Unter Piraten, Vitalienbrüder und Korsaren Band 1: Klaus Störtebeker – Schrecken der Weltmeere - Tomos Forrest - E-Book

Unter Piraten, Vitalienbrüder und Korsaren Band 1: Klaus Störtebeker – Schrecken der Weltmeere E-Book

Tomos Forrest

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Beschreibung

Klaus Störtebeker, der berühmte Anführer der Vitalienbrüder, wird trotz seiner Jugend rasch der mächtigste Herrscher der Meere. Zunächst auf der Nordsee unterwegs, nimmt er den Kampf gegen die Hamburger Kaufleute und die Hanse auf. Die Hamburger sind seine Todfeinde geworden, weil sie ihm Unrecht taten.
Bald hat er eine große Mannschaft um sich versammelt, und sein schwarz gestrichenes Schiff, der wendige und schnelle ‚Sturmbock‘, wird von allen anderen Schiffen gefürchtet. Es dauert nicht lange, bis neue Feinde hinzukommen, die Vitalienbrüder kämpfen auch gegen die dänische Königin und schließlich gegen die Friesen.
Hier sind einige seiner ersten Abenteuer vereint.


Folgende Abenteuer sind in diesem Band enthalten:
› Zum Freibeuter geboren
› Kampf gegen die Schwarze Margarete
› Unter der roten Flagge
› Gegen den Friesenhäuptling

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Tomos Forrest

 

 

Unter Piraten, Vitalienbrüder

und Korsaren

 

Band 1

 

Klaus Störtebeker

Schrecken der Weltmeere

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Steve Mayer nach Motiven, 2022 

Illustrationen: by Steve Mayer nach Motiven 

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Alle Rechte vorbehalten

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Prolog 

Zum Freibeuter geboren 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

Kampf gegen die Schwarze Margarete 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

15. Kapitel 

16. Kapitel 

17. Kapitel 

18. Kapitel 

19. Kapitel 

Unter der roten Flagge 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

15. Kapitel 

16. Kapitel 

17. Kapitel 

18. Kapitel 

19. Kapitel 

20. Kapitel 

21. Kapitel 

22. Kapitel 

Gegen den Friesenhäuptling 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

Aus der Feder von Tomos Forrest sind weiterhin erhältlich: 

 

Das Buch

 

 

Klaus Störtebeker, der berühmte Anführer der Vitalienbrüder, wird trotz seiner Jugend rasch der mächtigste Herrscher der Meere. Zunächst auf der Nordsee unterwegs, nimmt er den Kampf gegen die Hamburger Kaufleute und die Hanse auf. Die Hamburger sind seine Todfeinde geworden, weil sie ihm Unrecht taten.

Bald hat er eine große Mannschaft um sich versammelt, und sein schwarz gestrichenes Schiff, der wendige und schnelle Sturmbock, wird von allen anderen Schiffen gefürchtet. Es dauert nicht lange, bis neue Feinde hinzukommen, die Vitalienbrüder kämpfen auch gegen die dänische Königin und schließlich gegen die Friesen.

Hier sind einige seiner ersten Abenteuer vereint.

 

 

***

 

 

Prolog

 

Mein Name ist Jan Hinnerk Mommsen. Ein ganzes Leben lang bin ich nun schon zur See gefahren. Solange ich zurückdenken kann, war ich auf schwankenden Schiffsböden unterwegs auf den Weltmeeren. Es war kein einfaches Leben, aber es hat mir gefallen. Als sich mir die Gelegenheit bot, bei den Vitalienbrüdern anzuheuern, habe ich sie ergriffen. Goedeke Michels war mein Kapitän, bis wir eines Tages mit Klaus Störtebeker und seinem Sturmbock zusammentrafen. Ja, es war ein wirkliches Zusammentreffen, und die beiden Kapitäne waren sich überhaupt nicht grün. Das hat sich später geändert, und der alte Claas Runge, der damals unter Störtebeker gedient hatte, wurde mein bester Freund. 

Eben kam er in den Blauen Hai gerollt und ist nun bei mir mit am Tisch, über dessen Platte er kaum hinübersehen kann. Claas hat beide Beine in einer mächtigen Seeschlacht verloren. Eine Kanonenkugel hat sie ihm weggerissen, und jeder an Bord gab keinen Pfifferling mehr für sein Leben. Als ich ihn in seinem Blut liegen sah, habe ich zugegriffen und mit einem Tauende die zerschmetterten Beine abgeschnürt, damit der arme Kerl nicht verblutete.

Der Magister Wigbold hat ihm dann die Knochen durchgesägt, die Stümpfe versorgt und mit seinen Mitteln dafür gesorgt, dass Claas alles überlebt hat. Mit der Seefahrt war es nun für ihn vorbei, aber ein Zimmermann hat ihm einen Kasten mit Rädern aus Holz gefertigt, in dem sitzt er nun und rollt damit über die Straßen der Hafenstadt.

Und heute ist wieder unser Tag, bei dem wir uns vor dem Schietwetter, das draußen um die Häuser tobt, mit einem steifen Grog schützen und aufwärmen. Und dann erzählen wir uns gegenseitig die tollsten Lügengeschichten, so richtiges Seemannsgarn, wie man das heute gar nicht mehr kennt. Dann ist Claas Runge wieder jung und glücklich, seine Augen leuchten, und sein Mund mit den wenigen, schwarzen Zähnen bleibt gar nicht mehr geschlossen.

Ein paar der alten Geschichten kenne ich inzwischen auswendig und will sie hier einmal erzählen, damit sie nicht vollkommen in Vergessenheit geraten. Vor allem, wie einmal alles mit dem Klaus angefangen hat, als er noch der Junker Klaus von Winsfeldt war. Mit achtzehn Jahren hatte der hünenhafte Junge unter seinem Onkel schon die halbe Welt umsegelt, und niemand machte ihm mehr etwas vor!

 

 

 

 

Zum Freibeuter geboren

 

 

1. Kapitel

 

Heulender Gewittersturm tobte auf der Nordsee und wühlte sie bis in ihre tiefsten Gründe auf. Haushoch türmten sich die gewaltigen Wasserberge und donnerten schäumend mit heftigem Anprall gegen das Ufer, die Dünen hinauf, wo sie zu weißer Gischt in tosender Brandung zerschellten.

