bridgers, nickte und machte sich einige Notizen. Natürlich konnte man schlecht ein Schiff der Küstenwache in internationale Gewässer schicken für Kontrollen von Schiffen. Da würde es nur Protestnoten hageln. Aber die Küstenwache hatte noch andere Möglichkeiten, die Küsten zu schützen und zu bewachen. Und Frank kannte sie.

Man konnte philosophieren, ob die Methoden völlig legal waren. Offiziell gab es sie gar nicht. Immerhin war alles auf freiwilliger Basis. Fast konnte man es Ehrenamt nennen, schmunzelte er immer, wenn er daran dachte. Und es gab etliche, die sofort eingewilligt hatte, auch wenn es Risiken beinhalten konnte. Das Ergebnis rechtfertigt die Mittel, argumentierte Frank nach oben. Und ähnlich wie Polizei oder Journalisten ihre Quellen nicht preisgaben, so nannte Frank auch keine Namen. Zusammen mit anderen Kollegen hatten sie in den letzten Jahren ein kleines halbprivates Netzwerk aufgebaut. Der Funkzentrale hatte sie nur eine Liste von Codenamen gegeben und einige Codeworte als Kennung. Jede Meldung dazu kam dann automatisch auf den Tisch des Diensthabenden. Die Erfolge gaben dem System Recht. Und alle Beteiligten schwiegen.

Da das Schiff nach den vorliegenden Informationen regelmäßig die Strecke fuhr, gab Frank die Informationen an seine Agenten weiter. Irgendjemand mochte dann vor Ort sein und vielleicht aus der Ferne beobachten. Man würde in knapp vier Wochen mehr wissen.

 

--- xxx ---

 

Der Delphin sprang aus dem Wasser. In einem eleganten Bogen glitt er durch die Luft und tauchte wieder in die leichte Dünung. Zügig schwamm er weiter, immer wieder mit kleinen Sprüngen.

Die Wellen des Atlantiks nahe dem Golf von Mexiko glitzerten im Sonnenlicht. Nur eine leichte Brise schuf Wellen von nicht einmal einem Meter Höhe. Durch die langgezogene Dünung konnte man schon fast von glatter See sprechen.

Den Delphin störte es nicht. Ihn schien das Containerschiff zu interessieren, dass mit langsamer Fahrt die internationale Fahrwasserrinne zwischen dem amerikanischen Key West und dem kubanischen Havanna befuhr. Momentan lag der Kurs etwas näher an Kuba vorbei, aber außerhalb von deren 12 Meilen Zone, also in internationalen Gewässern. Mit etwa zehn Knoten Geschwindigkeit war es in den letzten drei Stunden schon langsam gefahren. Nun hatte es die Geschwindigkeit auf weniger als zwei Knoten nochmals deutlich reduziert. Fast schien es kaum vorwärts zu kommen, denn es war langsamer als ein Fußgänger. Ein Beobachter hätte nun vielleicht vermutete, dass das Schiff einen Maschinenschaden hatte. Doch das traf nicht zu. Der Kapitän fuhr an dieser Stelle immer so langsam. Jedes Mal, wenn seine Tour ihn hierherführte. Und das war etwa einmal im Monat.

Den Delphin interessierte etwas anderes. Schon seit drei Stunden folgte er dem Containerschiff. Nun kam er etwas näher heran. Es war ja auch interessant, dass von den kubanischen Gewässern zwei schwarze große Schlauchboote heranjagten und bei dem Containerschiff längsseits gingen. Ein kleineres drittes Schlauchboot folgte und blieb ein wenig zurück. Die Besatzung des Schiffes schien die Boote erwartet zu haben, dann auf der Seite war die Gangway herabgelassen und berührte die Wellenspitzen.

Fast routiniert setzte sich das erste große Schlauchboot daneben. Zwei Männer, die die Gangway heruntergeeilt waren, nahmen zugeworfene Seile entgegen und fixierten sie an der Plattform am unteren Ende der Gangway. Mit kurzen Holzknüppeln in der Hand traten sie zurück. Jetzt nahmen die vier Männer auf dem Schlauchboot die Hände hoch und wedelten in Richtung Gangway.

Es schien ein Signal gewesen zu sein. Der Delphin war zu weit entfernt, um es zu verstehen. Aber er sah, wie zwei Dutzend Menschen, Männer und Frauen, in dem Schlauchboot aufsprangen und hektisch auf die Gangway kletterten. Vorher hatten sie wohl auf dem Boden im Rumpf gesessen, denn sie waren nicht aufgefallen. Die beiden Männer dort deuteten nach oben und schon eilten die Ankömmlinge hoch. Sie wurden oben von zwei weiteren Männern in Empfang genommen und weitergeführt. Alle Ankömmlinge waren vom Äußeren scheinbar südamerikanischer Herkunft und dürftig gekleidet.

Kaum war der Letzte von Bord des Bootes gegangen, wurden auch schon wieder die Leinen gelöst. Alle schienen ein eingespieltes Team zu sein und diesen Vorgang nicht zu ersten Mal durchzuführen. Keine Minute später war das zweite Schlauchboot an der Plattform angebunden und der Vorgang wiederholte sich. Das erste Schlauchboot hatte bereits wieder Kurs auf Kuba genommen.

Auch dieses Boot legte unmittelbar danach ab und nahm Fahrt Richtung Kuba auf. Es folgte dem ersten Boot. Wieder waren mehr als 20 Menschen nach oben geeilt. Der Delphin sah zu, wie die Ankömmlinge in einen Container getrieben wurden.

Erst als dessen Tür verschlossen war, kam das dritte Boot an den improvisierten Anlieger und wurde vertäut. Dieses Mal waren es nur ein halbes Dutzend junger Frauen, die vom Boot gebracht wurden. Dies erfolgte nicht freiwillig, denn die Bootsbesatzung warf sie fast auf die Plattform. Und dort wurden sie hochgezerrt und nach oben auf das Schiff geführt. Wehren konnten sich die Frauen nicht, denn sie konnten wegen einer Fessel um die Knöchel nur kurze Schritte machen. Zusätzlich waren die Hände mit irgendetwas am Hals befestigt. Und irgendetwas verklebte den Mund, wie der Delphin sehen konnte. Mit einer Hand eines Mannes in den Haaren hatten sie keine Chance. Erst als alle auf dem Weg nach oben waren, legte auch das dritte Schlauchboot ab und nahm Kurs auf Kuba.

Unterdessen zog das Containerschiff die Gangway wieder hoch. Langsam schwenkte der Bug nach Norden und ging auf den weiteren Kurs. Ganz gemächlich erhöhte sich die Geschwindigkeit bis auf etwa 25 Knoten. Mit 25 Seemeilen pro Stunde würde es noch gut einen Tag bis zum Ziel brauchen. Nach ein paar Minuten wendete der Delphin und kehrte auf seiner Spur zurück. Jetzt schwamm er schneller. Er hatte gesehen, was er sehen wollte.

