Getäuscht - Rene Winter - E-Book

Getäuscht E-Book

Rene Winter

0,0
2,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

„Getäuscht“ ist ein Science-Fiction Roman mit kleinen Anlehnungen an BDSM.

 

Xandra von Clan Haron ist eine junge Frau aus dem Atalantischen Imperium, einem Sternenreich. Seit ihrer Kindheit wünscht sie sich Liebe, aber jedes Mal wird ihre Liebe grausam enttäuscht oder zerstört. Bis zur erwachsenen Frau treibt sie die am Ende tief in ihr verborgene Sehnsucht nach Liebe. Aber nie mehr will sie sich verletzten lassen. Lieben will sie niemanden mehr. Nach außen wird sie kühl und Zynikerin.

Bei der Hochzeit ihres Bruders mit Cloe, einer Menschenfrau, trifft sie das erste Mal Eric Menes, Cloes Bruder. Sie versteht die Regungen in sich nicht, doch es ärgert sie, immer sein Gesicht zu sehen. Schließlich reist sie zum Planeten Erde, um ihn aus ihrem Kopf zu vertreiben.

Ihr Raumschiff havariert und plötzlich sitzt sie mit zwei Begleitern auf der Erde fest. Xandra sieht zwar aus wie ein Mensch, aber ihre Begleiter sind eine Cazterin mit orangefarbenem Fell und ein Elebe mit zweieinhalb Metern Körpergröße.

Russen und Amerikaner haben die Landung von etwas Unbekanntem mitbekommen und schicken ihre Agenten, um das Abgestürzte für ihr Land zu sichern.

Mia Popoleva ist eine russische Agentin und durch ihren Vorgesetzten getrieben, mit Zielpersonen zu schlafen, um an Informationen zu kommen. Sie wird auf diese Landung angesetzt. Mia ist die erste an der Landestelle und nimmt die drei Außerirdischen gefangen.

Doch Eric kann sie befreien und hat nun einen Haufen Probleme, denn Russen und Amerikaner lassen nicht locker in ihrer Jagd.

 

Die Geschichte ist eine eigenständige Fortführung des Romans Tran-Maro-Haram. Das vorherige Lesen ist nicht notwendig.

Durch die expliziten Beschreibungen ist es nur für Erwachsene geeignet.

 

 

 

Auszug aus dem Buch:

Mia musste mehrfach schlucken, als ihr Gehirn die von den Augen übermittelten Bilder ausgewertet hatte. Da war eine große Tonne, wohl an die fünf Meter hoch und drei im Durchmesser. Und davor standen eine Frau und zwei … Dinger?

Im ersten Moment hatte Mia an ein Kostümfest gedacht, aber mit jeder Sekunde wurde ihr deutlicher, dass es nicht zutraf. Niemand konnte diese riesige Tonne unbemerkt hierhergebracht haben. Der teilweise schwarz verfärbte Boden um diesen Zylinder wies eher auf Verbrennungen hin. Dann die Wesen: ein normaler Mensch, ein 2 Meter 50 großer, totenbleicher … Mensch und ein einsfünfzig großes … Etwas mit orangefarbenem Fell? Die grauen Einteiler, den die drei Wesen trugen, die völlig unbekannte Sprache, in der sie sich unterhielten – das alles deutete nicht auf eine Kostümierung hin.

Was aber blieb dann übrig?

Die Russin versuchte die eine Antwort zu verdrängen, aber jede Alternative scheiterte und es blieb immer nur ein Ergebnis übrig, das auch noch in sich logisch war.

Der Zylinder stammte aus dem Weltraum und war das im Anflug beobachtete Objekt, das sie hatte suchen sollen. Die schwarzen verbrannten Stellen stammten von der Landung durch irgendwelche Triebwerke, denn der Zylinder war nicht im Boden eingesunken. War der Zylinder tatsächlich geflogen und trotzdem so unversehrt gelandet, dann war es keine ihr bekannte Technik. Wenn das schon zutraf, dann waren die drei Wesen keine Menschen. Dann mussten es Außerirdische sein.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2021

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Rene Winter

Getäuscht

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Getrieben

 

Eine Sciences Fiction Lovestory

 

 

 

 

 

 

 

 

Rene Winter

 

2021

 

[email protected]

 

Intro

 

Ich erzähle eine Geschichte, keinen Tatsachenbericht.

 

Wegen der expliziten Beschreibungen ist sie für Leser (m/w/d) ab 18 Jahren geeignet.

Alle hier handelnden Personen sind erwachsen und frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind nicht beabsichtigt.

 

Es werden auch Aktionen aus dem Bereich BDSM beschrieben.

Bitte denken Sie dabei immer an die Grundsätze bei BDSM:

Gegenseitiges Einverständnis, bewusste Akzeptanz und vor allem Sicherheit.

 

 

 

 

 

Es würde mich freuen, wenn diese Geschichte gefällt.

Für Kritik, Lob und Anregungen kann man mich auch gern direkt ansprechen.

 

Inhalt

 

Intro

Inhalt

Personen

Xandras Jugend

Xandra, erwachsen

Eskalationen

Aufträge

Wettlauf

Gefangen

Entkommen

Home sweet home

Aufmerksamkeit

Vertrauen

Ausleben

Findung

Gewalt

Klärungen

Epilog

 

 

Xandras Jugend

 

Vor 19 Jahren.

„Papa, geh nicht! Bitte!“

Das sechsjährige Mädchen klammerte sich an das Bein des hochgewachsenen Mannes. Ihr liefen die Tränen über die Wangen. Der Mann seufzte und sah bittend zu der Frau neben ihm. Auch die zuckte nur leicht die Schultern. Es war jedes Mal das gleiche Theater mit ihrer Tochter.

Langsam ließ er sich auf ein Knie sinken und hatte gleich darauf das kleine Mädchen an seinem Hals hängen. Tränen nässten seinen Hals und die Kleine schluchzte.

„Aber Xandra“, murmelte der Mann sanft und strich seiner Tochter leicht über den Rücken.

„Der Papa muss doch auf eine Reise gehen und wichtige Dinge erledigen. Ich bin doch bald wieder da.“

„Du warst doch gerade erst so lange weg, Papa. Warum denn schon wieder?“ weinte das Mädchen.

Der Mann schluckte. Wie sollte er seine Pflichten erklären? Vor allem, wie sollte er seiner Tochter erklären, dass die Pflichten wichtiger waren als die Tochter?

„Weißt du, dein Papa hat einen ganz wichtigen Beruf. Nur er kann das machen.“

„Warum muss dann Mama auch mit? Warum kann sie nicht einmal bei mir bleiben?“

„Weil ich die Hilfe deiner Mama brauche. Ohne sie schaffe ich es nicht.“

„Immer nur Arbeit. Ihr habt mich gar nicht lieb!“

Flehend sah der Mann zu seiner Frau hoch.

„Rhenia, bitte, sag doch auch etwas.“

Die Frau ging neben ihrem Mann auf die Knie und streichelte den Kopf ihrer Tochter.

„Es ist doch nicht für lange, Xandra. Ehe du dich versiehst, sind wir schon wieder da. Und dann haben wir erst einmal richtigen Urlaub. Das ist geplant. Zwei Wochen auf Aquatus. Du magst es doch, am Meer zu sein. Dann können wir viel machen. Versprochen.“

 

Langsam drehte sich das verweinte Gesicht des Kindes ihrer Mutter zu.

„Du lügst, Mama. Ich habe vorhin gehört, wie du von vier Wochen Arbeit gesprochen hast. Und du hast gesagt, dass dann noch etwas kommt. Das ist nicht bald.“

Das Mädchen löste sich von dem Vater und trat einen Schritt zurück. Das feingeschnittene Gesicht mit den rotbraunen Zöpfen sah zornig aus und die tiefgrünen Augen funkelten.

„Ihr lügt mich immer an! Ihr wollt mich nicht bei euch haben! Ihr liebt mich nicht! Ihr hasst mich!“

Anklagend standen die Worte im Raum, als sich die Kleine umdrehte und zu der Cazterin im Hintergrund trippelte. Die Kinderhand schob sich in die Hand der mit einem kurzen orangefarbenen Fell bedeckten Frau. Sie war nur etwa 1,50 groß, machte aber einen sehr kräftigen Eindruck. Sie trug flache hellbraune Stiefel und einen beigen Rock, der ihre Knie bedeckte. Oben trug sie eine Wickelweste passend zum Rock. Nur aufgestickte Muster bildeten eine Verzierung. Und die kleine Brosche mit dem Hammersymbol im Kreis, dem Wappen des Clan Haron, in dem die Cazterin als Kinderfrau tätig war. Seit zwei Jahren kümmerte sie sich um die Tochter von Rhenia und Pentalom.

„Komm, Stannia, gehen wir. Ich werde hier nicht mehr gewollt. Gehen wir woanders hin. Ich mag die nicht mehr sehen.“

Damit zog die Kleine die Cazterin hinter sich her zum Ausgang.