Schwarze Wolkenfetzen jagten, vom Orkan gepeitscht, am Himmel wie hungrige Wölfe dahin. Es war ein Heulen, Pfeifen und Toben in der Luft, als sei die ganze Hölle entfesselt und der jüngste Tag angebrochen.

Betäubend rollte der Donner über das Meer dahin, ununterbrochen, mit mark- und beindurchdringendem Krachen. Durch die schaurig schwarze Nacht zuckten unaufhörlich leuchtende Blitze, die wie blutig-rote, beutegierige Schlangen vom Firmament auf die Erde herniederfuhren, als wollten sie diese zerspalten, und in dem blendenden Licht der Blitze erblickte man ein Bild, das selbst dem Mutigsten das Blut in den Adern zu Eis erstarren ließ.

Was mühte sich dort in wahnsinnigem Kampf mit der alles zerstörenden Gewalt der berghohen Wellenkämme, die wie reißende Untiere das schwache Menschenwerk verschlingen wollten?

Ein Schiff! Es war verloren! Der Mast gebrochen, die Segel zerfetzt, und durch die zersplitterten Planken drang das Wasser gurgelnd in das Innere. Ein zerrissenes Hemd flatterte als Notflagge auf dem Stumpf des abgebrochenen Mastes, wie ein stummes Flehen um Rettung!

Der vom Sturm überraschte Fischer hatte längst den ungleichen Kampf mit den Elementen aufgegeben. Er kniete am Maststumpf, an den er sich festgebunden hatte, und umklammerte seinen Sohn, einen fünfzehnjährigen blonden Burschen.

Mit letzter Kraft hielt er ihn an sich gepresst, damit nicht die Wogen, die unaufhörlich über das Wrack dahindonnerten, ihn aus seinen Armen in die Tiefe rissen.

Beide, der alte Dieter Nissen und sein Sohn Hinrik, beteten laut im tobenden Sturm. Nicht für sich taten es die Unglücklichen, die offenbar dem Verderben geweiht waren, sondern für die Frau, die Mutter, die Kinder an Land, die ohne sie dem Elend und dem Hunger preisgegeben waren.

Aber der Donner verschlang ihre Worte, der Wind riss sie von ihren Lippen, und die tosende See spülte brausend ihre gewaltigen Wassermassen über das Deck des sinkenden Fahrzeuges hinweg.

Am Strand hatte sich ein Häuflein Dorfbewohner versammelt. Sie waren herbeigeeilt, um zu sehen, ob Rettung möglich war. Nein – bei diesem Kampf der entfesselten Elemente war menschliche Kraft zu schwach. Verzweifelt rangen sie die Hände.

Jeden Augenblick erwarteten die Geängstigten, die hilf- und ratlos am Ufer standen oder von Angst und Furcht gepeinigt umherirrten, dass das Schiff in den Fluten versank, um nie wieder aufzutauchen.

»Helft, rettet meinen Mann und meinen armen Jungen!«, gellte der Schrei einer unglücklichen Mutter durch das Brüllen des Orkans, während sich zwei Kinder weinend an die Frau drängten. »Habt Erbarmen mit unserem trostlosen Schicksal! Helft uns!«

Aber niemand vermochte der Bedauernswerten beizustehen. Die Männer blieben stumm, ihre Blicke auf den Boden gerichtet, die Lippen fest aufeinander gepresst, die Fäuste geballt. In ohnmächtigem Grimm zuckten sie die Achseln – doch keiner wagte sich hinaus in das tobende Meer. Sie kannten die Tücken der Nordsee nur allzu genau und wussten, dass die rasenden Elemente wieder ein Opfer haben wollten.

Da teilte sich plötzlich die Menge.

»Platz da! Junker Klaus kommt!«, rief es durcheinander.

Zwei kräftige Arme schoben die Männer zur Seite. Ehrfurchtsvoll machten die Dorfbewohner dem Ankommenden Platz. Es war ein schlanker Mann im Alter von etwa achtzehn Jahren, mit athletischem Körperbau, dessen Muskeln und Sehnen aus Eisen zu sein schienen. Seine dunklen Augen leuchteten vor Tatendurst.

Mit kräftiger Stimme, die selbst wie das Donnern der Brandung klang, rief er aus: »Was gibt’s? Ah, ich sehe – ein Schiff ist noch draußen! Schnell ein Boot herbei! Ich will versuchen, die Unglücklichen zu retten!«

»Das ist Wahnsinn!«, murmelten die im Sturm ergrauten Männer. »Seht Ihr nicht, dass selbst das viel größere Schiff wie ein Korken auf den Wogen tanzt? Es ist verloren! Wollt Ihr Euer junges Leben aufs Spiel setzen und ebenfalls in den unersättlichen Fluten umkommen?«

»Zum Teufel, ja, wenn ich dadurch brave Fischer retten kann! Wer ist da draußen in Not geraten?«

»Mein Mann ist’s, Dieter Nissen, und mein Sohn Hinrik! Könnt Ihr sie retten, Junker? Nur Ihr allein könnt es tun!« Jammernd fiel die Verzweifelnde vor Klaus zu Boden, seine Knie dabei umklammernd.

»Ihr seid es, Mutter Marja? Verzagt nicht, ich werde Euch helfen. Bin nicht umsonst von Kindesbeinen an bei meinem Onkel, Kapitän Andres Eisenbart, in die Lehre gegangen und habe nicht umsonst mit ihm bei Sturm und Wetter die Meere gekreuzt! Holla, ein Boot!«

Mit wenigen Sätzen sprang der junge Mann zum Strand hinab und begann, eines der dort auf das Land gezogenen Boote flottzumachen.

»Es ist tollkühn! Lass die Finger davon!«, brummte ein alter Seebär und versuchte, Klaus von seinem Rettungswerk abzuhalten. »Wer soll bei solchem Wetter mit dir hinaus? Keiner von denen, die hier versammelt sind, wird es wagen!«

»So fahr ich allein, Alter! Gib jetzt Raum und nimm die Hand vom Riemen! Gottes Zorn! Es würde mir leidtun, müsste ich mich an deinem weißen Haar vergreifen!«

Unwillig ließ der Alte das Ruderblatt, das er gepackt hatte, los.