 

--- xxx ---

 

Knapp drei Stunden später meldete sich ein Gerät in der Funkzentral des Marinestützpunktes von Key West am Ende der Keys, einer Insellinie, die zum US-Bundesstaat Florida gehörte.

„Coast Guard, bitte melden. Over.“

„Coast Guard Key West, Sergeant Wilkins, wer spricht dort? Ich weise darauf hin, dass dies eine Frequenz der Küstenwache ist und nicht von Unbefugten benutzt werden darf. Sie riskieren Strafe.“

Gelangweilt sagte der diensthabende Funker seinen Text auf. Meistens waren es Amateurfunker, die mit präparierten oder getunten Geräten auf diese Frequenz gerieten.

„Hier Demon Patrol. Code CQD. Habe vor wenigen Stunden die Übergabe von Menschen beobachten mittels dreier großer Schlauchboote. Etwa 50 Südamerikaner, Männer und Frauen, keine Kinder, gingen an Bord eines Containerschiffes und zusätzlich wurden sechs Frauen, drei weiß, zwei schwarz und eine mit brauner Hautfarbe übergeben. Die Schlauchboote kamen von Kuba.

Das Containerschiff heißt ‚Wave Queen‘. Fährt unter panamaischer Flagge. Die Übernommenen wurden in einen Container gesperrt. Zehnte Reihe von der Brücke. Zweiter Container von unten vom Deck aus. Farbe Blau mit einem roten Mittelstreifen. Backbordseite. Die sechs Frauen danach kamen extra. Grüner Container, vorderste Reihe am Bug, auch zweite Ebene von unten, auch Backbord. Es besteht der Verdacht, dass diese Frauen nicht freiwillig kamen.

Viel Erfolg, Coast Guard. Demon Patrol Over and Out.”

Damit brach die Verbindung ab.

Der Funker reagierte jetzt hellwach. ‚Demon Patrol‘ war irgendjemand dort draußen. Es war niemand von der Küstenwache. Aber der Codename stand auf einer speziellen Liste. Seit etwa zwei Jahren meldete sich die fremdmodulierte Stimme, wie er wusste, und gab der Küstenwache Hinweise. Schmuggel vor allem. Aber auch illegales Fischen und andere Straftatbestände. Seit zwei Jahren traf jede der Meldungen zu. Jedes Mal konnten die Beweise sichergestellt werden, wenn der Coast Guard der Zugriff gelang. Durch die Modulation und Verzerrung wusste niemand, ob es Mann oder Frau war. Nur das Wort ‚Demon Patrol‘ war das bekannte Rufzeichen beim Funken.

Und das uralte CQD als Code kannte auch jeder Marinefunker. Im Sprechfunk wurde es später nicht verwendet. Es war 1904 als Notsignal im Morsecode bei britischen Schiffen eingeführt worden. Das Kürzel wurde oft als ‚Come Quickly, Danger‘ interpretiert. Im gleichen Jahr führte die deutsche Marine das SOS ein wegen den markanten Zeichen – dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz – und später als ‚Save Our Souls‘ interpretiert. Trotz der internationalen Einigung auf das SOS im Jahr 1908 dauerte es weitere vier Jahre, bis es weltweit akzeptiert war. Und die TITANIC erlangte auch damit traurige Berühmtheit, weil sie das SOS als eines der ersten Schiffe verwendete.

Hier war es die Kombination als Kennung des verdeckten Ermittlers mit einem Code, der die Richtigkeit bestätigte. Während der Funker seine Vorgesetzten informierte, suchte jemand schon nach den Daten und dem Kurs des Containerschiffes. Es hatte Kurs auf Tampa und würde in etwa 25 Stunden dort eintreffen. Zeit genug für die Küstenwache.

 

--- xxx ---

 

Die ‚Wave Queen‘ hatte schon Kontakt mit dem Hafen aufgenommen. Nur ein paar Seemeilen lagen noch vor ihr. Am Horizon war bereits die Stadtsilhouette gut sichtbar. In spätestens zwei Stunde würde man angelegt haben. Ein Lotse war zugesagt und würde kommen. Auch die Rangierschiffe waren angefordert. Sie waren notwendig, um das schwerfällige Schiff an die Reede zu bringen.

Dann kam es anders. Von der Seeseite näherte sich ein FRC, ein Fast Responce Cutter, der Coast Guard. Diese gut 45 Meter langen Schiffe war leichter bewaffnet mit Maschinengewehren, aber auch mit einer 25 mm Kanone. Für den Krieg waren sie zu leicht, aber jedem Frachter oder ähnlichem weit überlegen. Zusätzlich kamen noch zwei Küstenboote der Wasserpolizei vom Hafen her mit hoher Bugwelle heran.

„Hier spricht die Küstenwache. Stoppen Sie ab und senken die Gangway. Versammeln Sie die ganze Mannschaft an Deck. Wir kommen an Bord zwecks Überprüfung.“

Die Aufforderung per Funk und Lautsprecher war deutlich. Die auf das Schiff ausgerichteten Geschützmündungen ebenfalls. Seufzend stoppte der Kapitän die Fahrt. Passieren konnte nichts. Dazu gab es hier keine Untiefen. Nur würde man später anlegen. Der Zeitplan stimmte nicht mehr. Deswegen setzte Kapitän Logan auch einen Funkspruch an seinen Reeder ab.

Zu befürchten hatte er nichts. Sein Schiff war schon zwei oder drei Male durchsucht worden und nie hatte man etwas gefunden. Er amüsierte sich nur jedes Mal über den martialischen Auftritt. Drohende Geschütze und Marinesoldaten mit MPs. Alle schauten grimmig, als ob sie gerade alleine den Krieg gewannen. Und dann gingen sie enttäuscht, fast mit hängenden Köpfen, von Bord.

Auch jetzt ging er entspannt an Deck zu seiner Crew, das Logbuch in seiner Hand. Sie alle standen nahe der Reling, tauschten wissende Blicke und boten ein entspanntes Bild. Das Enterkommando bekam das Logbuch und die Soldaten schwärmten aus.

Nur dieses Mal wurde jeder der Crew blass, als die Soldaten gezielt auf einen Container zugriffen. Zehnte Reihe, zweiter von unten bezogen auf das Deckniveau, blau mit rotem Streifen in der Mitte. Über eine Leiter ging es hinauf und dann sahen etwa 50 Männer und Frauen schon Tageslicht. Frische Luft drang in die abgestanden stinkende im Innenraum und erlöste die Menschen aus der Enge und Dunkelheit. Nur die Gesichter und Uniformen der Öffnenden zeigten ihnen, dass ihr Versuch gescheitert war. Sie hatte ihr Geld falsch investiert. Sie kamen nicht in das gelobte Land. Ihr Weg endete vorerst in einem Flüchtlingslager. Sie ahnten auch nicht, dass dies für sie ein besseres Ziel geworden war.