Entschuldigend verzog sich das katzenähnliche Gesicht der 19jährigen Frau, als sie über die Schultern zu den Eltern zurücksah. Sie ließ sich aber mitziehen. Momentan haderte ihr Schützling mal wieder mit den Eltern. Stannia verstand es auch. Immerhin war Pentalom der Sohn des amtierenden Imperators Zador V. und wurde von dem auch noch als möglicher Nachfolger betrachtet. Er war dem Imperialen Rat als einer von fünf Kandidaten benannt worden und die nächsten Jahre würde er weiter unter Beobachtung stehen. Da auch noch Familie unterzubringen, war mehr als eine Herausforderung.

Sie sah auch noch den müden Gesichtsausdruck bei dem Ehepaar. Xandra war manchmal sehr emotional. Dann spielte sie auch schon einmal aus, was sie sich bei den Erwachsenen abgesehen hatte. Wenn sie sich dann, so wie gerade eben, entschieden hatte, konnte man sie aber auch nicht mehr für die nächsten zwei oder drei Tage umstimmen. Da nutzte keinerlei Versprechen oder Bestechungsversuch. Wenn die Kleine sich für stur entschieden hatte, war eine Raumschiffwandung dagegen wie Watte.

Für einige Sekunden umarmten sich Rhenia und Pantalom, nachdem sie sich wieder erhoben hatten. Sie brauchten den gegenseitigen Halt. Sie wussten, dass der Auftrag wichtig war, und sie hatten sich den Abschied leichter vorgestellt. Es war nicht das erste Mal, dass ihre Tochter so eine Szene machte. Aber sie war einfach noch zu jung für solche anstrengenden Reisen. Mehrere Wochen nur Leben im Raumschiff, auf den Planeten stundenlange Verhandlungen und Teilnahme an Veranstaltungen. Deswegen hatten die beiden gesagt, dass ein stabiles Zuhause besser für ihre Tochter ist. Leider sah die es nicht ein und die Eltern wussten nicht, wie sie es besser machen konnten.

Bei dieser Reise würde auch erstmalig der 14jährige Martinosch, ihr Sohn, dabei sein. Er würde seine ersten Erfahrungen in Kontakt mit anderen lernen und sich gleichzeitig mit Technik vertraut machen.

Für ihn war es der Vorteil, dass sich auch sein Freund Hankador mit auf die Reise begeben würde. Dessen Mutter war Rhenias Zofe und sein Vater fungierte als Pentaloms Sekretär. Die beiden Familien waren seit vielen Jahren eng verbunden, auch wenn Hankadors Familie dem Clan Xavir angehörte.

Hinterher wollten sie für zwei Wochen nach Aquatus in ihr Haus am Meer. Zwei Wochen wirklich wieder Familie hatten sie sich vorgenommen. Jetzt aber stand die Reise an.

 

Gestern hatte die Reise beinahe auf der Kippe gestanden. Wegen den sehr hohen Standards in der atalantischen Raumfahrt mussten alle Raumschiffe regelmäßig gewartet werden. Deswegen war auch die ATUMS STOLZ während der letzten Tage in der Werft gewesen. Ein Schweberunfall hatte gestern fast die gesamte Arbeitsschicht bei der Belegschaft getötet. Allerdings war die ATUMS STOLZ schon fertig geworden.

Der diskusförmige Rumpf hatte einen Durchmesser von 400 Metern und war an seiner dicksten Stelle fast 200 Meter hoch. Es war eines der prunkvoll ausgestatteten Raumschiffe des Imperators. Das Schiff hatte seinen Namen nach dem Planeten bekommen, auf dem es stationiert war. Atum war Teil des Atalantischen Imperiums. Dieses bestand aus 384 besiedelten Sonnensystemen. Atum unter der Sonne Atusta war gleichzeitig die Zentralwelt der Atalanter, einer völlig menschenähnlichen Spezies. Kein Wunder, denn Atalanter und Menschen hatten dieselben Vorfahren, nur waren sie durch eine Katastrophe vor vielen Jahrzehntausenden in die Steinzeit abgerutscht und hinkten dem Brudervolk hinterher.

Neben den Atalantern gehörten noch sechs weitere menschenähnliche Rassen zu dem Imperium, die Eleben, Dwarianer, Cazter, Demonten, Norianer und Hespiden. Alle waren gleichberechtigt und seit vielen hundert Jahren herrschte Frieden im Reich. Die Expansion wurde friedlich, aber gründlich betrieben. Über ein Dutzend Welten außerhalb des Imperiums standen zurzeit unter Beobachtung. Oft waren Agenten oder Beobachter dort im Einsatz. Ab einem gewissen Entwicklungsstand würde man sich offenbaren und Verhandlungen über einen Eintritt in das Imperium aufnehmen.

 

Rhenia und Pentalom stiegen in den Schweber und ließen sich zu ihrem Schiff bringen. Kurze Zeit nach ihrem Eintreffen hob das Schiff ab. Alle anderen der 130köpfigen Besatzung und der 82 Mitglieder des umfangreichen Stabes an Handelsbeauftragten waren bereits an Bord gegangen.

Langsam stieg das Raumschiff in den Himmel und trat seine Reise an. Alles verlief planmäßig. Welt für Welt wurde besucht und die Ergebnisse waren für alle Beteiligten akzeptabel.

Bis nach drei Wochen eine Serie von Katastrophen das Schiff heimsuchte. Ein Fehler konnte passieren. Aber dass das Schiff bei korrekter Eingabe einen Fehlsprung mit einer Abweichung um zig Lichtjahre vom Kurs machte, war eher eine Unmöglichkeit. Dass dann unmittelbar hintereinander die Funkzentrale explodierte und damit der Funk ausfiel, die Abschirmung der Reaktoren versagte und damit nur noch die restliche Speicherenergie vorhanden war, die Ortung komplett ausfiel und auch die Steuertriebwerke, während man direkt auf Kollisionskurs mit einem unbewohnten Planeten war, wurde von der statistischen Wahrscheinlichkeit mit null Komma null beschrieben. Nicht zu vergessen der ‚Zufall‘, dass sich alle Rettungskapseln vom Schiff lösten, bevor sie jemand benutzen konnte.

Nur hatte das Schiff Glück im Unglück. Es gab keine totale Kollision, sondern nur eine Bruchlandung, die immerhin 23 der 214 Personen an Bord überlebten. Erst über 10 Jahre später wurden sie zufällig gefunden und gerettet. Unter den Geretteten waren Martinosch, der Enkel des Imperators und sein Freund Hankador. Pentalom und Rhenia blieben dort mit 189 anderen begraben.

 

Drei Wochen nach dem spurlosen Verschwinden der ATUMS STOLZ machte sich Zador V. auf einen schweren Gang. Er kam von einem langen Gespräch mit dem Führungsstab der Patrouille, wie der militärische Teil die atalantische Raumflotte genannt wurde. Unmissverständlich hatte man dem Imperator erklärt, dass eine weitere Suche nach der ATUMS STOLZ keinen Sinn mehr hatte. Fast tausend Schiffe waren in den letzten drei Wochen im Einsatz gewesen und hatten jedes Molekül entlang und in weitem Abstand neben der Reiseroute untersucht. Nicht eines stammte von dem vermissten Raumschiff. Die gesamte Flotte stand vor einem Rätsel. Niemand konnte erklären, wie ein Raumschiff der Größe verschwand. Die einzigen physikalischen Erklärungen waren der Sturz in eine Sonne oder ein Schwarzes Loch. Nur gab es beides nicht auf der Flugroute. Dass die Besatzung das Verschwinden ohne irgendeine Meldung nicht hatte verhindern können, war dann die nächste Unerklärbarkeit.

Nun musste es der Imperator nur noch seiner Enkelin Xandra beibringen. Vor drei Wochen, als die erste Vermisstenmeldung kam, hatte er mit der Betreuerin Stannia gesprochen und sie informiert. Er wollte vermeiden, dass seine Enkelin die Nachrichten von anderer Seite mitbekam und besonders sollte sie nicht von den Medien belästigt werden. Dafür hatte Stannia ihn über Xandra auf dem Laufenden gehalten, so, wie sie es bisher mit den Eltern gemacht hatte.

Seit drei Wochen grübelte der Imperator schon, wie er es erklären konnte. Wie sagt man einer Sechsjährigen, dass die Eltern und der Bruder verschwunden waren und wohl nie mehr kommen würden? Wie erklärt man dem Mädchen, dass es auf einmal nur noch einen Großvater hatte? Wie formulierte man, dass die Suche eingestellt worden war?

Auf dem Weg schoss ihm durch den Kopf, dass Xandra in der ganzen Zeit nicht einmal nach ihren Eltern gefragt hatte. Er runzelte die Stirn, während er die Meldungen von Stannia im Kopf durchging. Nein, nicht einmal wurde erwähnt, dass die Kleine geweint oder nach den Eltern gefragt hatte. Sie war immer zufrieden und spielte oder lernte.