»Nun denn, wenn du durchaus willst, so fahr in dein eigenes Verderben, Milchbart!«

»Lasst ihn«, mahnte ein anderer, »helft, das Boot flott zu machen. Jede Sekunde ist kostbar. Kaum ist Dieters Schiff noch zu sehen. Der Klaus hat tollere Stürme durchgemacht – auf der afrikanischen See geht es noch schlimmer zu!«

Die Männer packten an, sahen sie doch, dass der tapfere junge Mann entschlossen war, in den Tod zu gehen, wenn es sein musste. Von kräftigen Armen gestoßen, flog jetzt das Boot direkt in die Brandung hinein.

Wie ein Ball wurde es von den Wogen umhergeworfen. Aber Klaus handhabte die schweren Ruderstangen mit Meisterschaft und hielt das winzige Fahrzeug mit der Spitze gegen die Wellen, sodass es diese durchschnitt und nicht umgeworfen werden konnte.

Riesenkräfte gehörten dazu, den Kahn durch die tosenden Fluten zu treiben. Aber man sah es: Hier war kein Neuling am Werk, das war einer, der es verstand, der es hundertmal geübt hatte.

Mit gespannten Blicken verfolgten die am Ufer stehenden Fischer das kühne Wagnis des Junkers. Mehrmals schien es, als müsste das Boot kentern, doch immer mehr näherte es sich der Unglücksstelle.

Endlich war das Wrack erreicht, aber noch harrte das schwierigste Stück Arbeit.

Der Fischer war ohnmächtig geworden und hing hilflos am Mast, so gut es ging, von seinem Jungen gestützt.

»Durchschneide die Stricke!«, rief Klaus nun Hinrik zu, das Heulen des Orkans übertönend.

Mechanisch befolgte der Junge den Befehl.

»Nun pass auf! Ich werfe dir ein Tau zu, mach es am Maststumpf fest!«

Schon im nächsten Augenblick sauste die Leine durch die Luft. Rasch ergriff Hinrik das Ende und befestigte es.

Das Tau sollte dazu dienen, das Boot in der Nähe des Wracks zu halten, damit es bei dem ungeheuren Wogengang nicht fortgeschleudert wurde.

Kaum war die Leine befestigt, so flog ein dunkler Körper durch die Luft. Der Junker war mit einem mächtigen Satz auf das Deck des Wracks gesprungen.

Schon gurgelte das Wasser lauter in den Raum des lecken Schiffes, jeden Augenblick musste das Wrack den Schiffbrüchigen unter den Füßen wegsinken.

»Kannst du schwimmen, Hinrik?«

»Wie eine Ente, Junker Klaus! Aber die See geht hoch!«

»Bleib dicht bei mir, ich werde auf dich achten!«

Bei diesen Worten nahm Klaus den alten Fischer wie einen Sack auf die Schultern und stürzte sich, nachdem er schnell entschlossen das Tau mit seinem Messer durchschnitten hatte, von dem jetzt sinkenden Schiff in die tosende Flut. Hinrik sprang zugleich mit ihm ab.

Der Strudel, den das untergehende Fahrzeug bildete, war fürchterlich. Hinrik stieß unwillkürlich einen gellenden Hilfeschrei aus, als er in den unheimlichen Trichter hinabgerissen wurde. Aber Klaus packte noch rechtzeitig seine Hand mit der Rechten.

Mit der Linken hielt er den bewusstlosen Fischer, so hatte er nur die Beine frei, aber damit machte er jetzt so gewaltige Schwimmstöße, dass er bald wieder an die Oberfläche schoss.

Die Bergung der beiden Fischerleute in das auf- und niedertanzende Boot war mit ungeheuren Schwierigkeiten verknüpft; aber die stählernen Muskeln Klaus von Winsfeldts, die in Sturm und Wetter an Bord der großen Schiffe seines Onkels ausgebildet waren, vollbrachten das Unglaubliche in verhältnismäßig kurzer Zeit.

Nun ging es zurück. Das Rudern des Fischerbootes durch die fortgesetzt wütend gegen das Ufer anstürmende Brandung erforderte noch eine Riesenanstrengung, aber hier konnte Hinrik helfend eingreifen.

Der Fischersohn wollte im Überschwang seiner Gefühle, noch ehe man gelandet war, vor dem Junker niederknien, um ihm für die Rettung zu danken, aber Klaus wies ihn barsch ab.

»Unsinn! Habe nur meine Pflicht getan. Jetzt ans Werk. Ergreif den Riemen dort und dann – im Takt nach meinem Schlag, als wenn wir auf der Elbe fahren!«

Hinrik gehorchte dem so bestimmt gegebenen Befehl, und bald schoss das Boot dem Strand zu. Mit Hurra wurde es empfangen. Was keiner für möglich gehalten hatte, war vor aller Augen geschehen. Die verloren Geglaubten waren gerettet. Jubelnd umringte Alt und Jung den kühnen Retter.

Der aber wollte von einer Verherrlichung seiner Tat nichts wissen und zeigte ein fast raues Wesen, um die allzu stürmisch Herandrängenden zurückzuscheuchen.

»Lasst das, Leute! Bringt den Erschöpften nach Hause. Ich selbst werde dort nach dem Rechten sehen.«

Zwei Männer hoben Dieter Nissen auf und trugen ihn heim in sein armseliges Häuschen in den Dünen, während die überglückliche Frau Marja, die sich vor übermäßiger Anstrengung trotz ihrer Freude kaum auf den Füßen halten konnte, von Hinrik nach Hause geführt wurde.

Draußen heulte und tobte der Sturm weiter, doch in der engen Hütte des Fischers herrschte bald tiefer Frieden.

»Wie konntet ihr es nur wagen, bei solchem Wetter in See zu gehen?«, erkundigte sich Klaus von Winsfeldt bei dem alten Fischer, als der wieder zu Bewusstsein kam. Der Junker hatte auf seine Rechnung Rum und Zucker herbeibringen lassen, Frau Marja auf seinen Befehl für kochendes Wasser gesorgt, und der rasch gebraute, kräftige Grog brachte die erschlafften Lebensgeister schnell wieder in Bewegung.

Auch Klaus selbst war bei der Anstrengung durstig geworden. Er trank den größten Becher, den es hier gab, in einem Zuge leer und stellte ihn anschließend verkehrt auf den Tisch.

»Ihr seid ein wahrer Stürzebecher, Junker Klaus!«, sagte bei diesem Anblick der alte Nissen schmunzelnd, aber dieser fröhliche Moment verging sofort wieder. Die Stirn des Fischers verzog sich in düstere Falten, und ein schwerer Seufzer entfuhr seiner Brust.