Die Besatzung wurde noch blasser, als auch genauso gezielt der grüne Container in der ersten Reihe angegangen wurde. Denn die Frauen dort waren nicht freiwillig an Bord. Entführung war ein anderes Kaliber als Schleuser beim Schmuggeln von illegalen Einwanderern.

Kapitän Logan drehte sich an der Reling und schaute auf das Meer hinaus als die Leiter an den Container angelegt wurde. So vor den Augen der beiden Matrosen, die die Besatzung bewachten, verdeckt, angelte er das einfache Prepaid-Handy aus der Hosentasche. Niemand hatte sie bisher durchsucht. Im Handy gab es nur eine hinterlegte Telefonnummer, die er mit einem Fingerdruck aktivierte.

„Ja?“ kam eine männliche Stimme gleich darauf aus dem auf leise eingestellten Lautsprecher.

„Wir sind aufgeflogen“, murmelte der Kapitän.

„Sie schweigen, Wir holen sie raus. Ende.“

Das Gespräch war schon zu Ende und die Verbindung unterbrochen. Schweigend öffnete Kapitän Logan seine Hand. Das winzige Platschen, als das Handy im Meer eintauchte, hörte niemand. Und finden würde auch keiner mehr das Handy. Niemand konnte das Gespräch rückverfolgen.

 

--- xxx ---

 

Die Meldung in den verschiedenen Medien war kurz. Sie schaffte es sogar in die landesweiten Nachrichtensendungen. Nur über die Entführten schwiegen Polizei und Coast Guard. Hier bemühte man sich um weitere Informationen und Hintermänner. Hier wollte man niemanden aufscheuchen.

„Tampa, Küstenregion. Nach bisher unbestätigten Meldungen von Küstenpolizei und Coast Guard wurde heute Nachmittag vor der Hafenzufahrt das Containerschiff ‚Wave Queen‘ aufgebracht. Die Crew wurde festgenommen bei dem Versuch, 50 Immigranten unerlaubt in das Land zu schmuggeln.

Tampa Stadt. Auf dem Salmon Expressway kam es zu einem schweren Verkehrsunfall …“

 

Der Mann vor dem fast wandgroßen Bildschirm tippte auf die Glasplatte, die in dem Mahagonitisch eingelassen war. Berührungssensitiv wurde damit das verbundene Keyboard betätigte. Das Nachrichtenbild fror ein und schrumpfte auf die Hälfte. Die verbleibende Fläche nahm das Bild eine Mittelamerikaners ein. Seine leicht olivfarbene Haut zeigte auf den bloßen Armen eine Vielzahl von Tätowierungen. Er trug nur eine Weste aus Krokodilleder. Seine Wange war faltig und ein langer Schnurbart hing an den Mundwinkeln herunter. Grüßend hob er seine Hand, als auch er das Bild des Anrufers sah. Der Anrufer verkniff sich das Lächeln. Jedes Mal, wenn er den Kubaner Raoul Guterres sah, erinnerte er sich an den ‚Messerwerfer‘ aus dem Film ‚Desperado‘. Danny Trejo hatte die Rolle des Messerkünstlers dargestellt, der Antonio Banderas gejagt hatte. Und Guterres könnte sein Zwilling sein.

„Hallo, Raoul. Du hast dein Geld bekommen?“

„Ja, Danke. Ich habe gerade mitbekommen, du hattest nicht so viel Glück.“

„Verdammt. Kurz vor dem Ziel kommt die Küstenwache und nimmt alle fest. Und sie gingen ganz gezielt vor. Als ob die gewusst haben, wo sie suchen mussten. Wie haben die das geschafft? Die Ware lief nicht an Deck herum. Nur beim Einsteigen hätte man sie sehen können.

Haben deine Leute etwas bemerkt? War da irgendein Boot in der Nähe. Eine Drohne oder irgendetwas?“

Der Kubaner dachte nach. Dann schüttelte er den Kopf.

„Sorry, da war nichts. Niemand von den Booten hat etwas gemeldet. Wenn es kein U-Boot war, war dort nichts. Überleg mal. Da war nichts in Sichtweite und auf dem Radar hatte der Käpt’n des Containers auch nichts. Sonst hätte der abgebrochen.“

„Ich werde ihn befragen und den Kanal verstopfen. Es darf nicht nochmal passieren. Wir reden in vier Wochen. Ok?“

„Ok.“

Damit beugte sich der Kubaner vor und sein Bild erlosch.

Der Amerikaner lehnte sich zurück und legte die eleganten Slipper an seinen Füßen auf die Schreibtischkante. Er dachte nach. Von dem Desaster hatte er schon gewusst. Der Anruf des Kapitäns hatte ihn über seinen Mitarbeiter erreicht. Und er hatte sich mit seinem Mann Gedanken um die Lösung des Problems gemacht. Schließlich drückte er den Rufknopf an seinem Telefon.

„Ja, Sir?“ erklang fast unmittelbar danach die Stimme von Sonja Baker, seiner Sekretärin.

„Rufen Sie bitte Phil Courtland an und sagen ihm, dass ich ihn dringend erwarte. Danke.“

Damit beendete er das Gespräch auch schon wieder. Sonja würde seinen Wunsch sofort umsetzen. Phil Courtland war einer von seinen Anwälten. Normalerweise kümmerte er sich um die Geschäfte, die nicht mit der Öffentlichkeit in Berührung kommen durften. Da ging es um Geschäfte, die nur mit Codeworten verschlüsselt wurden, wo man aber trotzdem die Bedingungen schriftlich festhielt.

Zwei Stunden später war der Anwalt anwesend und beide saßen bei einem Whiskey in einer bequemen Sitzgruppe in dem großen Büro. Der Einladende erklärte die Situation und nannte seinen Plan. Phil Courtland dachte darüber nach und machte auch kleine Einwände. Aber alles wurde ausgeräumt und am Ende wechselte noch eine kleine Schachtel den Besitzer.

Aus Sicht des Amerikaners war erst mal alles wieder in Ordnung. Nur das Wieso stand noch im Raum. Da hoffte er auf eine Erklärung vom verhafteten Kapitän des Containerschiffes.

 

Schon am folgenden Tag meldete sich Phil Courtland beim FBI-Headquarters in Tampa. Er meldete sich beim Empfang als Anwalt für Kapitän Logan an. Prompt wurde er erst einmal zu einem Agenten geschickt, der für den Fall zuständig war. Man würde sicher öfter zusammentreffen, da er als Anwalt Akteneinsicht beantragen würde. Man würde auch die einen oder anderen eher informellen Gespräche führen, vielleicht auch über mögliche Absprachen verhandeln. So lernte man sich kennen.

