Vernichtung durch Arbeit - Hahmann Ernst-Ulrich - E-Book

Vernichtung durch Arbeit E-Book

Hahmann Ernst-Ulrich

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Beschreibung

Der Gedanke Vernichtung durch Arbeit, der sowohl den Theoretikern des Nationalsozialismus als auch der deutschen Führung geläufig war schloß das Kali-Werra-Revier in keinster Weise aus. Neben der unzureichenden materiellen Versor-gung und Kräfte verschleißenden Arbeitsleistungen über die Leistungsgrenze des Menschen hinaus wurde auch hier die Tötung von Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen in Kauf genommen. In den Konzentrationslagern und ihren Außenkommandos, zu denen auch Buchenwald gehörte, offenbarte sich auf grau-samste Art und Weise, der Terror im Herrschaftsbereich des faschistischen Deutschlands. Neben den ideologischen Zielvorgaben verfolgte die SS eben-falls eigene Geschäftsinteressen. Sie nahm zwar billigend in Kauf, dass Häftlinge infolge rücksichtsloser Arbeitseinsätze starben, auf der anderen Seite ging es der SS aber auch um ökonomische Interessen. Häftlinge wurden als Arbeitskraft für einen möglichst hohen Preis an die Rüstungs- und andere deutsche Betriebe verkauft. Thüringen bildete dabei keine Ausnahme. Die teilweise im Stil des Erzählers abgefasste Dokumentation soll auf emotionale Weise versuchen unglaubliche Tatsachen durch glaubhafte Beweise zu fundieren, nüchterne Zahlen und Fakten durch die Emotion des Erlebens aufzulockern und dem Leser nahe zu bringen.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Land zwischen Thüringer Wald und Rhön

Konzentrationslager Buchenwald, Post Weimar/Thür.

Ergänzende Dokumentation

Land zwischen Thüringer Wald und Rhön

Konzentrationslager Buchenwald, Post Weimar/Thür.

Abkürzungen

Quellenverzeichnis der Bilder

Benutzte Archivalien

Hauptstaatsarchiv Weimar

Thüringisches Staatsarchiv Meiningen

Sonderbestand: SED - Bezirksarchiv Suhl

Archiv der Gedenkstätte Buchenwald

Friedhofsarchiv Bad Salzungen

Stadtarchiv Bad Salzungen

Stadtarchiv Vacha

Archiv Kali-Werra

Benutzte und weiterführende Literatur

Man wird sich also damit abfinden müssen, dass wir von der Vergangenheit lernen müssen, was der Mensch „ist“, das heißt im Positiven wie im Negativen sein kann, und diese Belehrung bietet allen nur erwünschten Stoff zur Erhebung und Schauder, zur Hoffnung und Furcht, und auch Maßstäbe der Wertung, somit der Anforderung an sich selbst. Soweit es praktisch, das heißt fürs planende Handeln, etwas von der Geschichte zu „lernen“ gibt (eine schwankende Möglichkeit, da „Vergessen“ zum Schöpferischen gehört), so muss man mit diesem einzigen Wissen, das wir Menschen haben, an das Entwerfen der Zukunft gehen, soweit es so etwas überhaupt gibt.

(Zitat von Hans Jonas, Stiftung Gedenkstätte Buchenwald und Mittelbau Dora zum Jahreswechsel 2007/2008)

Vorwort

Dieses Büchlein und die noch folgenden beschäftigen sich mit dem Thema „Vernichtung durch Arbeit“. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und es wäre vermessen zu behaupten dem damaligen Geschehen in all seinen Facetten gerecht werden zu können. Es entspräche auch gar nicht dem Sinn dieser Dokumentation. Zu dem kann man in Hunderten von Büchern der Geschichte des 3. Reiches nachgehen.

Die Fortsetzungsreihe „Vernichtung durch Arbeit“ verfolgt jedoch die Absicht, am konkreten Beispiel der Kali-Werra-Region und den Außenkommandos des Konzentrationslagers „Mittelbau-Dora“ in dem Südharz Städtchen Ellrich die Rolle der ausländischen Arbeitskräfte (Fremdarbeiter), Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge bei der Durchsetzung der kriegswirtschaftlichen Ziele des NS-Regimes aufzuzeigen.