»Es ist eine traurige Geschichte, Junker. Wir schulden dem reichen Hamburger Senator von Schenck für diese elende Hütte eine große Summe Geldes als Pachtzins. Ich hatte sie fast schon zusammengebracht. Doch es fehlten noch einige Taler, und morgen sollte ich zahlen, wenn ich nicht mit meiner Familie von Haus und Hof gejagt werden wollte. Da fuhr ich trotz des Unwetters hinaus, um noch einen Fang hereinzuholen. Es ist misslungen. Das Schiff ist untergegangen und mit ihm meine gesamte Habe. Das mühsam gesparte Geld befand sich an Bord. Ich wollte damit nach Hamburg. Ich bin ein Bettler – und morgen ist meine Familie obdachlos.«

Die Faust des Junkers fuhr krachend auf den Tisch nieder.

»Nein! Das kann Gott nicht wollen! Wie viel beträgt denn der fällige Zins?«

»Herr, die Zeiten sind schlecht, und der Fang hat in den letzten Monaten wenig gelohnt. Da sind es zwanzig Taler geworden, die ich schuldig bin.«

»Hölle und Teufel! Zwanzig Taler für einen solchen Stall, der für einen Hund zu schlecht ist? Und das verlangt der reiche Senator von euch? Es ist eine Schande! Aber ich werde ihm die Wahrheit sagen!«

»Herr, tut das nicht, tut das ja nicht, lieber, junger Herr«, flehte der Alte, dem die Tränen in den Augen standen. »Ihr kennt den Senator schlecht. Er hat die oberste Polizeigewalt von Hamburg, und wir werden ohnehin schon des Aufruhrs bezichtigt, weil wir nicht immer das Geld zur Stelle haben.«

»Ich fürchte mich nicht vor dem Teufel, viel weniger vor Detlev von Schenck mit seinen Konstablern. Möchte sehen, wie er mich hindern will, ihm gründlich meine Meinung zu sagen. Denn trotz seiner goldenen Amtskette ist er nichts als ein Wucherer, ein Schurke! Er hat am wenigsten das Recht, euch des Aufruhrs zu verdächtigen, wenn ihr unter den Erpressungen seiner hartherzigen, mitleidlosen Büttel seufzt. Ich kenne eure Leiden und werde dem Elenden Auge in Auge gegenübertreten, am besten im Angesicht des ganzen Hamburger Senats. Unmöglich können sich die Ratsherren dieser großen Stadt mit seinem verbrecherischen Treiben einverstanden erklären. Lebt wohl!«

Vergebens beschworen die dankbaren Fischersleute ihren Retter, sich nicht ihretwegen in eine Gefahr zu begeben, deren Folgen für den wagemutigen Junker unabsehbar sein mussten. Er ließ sich von seinem einmal gefassten Entschluss, diesen armen Unglücklichen zu helfen, nicht abbringen, sondern stürmte in die Nacht hinaus, um sich weiteren Dankesbezeugungen und wohlgemeinten Warnungen zu entziehen.

In seinem Eifer, dem Unrecht und der Unterdrückung entgegenzutreten, bemerkte er nicht die dunkle, tief vermummte Gestalt, die bisher an der Außenseite des Fensters gelauscht hatte, jetzt aber in den Schatten des Hauses tauchte und ihm mit erhobenem Arm nachdrohte.

 

 

2. Kapitel

 

Im Hamburger Rathaus waren die Gewaltigen der Stadt zu ernster Beratung versammelt. Mit düsteren Mienen starrten sie auf den grünen Tisch nieder. Nur trübe erhellte die von der Decke hängende Ampel den weiten Raum der öden Halle.

»Was lasst ihr die Köpfe hängen, Senatoren der Freien und Hansestadt? Ihr wollt der Hohe Rat von Hamburg sein, aber es scheint, als ob euch selbst jeder Rat abhandengekommen ist!«

So sprach Detlev von Schenck, der Arglistige, der vor keinem Mittel zurückscheute, das ihm oder der Stadt einen Vorteil brachte.

Die Übrigen aber ließen die Köpfe noch tiefer auf die Brust sinken, und dem Mund des Bürgermeisters Balthasar Holmstede entfuhr ein tiefer Seufzer.

»Schwere Sorge ruht auf uns«, sagte er mit gewichtiger Stimme. »Margarete von Dänemark wird immer übermütiger, kaum vermögen wir uns noch ihrer Angriffe zu erwehren, und auf den Beistand der Vitalienbrüder, die uns früher manches Dänenschiff abfingen, haben wir nicht mehr zu rechnen.«

»Weil wir kein Geld im Säckel haben«, brummte ein anderer der Senatoren. »Die Vitalienbrüder holen sich jetzt ihren Sold selber, indem sie Hamburger Schiffe kapern.«

»Es war ein Fehler von euch, die Vitalienbrüder als Seeräuber zu behandeln. Ihr habt selbst ihren Zorn heraufbeschworen!«, donnerte Schenck dazwischen.

»Konnten wir anders?«, fragte der Bürgermeister. »Das Geld ist knapp. Woher sollen wir’s in dieser Kriegsnot nehmen?«

»Ihr weisen Herren, liegt nicht ein Schiff im Hafen, das mit einem Schlag all unsere Nöte bannen würde? Reich genug beladen ist es aus der Südsee zurückgekehrt!«

»Ihr meint die Wappen von Hamburg?« 

»Ja! Sie hat unermessliche Schätze an Bord, und sein Besitzer, Kapitän Eisenbart, ist vor Kurzem am Fieber gestorben.«

»Es gehört nicht uns. Eisenbart hat einen Erben hinterlassen, Klaus von Winsfeldt. Sicher ist dieser im Testament seines Onkels reich bedacht!«

»Das Testament ließe sich konfiszieren«, zischelte Schenck mit arglistigen Blicken. Seine unheimlichen, sengenden Augen schweiften im Raum umher, als ob er einen Lauscher, einen Verräter fürchtete. »Was versteht solch ein junger Fant von Recht und Gesetz? Die Gesetze machen wir, deshalb ist das Recht auf unserer Seite. Ein Grund ist schon gefunden. Meine Späher haben mir berichtet, dass er es mit der aufsässigen Fischerbevölkerung unten an der Nordsee hält. Die wird immer schwieriger und steht in dem dringenden Verdacht, mit den Vitalienbrüdern und Likedeelern unter einer Decke zu stecken.«

»So, sind sie des Aufruhrs schuldig?«, stieß Balthasar Holmstede hervor und richtete sich auf.