Kapitän Logan saß hier in Untersuchungshaft, denn seine Besatzung hatte von allem wenig gewusst. Sie hatten für Geld mitgemacht und würden es nach der Verhandlung abbüßen. Doch die sie vernehmenden Agents hatten schnell gemerkt, dass sie nur Mitläufer ohne Wissen waren. Hier war der Kapitän der einzige mit weiterführendem Wissen zu den Hintermännern und Auftraggebern. Doch der schwieg. Stundenlang waren Fragen auf ihn eingeprasselt und er hatte mit keiner Wimper gezuckt.

Natürlich bekam der Anwalt seinen Raum und der Gefangene wurde zu ihm gebracht. Sie waren unter sich und durften nicht abgehört werden, wie es die Rechte vorgaben. Da auch keine Gefahr von dem Gefangen auszugehen schien, war auch kein Wächter anwesend.

„Sind Sie beobachtet worden?“ fragte der Anwalt eine halbe Stunde später.

Er hatte sich vorgestellt und einige Punkte abgefragt, die für die Verteidigung sinnvoll waren. Die Strategie stand noch nicht, dazu fehlten noch viele weitere Informationen. Aber es ging auch um die Ursache des Versagens.

Einen Moment dachte Logan nach und schüttelte dann den Kopf.

„Nein. Niemand war in der Nähe. Das prüfe ich immer. Irgendwo am Horizont gab es sicher jemanden. Schließlich ist es eine befahrene Schifffahrtsstraße. Aber in der Nähe …?“

Erneut das Kopfschütteln. Phil Courtland griff den Hinweis auf. Heute konnte man mit leistungsfähigen Ferngläsern einiges anfangen.

„Jemand am Horizont? Sie wissen, was man mit Ferngläsern alles machen kann?“

Logan nickte.

„Ich habe selber mit Fernglas Ausschau gehalten und nichts gesehen. Drei anderen Frachter, ein halbes Dutzend Segler und ein paar Yachten. Niemand, der sich für uns interessierte.“

„Hm. Ist sonst etwas auf dem Weg aufgefallen? Jemand, der Ihnen hinterhergefahren und dann zurückgefallen ist?“

Wieder kam das zögernde Kopfschütteln. Logan dachte nach. War ihm etwas aufgefallen?

„An dem Tag ist mir weder ein Polizeiboot noch ein Schiff der Küstenwache begegnet. Alles nur der übliche Schiffsverkehr.“

 

Für einen Moment huschte ein Schmunzeln um seinen Mund.

„Das einzige, was mich an dem Tag verwundert hatte, war ein Ausflugsschiff gewesen“, murmelte er nachdenklich.

„Ein Ausflugsschiff?“

„Naja, wir haben es drei oder vier Stunden vorher passiert. Als Verfolger kann man es vergessen. Wir waren mehr als doppelt so schnell. Es war bei der Übernahme hinter dem Horizont. Außer Sicht.“

„Und was war auffällig?“, hakte der Anwalt nach.

„Nun, außer der Frau am Steuer schien niemand sonst an Bord zu sein. Das hat mich bei einem Touristenschiff gewundert. Ich habe auch kurz nachdacht, was die so weit ab von der Küste suchten. Habe es aber wieder verdrängt und vergessen, weil es uninteressant war.“

„Was war das für ein Schiff?“

Logan überlegte.

„Wenn ich mich recht erinnere, irgendetwas mit ‚Water‘ und ‚Visit‘. Ich glaube, es war ein Semi-Sub.“

„Ein Semi-Sub?“

„Na, so ein Schiff, wo die Leute unter der Wasserlinie raussehen können. Oben Schiff und unten U-Boot.“

Der Anwalt nickte. Nun hatte er verstanden. Er speicherte die Information ab. So auf den ersten Moment erschien es ihm auch merkwürdig, wenn so ein leeres Schiff so weit hinausfuhr. Und das Wasser war dort zu tief, um etwas zu beobachten.

 

Dann wechselte er zu einem anderen Thema. Seine Stimme wurde leise und eindringlich.

„Ok, wir holen Sie raus. Ohne Verhandlung.“

„Wie?“

„Ich gebe Ihnen gleich eine Tablette. Die nehmen Sie morgen Abend beim Schlafengehen. Morgen. Nicht heute. Sonst fällt es auf mich zurück.“

Logan nickte. Es war verständlich, dass es keine Spuren geben durfte.

„Das Medikament wird Ihnen über Nacht ein ungesundes Aussehen verleihen und leider auch Bauchschmerzen verursachen. Ein paar Krämpfe. Muss leider sein, damit der Doc es glaubt. Man wird Sie dann ins Krankenhaus bringen. Dort werden Sie nur nicht ankommen. Beim Transport holen wir sie raus. Sie bekommen neue Papiere und ein neues Leben an der Westküste. Ok?“

Logan nickte und zeigte ein kleines Grinsen. Das war, was er hören wollte. Dafür nahm er auch die Bauchschmerzen in Kauf.

„Gut. Dann müssen Sie mir noch unterschreiben, dass ich Ihre Verteidigung übernehmen soll. Formalismus eben.“

Der Anwalt öffnete seine Aktentasche und holte ein Formular heraus und einen Kugelschreiber. Beides schob er dem Kapitän zu.

„Bitte nicht den Clip abbrechen“, meinte er mit einem Zwinkern.

Sofort betrachte Logan den Kugelschreiber und er bemerkte die kleine Tablette, die dort festgeklemmt war. Ohne Hinweis wäre sie ihm vielleicht nicht aufgefallen. So aber grinste er, während er mit einer schnellen Fingerbewegung die Tablette herausschob und in seiner Hand verbarg. Dann unterschrieb er das Formular.

Als er den Kugelschreiber weglegen wollte, rutschte der ihm scheinbar aus den Fingern und fiel zu Boden. Sofort bückte er sich und hob ihn wieder auf. Gleichzeitig verschwand die Tablette in seinem Socken.

Minuten später verabschiedeten sich die beiden Männer. Der Anwalt wurde nochmals zu dem bearbeitenden Agenten geführt. Die beiden verabredeten einen Termin in drei Tagen. Der Anwalt wollte einiges prüfen und dann seinem neuen Klienten zureden, kooperativer zu sein.