Die teilweise im Stil des Erzählers abgefasste Dokumentation soll auf emotionale Weise versuchen unglaubliche Tatsachen durch glaubhafte Beweise zu fundieren, nüchterne Zahlen und Fakten durch die Emotionen des Erlebens aufzulockern und dem Leser nahebringen. Viele Darstellungen basieren auf Erlebnisberichten derer, die dabei waren, sowie auf Gespräche mit Zeitzeugen.

Der Gedanke der „Vernichtung durch Arbeit“ war sowohl den Theoretiker des Nationalsozialismus als auch der deutschen Führung geläufig. So wurde bereits 1942 von Joseph Goebbels und den Reichsjustizminister Otto Georg Thierack die Formulierung „Vernichtung durch Arbeit“ bei der Überstellung von Justizhäftlingen in die Konzentrationslager verwendet.

„Vernichtung durch Arbeit“, das heißt, dass durch unzureichende materielle Versorgung und kräfteverschleißende Arbeitsbelastung über die Leistungsgrenzen des Menschen hinaus, diese umgebracht wurden.

Eine wichtige Rolle spielte hierbei die seelische Erniedrigung durch körperliche Gewalt und Schikane, das Vorenthalten ausreichender Ernährung, Kleidung, Unterbringung und Krankenversorgung sowie die kräftezehrende körperliche Arbeit der Fremdarbeiter, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlinge.

Am Anfang wurde diese Politik noch mit einem Mantel der Rechtmäßigkeit umgeben. Der Einsatz von Arbeitskräften geschah auf dem Wege der Anforderungen gemäß der Haager Landkriegsordnung von 1907. Er geschah weiterhin auf dem Wege der freiwilligen Einstellung von Arbeitern durch die Arbeitsbüros, die Arbeitsverträge anboten. Es folgte aber dann der Zwang von Kriegsgefangenen zur Arbeit, der nach den internationalen Abkommen (Genfer Kriegsgefangenenabkommen von 1929) verboten ist.

Artikel 6 der Genfer Konvention:Der Staat ist befugt, die Kriegsgefangenen nach ihrem Dienstgrad und nach ihren Fähigkeiten als Arbeiter zu verwenden. Dies gilt nicht für Offiziere. Die Arbeiten dürfen nicht übermäßig sein und in keiner Beziehung zu den Kriegsunternehmungen stehen.

Schließlich war es die nackte Gewalt, die die ausländischen Arbeiter und die alliierten Kriegsgefangenen dazu Zwang in der deutschen Rüstungsindustrie zu arbeiten.

Der Zustrom ausländischer Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener schuf nicht nur den Ersatz für die deutschen Arbeiter, die an der Front so dringend gebraucht wurden, sondern bot ein Reservoir an billigen „Menschenmaterial“ für die Rüstungsindustrie, das immer wieder neu aufgefüllt werden konnte. Und dazu waren den Nazis alle Mittel recht, bis zur nackten Gewalt.

Der Einsatz der KZ-Häftlinge in der Rüstungsindustrie war die letzte Reserve der Nationalsozialisten. Die SS ging davon aus, dass die Häftlinge nur unter Druck zur Arbeit zu bewegen waren. Zu langsames Arbeiten, unerlaubte Pausen oder gar Weigerungen wurden durch harte Bestrafungen geahndet.

Überzogene Leistungsanforderungen gehörten auch hier zu den Methoden, mit denen man unzählige Bestrafungen legalisierte. Durch den Einsatz in gefährlichen Situationen und durch Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen wurden viele von ihnen in einen sinnlosen Tod getrieben.

Je länger der Masseneinsatz der KZ-Häftlinge als Zwangsarbeiter dauerte, umso größer wurden die Verluste durch den „Verschleiß“, der als bloßes Menschenmaterial behandelten.

Neben dem ideologischen Motiv der Vernichtung des politischen Gegners traten immer mehr, beeinflusst durch den ständig wachsenden Bedarf an Kriegsmaterial und Arbeitskräften, die unternehmerischen Interessen der SS zutage.

Nicht nur der Terrorapparat der SS plante und setzte nationalsozialistische Verbrechen in die Tat um.

Wichtige Entscheidungen dazu fielen auch in den Ministerien, in Behörden, in Wehrmachtsdienststellen und im Bereich der Wirtschaft, also außerhalb des Zuständigkeitsbereiches der SS.