»So ist es«, erwiderte Detlev von Schenck, »und wehe, dreimal wehe ihnen – und ihrem Mitschuldigen, Klaus von Winsfeldt! Hört, meine Brüder, was ich euch sagen muss: Dieser jugendliche Heißsporn hat sich unterfangen, die schwersten Lästerungen und Drohungen gegen uns auszustoßen. Den hochweisen Rat nannte er Schurken, mich selbst einen Wucherer. Wollen wir das von einem solchen Milchbart ruhig hinnehmen?«

Bei dieser Enthüllung erfasste alle ungeheure Aufregung. Einige sprangen von den Stühlen auf und erhoben drohend ihre Fäuste. Wild schwirrten die Stimmen durcheinander, dabei wurden heftige Drohungen laut.

»Wahrt eure Würde, Senatoren«, sagte Detlev von Schenck mit teuflischem Lächeln. »Ich habe dafür gesorgt, dass dem Junker die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Er wird hierher kommen, und es wird für uns eine Kleinigkeit sein, diesen Grünschnabel so zu reizen, dass er die Achtung, die er dem Hohen Senat schuldig ist, vergisst, und dass er dann ins Gefängnis kommt, dafür lasst mich sorgen. Seht, hier ist das Testament, das ihn zum Erben seines Onkels macht, und so – zerreiße ich es!«

Detlev von Schenck hatte mit erhobener Stimme gesprochen und riss jetzt das Pergament mit dem großen Siegel mitten durch, sodass selbst die Ratsherren erschraken. Er aber blickte triumphierend von einem zum anderen. Obgleich manche seine Art als ein allzu großes Unrecht erschien, wagte ihm doch keiner zu widersprechen, denn er war selbst unter den Senatoren aufgrund seiner gewalttätigen Art gefürchtet.

Da entstand an der Tür plötzlich Lärm. Die Trabanten, die dort Wache hielten, versuchten mit ihren Waffen einen Mann aufzuhalten, der den einen der Türhüter nach rechts, den anderen nach links zur Seite warf und nun hoch aufatmend vor dem hohen Rat Hamburgs stand.

»Wer wagt es, den Frieden der Stadt in so unglaublicher Weise zu brechen und in die Räume des Rathauses einzudringen, wenn ein Hoher Rat zu ernster Beratung versammelt ist?«, fragte der Bürgermeister mit einer Stimme, die nicht nur vor Aufregung, sondern auch vor Furcht zitterte.

Junker Klaus trat mit blitzenden Augen an den Tisch und stand hochaufgerichtet vor den Würdenträgern der Stadt. In seinem Zorn sah er aus wie ein Fürstensohn, der Rechenschaft fordert.

»Wundert Euch nicht, Ihr Herren, wenn ich unaufgefordert hier eintrete. Eine unaufschiebbare Angelegenheit führt mich her. Ich habe mit dem Senator Detlev von Schenck ein Wörtchen zu reden!« Er wies mit einer energischen und zugleich verächtlichen Handbewegung auf den Polizeigewaltigen, der blass geworden war.

»Mit mir?«, stammelte Detlev. Wut und Zorn erstickten seine Stimme, aber seine raubtierhaft leuchtenden Augen sprühten einen unbändigen Hass gegen den jungen Mann.

»Ja, mit Euch, geldgieriger Wucherer! Habt Ihr nicht dem armen Fischer Dieter Nissen gedroht, ihn von Haus und Hof zu jagen, wenn er das Blutgeld nicht zahlt, das er Euch schuldig ist?«, donnerte Klaus den Senator an.

Der hatte die Zwischenzeit genutzt, um den Trabanten heimlich einen Wink zu geben, die Türen zu besetzen, damit der gefährliche Junker nicht aus dem Rathaus entkommen konnte. Und nun fasste er Mut.

»Mit wem sprecht Ihr, Junker von Winsfeldt?«, begann er mit erzwungener Würde. »Mäßigt Euch und bedenkt, Ihr steht vor dem Hohen Rat von Hamburg. Dass ich den Pachtzins von einem Fischer verlange, ist mein gutes Recht, und wer den Zins nicht pünktlich zahlt, muss den Pachtsitz verlassen, so ist es rechtens!«

»Ihr dreht das Recht, wie Ihr es haben wollt!«, rief Klaus in ehrlicher Entrüstung. »Eure Gesetze besitzen so viele Paragraphen, dass Ihr immer einige zur Hand habt, die dazu dienen, Euren Geldsack zu füllen! Was sollen die Armen gegen Euch ausrichten? Es ist ein Jammer, dass Ihr sie um des elenden Mammons willen in Tod und Verderben hetzt, wie diesen alten Fischer, der in dem furchtbaren Sturm gestern seine ganze Habe verloren hat. Das für Euch bestimmte Geld ist mit seinem Schiff untergegangen!«

Jetzt lachte der Ratsherr hell auf, denn er hatte bemerkt, dass sich eine große Zahl von Trabanten und Konstablern draußen vor den Türen des Saales in aller Stille versammelt hatte.

»Also diese Märchen haben sie Euch aufgebunden? Sein Geld mit dem Schiff untergegangen, damit er es heute nicht zu zahlen braucht? Hahaha! Und einen klugen Anwalt hat sich dieser Dieter Nissen genommen! Einen leibhaftigen Junker! Zwar noch jung an Jahren, aber ein Maul, so groß wie das Hamburger Schartor!«

»Bei Gott! Lasst das Lachen, das kann ich nicht ertragen!«, drohte Klaus, indem er auf den Ratsherrn zusprang und nach der Hüfte griff, wo er ein langes Messer im Gürtel trug.

Detlev, dem es darauf ankam, den Junker zu reizen, sprang zwar hinter einen Stuhl, um ihn zwischen sich und den Gegner zu haben, lachte aber noch immer aus vollem Hals.

Klaus schwoll die Zornesader an der Stirn. Mit einem gewaltigen Satz sprang er über den breiten Tisch auf den Ratsherrn zu. Der aber hatte sich durch schleunige Flucht in Sicherheit gebracht und schleuderte dabei dem Junker den schweren Stuhl vor die Füße. Der feige Senator nutzte den kurzen Moment und verbarg sich hinter der Reihe der Konstabler, die jetzt von allen Seiten in den Saal drangen.