 

Doch dazu kam es nicht mehr. Zwei Tage nach diesem ersten Gespräch war Kapitän Logan tot. Er war morgens tot aufgefunden worden. Eine Untersuchung stellte Herzversagen fest. Eine verwunderliche Diagnose, weil keine Herzschwäche bisher bei dem Mann bekannt war. Nur der Lieferant der Tablette wusste, dass die Inhaltsstoffe einen Herzstillstand bewirkten, sich aber gleichzeitig sehr schnell abbauten. Innerhalb von 16 Stunden waren die Wirkstoffe nicht mehr nachweisbar. Eine Zeitspanne, die durch die Nacht, die Aufregung beim Auffinden und das dann erst erfolgende Einleiten einer Obduktion reduziert wurde. So standen auch in diesem Fall die Ärzte vor einem Problem. Sie konnten nur die Schultern zucken und den Totenschein mit der Ursache Herzversagen ausstellen. Ein Fremdverschulden durch Gift vermuteten sie zwar, konnten es aber nicht beweisen.

Natürlich war Phil Courtland auch einer derjenigen, der informiert wurde. Und noch jemand nahm es wohlwollend zur Kenntnis. Sein Plan hatte funktioniert.

 

Natürlich hatte Phil seinem Auftraggeber unmittelbar nach dem Besuch beim Verhafteten die Informationen weitergemeldet hinsichtlich dessen Beobachtungen. Später hatte er sich mit ihm getroffen und auch dessen Stellvertreter war dabei gewesen.

Der Anwalt hätte es nie zugegeben, aber beim Erscheinen von Alfredo Fernando Lopez fühlte er sich immer unwohl. Der gebürtige Amerikaner mexikanischer Abstammung war der CEO, wenn man diese Jobbeschreibung verwenden wollte. Er war ein Pedant und seine hagere Gestalt wirkte schlaksig. Und doch war er reiner Stahl. Täglich trainierte er und er scheute sich auch nicht, selber Hand anzulegen. Trotzdem trat er meistens gut gekleidet auf, um auch zu unterstreichen, dass er kein einfacher Handlanger war.

Er war gleichzeitig die rechte Hand von Peter Banks, der hinter allem stand. Peter Banks war schlank, 39 Jahre alt, und fiel durch die langen braunen Haare mit Pferdeschwanz auf. Er wirkt wie ein Nerd, aber er war ein brillanter Geschäftsmann. Ihm gehörten in und um Tampa ein halbes Dutzend Firmen verschiedener Themen. Und ihm gehörte auch ein kleinerer Radiosender, der hauptsächlich mit Country-Musik punktete. Für ihn war es der Aspekt, dass er in Verbindung mit den Nachrichten auch die Hinweise der Polizei zu Unfällen, Sperrungen oder anderem automatisch bekam.

Peter war nicht zufrieden mit dem, was er mit seinen Firmen verdiente. Die dienten ihm nebenbei auch zum Geldwaschen. Sein eigentliches Vermögen verdiente er mit ganz anderen Geschäften, die nicht über das Finanzamt liefen. Dafür war hierbei seine Gewinnmarge deutlich höher.

Das Auffliegen beim Containerschiff hatte ihn in Summe eine runde Million gekostet. Das war nur der reine Zahlenwert. Wesentlich weniger bezifferbar war der Verlust an Vertrauen, wenn er nicht liefern konnte. Das gefährdete seine Zukunft.

Deswegen musste jedes Leck gestopft werden. Selbst wenn es nicht einen eindeutigen Verrat gab, sondern nur eine Mutmaßung. Allein der halbwegs vorliegende Verdacht reichte aus.

Alfredo recherchierte die Informationen hinsichtlich ‚Water‘ und ‚Visit‘. Es musste ein Touristik-Unternehmen sein. War es in Tampa oder wo sonst beheimatet? Wem gehörte es? Stand es in Verbindung mit Behörden? Wie groß war es? Es gab eine lange Liste an Fragen. Erst mit allen Antworten würde eine Entscheidung getroffen.

Mit dem Anwalt diskutierten sie die Möglichkeit, das Unternehmen zu kaufen und so aus dem Rennen zu nehmen. Phil winkte ab. Wenn Behörden dahintersteckten und ihnen so die Spione genommen wurden, würden sie einfach einen anderen nehmen. Kaufen würde nicht viel bringen.

So dauerte es noch fast zwei Wochen, bis Peter und Alfredo zu einer Entscheidung hinsichtlich ‚Waterworld Visiting‘ kamen. In ganz Florida gab es kein anderes Unternehmen, bei denen die bekannten Namensteile auftauchten. So hatten sie die Firma mit Sitz in Key West identifiziert. Zwei Frauen leiteten und betrieben die Firma und von den beiden war nur ‚Capt’n Lil‘ als das Aushängeschild bekannt.

Beide Männer waren sich einig, dass es einen Unfall brauchte. Offener Mord würde die Behörden aufschrecken. Ein Verschwinden warf zwar auch Fragen auf, aber es gab keine Beweise.

Da das Unternehmen zwei Schiffe betrieb, war eine Aktion gegen beide auch schwierig. Doch hier waren sich die Männer einig, dass ein verschwundenes Schiff der anderen Besitzerin den Mund verschloss. Selbst wenn keine Drohung eintraf, würde sie erkennen, dass sie das nächste Zeil sein würde. Normale Menschen flüchteten bei der Erkenntnis. Oder versuchten es zumindest.

Damit ging es in die Detailplanung. Die übernahm Alfredo mit seinen Männern. Schwierigkeiten sahen sie jedenfalls keine großen. Zivilisten, die glaubten Spione sein zu können. Die Überwachung bisher hatte keine großen Mannschaften offenbart.

 

 

Anschlag

 

Die NAUTILUS lief mit langsamer Fahrt aus dem Hafen. Konzentriert stand Lilith hinter dem Ruder. Auch nach hunderten Fahrten wurde sie nicht nachlässig. Immer konnte irgendein Freizeitkapitän unberechenbare Manöver durchführen. Da musste man reagieren können, auch wenn die NAUTILUS schwerfällig war wie ein Baumstamm.

Oberhalb der Wasserlinie sah die NAUTILUS aus wie ein normales Ausflugsschiff. Es hatte eine Länge von 25 und eine Breite von 4 Metern. Achtern war das etwas erhöhte Ruderhaus mit der Maschinenkontrolle auf dem gerundeten Heck. Diese letzten fünf Meter waren abgetrennt durch Ketten, die das Ruderhaus mit der Reling verbanden. Die vorderen fünf Meter am spitz zulaufenden Bug waren durch hochgezogene Kunststoffscheiben vor Spritzwasser geschützt. Und die mittleren 15 Meter deckte eine Plane aus Segeltuch auf Stützen ab. Das war der Sonnenschutz für die momentan 20 Passagiere an Bord. Angeschraubte Tische und Bänke sorgten für ein wenig Bequemlichkeit.

Erst später würde man den Grill aufbauen. Ansonsten hatten alle den freien Zugang zu den großen eisgefüllten Kühltaschen mit den Softdrinks vor dem Ruderstand. Es war der übliche Samstags-Tagesausflug. Abfahrt erfolgte im Key West Hafen um acht Uhr morgens. Man würde hinausfahren bis an das Naturschutzgebiet, dass dem DSC, dem Dolphin and Shark Center, gehörte. Ein Naturschutzgebiet im Privatbesitz. Dort würde man einen großen Bogen fahren. Das Meer war an der Stelle nur zwischen 10 bis 40 Meter tief, selten tiefer und selten flacher.