„Hallo, Opa Zador“, strahlte ihn die Kleine an, als er in das Zimmer trat.

„Willst du mit mir spielen?“ fragte sie hoffnungsvoll.

Immerhin war es selten, dass der Großvater, der nebenbei der Imperator des Reiches war, sich eine Zeitlang mit ihr beschäftigen konnte.

Neben dem Mädchen saß eine Cazterin am Boden und zusammen hatten sie wohl mit Figuren gespielt. Auch Stannia, die cazterische Betreuerin von Xandra, blickte zum Imperator hoch. Während ihr Blick sorgenvoll fragend war, war seiner eher verzweifelt und bedrückt. Er brauchte gar nicht mehr kaum merklich den Kopf schütteln. Die junge Frau hatte an seinem Blick bereits erkannt, dass es keine Hoffnung mehr gab für Xandras Familie.

 

„Ein paar Minuten habe ich, meine Kleine“, stammelte der Imperator.

Verstohlen tupfte er sich die kleinen Schweißperlen von der Stirn, während er sich umständlich auf die Knie niederließ. Er kontrolliert 384 Planeten, war faktisch Herr über Billionen von Lebewesen … und hatte unbeschreibliche Angst vor den kommenden Minuten.

„Was spielt ihr denn, Xandra?“

„Wir spielen Planetenerkundung, Großvater. Willst du das gefährliche Wesen sein, dass die Besatzung verspeisen will?“ fragte die Kleine hoffnungsvoll.

„Warum muss es denn immer ein gefährliches Wesen sein, Kleines? Kann es nicht auch Planeten geben mit freundlichen fremden Wesen?“

Angestrengt dachte das Mädchen nach. Dann schüttelte es entschieden den Kopf und die schulterlangen Haare flogen.

„Vielleicht, Großvater. Etwas Neues ist aber immer unbekannt. Das muss man doch erst untersuchen. Hm, wenn wir es bekämpfen, wird es sich nicht freuen. Dann will es uns sicher fressen. Wenn wir aber friedlich sind und es einen nicht fressen will, kann man noch freundlicher werden. Aber Vorsicht ist doch ein guter Weg, nicht wahr, Großvater?“

„Du hast Recht, Xandra. Vorsicht ist immer richtig. Aber man sollte es trotzdem zuerst mit freundlichen Worten versuchen. Das Fremde soll doch sehen, dass wir nicht böse sind. Vielleicht ist es dann ja auch freundlich, wenn wir es nicht bedrohen. Wir sagen ja auch ‚was man dir nicht zufügen soll, füge keinem anderen zu‘. Wenn es nicht will, dann muss man natürlich vorbereitet sein. Trotzdem gut überlegt, Kleines.“

Xandra strahlte. Der Großvater hatte ihr Recht gegeben und sie gelobt. Sie war stolz auf sich und dass sie ihre Überlegung richtig vermittelt hatte.

Die nächste Stunde nahm sich Zador V. Zeit, mit seiner Enkelin zu spielen. Auch Stannia unterstützte die Kleine. Viele Spiele in dem Alter waren bereits belehrend und orientierten sich am Leben. Bei dieser Erkundung ging es bereits um Zusammenhänge, die ein Kind beachten musste. Natürlich wurde das böse Monster besiegt, bevor es die Erkunder fressen konnte.

„Nochmal, nochmal!“ krähte das Mädchen und umarmte den Großvater.

Es hatte das Spiel gewonnen. Es war egal, dass die ‚Beraterin‘ erklärte und half oder dass das Monster sich tollpatschig anstellte und jede Falle ausprobierte. Gewonnen war gewonnen.

„Tut mir leid, meine Kleine, aber dein Großvater muss wieder nach seinen Pflichten sehen. Die nächste Runde musst du mit Stannia spielen.“

Mit den Worten erhob sich der ältere Mann langsam und Xandra löste sich von ihm. Jetzt klang ihre Stimme wieder neutral und nicht mehr freudig.

„Dann geh zu deiner Arbeit, Großvater.“

Der Imperator seufzte. Er musste seine Botschaft noch loswerden.

„Äh, Xandra. Da ist noch etwas, was ich dir sagen muss. Es ist nicht schön, aber du bist ja schon ein großes Mädchen. Weißt du, es geht um deine Eltern …“, druckste er um die Sache herum.

Kurz blicke Xandra in sein Gesicht und sah ihn ernst an.

„Ich weiß, Großvater. Meine Eltern sind verschwunden und ihr könnt sie nicht finden. Das haben mir die Leute hier im Palast schon gesagt.“

Dem Imperator stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben. Woher wusste die Kleine das denn? Er übersah die Tatsache, dass ein sechsjähriges Mädchen sich unsichtbar machen konnte, wenn es das wollte. Es war klein und wurde übersehen, wenn es still in einer Ecke stand und nur zuhörte, was die Erwachsenen redeten. So hatte es mitbekommen, wie sich Mitarbeiter des Palastes über das tragische Schicksal und die Suche, die eingestellt werden musste, unterhalten hatten. Es hatte gehört, wie es bemitleidete wurde.

„Aber das war doch logisch“, fuhr die Kleine genauso ernst weiter fort, „dass sie weg sind. Schließlich hatten sie mich nicht mehr lieb, als sie auf diese Reise gegangen sind. Warum sollen sie denn zurückkommen?“

Der Imperator schnappte nach Luft. Wie kam das Mädchen denn auf diese unsinnige Idee?“

„Das stimmt doch gar nicht, Xandra. Deine Eltern haben dir ganz doll lieb. Es ist nur ein Unglück oder Unfall, warum sie jetzt nicht kommen können. Wie kommst du denn darauf, dass sie dich nicht mehr liebhaben?“ fragte er entsetzt.

Das Mädchen sah ihn weiter ernst an und machte dann eine wegwerfende Handbewegung.

„Ich finde es nicht schön von dir, Großvater, wenn du mich jetzt auch noch belügst. Als sie weggegangen sind, habe ich gebettelt, dass sie hierbleiben oder mich mitnehmen. Sie wollten mich nicht bei sich haben. Das bedeutet, dass sie mich nicht liebhaben. Die Reise war ihnen wichtiger als ich. Meinen großen Bruder hatten sie viel lieber, denn sie haben ihn mitgenommen. Ich hatte ihnen gesagt, dass sie mich nicht liebhaben und sie haben es nicht bestritten, denn Mama und Papa haben es nicht zu mir gesagt.

So, und nun geh, Großvater. Deine Arbeit ist sicher auch wichtiger als ich.“

Mit den Worten wandte sich Xandra von ihrem Großvater ab und fing an, das Startszenario wiederaufzubauen. Sie ignorierte ihn einfach und sprach nur noch mit ihrer Erzieherin Stannia. Die konnte auch nur hilflos mit den Achseln zucken. Sie wusste, wenn das Mädchen nicht wollte, dann half nichts, sie zu überzeugen.

Stannia war die meiste Zeit des Tages bei dem kleinen Mädchen, spielte mit ihr und lehrte sie. Natürlich schlief die Kleine allein und Stannia im Nebenraum. Deshalb bekam sie auch nicht mit, wie das Mädchen in der Nacht, wie schon so oft in den letzten Wochen, die Decke über sich zog und leise weinte.

„Warum habt ihr mich nicht mehr lieb, Mama und Papa? Was habe ich falsch gemacht? Warum habt ihr mich verlassen“, flüsterte sie immer wieder unter Tränen.

 

Geschah dies in den folgenden Tagen und Wochen noch fast jede Nacht, so ließ es im Lauf der Monate nach und passierte nach einem Jahr nur noch selten. Xandra siedelte vom Imperatoren-Palast über in die Clan-Residenz in der Stadt. Es war die logische Konsequenz, da nun auch ihre intensivere schulische Ausbildung stattfand. Zwischen dem Alter von sechs bis vierzehn Jahre durchlief jedes Wesen des Atalantischen Imperiums die gleiche Schule, egal ob Atalanter, Elebe, Cazter oder andere Völker. Acht Jahre identische Ausbildung schuf für alle die gleichen Voraussetzungen und ein einheitliches Grundwissen.

Mit 14 wurde unterstellt, dass die Heranwachsenden erste Tendenzen hinsichtlich ihrer späteren Berufswahl entwickelten. Daher waren die folgenden drei Schuljahre fokussierter auf diese Berufswahl. Jetzt trennten sich Klassen. Da gab es die handwerkliche Orientierung, die technisch pragmatische, die biologisch-chemische, die Raumfahrt und andere Ausrichtungen. Trotzdem war es möglich zu wechseln, wenn ein Kind feststellte, dass es falsch gelegen hatte mit seiner Planung.