»Ergreift den Friedensbrecher! Werft ihn ins finsterte Verlies!«, schrie Schenck hinter seiner Schutzmauer hervor, und sofort befolgten die Männer seinen Befehl und umringten den Streiter für die Armen und Elenden.

Klaus sah ein, dass er gegen die enorme Übermacht nichts ausrichten konnte, denn die Ausgänge waren durch Bewaffnete besetzt. Die Konstabler drangen, von dem in völliger Sicherheit befindlichen Polizeichef angefeuert, immer heftiger auf ihn zu.

Da packte er mit raschem Griff die beiden zunächst stehenden Wächter an der Kehle, warf sie mit kräftigem Schwung auf die anderen, sodass im Nu eine ungeheure Verwirrung entstand. Dann schwang er sich mit bewunderungswürdiger Gewandtheit zu dem ziemlich hohen Fenster hinauf, riss die Flügel auseinander, kletterte draußen auf dem Sim entlang und ließ sich, da es zu hoch zum Springen war, an der Regenrinne des Gebäudes auf das Pflaster hinabgleiten.

Das alles war so schnell gegangen, dass es die Senatoren und deren Diener vollkommen verblüffte. Detlev von Schenck schrie und zeterte zwar: »Haltet ihn fest, den Aufrührer! Schießt nach ihm und lasst ihn nicht entkommen!« Doch jetzt entstand in den Türen ein solches Gedränge, dass sie versperrt waren, und die würdigen Senatoren mussten es sich gefallen lassen, von den hinausstrebenden Konstablern arg gepresst und auf die Füße getreten zu werden.

Klaus von Winsfeldt aber war in der Dunkelheit des inzwischen hereingebrochenen Abends spurlos verschwunden.

 

 

3. Kapitel

 

»Wer klopft zu so später Nachtstunde noch an meine Tür?«

»Ich bin es, Meister, Klaus von Winsfeldt!«

»Ah, Klaus, tritt herein, keinem anderen würde sich die Tür dieses Hauses um diese Zeit noch öffnen!«

Diese Worte sprach ein Mann von kräftigem, stattlichem Körperbau, aber doch in den Jahren, in denen Haupt- und Barthaare bereits ergrauen.

Magister Wigbold von Rostock war der Lehrer des Junkers gewesen, als der noch die hohe Schule besuchte, und von dieser Zeit her bestand die Freundschaft der beiden an Jahren so ungleichen Männer.

Wigbold war aus Rostock, seiner Heimat, vertrieben worden und lebte in Hamburg in tiefer Zurückgezogenheit. Er war ein weiser Mann, der sich mit der Schwarzen Kunst beschäftigte, die die Natur der Welten und die Wissenschaften zu erforschen versucht. Besonders in der Sternenkunde und der Arzneilehre besaß der Magister außerordentliche Kenntnisse und konnte sogar Dinge, die in der Zukunft verborgen liegen, vorher bestimmen.

Den Hamburgern hatte er durch seine Wetterprophezeiungen, sein Vorhersagen von großen Seestürmen und Springfluten schon oft große Dienste geleistet, sodass die Kapitäne und Handelsherren ihre Schiffe rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten.

Aber anstatt für seine Dienstleistungen, die so manches Unglück verhindert hatten, dankbar zu sein, beschuldigte ihn das abergläubische Volk der Zauberei und eines Bündnisses mit dem Teufel.

»Ich wusste, dass du hier erscheinen würdest, mein Sohn«, begann Wigbold mit tiefer, sonorer Stimme. »In den Sternen habe ich gelesen, dass unsere Geschicke von heute an miteinander verkettet sind.«

»Das wolle Gott nicht!«, stieß der Junker hervor. »Ich bin geächtet, man verfolgt mich und trachtet mir nach dem Leben. Ich muss aus Hamburg fliehen!«

»Auch ich werde verfolgt, denn meine Kunst, die eine göttliche ist, wird von dem törichten Volk für Teufelswerk gehalten. Der Rat ist durch abergläubische Leute aufgehetzt. Ich erwarte täglich die Schergen und meine Verhaftung!«

»Armer Mann, noch nicht einmal die Wissenschaft, die Forschung ist frei? Aber ich werde dich schützen!«

»Das wirst du, ich habe es in den Sternen gelesen. Folge mir, Klaus!«

Der Gelehrte ergriff eine eigentümlich geformte, mit Rübenöl gefüllte Lampe und schritt voran. Die beiden gingen eine hohe, hölzerne Stiege hinauf, deren Treppenstufen unheimlich knarrten und ächzten.

Schließlich traten die Freunde auf ein flaches Dach, auf dem astronomische Instrumente aufgestellt waren.

Magister Wigbold ging nun zu einem riesigen Fernrohr auf einem großen Gestell und sah hindurch. Zuerst erhellten sich seine Züge, dann wurden sie ernst. Mit einem tiefen, nur zum Teil unterdrückten Seufzer trat er zurück.

»Blicke hindurch, Klaus, und sage mir, was du siehst!«

»Einen Stern«, rief der Junker begeistert aus. »Einen Stern sehe ich, so hell, so leuchtend, so schön und glanzvoll, wie ich noch nie in meinem Leben einen gesehen habe!«

»Dieser Stern bist du, Klaus von Winsfeldt«, erklärte der Magister.

»Unmöglich! Er überstrahlt an Licht und Größe alle anderen in seiner Umgebung!«

»Auch du wirst alle anderen überstrahlen. Du wirst einer der berühmtesten Männer der Erde werden. Was siehst du weiter?«

»Um den Stern herum sehe ich eine Anzahl kleinerer, die ihr Licht von dem mittleren Stern zu erhalten scheinen.«

»Es sind deine Gefährten, die Führer deiner Schiffe!«

»Meiner Schiffe?«, erkundigte sich Klaus erstaunt.

