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In dieser Kurzgeschichtensammlung gibt es 24 mal tierisches Chaos und Herzensmomente. Eine Echse in Winterstarre, eine Kuhherde, die Vorlesungen bekommt und ein hündisches Foto-Shooting. Tiere sind immer für ein kleines Abenteuer gut und hier gibt es das volle Paket.
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Seitenzahl: 213
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Wilma Müller, geboren 2003, hat gerade ihr duales Studium im Bereich Physiotherapie begonnen. Mit 13 Jahren fing sie an ihre Ideen zu Papier zu bringen und das Schreiben ist aus ihrem Leben nicht mehr wegzudenken. „24 tierische Herzensmomente“ ist ihre vierte Kurzgeschichtensammlung. Außerdem stammen diverse Fantasyromane und die Kinderbuch-Reihe „Bougoslavien“ – eine Katzenwelt aus ihrer Feder.
Für alle, die selbst tierisch komische Geschichten zu erzählen haben. ♥
Kapitel 1: Ihr Rinderlein kommet
Kapitel 2: Fahndung nach Mimi
Kapitel 3: Alles Gute kommt von oben
Kapitel 4: Ein Weihnachtsdate mit Folgen
Kapitel 5: Der Weihnachtshase
Kapitel 6: Engel und kichernde Fische
Kapitel 7: Pinguine und Eis
Kapitel 8: Ente statt Engel
Kapitel 9: Ein glorreicher Ausritt
Kapitel 10: Liebe statt Lernen
Kapitel 11: Weihnachtsgebäck und Flauschefell
Kapitel 12: Ein Einhorn zu Weihnachten
Kapitel 13: Mit Herz und Hund
Kapitel 14: Zwei Esel in der Krippe
Kapitel 15: Eine Katze auf Umwegen
Kapitel 16: Ein rattenscharfes Geschenk
Kapitel 17: Eine honigsüße Bekanntschaft
Kapitel 18: Mehr als ein Bild
Kapitel 19: Verrückte Hühner
Kapitel 20: Romeo das Alpaka
Kapitel 21: Kommet ihr Hirten
Kapitel 22: Ein Stück Weihnachten
Kapitel 23: Farben in der dunklen Jahreszeit
Kapitel 24: Ein tierischer Tannenbaum
Tierisch schöne Weihnachten
Weitere Informationen
Mehr von Wilma Müller
„Die Schneeflocken verfingen sich in ihren goldenen Haaren und ließen sie wie eine zierliche Prinzessin wirken. Sie war seine Prinzessin. Sanft legte er seine warme Hand auf ihre kalte, rosige Wange und ein verträumter Seufzer entschlüpfte ihren vollen Lippen“, hörte er aus dem Nichts eine warme Frauenstimme.
Suchend blickte er sich um, doch er konnte niemanden sehen.
Völlig selbstverständlich redete sie weiter: „Erstens: Ich hasse es, wenn Schneeflocken in den Haaren schmelzen und alles so klamm-feucht wird. Zweitens: Warum müssen Frauen immer zierliche, zerbrechliche und hilflose Prinzessinnen sein? Und drittens: Dieses Seufzen! Boah! Nervt nur! Was sagt ihr? Sollen wir dieser Geschichte noch eine Chance geben?... Ja, sehe ich genauso.“
Wo war sie? Auf dem Wanderweg, mit dem er gerade gestartet war, war sie definitiv nicht unterwegs, die mit Schnee bedeckten Felder lagen unberührt da und ansonsten gab es hier nur noch… den Kuhstall? Aufmerksam näherte er sich dem schlichten Gebäude.
„Und weiter geht’s“, ernst räusperte sie sich: „Schneekristalle zauberten ein Kunstwerk an die Fensterscheibe, das im Licht der romantischen Kerzen glitzerte. Der Raum war erfüllt von Wärme und dem köstlichen Geruch von Rinderrouladen, zumindest war es für ihn köstlich, für mich eher weniger. Fleisch und Vegetarier… Super Kombi. Generell war es hier sehr romantisch und anheimelnd: Kuhfell unterm Tisch, Geweih als Schlüsselbrett, Schädel an der Wand… Unter Arbeit mit Tieren hatte ich mir irgendwie etwas anderes vorgestellt. Und dieses Kompliment, das er mir gemacht hatte, ich hätte Augen wie ein Reh… Hieß das, er würde gleich sein Gewehr holen und auf mich schießen?“ Nach einer kurzen Pause schaltete sie wieder vom Vorleser zum Kommentator: „Das ist für euch ja ein richtiger Horror-Roman. Aber mir gefällt der Stil, er hat etwas Freches. Bestimmt gibt es da noch ein paar lustige, peinliche Momente und ein zuckersüßes Happy-End, das nach Lebkuchen duftet. So steht es auf dem Klappentext. Gell, das wollen wir? Ja, genau!“
Baff schaute er auf die Frau hinab. Sie saß wirklich direkt vor den Kühen im Stroh und kraulte gerade liebevoll eine von ihnen, die mit dem Kopf auf ihrem Schoss lag und einen Rentierhaarreif trug. Sowas sah man auch nicht alle Tage.