Und die Passagiere konnten die Natur beobachten, den Fischreichtum bis hinunter zu den Korallen. Denn das war die Besonderheit der NAUTILUS. Sie hatten den Boden um ein Stockwerk tiefer gesenkt und Fenster eingesetzt. Spezielle Fenster aus zentimeterdickem Acryl, im Normalfall unzerbrechlich, schützten die Beobachter auf der Etage. Zusammen mit Unterwasserscheinwerfern, konnten die Passagiere alles beobachten bis zum Meeresboden.

Da sie nur beobachteten, hatten sie die Genehmigung des DSC. Schließlich zogen sie an einem Strang, denn sie wollten die Natur den Menschen nahebringen und gleichzeitig die Natur vor den Menschen bewahren. Mochte es wie ein Widerspruch klingen, war aber dennoch das Ziel dahinter, ein bewusstes Nachdenken zu erreichen.

Lilith, oder Capt’n Lil, wie sie hier an Bord von ihrer Besatzung grinsend bezeichnet wurde, hieß eigentlich Lilith Dawn. Sie war 26 Jahre alt und gehörte zu den beiden Besitzerinnen des ‚Waterworld Visiting‘. Ein Unternehmen, dass sich auf Touristen spezialisiert hatte und mit Semi-Subs hinausfuhr auf das Meer. Mit ihren 1,67 und den schulterlangen rotbraunen Haaren war sie eine hübsche Frau. Ihre jadegrünen Augen funkelten vor Freude beim Hinausfahren. Sie liebte das Meer. Aus verschiedenen Gründen. Mit leicht gespreizten Beinen stand sie hinter dem Ruder und federte die Wellenbewegungen ab, die das Schiff leicht schaukeln ließen. Heute trug sie schwarze Jeans und ein türkisgrünes T-Shirt mit dem Logo des Unternehmens auf dem Rücken.

Ihre Besatzung trug die gleichen Shirts. Wie üblich waren es zwei Studenten, Kim und Nathan, vom ‚College of the Florida Keys‘ in Key West, die sich hier etwas verdienten und es gleichzeitig für das College, für ihr Studium nutzten. Die beiden unterhielten die Gäste, erklärten und wiesen auf Besonderheiten hin.

 

Drei Stunden später stand Nathan am Grill und buk Fisch. Lebensmittel führten sie im Kühlschrank mit und holten es nicht aus dem Meer. Kim platzierte die vorbereiteten Salate auf dem Tisch daneben und stapelte Geschirr. Ein großer Teil der Gäste saß eine Etage tiefer und drückte die Gesichter und Kameras gegen die Scheiben. Sie hatten Glück und eine Vielzahl von Fischen tummelte sich um das Boot. Der Zugang am Bug und nahe dem Ruderhaus stand offen, damit Luft zirkulieren konnte und jeder jederzeit hinabsteigen oder sich oben aufhalten konnte. Lil hatte langsame Fahrt einstellt und das Ruder arretiert. So würde das Schiff einen langen Bogen fahren. Dafür half sie nun ihren beiden Studenten. Außer ihnen war niemand hier draußen auf See.

Und da irrte sie. Soweit das Meer sich auch um sie herum erstreckte, allein waren sie nicht. Sie wusste es nur nicht. Noch nicht.

Vorne am Bug standen drei Männer zusammen und starrten auf das Meer hinaus. Sie waren nur kurz unten gewesen und hielten sich lieber vorne auf. Trotz des warmen Wetters hatten sie Westen über ihren Shirts angezogen. Neben den obligatorischen Jeans und den Sportschuhen fielen besonders die großen verspiegelten Sonnenbrillen auf. Und alle drei trugen schwarze Schirmmützen mit dem Aufdruck der Miami Dolphin, des Miami Football-Teams. Einheitlich waren bei allen Männern die Drei-Tage-Bärte in braun oder schwarz.

Plötzlich stieß einer seine beiden Nachbarn an und nickte aufs Meer hinaus. Dort war ein dunkler Punkt sichtbar geworden, der näherkam. Eine Zeit beobachteten sie den Kurs des Bootes, dass in ihre Richtung kam. Die drei Männer grinsten böse, als sie sich zunickten. Während einer das stählerne Schott des Aufstiegs am Bug schloss, standen die anderen beiden neben ihm. Leise drückte er die beiden Hebel herunter und verriegelte so das Schott. Ein schneller Griff unter seine Weste zauberte ein paar lange breite Kabelbinder hervor. Sekunden später waren die Hebelarme fixiert. Jetzt konnte niemand mehr das Schott öffnen. Zumindest nicht von innen.

Er nickte den beiden Begleitern zu. Ein Teil war erledigt.

An beiden Seiten der Reling marschierten die drei weiter in Richtung Ruderhaus. Die wenigen Passagiere oben an Deck ignorierten sie. Noch. Ihr Ziel war die Besatzung, die gerade das Mittagessen vorbereitete.

Zwei der Männer lehnten sich auf beiden Seiten an die Reling. Der dritte Mann blieb neben dem Aufstieg stehen. Fast gleichzeitig griffen die Männer wieder unter ihre Westen. Nur, als die Hände wieder zum Vorschein kamen, waren Pistolen darin. Mattschwarze SIG Sauer P320 Compact richteten sich auf Lil und ihrer Studenten. Die beiden Männer außen ließen ihre Blicke zwischen der Besatzung und den anderen Passagieren hin und her gehen. Überraschungen konnten sie keine gebrauchen.

„Hey, Capt’n“, sagte der Mann neben dem Abstieg leise.

Lil richtete sich auf und wandte sich dem Mann zu. Sie öffnete schon den Mund, um zu fragen, was er wolle, da bemerkte sie die Waffe, die auf sie zielte. Erschrocken ruckte ihr Kopf wieder hoch. Sie sah nur das spöttische Gesicht des Mannes mit der dunklen Sonnenbrille.

„Capt’n. Wir brauchen ihr Boot für eine Weile. Ich empfehle, sie bringen alle Passagiere unter Deck und auch sich und ihre Crew. Wenn wir erledigt haben, was wir wollen, dann lassen wir sie wieder frei. Comprende?“

Eher unterbewusst schuf das letzte Wort bei Lil eine Verbindung zu einer spanischen Abstammung oder zumindest Sprache. Aber das war verständlich, denn in Florida lebten viele Menschen, die kubanischer Abstammung waren. Nur langsam sickerte in ihren Kopf, was die Männer wollten. Ihr Schiff. Für was auch immer. Ihr Kopf ruckte zu den anderen beiden Männern an der Reling. Auch hier sah sie den spöttischen Gesichtsausdruck. Und die Waffen. Es machte ihre Ohnmacht nur noch deutlicher.