»Ja, denn du wirst der größte Seefahrer aller Zeiten werden!«

»Ich? Oh, das habe ich mir immer gewünscht! Schon mein Onkel prophezeite mir Ähnliches!«

»Die Seeleute werden deinen Namen mit Bewunderung nennen, die Schlechten aber werden vor ihm erzittern. Erblickst du unter den Sternen, die deinen umgeben, einen, dessen weißes Licht dir besonders auffällt?«

»Ja, direkt unterhalb des leuchtenden Sternes. Er steht diesem Stern am nächsten.«

»Dieser weiße Stern bin ich. Und die große Menge von Sternen, die sich darum gruppieren, das sind deine Untergebenen.«

»Aber es scheinen mehr als tausend zu sein!«

»So wirst du mehr als tausend Untergebene haben. Du wirst der Herrscher auf den Meeren sein!«

»Ha, aber was ist das? Dort kommt ein ganzer Schwarm von vielen, unendlich vielen kleinen Sternen, aber sie halten dicht zusammen. Fast sehen sie aus wie Wolken.«

»Man nennt sie Nebelflecke. Wende dich ab, damit du nicht siehst, was geschehen muss!«

»Nein, ich kann meinen Blick nicht abwenden, mit magnetischer Kraft werde ich festgehalten. Der Haufen wird dichter und größer. Immer schneller kommt er heran. Er erreicht die glänzenden Sterne und hüllt sie ein. Immer mehr verschleiert grauer Nebel das leuchtende Bild …«

»Halt ein, Klaus! Der Nebel sind die Verfolger, zahllos wie der Sand am Meer, sie werden uns ersticken!«

»Das helle Licht der Sterne wird matt. Der Nebel verschlingt sie alle! Da …!«

Klaus von Winsfeldt war unwillkürlich zurückgeprallt und hielt sich die Hand vor die Augen, als empfinde er dort Schmerzen.

»Unglücklicher, was hast du gesehen?«, rief der Magister und packte den Junker mit eisernem Griff am Arm.

»Der glänzende Stern fiel aus seiner Höhe und – erlosch!«, murmelte Klaus dumpf und wie geistesabwesend.

»Du hast dein Schicksal gesehen. So wirst auch du wie ein leuchtender Meteor am Himmel stehen und aus der unendlichen Höhe herabstürzen.«

»Mag es so sein«, rief Klaus, der den lähmenden Eindruck, der ihn einen Augenblick in Bann geschlagen hatte, von sich abschüttelte. »Was ist schon der Tod? Sterben müssen wir alle einmal – früher  oder später. Aber vorher will ich ein solcher Meteor sein, der alle Sterne überstrahlt! Wigbold, du bist ein weiser Mann. Eines möchte ich noch wissen: Wie werde ich sterben? Kannst du mir das sagen?«

Der Magister machte eine abwehrende Bewegung, indem er beide Arme weit von sich streckte, während sein Gesicht einen entsetzten Ausdruck zeigte.

»Danach frage nicht, Klaus. Der Anblick wäre für dich unerträglich!«

»Ha, du kennst ihn also?«

»Ich habe deinen Tod mit meinen eigenen Augen gesehen.«

»Wie ist das möglich? Hast du das zweite Gesicht?«

»Nenne es, wie du willst, das zweite Gesicht oder Spiritismus, manche nennen es Geistererscheinung oder den Zauberspiegel«, antwortete der Magister.

»Dann kannst du mir auch dieses Bild zeigen, das dich so erschüttert hat, Wigbold!«

»Das könnte ich, aber ich flehe dich an, erlasse es mir, dir das Entsetzlichste zu zeigen, was ein Mensch sehen kann. Horch!«, unterbrach er sich plötzlich und lauschte zur Stiege hinüber. »Hörst du nicht die Treppenstufen knarren? Sie kommen, sie wollen mich fassen!«

»Das soll nicht geschehen«, rief Klaus wild. Mit einem Schlag war seine Kampfwut erwacht. »Solange ich lebe, soll sich keiner dieser Schergen an dir vergreifen. Still, lass sie herankommen. Ich will es ihnen schon zeigen, was es heißt, sich mit Junker Klaus anzulegen. Den Burschen soll ein für alle Mal die Lust vergehen, sich an Magister Wigbold zu wagen!«

Der Gelehrte hatte richtig gehört. Die Treppenstufen knarrten jetzt deutlich, obgleich sich die Heranschleichenden alle Mühe gaben, so wenig Geräusch wie möglich zu verursachen.

Aber die Geduld ging den Männern rasch aus.

»Verdammt!«, knurrte der Vorderste. »Diese verwünschte Treppe zerstört uns mit ihren vermaledeiten Geräuschen den ganzen Schlachtplan!«

»Drauf! Fasst ihn, den griesgrämigen Gesellen!«, rief der Anführer, der sich jetzt nach vorn drängte und ohne Rücksicht auf die Geräusche auf das Dach hinausstürmte.

Der Junker hatte eines der schweren, aus Messing gefertigten, astronomischen Geräte ergriffen, die auf einem Tisch lagen und sich dorthin gestellt, wo die Treppe auf das Dach mündete.

»Verrat!«, schrie der Anführer, als er die hoch aufgerichtete Gestalt erblickte. »Der Magister ist nicht allein! Zurück, oder wir sind verloren!«

Die blitzenden Augen des jungen Mannes und sein gewaltiger Körperbau hatten den Feigling mit Furcht und Schrecken erfüllt. Aber die Söldner, die noch auf der Treppe waren und die Gefahr nicht erkannt hatten, drängten nach.

»Schlagt die Hunde nieder!«, zischte einer. »Ich will nicht umsonst hergekommen sein, sondern meinen Anteil an dem Preis haben, der auf den Kopf des Zauberers ausgesetzt ist!«

Er riss den Anführer mit sich fort und beide schlugen und stachen nun auf Klaus von Winsfeldt ein. Der hob seine schwere Waffe und schmetterte sie mit solcher Wucht auf den Kopf des vordersten Angreifers, dass der mit gellendem Aufschrei zurücktaumelte und die Waffe fallen lassend, die Arme in die Luft warf, als wolle er dort nach Halt suchen.

»Das klingt wie ein hohler Topf!«, rief Klaus mit grimmigem Lachen. »Viel mehr als in einem Topf wird wohl auch in diesem Hirnkasten nicht gewesen sein!«

Auf der Treppe entstand ein fürchterliches Gepolter, denn der Getroffene war rücklings die Stufen hinuntergestürzt und hatte nicht nur seinen nächsten Kameraden, sondern die ganze Rotte mit sich hinabgerissen.

Sie bildeten jetzt unten am Fuß der Treppe ein wüstes Knäuel, das nur sehr schwer zu entwirren war, denn sie hatten sich bei dem Sturz gegenseitig mit ihren Dolchen und Spießen verletzt.