„Ja, du bist eine ganz Liebe“, redete sie putzig mit dieser Kuh, als wäre sie ein süßes, kleines Hündchen. Genussvoll hatte der gemütliche Wiederkäuer die Augen geschlossen und schnuffelte mit seiner Riesennase. Schon irgendwie knuffig. Aber auch komisch. Und dass er sie beobachtete war auch komisch.
Mit einem leicht verlegenen Räuspern machte er auf sich aufmerksam. Überrascht schnellte ihr Kopf nach oben. „Hallo“, sagte er ganz schlicht mit einem kleinen Lächeln. „Hallo“, grüßte sie ihn nett zurück.
„Wie ich sehe, machst du eine Vorlesung für Kühe“, stellte er locker fest, einfach um ein Gespräch anzufangen. „Ja, sie haben doch auch ein bisschen Weihnachtsstimmung verdient“, mit diesen Worten tätschelte Thekla den dicken Kuhkopf.
„Du hast eine schöne Vorlesestimme“, sagte er ehrlich. „Danke“, süß lächelte sie: „Und was machst du hier?“
„Ein glücklicher Zufall hat mich hergeführt, eigentlich wollte ich nur den Infowanderweg über alte Landwirtschaft gehen“, antwortete er fröhlich. „Oh! Den liebe ich! Mein Nachbar hat die Schilder dafür gemacht“, plauderte sie unbeschwert.
„Ah“, gab er einfach nur von sich, um eine Reaktion zu zeigen. „Wir könnten ihn gemeinsam gehen“, bot Thekla spontan an. „Aber du liest doch den Kühen vor“, erwiderte er rücksichtsvoll, auch wenn das eigentlich ein wenig übertreiben war, immerhin hatte sie es vorgeschlagen. Warum machte er sich eigentlich so viele Gedanken?
„Ähm, genau. Jeden Tag gibt es ein Kapitel. Ich würde dir ja anbieten dich dazu zu setzen, aber das sind Liebesschnulzen“, meinte sie und wedelte dabei mit dem rosa-bläulichen Buch rum. „Ich hab nichts dagegen, wenn es gut geschrieben ist, aber da achtest du ja auch drauf. Ein bisschen Wärme und Liebe sind doch auch mal schön“, erwiderte er offen.
Für einen Moment war sie doch ein wenig überrascht. Welcher Mann gab sowas schon einfach so zu? Nein, das war ein Vorurteil. Den Gedanken sollte sie gleich streichen.
Mit einer ausladenden Handbewegung meinte sie: „Hier ist genug Platz, mach es dir bequem.“
Nachdem er für einen etwas dummen Augenblick überlegt hatte, sich direkt neben sie zu setzen, wählte er den schon recht formlosen Strohballen ihr gegenüber.
Misstrauisch musterten ihn die Kühe und streckten ihre Köpfe zwischen den Stäben durch. Diese stämmigen Tiere waren doch ein wenig respekteinflößend.
„Kühe, das ist…“, fing sie spaßhaft mit einer Vorstellung an und er sagte schnell: „Thomas.“ „Thomas“, wiederholte sie ausgelassen: „Thomas, die Kühe.“
„Hallo, freut mich euch kennenzulernen“, begrüßte er sie extra höflich: „Und wie heißt du?“ „Thekla“, verriet sie ihm und die Rentier-Kuh in ihrem Schoß gab eine Art zustimmendes Grunzen von sich.
„Also dann“, wieder räusperte sie sich bevor sie das Buch wieder aufschlug und weiterlas: „Gezwungen lächelte ich und aß trockene Kartoffeln. Heute würde ich wohl nicht satt werden. Dabei hatte es doch so verheißungsvoll angefangen. Die Nachrichten, die wir uns geschrieben hatten, die Weihnachtsmusik…
Vielleicht gab es ja wenigstens einen Nachtisch. Ich hätte so Lust auf Schokolade! Das würde diese Enttäuschung fast schon ausgleichen. Trude Herr hatte unrecht, ich wollte lieber Schokolade, als einen Mann. Schokolade enttäuschte einen nicht.