Erst die letzten drei Jahre waren wirklich berufsorientiert. Hier gab es auch unterschiedliche Dauer auf Grund des angestrebten Berufes. Ein handwerklicher Beruf war in der Regel nach einem Jahr abgeschlossen, andere Berufe dauerten die vollen drei Jahr. Hier wurde nur gezielt der Beruf gelehrt. Entsprechend klein waren hier auch die Klassen, dafür konnte man aber intensiver lehren und lernen.

In den folgenden sechs Jahren nach dem spurlosen Verschwinden ihrer Eltern besuchte Xandra eine öffentliche Schule. Stannia wurde mehr oder weniger ihre Ersatzmutter und das Mädchen hing genauso sehr an der nur 13 Jahre älteren Frau, wie umgekehrt. Sie ging völlig in der Betreuung des Mädchens auf. Beide lebten so intensiv zusammen wie eine wirkliche Mutter-Tochter-Beziehung. Zador V. als offizieller Vormund befürwortete es sogar, denn es stellte für seine Enkelin die einzige stabile Lebensverbindung dar.

Aus den regelmäßigen Berichten von Stannia wusste der Imperator, dass das Mädchen gut und gerne lernte. Sie war jedes Jahr unter den Besten der Schule. Allerdings musste er auch zur Kenntnis nehmen, dass Xandra keine Bestrebungen zeigte, sich eine oder mehrere Freundinnen in der Klasse zuzulegen. Sie blieb lieber alleine. Auch Anregungen und dezente Aufforderungen der Ersatzmutter Stannia verpufften wirkungslos. Weder Stannia noch der Imperator wussten, wie sie da Abhilfe schaffen konnten.

Eine weitere Konstante gab es allerdings auch noch in Xandras Leben: das Spiel. Das Spiel ‚Planetenerkundung‘ liebte sie. Jeder Tag verging mit mindestens einer Partie. War es anfangs nur das einfache Spiel, um erste Zusammenhänge verstehen zu lernen, waren mit zunehmendem Alter die komplexeren Versionen schon ziemliche Anforderungen. Es kamen wirtschaftliche Aspekte hinzu, Gruppeninteraktionen, wissenschaftliche Ergebnisse und vieles mehr. In der Cyber-Variante übernahm ein Spieler genau eine Funktion, eine Person, und musste im Team mit anderen Spielern das Ziel schaffen. Gruppendynamik kam hinzu, Führungsqualitäten und mehr. Jetzt war es fast bereits berufsbildend als Spiel. Xandra machte sich in der anonymen Community einen Namen als Spielerin. Niemand wusste, dass sie erst elf Jahre zählte, aber jeder wollte sie als Koordinatorin im Team haben, weil sie meistens gewann.

So liebevoll Xandra an Stannia hing, so distanziert verhielt sie sich ihrem Großvater gegenüber. Sie zeigte sich zufrieden, wenn er einmal Zeit für sie fand. Sie lachte mit ihm, unterhielt sich und spielte mit ihm. Sie präsentierte ihr Können und ließ ihn an allem teilhaben, wenn er da war. Nahm er wieder Abschied, sagte sie brav „Auf Wiedersehen“, zuckte mit neutralem Gesicht die Schultern und wandte sich wortlos ab, um sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Jedes Mal stand er sekundenlang mit hängenden Schultern da und fühlte sich wie … entlassen.

 

--- ---

 

Vor 13 Jahren.

Als Xandra 12 war, änderte sich das Verhältnis zu ihrem Großvater schlagartig.

Hintergrund war, dass ein Schausteller mit seiner Menagerie ein riesiges Grundstück in der Nähe der Clan-Residenz belegte und dort exotische Lebewesen aus dem Imperium präsentierte. Hatte das Imperium 384 besiedelte Planeten, so kannte man doch eine Vielzahl anderer Welten mehr.

Viele Welten wurden nicht zur Besiedelung freigegeben, sondern standen unter Aufsicht und wurden für andere Aufgaben genutzt. Natürlich waren Welten mit intelligenten Bewohnern von einer Nutzung ausgeschlossen. Dann gab es zum Beispiel den Planeten Aquatus, der viele Meere und weniger Land besaß, aber auch keine höheren oder aggressiven Lebensformen. Der Planet wurde zu einem reinen Urlaubsplaneten, wobei die Nutzung mit privaten Grundstücken und kleinen Hotelanlagen unter Aufsicht stand, um den Charakter der Welt nicht zu zerstören. Ähnlich gab es andere Welten.

Einer dieser anderen Welten war Fama. Es war eine Dschungelwelt und es herrschte ein dauernder Kampf in der Fauna. Jedes Tier kämpfte um seinen Platz und sein Territorium. Fressen und gefressen werden war hier oberste Prämisse. Dementsprechend sorgte die Natur für ausreichend Nachwuchs. Beißen, stechen, vergiften waren Standards auf der Welt. Intelligenz allerdings wurde nach Untersuchungen durch Forscher nicht festgestellt. Vielleicht lag es auch daran, dass nur ein geringer Teil der Forscher lebend zurückkam, um zu berichten. Für die Mitglieder des Imperiums wurde es eine Welt der Jagd. Jedes Jahr durfte hier nach streng überwachten Quoten gejagt werden.

Jagd bedeutete aber im Imperium, dass ein Jäger sich dem Wild nur vergleichbar bewaffnet stellen durfte. Eine mechanische Waffe war erlaubt, ebenso auch Rüstung bei gefährlichen Raubtieren. Aber Energieschilde oder schwere Energiewaffen gehörten nicht dazu. Ehre galt im Imperium sehr viel, also ehrte man auch das Wild auf diese Weise. Es durfte sich wehren. Starb ein Jäger auf der Jagd, hatte er eben Pech. Es war sein Risiko dabei und machte das Wild interessanter. Eine Jagd ohne Risiko zählte nicht bei der Ehre. Gerade auf Fama war die Sterblichkeit bei Jägern sehr hoch – und das wiederum machte den Reiz dieser Welt für Jäger aus.

Ungekrönter König der dortigen Fauna war der Imperodox. Unter den ganzen Jägern im Imperium gab es nur eine Handvoll, die eine Imperodox-Trophäe besaßen. ‚Er gibt einem nur eine einzige Chance‘ sagten die Jäger. ‚Trifft man nicht mit dem ersten Schuss absolut tödlich, gewinnt der Imperodox den Zweikampf‘.

Ein irdischer Mensch hätte den Vergleich mit einem ausgewachsenen T-Rex hergestellt, nur dass der Imperodox noch über lange Arme und seine Haut über einen Mimikry-Effekt verfügte, der ihn in Sekundenschnelle im Hintergrund verschwinden ließ. Möglich, dass ein Jäger ihn dann noch roch, bevor ….

Und so einen Imperodox gab es auch bei diesem Schausteller. Als Baby war er gefangen worden und lebte sein Leben lang hinter dem Energiezaun. Hier musste er nicht jagen, es gab ausreichend Futter, hier gab es keine Feinde. Heute war das Wesen ausgewachsen und wies eine Körperlänge von 22 Metern von Maul bis Schwanzspitze auf. Hier trottete es nur am Energiezaun entlang. Natürlich war das Tier eine Attraktion. Auch Xandra und Stannia kamen öfter hierher und das 12jährige Mädchen konnte stundenlang am Zaun stehen und das Wesen ansehen. Vielleicht auch deswegen, weil die Spieledesigner von ‚Planetenerkundung‘ den Imperodox als ein virtuelles Vorbild für die unbekannten Wesen genommen hatten. Hier sah Xandra das Wesen aus dem Spiel lebendig.

Anscheinend erkannte mit der Zeit auch der Imperodox das Mädchen wieder und gewöhnte sich daran, denn kaum stand Xandra vor dem Zaun, kam der Imperodox und beugte sich zum Mädchen herunter. Nur der Energiezaun stand zwischen ihnen. Beide schienen wortlos zu kommunizieren. Sogar die Medien wurde darauf aufmerksam. Als sie allerdings das Mädchen bedrängten und es sich schutzsuchend hinter Stannia schob, reagierte der Imperodox. Er richtete sich zu ganzer Größe auf und brüllte wütend. Sekunden später waren Stannia und Xandra wieder alleine vor dem Zaun.

 

Dann kam der Tag, an dem Stannia wieder einmal ruhig durch die Anlage ging, während ihr Schützling zielstrebig zum Imperodox-Gehege lief. An diesem Tag war eine Kleinigkeit anders. In einer Ecke gab es eine kleine Pforte, durch die jemand in das Gehege konnte, ohne den Energiezaun abzuschalten. An diesem Tag war diese Pforte nur angelehnt. Und Xandra sah es.

In Sekundenschnelle hatte die 12jährige einen Plan gefasst und änderte die Richtung.

Die noch wenigen Besucher an diesem Tag bemerkten es zuerst nicht. Erst als eine Frau schrie und mit dem Finger deutete, sahen auch die anderen Besucher, wie ein kleines Mädchen langsam quer über die Wiese ging. Über die Wiese hinter dem Zaun, mitten im Gehege. Und ihr entgegen eilte ein ausgewachsener Imperodox.