 

„Was soll das?“ fragte Lil leise und scharf.

Noch wollte sie keine Aufmerksamkeit erregen. Vielleicht war das ja nur ein Spaß, wenn auch ein sehr schlechter.

„Nochmals, Lady. Es liegt bei ihnen. Wenn in zwei Minuten nicht alle unter Deck sind, gibt es hier oben keine Lebenden mehr. Entscheiden sie sich. Aber pronto.“

Immer noch einigermaßen höflich und doch mit emotionsloser Stimme antwortete der unbekannte Mann. Lil lauschte für einen Moment der Stimme nach. Doch da war keinerlei Belustigung zu hören, wie bei jemanden, der sich über einen gelungenen Streich freute. Da war eher Kälte und Unbeteiligtheit. So, als ob es dem Mann egal wäre, ob er sie unter Deck sperrt oder erschoss.

Sie ließ erneut den Blick schweifen in der Hoffnung, vielleicht eine Hilfe zu entdecken. Dabei bemerkte sie das näherkommende, aber noch weit entfernte Boot. Sie ahnte, dass das mit der Forderung in Verbindung stand. Ihre spontane Überlegung war, dass jemand an Bord kam, von dem niemand wusste. Oder dass die drei Männer etwas übergaben, für das sie keine Zeugen wollten. Drogen beispielsweise. Und wenn sie sogar mit an Bord gingen, konnte niemand jemanden anklagen. Niemand würde die Abholer und deren Boot, deren Kennzeichnung identifizieren können. Niemand kannte die drei und würde wissen, in welche Richtung sie verschwunden waren. Außer Sicht konnten sie den Kurs beliebig ändern. Die Überlegung erschien ihr logisch.

Doch die Waffen der drei Männer ließen ihr keine Zeit für lange Überlegungen. Mit leiser Stimme instruierte Lilith ihre Studenten. Angst und Hoffnung auf ein gutes Ende spiegelt sich in den Gesichtern, als sie die Gäste auf dem Deck nach unten baten und ihnen folgten. Die Angst vor den tödlichen Waffen und die Hoffnung, weil ein Einsperren die Hoffnung auf ein wieder freikommen enthielt.

Capt’n Lil war die letzte, die hinabstieg in das Unterschiff. Angstvolle Blicke schlugen ihr entgegen. Es hatte sich bereits herumgesprochen, dass sich Piraten an Bord aufhielten. Hinter ihr schloss sich die stählerne Tür und Riegel rasteten ein.

„Kein Grund zur Panik“, versuchte Lil die Leute zu beruhigen.

„Wir leben noch. Wenn sie uns hätten töten wollen, wäre das bereits geschehen.“

Es war eine einfache Feststellung. Sie sorgte aber dafür, dass etliche Passagiere aufatmeten. Das Argument erschien ihnen verständlich.

„Ein anderes Boot kommt“, erklärte sie weiter, „und wir werden es über die Fenster sehen können. Ich denke, hier werden Verbrecher von anderen abgeholt.“

Es war eine These von ihr, lieferte den Gästen aber auch eine gewisse logische Erklärung, dass vielleicht Flüchtige so in Sicherheit gebracht wurden.

„Wenn sie verschwinden, werden wir wieder hinausgehen. Jetzt wollen sie nur nicht gesehen und erkannt werden.“

Auch das war eine These, die aber offene Ohren fand. Die Leute beruhigten sich weiter. Sie hatten Hoffnung, dass das alles in kurzer Zeit vorbei war. Dann würde man Aufregendes den Freunden berichten können. Aufregender, als Delphine oder Haie zu sehen, fanden einige.

 

Oben näherte sich das Sportboot und legte sich in einem eleganten Bogen neben die geöffnete Tür in der Reling. Schnell war die Bugleine an dem kleinen Poller belegt und auch die Heckleine fixierte das schlanke Boot fest an die Seite des größeren Schiffes.

„Hi, Al“, begrüßte der Wortführer der drei Männer auf dem Oberdeck den einzigen Passagier auf dem Sportboot. Der lehnte entspannt auf der Sitzbank und nickte seinem Bootsführer zu, die Motoren im Leerlauf zu lassen.

Al hieß eigentlich Alfredo Fernando Lopez und er war der CEO in Peter Banks inoffizieller Firma. Er war auch der Mann für das Grobe und manchmal frotzelte er, dass das E in CEO nicht für Executive, sondern für Execution stehen würde. Was Menschenleben anging, hatte er kein Gewissen. Und die gleiche Einstellung forderte Alfredo von seinen Mitarbeitern.

„Alles klar, Miguel?“ fragte Al den Sprecher.

Der nickte und deutete mit dem Daumen über die Schulter.

„Alle unten und eingeschlossen. Sie sind momentan ruhig. Dein Boot haben sie bemerkt und sie werden den Rumpf auch von unten sehen. Erst wenn wir wegfahren, werden sie versuchen hochzukommen. Und es nicht schaffen. Die Kabelbinder halten.“

Al kletterte über den Bootsrand an Bord des Ausflugschiffes. Trotz der Wärme trug er dünne Lederhandschuhe. Gemächlich drehte er eine Runde über das Oberdeck und besah sich alles, ohne etwas anzufassen. Vor allem die Verriegelungen der Türen nach unten besah er sich genau. Jedes Mal nickte er. Auf seinen Mann war Verlass. Ohne Werkzeug und Hilfe von außen, bekam keiner die Türen auf.

„Ok, Miguel. Ich bin zufrieden. Lass dir das Paket von Hank geben.“

Miguel nickte und lehnte sich über die Reling zu dem angekommenen Boot. Der Bootsführer, eben der genannte Hank, reichte ihm ein umfangreiches Paket hoch. Mehrere kleinere Pakete waren da drinnen mehrfach in Plastikfolien eingeschweißt worden. Und auch ein etwas umgebautes Mobiltelefon gehörte dazu. Das Display war von außen lesbar und zwei Drähte führten zu den kleineren Paketen.

Grinsend betrachtete Miguel das Paket von allen Seiten. Und weiter grinsend, blickte er Al an.

„Gute Idee. Einfach und garantiert.“

„Wir haben die Ladung groß genug gewählt, damit das Fenster auf jeden Fall kaputtgeht“, erwiderte Alfredo.

Dann klatschte er in die Hände.

„Genug geredet. Stell das Ruder auf Ostkurs und fixiere es ebenfalls. Dann nimmst du dir ein Seil, bindest es an das Paket und hängst es über Bord. Und zwar so, dass die Schlampe sieht, wann ihre Zeit abläuft.