„Nicht weglaufen“, verführerisch zwinkerte er mir zu. Auweia. Was würde jetzt kommen? Für einen Moment spielte ich wirklich mit dem Gedanken einfach wegzulaufen. Jetzt wäre doch genau der richtige Zeitpunkt. Aber nein. Ich blieb brav sitzen und dafür wurde ich belohnt.
Der gutaussehende Jägersmann brachte wirklich Schokolade und zwar in Pralinenform. Immer her damit! Wie ein Raubtier stürzte ich mich darauf.
Nein, ich nahm alles zurück. Selbst Schokolade konnte eine Enttäuschung sein. Das Zeug hatte eine absolut widerliche Orangenfüllung! Ich könnte kotzen!“
Auf einmal schaltete Thekla wieder in den Kommentator-Modus: „Orangenschokolade! Das ist ja schon regelrecht gemeingefährlich! Ich wäre schreiend weggelaufen!“ „Also ich finde die gar nicht mal so schlimm. Außer wenn die so richtig künstlich schmecken“, beurteilte Thomas weniger geschockt.
„Was bist du denn für ein Unmensch?!“, lachte sie gespielt entsetzt. „Ich bin halt auch ein echter, maskuliner Jägersmann“, scherzte er und schmiss sich dabei in eine tolle Muskelpose.
„Gehst du jagen?“, fragte sie schlagartig wieder als ganz normales Gespräch. Sie war wirklich unberechenbar. Eine aufregende Frau. Fast hätte er sie einfach nur verträumt angegrinst, doch zum Glück fiel ihm noch ein, dass eine Antwort angebracht wäre.
Nachdem er sich nochmal die Frage ins Gedächtnis gerufen hatte, sagte er: „Definitiv nicht. Ich bin Vegetarier.“ „Aus Überzeugung oder Geschmack?“, erkundigte sie sich locker und kraulte weiter den Dickschädel der Kuh. „Eine Mischung aus beidem. Und du?“, antwortete er und tätschelte den Hals des ruhigen Pflanzenfressers.
„Ich bin keine Vegetarierin“, enthüllte sie ihm überraschend: „Aber ich bin durchaus für Tierwohl. Wie auch bei diesen Schätzchen.“
Was?!
Auf seinen überrumpelten Blick hin erklärte sie: „Das eine seltene Rasse Hausrinder. Davon handelt der Infoweg auch teilweise. Lebendige Tradition. Bis auf das Vorlesen, das ist von mir. Und jetzt guck mich nicht so an. Ich bin kein Monster.“
„Nein, nein, nein! Das meinte ich nicht! Ich sehe dich doch nicht als Monster! Du hast mich nur überrascht. Du bist etwas Besonderes“, erwiderte er schnell. „Besonders gut oder besonders schlecht?“, eigentlich könnte diese Frage ja romantisch sein, aber ihr misstrauischer Blick machte das ziemlich kaputt. Herzklopfen hatte er trotzdem.
Zufällig berührten sich ihre Hände auf der Kuh. Kein gutes Timing. Sein Herz geriet völlig aus dem Takt. Nervös zog er seine Hand weg.
„Besonders gut“, eine Spur unsicher lächelte er sie an. „Du hast ein schönes Lächeln“, machte sie ihm mit ihrer weichen, tiefen Stimme als Kompliment. Er könnte ihr ewig zuhören. „Danke“, er war ganz verzaubert. Warm lächelnd legte sie ihm die Hand auf die Schulter: „Ich finde dich auch besonders gut.“
„MUUUH!“, gab die Kuh auf einmal von sich und schlug mit dem Kopf zur Seite. Überrumpelt kippte Thekla nach hinten und als sie sich wieder aufrichtete hing Stroh in ihren dunklen Haaren. Der verdutzte Ausdruck in ihrem Gesicht war einfach liebenswürdig.
Mit einem verschmitzten Grinsen sagte er: „Das lässt deine Haare so golden aussehen, wie von einer zierlichen Prinzessin.“ Ausgelassen lachte sie auf und warf eine Handvoll Stroh nach ihm, als wäre es Schnee: „Du bist so ein Schleimer!“
„Aber mit einem schönen Lächeln“, erinnerte er sie grinsend. „Aber mit einem schönen Lächeln“, wiederholte sie bestätigend. Etwas ruckelnd richtete sich die Kuh auf und tappte in eine Ecke. Ankündigend hob sich ihr Schwanz.
„Sollen wir gehen?“, fragte die Vorleserin und sammelte schon den Lesestoff inklusive Thermoskanne zusammen. Nur einen Moment später platschte ein fetter Kuhfladen in die Ecke.