Vor dem Energiezaun sammelten sich die entsetzten Besucher in dichten Trauben. Niemand wollte sehen, wie das kleine Mädchen von dem Giganten verspeist wurde … und niemand wendete den Blick ab. Immer mehr Aufnahmegeräte wurden gehoben und sollten diese sicher nur kurze Begegnung dokumentieren. Einige riefen nach Sicherheitskräften und Stannia rief den Imperator.

Im Gehege wurde der Imperodox immer langsamer und blieb schließlich vor dem Mädchen stehen. Erkannte er es oder beeindruckte ihn dessen Furchtlosigkeit? Er senkte den riesigen Kopf und beäugte und beschnupperte Xandra ganz aus der Nähe. Die sah ihn lächelnd an.

Bedächtig hob das Mädchen eine Hand und legte sie an die mit dicken Schuppen bedeckte Haut des Kopfes von dem Wesen. Der Imperodox zuckte bei dieser leichten Berührung förmlich zurück. Noch nie hatte ihn jemand dort berührt. Noch nie hatte er etwas so Sanftes gefühlt.

Dann senkte er wieder den Kopf und suchte die Berührung mit der immer noch erhobenen Hand. Für den Imperodox war es eine kleine Bewegung, als er seinen Kopf etwas vorschob. Xandra dagegen wurde umgeschubst und landete auf dem Po.

Vor dem Energiezaun ging ein kollektives Aufstöhnen durch die Gaffenden.

Gleich darauf stand die Kleine wieder und kicherte. Sie breitete die Arme auf und lehnte sich an den Kopf des Riesen.

„Ich habe dich lieb, Impo“, sagte sie leise und streichelte die Schuppenhaut.

Das riesige Tier blieb bewegungslos stehen und schien das Streicheln zu genießen. Es stieß nur ein leises Brummen aus, dass Xandra als zufrieden einstufte. Angst hatte sie keine vor dem Riesen, der sie mit einem lockeren Happs verspeisen konnte. Vielleicht war es auch ihr offenes Auftreten ohne Aggression oder Angsthormone, die dazu führte, dass der Imperodox friedlich blieb. Weder Hunger noch Bedrohung trieben ihn zu einem anderen Verhalten. Oder war es, weil seine Einsamkeit einmal nicht durch Elektroschocks, sondern durch Zuneigung unterbrochen wurde?

Beide nahmen nicht wahr, wie vor dem Zaun die ersten Schweber der Sicherheitskräfte niedergingen und Soldaten herauskamen. Zuerst drängten sie die immer noch starrenden Besucher zurück. Auch der Imperator kam und stand neben Stannia, dem Parkbesitzer und dem Kommandeur der Truppen vor dem Zaun. Sie beratschlagten, was sie machen konnten, ohne das Mädchen zu gefährden.

Dann erlosch knatternd der Energiezaun, weil die Sicherheitskräfte ihn abgeschaltet hatten, um zu dem Mädchen zu kommen. Bei dem Knattern drehten sich Imperodox und Xandra zu dem Geräusch um und betrachteten die neue Situation am Zaun. Die 12jährige erkannte schnell, was ihr Großvater und die Soldaten planten.

„Nein, Großvater! Das dürft ihr nicht!“ schrie das kleine Mädchen voller Verzweiflung, als die Sicherheitskräfte ihre Waffen anlegten.

Es wollte sich schützend vor den Riesen stellen, doch eine Pranke hinderte es daran. Erneut senkte sich der Kopf und sie sah direkt in sein Auge, als er sie vorsichtig, fast zärtlich nach hinten schob. Ein inneres Leuchten voll Freude schien darin zu flammen. Xandra verstummte, als sie plötzlich den Imperodox verstand. Alle hatten nur das dumme Tier in ihm gesehen. Dabei war es intelligent. Intelligent genug, um seine Situation zu erkennen, zu verstehen … und für sich zu nutzen.

Mit einem Ruck richtete sich der Riese auf und brüllte. Diesmal war es kein Wutschrei, sondern purer Triumpf. Dann raste er los. Hochaufgerichtet, frontal und ohne Mimikry stürmte er auf die Bewaffneten los. Er wollte es so. Schon nach wenigen Schritten schlug ihm das Energiefeuer aus den Waffen entgegen. Niemand verstand, dass er so das kleine freundliche Wesen hinter ihm beschützte, weil alle auf seine hoch aufgerichtete Brust und den Kopf zielten. Keine Fehlschüsse sollten das liebevolle kleine Wesen treffen. Er nahm alles dankbar hin und brach schließlich im Hagel der Treffer zusammen. Der Schwung ließ ihn weiterrutschen bis kurz vor die Soldaten.

Die Vordersten sahen das Leuchten in den Augen erlöschen und diese matt werden. Und es gab einige, die behaupteten, das riesige Maul würde lächeln. Der Imperodox lächelte wirklich. Er war am Ende frei gewesen. Frei genug, um über seine Unterdrücker zu triumphieren. Frei genug, um als freies Wesen nach freiem Willen zu sterben.

Xandra schrie vor Entsetzen und Tränen strömten über ihre Wangen. Wut, Abscheu und Anklage sprangen den Einsatzkräften aus ihren Augen entgegen. Keiner traute sich, das Mädchen anzufassen, so beinahe greifbar empfanden sie Abscheu, Hass und Ekel im Blick der Kleinen. Nicht über den Imperodox, sondern über sie, die Retter.

Als der Imperator sich niederbeugte, um seine Enkelin in den Arm zu nehmen, trat sie schnell einen Schritt zurück.

„Fass mich nicht an, du Mörder!“ schrie sie ihm voll Hass entgegen.

Dann eilte sie um ihn herum durch die Soldaten und warf sich in die offenen Arme von Stannia. Die brachte sie weg nach Hause. Ihren Großvater wollte sie nicht sehen.

 

Einen Monat später meldete ein bleicher Adjutant zwei Besucherinnen beim Imperator an. Auch die beiden Frauen waren blass. Es waren eine Lehrerin und die Schulleiterin der Schule, die Xandra besuchte.

„Um was geht es?“ fragte Zador V. höflich.

Er ahnte, dass es irgendein Problem mit seiner Enkelin geben würde, wenn diese beiden Frauen um einen dringenden Termin baten.

„Die Klasse hatte die Aufgabe, einen Aufsatz über die Bedeutung und den Wert von Vorbildern zu schreiben. Das hat Ihre Enkelin geschrieben, Imperator“, erklärte die Klassenlehrerin mit stockender Stimme.

Damit legte ihm die Schulleiterin ein Tablet vor. Der Aufsatz war sehr kurz.

Vorbilder

Mein Großvater hat mich gelehrt, dass man fremden Wesen mit Freundlichkeit begegnen soll, um Freundlichkeit zu empfangen. Dafür wurde er mein Vorbild.

Ich habe ein fremdes Wesen kennengelernt und bin ihm freundlich entgegengetreten. Es hat mir mit Freundlichkeit geantwortet.

Da hat mein Großvater das fremde freundliche Wesen ohne Grund vor meinen Augen ermordet. Jetzt weiß ich, wer wirklich ein Vorbild war.

Starr las der Imperator wieder und wieder die wenigen Sätze. Sie trafen ihn mehr als tief, weil er die Wahrheit darin erkannte und sein eigenes Versagen.

Stockend und mit leiser Stimme erklärte der jetzt fast gebrochen wirkende Imperator den beiden Besucherinnen den Vorfall mit dem Imperodox.

Als der Imperator am Abend daraufhin seine Enkelin besuchen wollte, trat sie ihm in der Tür entgegen.

„Geh, du Mörder. Ich will dich nicht mehr sehen“, schleuderte ihm die 12jährige kalt entgegen.

 

Als seine Frau starb, hatte der Imperator geweint. Als er die Suche nach seinem Sohn einstellen musste, hatte er wieder geweint. Heute weinte er erneut, weil er wohl auch noch seine Enkelin verloren hatte.

 

--- ---

 

Vor 9 Jahren

In den vier folgenden Jahren beendete Xandra die Grundschulung und begann den nächsten Abschnitt. Immer noch war Planetenerkundung ihr Lieblingsspiel und in diese Richtung sollte auch ihr Berufswunsch gehen. Sie wollte Kontakterin werden, die Botschafterin zu unbekannten Lebewesen. Fremdwesenpsychologin, wie sich der Beruf offiziell nannte

Zielstrebig und mit viel Einsatz steuerte sie das Ziel an. Xandra war inzwischen 16 Jahre alt. Stannia vertrat weiterhin Mutterstelle bei ihr. Freundinnen hatte Xandra weiterhin keine und, falls der Imperator sie einmal besuchen wollte, begrüßte sie ihn immer mit „Mörder“ und verließ das Zimmer. Er gab jedes Mal nach und ging wieder, denn er wusste, wenn er sie gewaltsam zurückbrachte, würde er sich nur noch mehr mit ihr entzweien.