Die Ersten, die sich mit Mühe erhoben hatten, wollten voller Entsetzen fliehen, aber Klaus war die Treppe hinuntergeeilt und dann mit einem gewaltigen Satz, der einem Tiger Ehre gemacht hätte, über die am Boden Liegenden hinweggesprungen.

»Halt!«, donnerte er im Befehlston den Söldnern entgegen. »Keiner von euch Schurken verlässt das Haus, bevor er nicht seine Waffen hier abgelegt hat. Und dann nehmt vor allen Dingen eure verwundeten Genossen und den Anführer eurer Bande mit. Und noch eins! Ich möchte wissen, wer euch den Auftrag zu dem Überfall gegeben hat. Heraus mit der Sprache! Oder, beim Teufel, ich behandle euch so, als hättet ihr selbst diese heimtückische Tat ausgebrütet!«

Klaus hatte einen älteren Konstabler an der Kehle gepackt und ihm den Dolch auf die Brust gesetzt.

»Herr!«, stammelte der jetzt. »Genaues wissen wir selbst nicht. Der Profoss brachte uns den Befehl und sagte uns, der Magister treibe Teufelskünste, es sei ein gutes Werk, ihn aus der Welt zu schaffen, und außerdem wurde uns noch eine hohe Belohnung zugesichert!«

»Jetzt weiß ich genug!«, donnerte Klaus. »Der Schurke, der euch durch den Profoss hat anstiften lassen, heißt Detlev von Schenck! Geht jetzt, aber wagt es nicht, euch je wieder in diesem Hause blicken zu lassen!«

Gehorsam und ohne ein Wort der Erwiderung zu wagen, vielmehr vor dem jungen Mann, der mit vor Zorn funkelnden Augen vor ihnen stand, zitternd und bebend, legten die rüden Gesellen ihre Waffen ab. Dann nahmen sie den bewusstlosen Anführer in die Mitte und schlichen hinaus, froh, dass sie überhaupt das Haus des gefürchteten Zauberers wieder verlassen durften, ohne vom Teufel geholt zu sein.

»Du hast mir das Leben gerettet, Klaus, wie soll ich dir das danken?«

»Das ist nicht nötig, mein Freund. Ich bin dir meinerseits schon so viel Dank schuldig, dass ich ihn kaum jemals abtragen kann. Doch nun muss ich selbst los!«

»Gut, Klaus, aber sag mir, wohin du jetzt willst?«

»Zu meiner Mutter. Ich muss Abschied von ihr nehmen, bevor ich Hamburg verlasse.«

Der Magister machte eine abwehrende Bewegung, und seine Stirn zog sich in sorgenvolle Falten.

»Höre meinen Rat, Klaus«, sagte er, »bei deiner Mutter werden dich die Schergen des hohen Rates zuerst suchen. Pass auf dich auf und laufe ihnen nicht in die Arme!«

»Ich fürchte sie nicht und werde mich schon zu wehren wissen. Wann sehen wir uns wieder?«

»Die Sterne werden uns rechtzeitig zusammenführen und dann – werden wir uns nie wieder trennen, bis – zu unserem Tod!«

 

 

4. Kapitel

 

Als Klaus die Straße betrat, verschwand eine dunkle, tief vermummte Gestalt im Schatten der Häuser. Er hatte ihn nicht gesehen oder zumindest nicht beachtet, denn seine Gedanken waren erfüllt von dem, was er erlebt hatte.

Die kühnsten Träume seiner Kindheit, die verwegensten Hoffnungen sollten in Erfüllung gehen. Sein Onkel Eisenbart war ein tapferer, auf allen Meeren bekannter Seemann gewesen. Ihn hatte er stets beneidet, wenn er im Sturm auf der Kommandobrücke stand und seine Befehle wie Donnertöne durch das Sprachrohr über das Schiffsdeck dröhnen ließ.

Und nun sollte er, Klaus, ein noch viel größerer Seemann werden – der Herrscher auf den Meeren, wie Magister Wigbold gesagt hatte? Die Brust von Hoffnungen erfüllt, schritt er durch die nächtlichen Straßen. Er ahnte nicht, dass die schwarze Gestalt ihm folgte und jeder Schritt belauert wurde.

Frau von Winsfeldt lebte draußen in der Vorstadt. Sie war nicht wenig erstaunt, ihren geliebten Klaus zu so später Stunde eintreten zu sehen.

»Verzeihe mir, liebe Mutter, wenn ich deine Nachtruhe störe, aber es gilt, Abschied zu nehmen.«

Klaus hatte diese Worte mit bewegtem Tonfall gesprochen.

Auf die Mutter hatten sie einen furchtbaren Eindruck gemacht. Sie stieß einen Schreckensruf aus.

»Klaus, mein Sohn, mein geliebtes Kind! Du willst mich verlassen? Und so plötzlich? Was ist geschehen, dass du diesen schrecklichen Entschluss gefasst hast?«

»Es muss sein, liebe Mutter«, sagte Klaus sanft und strich seiner Mutter liebkosend über das ergraute Haar. »Ich muss hinaus in die Welt und bin gekommen, um mich zu verabschieden.«

»Nein, nein, Klaus, das darf nicht sein, du bist noch zu jung, und die Welt ist schlecht, du kennst sie noch nicht!«

»Ich bin kein Kind mehr, Mutter«, erwiderte Klaus stolz und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. »Ich bin ein Mann!«

Frau von Winsfeldt wollte etwas erwidern. Aber als sie ihren Sohn so vor sich stehen sah, kraftstrotzend und mit einem Gesichtsausdruck, der zeigte, dass sein Entschluss nicht mehr zu ändern war, da musste sie zugeben, dass er ein Recht darauf hatte, auf seine Stärke zu pochen.

»Ja, Mutter, ich habe es erfahren, die Welt ist schlecht, viel schlechter, als ich es je für möglich gehalten hätte. Die letzten Tage haben genügt, die Schurkereien der Reichen und Angesehenen kennenzulernen. Aber ich werde ihnen zeigen, dass sie nicht ungestraft sündigen dürfen. Sie sollen mich kennenlernen, der hochwohlweise Rat und die ganze verdorbene Sippschaft, die dazu gehört!«

»Um Gottes willen, Klaus, wie sprichst du?

---ENDE DER LESEPROBE---