„Äh ja, gehen wir“, schloss er sich ihr zügig an. Lachend flüchteten sie aus dem Stall. „Soll ich dir was abnehmen?“, bot er ihr aufmerksam mit einem Blick auf ihre vollbeladenen Arme an. „Gerne“, glücklich reichte sie ihm die Thermoskanne und wieder berührten sich prickelnd ihre Finger.
Sie hätte nicht gedacht, dass sie so einen warmherzigen und witzigen Mann ausgerechnet im Kuhstall treffen würde.
„Was ist das für ein Tee?“, erkundigte er sich locker. „Winterkirsche“, gab sie ihm strahlend Auskunft: „Willst du auch etwas davon?“ „Ein warmer Tee klingt zauberhaft“, bei seinem Lächeln brauchte es gar keinen Tee, um sie aufzuwärmen. „Komm, ich kenn eine Abkürzung zum ersten Aussichtspunkt vom Infoweg“, ausgelassen übernahm Thekla die Führung, schlüpfte unterm Zaun durch und stapfte querfeldein über die schneebedeckte Weide. Hastig folgte er ihr. Auf der anderen Seite mussten sie dann nochmal den Zaun überwinden und durch einen kleinen, waldigen Abschnitt.
Und dann kamen sie auf einmal auf einem Weg mit unglaublicher Aussicht raus. Weit ging der Blick auf Felder und Weideflächen.
„Panorama-Landwirtschaft“, verkündete Thekla und breitete demonstrativ die Arme aus. „Das ist zurecht ein Aussichtspunkt“, anerkennend nickte Thomas.
Zufrieden ließ sich Thekla auf eine kalte Bank plumpsen und klopfte auffordernd neben sich. Grinsend kam er ihrer Einladung nach. Glücklich grinste sie zurück.
„MUUAAAOOOH!“, kam von hinten ein regelrecht monströses Muhen. Prustend lachten sie los. Das hatte mehr nach einem Werwolf geklungen! Verrückt!
Immer noch atemlos von dem heftigen Lachanfall schaute sie ihn an. Es war unfassbar schön jemanden gefunden zu haben, mit dem man lachen konnte. Jap, besonders gut.
„Was?“, fragte er mit seinem warmherzigen Lächeln. „Willst du mein Vorlesepartner werden?“, fragte sie ganz romantisch.
„Ich könnte Plätzchen mitbringen“, ging er sofort in die Planung über: „Das wird dann mein Adventskalender. Jeden Tag ein Treffen mit dir, auf das ich mich freuen kann.“
„Schleimer“, grinsend schüttelte sie den Kopf und drückte ihm dann einen kleinen Kuss auf die Wange. Das versprach der beste Adventskalender aller Zeiten zu werden!
Claudia würde nicht aufhören zu suchen, bis sie wieder in Sicherheit war. Es gab so viele Gefahren! Für die Flüchtige und andere.
Sie musste eine Katastrophe verhindern! Sie musste die Ordnung der Dinge wieder herstellen! Selbst wenn sie dafür eine Schneise des Chaos hinterlassen musste!
Mit jeder Stunde stieg die Ungewissheit. Würde Mimi für immer verschwunden bleiben? War sie vielleicht sogar tot?
Nein! Daran wollte Claudia gar nicht denken! Weihnachten war die Zeit der Wunder! Mimi würde zurückkehren und wenn Claudia dem Wunder auf die Sprünge helfen musste, dann sei es so!
Mit Fingerspitzengefühl brachte die Sucherin die Falle an. Zufrieden rieb sie sich die Hände. Das sollte funktionieren…
Auf einmal ging die Wohnungstür auf. Bevor sie eine Chance hatte, eine Warnung auszusprechen, hörte sie schon einen schmerzhaft-erschrockenen Aufschrei.
Vielleicht funktionierten ihre Maßnahmen ein wenig zu gut…
„Nicht so laut! Sonst verjagst du Mimi wieder!“, ermahnte die Fallenstellerin die Person, die sie mit ihren Fallen gar nicht erwischen wollte. „Claudia?“, kam es irritiert aus dem Flur. „Ich hab alles unter Kontrolle! Das wird funktionieren!“, versicherte sie optimistisch.
Ja, Magdalena konnte sehen, wie sie alles im Griff hatte. Ihre Wohnung sah aus wie das reinste Minenfeld!
Gerade eben war sie voll auf ein hartes Futterstäbchen getreten und von der Sorte gab es hier noch reichlich. Claudia hatte die Körner und Leckerlis zu Spuren zusammengelegt, die ins Wohnzimmer führten.