Wieder war er auf dem Weg zur Clan-Residenz. Diesmal war ein junger Mann bei ihm. Vom Fenster aus sah Xandra die beiden aus einem Schweber aussteigen und zum Haus gehen. Der Jüngere hatte blonde Haare, blaue Augen und sie schätzte ihn auf Anfang bis Mitte 20 ein. Beide Männer unterhielten sich angeregt. Ihr Großvater wirkte heute aufgeregt und aktiver als sonst, stellte sie für sich fest. Hatte es etwas mit dem jungen Mann zu tun. Irgendetwas wirkte vertraut an dem Mann, aber sie konnte es nicht fassen.

„Xandra! Komm bitte, ich habe jemanden mitgebracht!“ rief der Imperator, als er das Haus betrat.

Seine Enkelin kam nach einigen Sekunden die Treppe herunter. Aus einem der unteren Räume tauchte Stannia auf. Auch sie musterte den Jüngeren prüfend. Sie glaubte ebenfalls, etwas Vertrautes zu sehen, fand aber ebensowenig einen Namen zu dem Gesicht.

„Guten Tag, Mör…“ fing Xandra kalt auf den letzten Stufen an.

Dieses Mal schnitt er ihr mit einer scharfen Handbewegung das Wort ab. Seine Augen blitzen wütend.

„Schluss“, befahl er, ganz Imperator.

„Ich habe jemanden mitgebracht, der dich sehen will, Xandra. Weißt du, wer das ist?“

Erneut betrachtete sie den jungen Mann. Wieder hatte sie das Gefühl des Kennens, ohne ihn zu erkennen.

„Nein. Wer soll das sein? Hast du jemanden aufgetrieben, mit dem du mich verkuppeln willst?“

Ihre Stimme war weiterhin kalt und abweisend. Ihr Großvater zog zornig die Augenbrauen zusammen, doch der junge Mann lachte. Und dieses Lachen half Xandra und auch Stannia beim Erkennen.

Langsam wurden Xandras Augen immer größer. Es konnte doch nicht sein? Wunder gab es doch nicht?

„Mar … Martinosch?“ flüstere sie bang und doch voll Hoffnung.

„Wie er leibt und lebt.“

Martinosch verbeugte sich übertrieben. Kaum hatte er sich wieder aufgerichtet, hing Xandra schon um seinen Hals und gab Geräusche von sich, die eine Mischung aus Jubel und Weinen war. Auch Stannia weinte vor Freude. Niemand in diesem Haus hatte damit gerechnet, den seit über zehn Jahren verschollenen Bruder von Xandra jemals lebend wiederzusehen. Und jetzt stand er hier vor ihnen.

Die nächsten Minuten gingen mit sich drücken, Tränen und dem Stammeln sinnloser Worte und Glückslaute vorbei. Langsam beruhigte sich die 16jährige. Dann richtete sie ihren Blick auf den Imperator.

„Danke. Du hast etwas gut bei mir“, sagte sie leise.

Der Imperator nickte. Seine Enkelin war fair.

„Denke bitte darüber nach, dass ich meinen Fehler schon lange bereue und dich um Verzeihung bitte, Xandra.“

Dieses Mal nickte sie ernst. Es war eine akzeptable Bitte. Sie würde darüber nachdenken. Aber jetzt war ihr wiederauferstandener Bruder das Wichtigste des Tages. Sie zerrte ihn förmlich hinter sich her in den Wohnraum.

 

„Erzähle bitte. Was ist passiert? Wo sind Mama und Papa?“

Eigentlich hatte sie die letzte Frage nicht stellen wollen, aber sie musste jetzt Klarheit bekommen. Die Antwort vermutete sie bereits, doch sie wollte Gewissheit.

Und Martinosch erzählte, was alles passiert war, die Katastrophen, die das Raumschiff getroffen hatten, die Bruchlandung und der Überlebenskampf auf dem Planeten. Er erzählte, dass die meisten bei der Bruchlandung gestorben waren, auch die Eltern.

Es wurde eine lange Erzählung. Xandra sah ein, dass sie den Eltern auch verzeihen musste, dass sie nicht wiederkommen konnten. Es war keine Beruhigung, sondern eine weitere bittere Pille, dass nun im Raum stand, alles war die Konsequenz eines Attentats. Diese Verkettung von Zufällen, die von den Überlebenden und durch erste Untersuchungen am Wrack bestätigt wurden, ließ keinen anderen Schluss zu. Nur fehlte Grund und Ziel des Angriffs. Man hatte vor allem niemanden, den man anklagen konnte.

Xandra schmiegte sich die ganze Zeit an die Seite ihres Bruders, allein um ihn zu fühlen. Doch sie war in tiefes Schweigen versunken, während die Männer ein weiteres Mal über den Unfall redeten. Natürlich hatten auch die 10 Jahre als gestrandet Lebenden überlegt, wie alles gekommen war. Viel hatte man nicht gefunden. Die Funkzentrale war explodiert. Eine Ursache war durch die Trümmer und die spätere Bruchlandung nicht mehr zu entdecken gewesen. Das Gleiche galt für die Ortungseinrichtungen. Man hatte nur verschmorte Energieleitungen identifizieren können. War es vorher oder erst durch den Absturz passiert? In die Energiezentrale waren sie ohne schweren Strahlenschutz nicht hineingekommen.

Nur eines hatten sie feststellen können. Sissap, ein Energieingenieur, hatte gefehlt, als sie die Toten beerdigt hatten. Durch die Bruchlandung waren viele Körper verstümmelt worden, aber ein ganzer Leichnam hatte gefehlt. Und ein Leck im Rumpf hatte es auch nicht gegeben. Lange hatten sie vermutet, dass es Sissap als einzigem gelungen war, in eine Fluchtkapsel zu gelangen.

Heute wussten sie, dass sie Recht gehabt hatten. Nur hatte er dort höchstens Sekunden in Sicherheit verbracht, weil die Schleuse nicht schloss. Er war gleich gestorben. Nur die Art der Blockade der Schleuse machte eine Manipulation mehr als sicher. Nirgendwo waren Schrauben eingebaut und blockierten das Schließen. Leider endeten die Spuren bei Sissap. Er war clanlos gewesen und ohne Freunde oder Verwandte.

Und die Diskussionen gingen weiter. Wer hätte die meisten Vorteile gehabt, wenn einer der Kandidaten für die Nachfolge des Imperators starb? Einer der vier anderen? Oder jemand, der darauf spekuliert hatte, dass er dann neu ins Rennen kam?

Was die beiden Männer sprachen, ging ungehört an Xandras Ohr vorbei. Sie kämpfte innerlich mit dem neuen Wissen, dass sie ihren Eltern Unrecht getan hatte.

Später stand die 16jährige auf.

„Du bleibst jetzt bei mir?“ fragte sie ihren wiedergefundenen Bruder voll Sehnsucht.

„Klar, meine Kleine. Ich bin immer bei dir“, lächelte Martinosch zurück.

„Ich liebe dich“, murmelte Xandra und gab ihrem Bruder einen Kuss.

Dann blickte sie den Imperator ernst an.

„Danke und gute Nacht, Großvater“, sagte sie knapp.

Auch wenn sie lieber noch geblieben wäre, aber morgen ging die Schule weiter und eine Prüfung stand an. Mit Sicherheit würde sie nicht gleich einschlafen, aber das musste sie nicht noch weiter nach hinten schieben.

Zador V. lächelte auch und dankte nickend. Er war schon zufrieden, dass seine Enkelin ihn wieder mit Großvater und nicht mehr mit Mörder anredete.

 

Am nächsten Morgen fragte sie Stannia, ob sie das Wiederauftauchen ihres Bruders nur geträumt hatte. Noch bevor Stannia antworten konnte, öffnete sich schon die Tür und Martinosch kam auch in die Küche. Sofort hing sie wieder mit einem Jauchzen an seinem Hals. Mit nachsichtigem Lächeln schob er sie zurück.

„Keine Aufregung, kleine Schwester. Ich bin hier und ich bleibe hier. Du wirst mich weiter sehen. Aber gönne mir erst einmal ein gutes Frühstück. Nach all den Jahren mit konservierter Nahrung will ich Frische schmecken.“

„Natürlich“, lief Xandra rot an, „ich muss sowieso weg. Dann bis später.“

Und schon war sie zur Tür hinaus. Trotz der Scham hatte sie auch strahlende Augen. Ihr Bruder würde weiter hier sein.

Den ganzen Tag über war sie unruhig und aufgeregt. Sie zappelte wie ein kleines Kind und war aufgedreht. Am Ende der Schulzeit stürmte sie nach Hause. Stumm und lächelnd stand sie in der Tür. Dort saß tatsächlich ihr Bruder.