Die Entscheidungen hatten jedoch alle eins gemeinsam, die aktive und oft führende Teilnahme an der Unterdrückung, Verfolgung, Ausbeutung und Vernichtung von Menschen innerhalb der deutschen Staatsgrenzen.

Da Terror, Krieg, Gewalt und Not auch heute noch zu den Geiseln der Menschheit gehören, ist es Notwendiger wie eh zu vor aus der Vergangenheit für die Zukunft die entsprechenden Lehren zu ziehen.

Treffend hierfür sind die Worte des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog:

„Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen ist das Motto des Volksbundes der Deutschen Kriegsgräberfürsorge für das 75. Jahr seines Bestehens. Diesen Gedanken mit Leben zu erfüllen, ist ein Auftrag an alle. Aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und deswegen Krieg und Gewalt zu ächten, müsste für die Menschheit unausweichlich und selbstverständlich sein. Doch es ist nicht so. Krieg und Bürgerkrieg, Gewalt und Elend beherrschen die Erde immer noch …“

(Quelle: Dienst am Menschen - Dienst am Frieden. 75 Jahre Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., Kassel 1997).

Der freundlichen Unterstützung Dr. Harry Steins (Gedenkstätte Buchenwald), Dr. Regine Heubaum (KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora), Dr. Norbert Moczarski (Thüringisches Staatsarchiv Meiningen) und Dipl. Ing. Hartmut Ruck (ehemaliger Betriebsführer Kali - Merkers) ist es zu verdanken, dass diese Fortsetzungsreihe in Angriff genommen werden konnte.

Ein besonderer Dank gilt Else Fieler (Frauensee), Karola Tessenov (Dorndorf), Artur Kallenbach (Leimbach), Joachim Jahnke (Springen) und Rudi Schmidt (Frauensee), die mit ihren Aussagen und Berichten einen wertvollen Beitrag für das Gelingen der Fortsetzungsreihe leisteten.

Dank auch den Archiven und Bibliotheken, die mich bei der Materialbeschaffung aus den verschiedensten Quellen tatkräftig unterstützt haben.

Land zwischen Thüringer Wald und Rhön

Dort wo der Thüringer Wald, die Talaue der Werra und die grünen Hügel der Rhön, die Landschaft prägen, liegt tief in der Erde verborgen, das weiße Gold versteckt. Mächtige Salzlager erstrecken sich hier unterirdisch Kilometer weit.

Reisten wir, mit der Zeitmaschine eines Orsen Wells zurück in die Zechsteinzeit so würden wir ein nördliches Mitteleuropa, überflutet vom Weltmeer vorfinden und das germanische Becken unter dem Meeresspiegel versinken sehen. Anschließend führt der Einfluss des warmen Klimas und die folgende Abtrennung des nördlichen Mitteleuropas vom Weltmeer zur allmählichen Verdunstung der riesigen Wassermassen. Die Wasserflächen beginnen langsam zu sinken und in dem Zechsteinmeer lagern sich die verschiedenen Salze nach dem Grad ihrer Löslichkeit ab.

Das Wasser verschwindet.

Über den Salzlagern verbreiten die Sandstürme eines wüstenhaften Klimas ausgedehnte Staubflächen, die sich später zu Salzton verfestigen. Sie bewahren die Salzlager davor, beim Übergang zu einer feuchteren Klimawandlung sich wieder aufzulösen. Tektonische Kräfte falten oder richten die Schichten mehr oder weniger stark auf, dadurch bleibt die ursprüngliche Lagerung des Salzes fast nirgends wo, mehr erhalten.

Am südlichen Rand des Zechsteinmeeres, dort wo die Talaue der Werra liegt, entsteht das „Werra-Steinsalz“, in dem die Kaliflöze „Hessen“ und „Thüringen“ eingelagert werden.

Nach Tacitus wurde bereits im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung mit der Salzgewinnung begonnen. Die Bereitung des Salzes erfolgte durch das Aufgießen der aus Quellen ans Tageslicht sprudelnden Sole über brennende Holzstöße.

Während die Gewinnung von Kochsalz aus der Lösung von Steinsalz in Wasser bereits im Jahre 775 geschah, begann man mit dem Kalibergbau erst um die Wende zum 20. Jahrhundert.

Der Berliner Bankier Leopold Hadra führte 1876 und 1881 bei Leimbach/Kaiserode Bohrungen zur Suche nach Steinsalz durch.