Und ihr anderen macht, dass ihr an Bord kommt. Oder ihr bleibt hier.“

Das ließen sich die beiden anderen Männer an Bord des Ausflugsschiffes nicht zweimal sagen. Al blieb selber noch und überwachte Miguels Ausführungen. Zuerst änderte der den Kurs. Nach kurzer Zeit lag Kurs Ost an und nicht mehr der langsame Kreis wie bisher. Die Geschwindigkeit erhöhte er nicht. Der Meeresboden war noch für längere Zeit nur zwischen 20 und 80 Meter tief. Es würde egal sein, wo das Schiff später unterging. Land war nicht in Sicht.

Während Miguel ein Seil um das Paket schlang und sicherstellte, dass es nicht herausrutschen konnte, holte Alfredo seine SIG aus dem Gürtelhalfter und einen Schalldämpfer aus der inneren Jackentasche. Ruhig schraubte er beides zusammen. Dann trat er an die beiden aufblasbaren Rettungsboote an Bord des Ausflugsschiffes und verschoss methodisch ein Magazin hinein. Selbst wenn jemand der Falle unten entkommen würde, ein Rettungsboot stand nicht mehr zur Verfügung.

Als alles vorbereitet war und Miguel bereits das andere Ende des Seils an der Reling befestigt hatte, kam Al zu ihm. Seine Waffe hatte er wieder weggesteckt. Dafür holte er nun sein Smartphone heraus. Er suchte eine bestimmte App heraus und aktivierte sie. Auf seinem Display startete ein Countdown von 30 Minuten. Die gleiche Anzeige erschien auf dem Display des Mobiltelefons in der eingeschweißten Packung. Und die Zahlen, Minuten und Sekunden, waren gut lesbar.

Beide Männer grinste böse. Miguel ließ das Paket nun langsam an der Bordwand außen nach unten. Er hatte es extra so gedreht, dass die Anzeige zum Boot hin erschien. Der Blick nach unten zeigte ihm, dass das Paket richtig hing. Mitten auf der großen Scheibe, im Format 70 mal 70 Zentimeter und aus dickem Acryl bestehend, war das Paket nun für alle im Rumpf sichtbar. Ab und zu drehte das Paket seine Seite, wenn Strömung und Schiffsneigung es ermöglichten. Doch wie um die Menschen im Rumpf zu verspotten, dreht es kurz darauf zurück. Nur die Anzeige war kleiner geworden. Der Countdown lief.

Dass die Eingeschlossenen erkannt hatten, was da hing, zeigte sich Sekunden später am Rütteln der Türriegel. Beide Männer oben grinsten sich an. Die Kabelbinder hielten. Al wies Miguel mit einer Kopfbewegung an, auch in das Boot umzusteigen. Miguel ging sofort.

Oben an Decke prüfte Alfredo noch einmal. Er war jetzt alleine an Bord. Seine Akribie war sein Markenzeichen. Übernahm er den Job persönlich, hatte es bisher nie einen Fehler gegeben. Geschweige denn eine Anklage gegen ihn. Und er demonstrierte seine Gelassenheit, indem er sich bei seiner letzten Runde vorher ein Brötchen vom Buffet nahm, es teilte und ein fertig gebratenes Stück Fisch einschob. Davon biss er beim Rundgang ab.

Mit dem letzten Bissen sprang er zurück in das kleine Sportboot. Gleich darauf war die Vertäuung gelöst und die beiden Motoren brüllten auf, als das Boot förmlich losspurtete. Der Kurs war erst Westen und würde später, außerhalb der Sicht, geändert. Man wollte jeden dummen Zufall vermeiden.

Heute gab es diesen dummen Zufall. Das Meer war heute nicht so leer, wie das menschliche Auge glaubte. Das Meer hatte schließlich drei Dimensionen.

 

Etliche Stunden zuvor hatte sich auf der nördlicher gelegenen Insel Turtle Island Ronald McGormon die Schlüssel für das kleine Zodiak Pro 7 in der Zentrale geholt und die Ausleihe sowie den Zielort in die Kladde eingetragen.

Luana Corbin, Ehefrau von Ben Corbin, einem der vier Eigentümer des privaten Naturschutzgebietes, hatte an dem Tag Dienst am Funkgerät. Zumindest tagsüber war der Empfang besetzt, nachts wurde ein eingehender Spruch über einen Pager gemeldet und konnte dann über Fernabfrage abgerufen werden. Während sich Luana neben dem Funk um die Homepage des privaten Unternehmens kümmerte, quälte sich ihr Mann durch Steuerunterlagen für das Unternehmen. Auch wenn das Naturschutzgebiet staatlich anerkannt war, trotz privatem Besitz, war viel nachzuweisen. Und das DSC, das Dolphin and Shark Center, nahm die Aufgaben ernst. Vor allem die globalen Veränderungen hinsichtlich Erwärmung der Meere bereiteten allgemein Sorgen und wurden auch hier genau beobachtet und registriert. Viele Meerespflanzen und -tiere lebten beispielsweise nur in schmalen Temperaturbändern.

„Pass bloß auf mein Baby auf“, grinste Luana, als Ronald den Schlüssel holte.

„Auf jeden Fall. Ich weiß doch, wie sehr du an den Boot hängst“, schoss er süffisant zurück.

Beide lachten. Denn beide wussten, dass Luana von dem Boot aus auf eines der Arbeitsschiffe des DSC gesprungen war, um ihren Mann und andere vor dem Tod zu bewahren. Und das bei voller Fahrt, also bei rund 40 Stundenkilometern. Sie hatte ohne Erfahrung ihr Leben riskiert, um andere zu retten.

Seit damals war sie zur hauptsächlichen Bootsführerin für das Zodiak geworden. Auch, weil die frühere Pilotin, Bens Schwester Joyce, auf das Festland gezogen war und dort den Besitzer eines Delphin Therapie Zentrums geheiratet hatte. Heute hatte Joyce auch schon eine Tochter. Mochte über Luanas Aktion zur Rettung gefrotzelt werden, so hatten doch alle Mitglieder des DSC größte Hochachtung, wie sich ein früheres Party-Girl damals für ihren Mann und die Gruppe engagiert hatte.

„Warum fährst du eigentlich jeden Samstag dort hin? Triffst du dich mit einer Freundin?“ fragte Luana, weil ihr die Koordinaten bekannt vorkamen.

„Klar, ich habe mein wöchentliches Tete-a-Tete mit einer hübschen rothaarigen Meerjungfrau.“

„Wie, du triffst dich mit Arielle? Was da wohl der Prinz Erik dazu sagt?“

Luanas Ironie bezog sich auf Andersens Märchen von der Meerjungfrau und dessen bekannte Trickfilmversion von den Disney Studios. Beide lachten.

„Och, ich habe die Kleine eben zum Fressen gern“, frotzelte Ronald und rieb über seinen Bauch.