Die nächsten beiden Wochen verliefen alle ähnlich. Kurz trafen sie sich beim Frühstück und Xandra ging in die Schule. Nachmittags kam sie zurück und dann gehörte ihr Bruder ihr. Sie fragte ihn nach Details und wollte alle Erlebnisse und Erfahrungen hören, die er während der Isolation gemacht hatte. Er wusste inzwischen von ihrem Berufsziel und verstand ihren Drang nach Wissen aus erster Hand. Auch die Probleme der Isolation erklärte und diskutierte er mit seiner Schwester. Für sie war es wie ein Praxisjahr, was sie dabei lernte und er genoss ihr Interesse.

Dann ging auch er nach dem Frühstück in eine Ausbildung. Ihm fehlte ja einiges und manches war nur durch die Datenspeicher des Schiffes abgedeckt worden. Da musste er einiges nachholen. Am Anfang war es ihm peinlich, mit seinen 24 Jahren zusammen mit Jugendlichen die Schulbank zu drücken. Aber er war auch berühmt geworden und er nahm einen eigenen Weg bei der Ausbildung. So sprang er zwischen den Lehrgängen hin und her, saugte die Inhalte förmlich ein und legte die Prüfungen dazu in Rekordzeit ab.

Für Xandra war es eine glückliche Zeit. Nicht nur, dass sie wieder einen Bruder hatte, sie sah ihn jeden Tag, wie er es ihr versprochen hatte. Kam er auch später als sie nach Hause, wusste sie ja den Grund und auch, dass er eben nur später kam. An den Wochenenden stand allerdings für sie auch wieder ihr Spiel ‚Planetenerkunder‘ auf dem Programm. Da konnte sie ihm ihre Fähigkeiten demonstrieren.

Immerhin hatte sie es als 16jährige bereits in die höchste Liga geschafft. Neben den Kinder- und Jugendversionen gab es auch die Profiversion. Hier kam man allerdings nur hinein, wenn man außergewöhnliche Leistungen gezeigt hatte. Für Xandra war es die berufliche Ausbildung als Kontakterin, die ihr hier half. In der Profiebene entschied man sich für eine Funktion und blieb ihr treu. Die Punkte aus dem Spiel entwickelten natürlich den Avatar weiter. Ein Wechsel würde wieder den Start bei null bedeuten.

Xandras Funktion beinhaltete die Kommunikation mit Fremdwesen und das Feststellen der Intelligenz. Sie war stolz, als ihr Martinosch beeindruckt auf die Schulter klopfte. Und es machte sie noch stolzer, dass er mit ihr zusammen Strategien austüftelte. Sie hing mit ihrer ganzen Liebe an ihm. Natürlich war Stannia immer da, wenn sie ihre ‚Ersatzmutter‘ brauchte. Aber Martinosch war ihr Bruder. Er hatte versprochen, bei ihr zu bleiben und hielt sein Versprechen. Er kümmerte sich um sie. Die 16jährige blühte förmlich auf an seiner Seite.

 

Fast ein Jahr wähnte sich Xandra als die glücklichste junge Frau. Sie verschenkte ihre Liebe mit vollen Händen und bekam Liebe zurück.

Dann kam der Moment, an dem Martinosch abends nicht nach Hause kam. Den ganzen Abend war Xandra unruhig und es wurde immer schlimmer, weil sie ihren Bruder nicht auf seinem Kommunikator erreichen konnte. Fast geriet sie in Panik, weil auch Stannia nur mit den Schultern zucken konnte. Auch sie wusste nicht, was mit Martinosch war.

Erst als die beiden Frauen sich an Xandras Großvater wandten, lüftete sich der Schleier.

„Martinosch hat seinen ersten Auftrag vom Rat bekommen. Ihr wisst doch, dass ich ihn als meinen möglichen Nachfolger zur Diskussion gestellt habe. Also will der Rat wissen, was der junge Mann kann und ob er geeignet ist. Seine Ausbildung hat er abgeschlossen. In Rekordzeit, muss ich lobend betonen. Aber nun zählt der Beruf. Alles andere muss zurücktreten.“

Der Imperator wusste nicht, welchen Schlag er seiner Enkelin gerade verpasst hatte. ‚Dein Papa hat einen ganz wichtigen Beruf‘ hatte der Vater gesagt. ‚Dein Großvater muss wieder nach seinen Pflichten sehen‘ hatte der Imperator erklärt. Und jetzt hieß es wieder ‚nun zählt der Beruf‘? Was war mit ihrer Liebe? Zählte das gar nichts?

Xandra war blass und still, als sie sich vom Großvater verabschiedete. Sie blieb auch blass und still in den folgenden Tagen. Stannia sah mit Sorge auf ihren Schützling, denn auch ihr gegenüber verkroch sich Xandra in ihrem Schneckenhaus. Sie ließ sich in den Arm nehmen, aber sie redete nicht.

Drei Wochen dauerte dieser Zustand an. Dann kehrte Martinosch von seiner Reise zurück. Plötzlich stand er wieder im Zimmer mit einem lässigen „Bin wieder da“.

„Wo warst du? Warum hast du nicht gesagt, dass du weggehst? Warum hast du dich nicht gemeldet?“

Mit einem Haufen Fragen überschüttete Xandra ihren Bruder, bevor sie sich in seine Arme warf. Mit hochgezogener Augenbraue sah er auf seine Schwester herab.

„Was ist denn mit dir los? Ich habe einen Auftrag für den Rat ausgeführt. Da ist doch nichts dran. Was also soll das hier?“

„Du hast gesagt, du bist immer bei mir, Martinosch. Da kannst du nicht einfach gehen.“

Er lachte leise und schob sie etwas von sich.

„Spinnst du? Ich bin doch da.“

„Du wolltest immer bei mir sein. Hast du das gesagt oder nicht?“ rief sie laut.

„Ja. Irgendsowas habe ich gesagt. Aber ich habe einen Beruf. Der geht nun einmal vor. Ich habe Ziele. Die will ich erreichen. Tut mir leid, aber ich muss Prioritäten setzen und das ist der Beruf. Also rechne damit, dass ich in Kürze wieder unterwegs bin. Wenn ich mal da bin, unterhalte ich mich gerne mit dir, Xandra. Aber ich werde nicht dauernd um dich sein.“

Hatte Martinosch am Anfang noch etwas belustigt geklungen, wurde er gegen Ende härter in der Aussprache. Er liebte seine Schwester ja, aber dieses Klammern ging entschieden zu weit. Da musste er jetzt einen Riegel vorschieben, bevor es bei jeder Rückkehr von einer Mission zu solchen Szenen kam. Das war nur nervig. Er drehte sich um und verließ den Raum.

 

Xandra stand wie erstarrt. Kälte erfasste ihr Herz. Martinosch ging einfach? Er verließ sie nun auch? Aber er hatte es doch versprochen, bei ihr zu bleiben? Das konnte er doch nicht einfach brechen? Hatte er sie auch nur angelogen?

In ihr zerbrach etwas und mit einem erstickten Laut sank sie auf den Boden. Fassungslos sah sie auf die Tür, die sich hinter ihm geschlossen hatte. Ihr war, als ob sich auch in ihr wieder eine Tür geschlossen hatte. Wieder war es dieses verhasste Argument: Beruf geht vor. Beruf kam wieder einmal vor Liebe.

Ihre Eltern hatten sie wegen ihrem verdammten Beruf zurückgelassen. Ihr Großvater hatte wegen seinem Amt keine Zeit für sie gehabt. Und nun hatte auch ihr Bruder keine Zeit mehr für sie. Jedem war der Beruf lieber als ihre Liebe?

Nun denn. Dann sollten sie doch daran ersticken. Xandra erschrak. Schlagartig war ihr den Tod der Eltern wieder ins Gedächnis gekommen. Nein, den Tod wünsche ich niemandem. Aber wenn sie mich nicht wollen, dann brauche ich sie auch nicht.

Mühsam stand sie wieder auf und ging auf ihr Zimmer. Die ganze Nacht über lag sie wach und starrte blicklos an die Decke. Nur der Satz ‚sie wollen mich nicht‘ kreiste in ihrem Kopf.

Am nächsten Morgen merkte Stannia sofort, dass etwas nicht stimmte. Ihr Ziehkind kam blass und mit steinerner Miene zum Frühstück.

„Was ist passiert?“ fragte sie das Mädchen.

„Nur das ganz normale. Nichts Besonderes“, kam eine ruhige Antwort, aber mit kühler Stimme.

Mehr bekam Stannia aber nicht heraus und Xandra ging schnell zur Ausbildung.

Wenig später kam Martinosch in den Speiseraum. Prompt bekam er die gleiche Frage von Stannia vorgelegt.

„Schön, dass du wieder zurück bist, Martinosch. War gestern etwas Besonderes passiert?“

„Wie meinst du das? Ich bin gestern Abend angekommen und habe Xandra noch kurz Hallo gesagt. Sonst war nichts.“

„Merkwürdig. Irgendwie war die Kleine heute Morgen ganz anders“, murmelte Stannia leise und nachdenklich.