Bei diesen Versuchen blieb es vorerst.

Nach dem das Grubenfeld „Saline Kaiseroda“ 1879 mit Kaufvertrag an die Familie Hadra überging, begann die Zeit der erfolgreichen Bohrungen nach dem Kalisalz in den Gebieten von Leimbach an der Werra abwärts. Dies hatte seine Auswirkungen auf die Entstehung ganz neuer Stadtteile und einer Verbesserung der Erwerbs- und Verkehrsverhältnisse.

Hadras Witwe, Franziska Hadra ließ 1893 neue Bohrungen durchführen. Diesmal mit dem Ziel ein hier vorhandenes Kalilager zu finden. In einer Teufe bei 318 Meter und an anderer Stelle bei 378 Meter wurde tatsächlich Kali gefunden.

1894 erfolgte die Gründung der Gewerkschaft „Bernhardshall“, die sofort mit der Niederbringung von Tiefenbohrungen auf das Kalisalz nördlich von Wildprechtroda und Hohleborn begannen. Es kam zur Entstehung der Schächte „Glückauf“ bei Hämbach und „Heldburg“ bei Hermannsroda.

Bei einer der sieben Bohrungen, die bis 1902 im Raum Bad Salzungen niedergebracht wurden, stieß man am 22. März 1895 in einer Tiefe von 348 Meter auf ein reichhaltiges Kohlensäurevorkommen. Bei einem Bohrversuch am Lindenberg bei Leimbach erlebte man unerwartet einen gewaltigen Kohlensäureausbruch. Mit einem Druck von über 30 Atmosphären wurde der Bohrturm in die Luft geschleudert. Es gelang die Kohlensäurequelle zu fassen. Die Gewerkschaft „Bernhardshall“ errichtete daraufhin, im Jahre 1896, in der Nähe des Leimbacher Bahnhofes, ca. 3 km von der Kohlensäurequelle entfernt, eine Kohlensäureverflüssigungs- und Füllanlage.

Das Kohlensäure Werk „Bernhardshall“.

Die fast reine Kohlensäure (99%) wurde hier komprimiert und zum Versand gebracht.

Bild 1: Kohlensäureverflüssigungs- und Füllanlage der Gewerkschaft „Kaiseroda“, errichtet 1896.

Bereits 1895 hatte die Gewerkschaft „Bernhardshall“ mit der Teufung des ersten Schachtes begonnen, sie erreichte im März 1900 das obere Kalilager bei einer Tiefe von 318 Meter. Die Abteufung des Schachtes ging zügig voran. Schon einen Monat später traf man bei 378 Meter auf das untere Kalilager.

Im darauffolgenden Jahr begann hier die Produktion.

Die ersten Bohrungen auf dem Gebiet von Unterbreizbach führte die Gewerkschaft „Sachsen-Weimar“ am 3. März 1897 durch. In einer Tiefe von etwa 805 Meter fand man hier am 2. April 1898 das Kali. Mit der Teufung des Schachtes wurde am 21. Juni 1899 begonnen, aber die Förderung des 18-prozentigen Kalisalzes erfolgte erst 1910. Der Aufschwung, der damit verbunden war, brachte für die Unterbreizbacher 1906 den Anschluss an die Eisenbahnstrecke Vacha - Geisa.

Der Bau eines Bahnhofes war die Folge.

Nach der Errichtung einer Saline 1910, auf der Anlage Heldburg, wurde diese auf die Förderung von Steinsalz umgestellt.

Bild 2: Förderturm des Kaliwerkes Merkers um 1910.

1911 begann in Merkers die Abteufung zweier Schächte. Wie in Kaiseroda musste auch in Merkers ein hartnäckiger Kampf gegen das Wasser geführt werden. In 325 Meter Tiefe stieß man auf das „Obere Werrasalz“, das Steinsalzlager. Bei 420 Meter erreichte man das Hartsalzlager des Flözes Hessen und bei 480 Meter das Carnallitlager des Flözes Thüringen.

Die Abteufung der Schächte in Springen folgte in den Jahren 1908 bis 1913. Das hier gewonnene Steinsalz wurde in einer Seilbahn nicht nur quer über das Werratal hinweg in die Fabrikanlage Dorndorf zur Aufbereitung, sondern bis 1930 auch nach Heringen transportiert.

Bild 3: Kaiseroda um 1910.