„Vielleicht hat sie ein Problem beim Lernen?“

„Nein. Da gehört sie zu den Besten ihrer Altersstufe“, erwiderte die Cazterin.

„Stress mit einer Freundin?“ vermutete Martinosch weiter.

„Kann auch nicht sein, denn sie hat keine Freundinnen.“

„Okay“, dehnte die junge Mann.

„Dann kann ich dir auch nicht helfen.“

 

Am Abend zuckte Stannia zusammen. Mit Martinosch hatte sie im Wohnraum gesessen und sich unterhalten, als die Tür aufging und Xandra hereinkam. Abrupt blieb die junge Frau stehen und blickte sekundenlang auf Martinosch. Dann drehte sie sich und verließ das Zimmer wieder, ohne ein Wort gesagt zu haben.

„Was ist los zwischen dir und deiner Schwester?“

Stannia wollte es wissen, um ihrer Ziehtochter zu helfen. Wenn da ein Problem bestand, dann musst man es klären und lösen. Und das eben war ein eindeutiger Streit zwischen den Geschwistern.

„Ich weiß es nicht. Sie ist so komisch, seitdem ich zurück bin. Irgendetwas von dauernd bei ihr sein hat sie gefaselt. Aber ich habe einen Beruf und der geht vor. Also muss sie damit leben, dass ich nicht bei ihr bleiben kann.“

Die Cazterin grübelte erneut. Was war da Besonderes? Wieder war ihr das Verhalten von Xandra unverständlich. Martinosch hatte doch Recht, wenn er darauf verwies, dass er einen Beruf und Aufgaben hatte. Selbst die Eltern waren keine 24 Stunden bei den Kindern. Auch sie selber hatte Zeiten für Xandra eingeräumt, in der die Kleine allein gespielt hatte. Auch das sich selber beschäftigen können war eine Schulung.

Aber das Verhalten jetzt?

Stannia merkte aber, dass irgendetwas Wichtiges vorgefallen sein musste, denn auch in den nächsten Wochen und Monaten änderte sich das Verhalten von Xandra nicht. War Martinosch wieder mit irgendwelchen Aufträgen unterwegs, war Xandra ganz normal und doch auch wieder nicht. Sie war distanzierter, fand Stannia endlich als eine Beschreibung. War er wieder für wenige Tage zu Hause, ging sie jedes Mal aus dem Raum, wenn er hereinkam oder sie kam gar nicht erst. Sie schnitt ihn, das war sehr deutlich sichtbar. Doch sie verlor kein Wort darüber und auch er konnte sich ihr Verhalten nicht erklären. Mit ‚Pubertät‘ versuchte er es zu erklären, aber auch Stannia fand diese Begründung mehr als dünn.

Auch gegenüber ihrem Großvater wurde es erneut frostiger. Meistens ging sie, wenn er kam. Fast herrschte wieder eine Beziehung zwischen den beiden wie vor der Rückkehr von Martinosch.

 

 

Xandra, erwachsen

 

Ein Jahr war vergangen. Alles ging seinen normalen Weg. Xandra war jetzt 18. Sie lernte und studierte für ihren zukünftigen Beruf. Immer noch war sie sehr aktiv in der Spielszene rund um ‚Planetenerkundung‘. Allerdings jetzt in der Profiliga, falls man die höchste Stufe so nennen wollte.

Immer noch war sie alleine und ohne Freunde oder Freundinnen. Sie pflegte zwar lockere Kontakte, aber es war nie etwas ernsteres dabei.

Immer noch war sie kühl gegenüber ihrem Großvater und ihrem Bruder. Sahen sie sich, war Xandra nur kurz anwesend und gab schroffe Antworten. Fragen nach ihrem für die beiden Männer befremdlichen Verhalten beantwortete sie allerdings nicht. Sie schwieg und ging. Jeden kleinen Fehler, den die beiden Männer begingen, bekamen sie wochenlang bei jeder Gelegenheit vorgehalten, ohne dass die junge Frau eine Entschuldigung akzeptierte. Es führte dazu, dass sich auch die beiden Männer mehr und mehr von Xandra zurückzogen.

Und Stannia stand immer im Hintergrund, doch auch sie fand nicht heraus, was mit Xandra war oder warum sie ihre Verwandten so ablehnend behandelte. Sie sorgte sich auch um diese einzelgängerischen Tendenzen ihrer Ziehtochter.

Doch erstaunt stellte sie fest, dass es sich im Laufe des Jahres wieder änderte. Nicht das Verhalten gegenüber Bruder und Großvater, aber Xandra wurde ansonsten fröhlicher. Vor allem fiel Stannia auf, dass ihre Augen leuchteten, wenn sie zur Ausbildung ging. Also passte sie genauer auf, wenn Xandra von ihren Tätigkeiten berichtete. Tatsächlich. Da fiel ein Name überproportional häufig. Mit dezentem Nachbohren fand die Cazterin heraus, dass ein junger Mann zugezogen und nun in Xandras Ausbildungsgruppe gekommen war. Anscheinend machte er mächtig Eindruck bei der jungen Frau.

Xandra brachte ihn auch einige Male mit, so dass Stannia ihn als sehr höflichen jungen Mann kennenlernen konnte. Er war ihr sympathisch und sie hoffte auf eine Zukunft zwischen den beiden. Natürlich trafen die beiden hier in der Residenz mit Martinosch und dem Imperator zusammen. Dann war Xandra zwar stiller, aber doch, wohl ihrem Freund zuliebe, friedlicher.

Es kam die Nacht, die Xandra außer Haus verbrachte. Es musste wohl eine schöne Nacht gewesen sein, denn Stannia sah das verträumte Lächeln am nächsten Abend. Ihr Freund kam jetzt häufiger und blieb auch über Nacht. Die Cazterin wusste, dass dann nur ein Zimmer wirklich genutzt wurde.

Xandra wurde zunehmend friedlicher, auch weil es häufigere Abende gab, an denen der Imperator und auch Martinosch anwesend waren und sich mit Xandra und ihrem Freund unterhielten und gemeinsam angeregt diskutierten.

 

Drei Monate später fiel das Traumhaus krachend in sich zusammen.

Stannia ging an einer nicht ganz geschlossenen Zimmertür vorbei, als sie eine Stimme darin hörte. Verwundert wollte sie nachsehen und öffnete sie etwas weiter. Überrascht erkannte sie Xandras Freund, der mit dem Rücken zu ihr stand und über seinen Armbandkommunikator wohl mit jemandem sprach. Sie wollte sich schon leise zurückziehen, um nicht zu stören, als das Gespräch ihre Füße festnagelte.

„Onkel, du kannst mich wieder zurückholen. Das klappt hier nicht.“

Sie konnte nicht hören, was der Gesprächspartner erwiderte, aber der Gesprächsverlauf ließ wenige Interpretationen offen.

„Ja doch. Mit Zador komme ich gut aus, aber er will mich nicht protegieren.“

Schweigen.

„Nein. Er hat ganz eindeutig gesagt, dass jeder seine Leistung bringen muss. Er würde niemals jemanden bevorzugt behandeln.“

Schweigen.

„Du kannst es glauben. Martinosch ist auch oft dabei. Immerhin ist der auch Aspirant auf die Nachfolge des Imperators. Aber auch der hat genickt, dass sein Großvater ihm den Weg nicht einfacher macht.“

Schweigen.

„He, ich habe sogar mit dieser dummen Nuss Xandra geschlafen und ihr Liebe vorgeheuchelt. Es war zwar süß, dass sie mir ihre Jungfräulichkeit geschenkt hat, aber das war alles. Du brauchst sie nur lieb ansülzen und sie macht die Beine breit. Weißt du, wie anstrengend das ist, so eine ahnungslose Tussi um sich zu haben. Noch dazu, wenn die eine totale Niete im Bett ist? Nichts geht. Ich muss mich zwingen, um bei der einen hochzukriegen.“

Schweigen.

„Wenn du meinst, mache ich weiter. Möglich, dass der Alte wohlwollender wird, wenn ich ihm mit seiner Enkelin einen Urenkel mache. Sorge dafür, dass ich ein paar Plazebos bekomme, die ich mit ihrem Verhütungsmittel tauschen kann. Ich schau gleich noch nach, welche Sorte sie benutzt.“

Schweigen.

„Keine Angst. Ich habe sie heute Nacht richtig durchgenommen. Die pennt noch vor Erschöpfung.“

Stannia war blass geworden. Das Gespräch war definitiv nicht für ihre Ohren bestimmt gewesen. Nur wie sollte sie es Xandra beibringen. Sie drehte sich um und wollte schnell verschwinden, da das Gespräch wohl gleich zu Ende sein würde. Da traf sie der zweite Schock.

 

Direkt hinter ihr stand Xandra und war weiß wie ein Leinentuch. Sie wirkte wie eine tödlich Getroffene, was im übertragenen Sinne wohl zutraf, denn sie hatte das meiste ebenfalls mitbekommen.