Ergänzend dazu war jeder Türrahmen mit Lebendfallen barrikadiert, falls die Essensfährte doch nicht zog.
Auf Zehensitzen bahnte sich Magdalena den Weg ins Wohnzimmer, als würde sie einer dieser Spuren folgen.
Das Wohnzimmer sah noch viel schlimmer aus! Man konnte auf den ersten Blick gar nicht genau erkennen, was es darstellen sollte.
Die Vorlage für eine verrückte Kettenreaktion? Ein Abenteuer-Parcour für Mimi? Die Auswirkungen eines Wirbelsturms?
Besagter Wirbelsturm grinste sie gerade in all dem
Chaos an.
„Wie ich sehe, warst du fleißig…“, meinte Magdalena etwas überfordert von der Szene, die sich ihr hier bot.
„Ja, ich dachte, das hilft vielleicht Mimi zurückzubringen“, demonstrativ deutete Claudia auf den leeren Hamsterkäfig im Zentrum ihrer Konstruktionen. „Ähm… ja…“, gab Magdalena nur unsicher von sich. Kein normales Tier würde diesen Weg gehen! Zumindest konnte sie es sich beim besten Willen nicht vorstellen. Außerdem war ihr Hamster jetzt schon über einen Tag lang weg und sie hatten zusammen schon überall nach dem kleinen Nager gesucht.
Aber die Sucherin wirkte so hoffnungsvoll… Magdalena brachte es einfach nicht übers Herz ihre Mühen mit Logik zu zerstören. „Vielleicht solltest du mal eine Pause machen“, meinte Magdalena vorsichtig und legte ihr behutsam die Hand auf den Arm.
„Du hast recht. Mit diesem Aufbau wird Mimi von selbst kommen“, überzeugt nickte die Träumerin. Obwohl sie eigentlich nichts sagen wollte, setzte die Rationale fürsorglich an: „Vielleicht ist sie auch weg. Hamster werden nicht so alt…“
„Nein! Sie lebt noch! Ich hab Erdnussschalen gefunden! Das war sie!“, beharrte Claudia auf ihrem Wunschdenken: „Mimi kommt wieder!“
Es brachte nichts, mit ihr zu reden. Claudia war einfach eine unverbesserliche, oft überdrehte Optimistin. Manchmal konnte das zwar tierisch nerven, aber eigentlich liebte sie selbst das an ihr.
„Was ist? Findest du das lustig?“, fragte die übermotivierte Sucherin und kniff knuffig die Augen zusammen: „Es ist mir ernst!“
Magdalena hatte gar nicht gemerkt, dass sie angefangen hatte zu grinsen. Aber wie sollte man das mit so einem tollen Menschen in seinem Leben auch nicht tun?
„Man sieht, dass es dir ernst ist“, vielsagend schaute Magdalena sich um. „Ey!“, beschwerte sich Claudia und verschränkte die Arme vor der Brust.
Wie konnte man nur so süß schmollen? Allerdings behielt die Realistin diesen Gedanken lieber für sich. Claudia wollte das gerade sicher nicht hören. Stattdessen fragte sie versöhnlich: „Wollen wir einen Film gucken? Wir könnten ein paar Erdnüsse knacken und einfach entspannen. Du darfst auch aussuchen.“
„Na gut, aber nur wenn du sagst, dass wir Mimi wiederfinden“, stellte Claudia knallhart kindische Bedingungen.
Fast musste Magdalena wieder schmunzeln, doch sie verkniff es sich und kam ihrer Aufforderung artig nach: „Wir werden Mimi wiederfinden.“
„Das meinst du nicht ernst!“, warf der süße Kindskopf ihr vor.
„Was soll ich denn noch machen? Einen Hamstertanz aufführen?“, erwiderte Magdalena und war sich nicht sicher, ob sie jetzt genervt oder ausgelassen sein sollte. Claudia konnte einen echt in den Wahnsinn treiben, auf eine gute Art.
Schlagartig gab Claudia ihre schmollende Einstellung auf und sagte mit ihrem sonnigen Grinsen: „das würde ich gerne sehen.“
„Aber erst nach einer kleinen Stärkung und einem Film“, stellte dieses Mal Magdalena die Bedingungen.
„War die Arbeit heute so mies?“, wechselte Claudia in einem fließenden Übergang zu mitfühlend. „Ein bisschen stressig. Halt das Übliche. Und als Begrüßung bekomme ich hier gleich Stolperfallen“, Magdalena milderte ihren Vorwurf mit einem neckenden Grinsen ab.
„Es tut mir leid. Ich hätte dich richtig begrüßen sollen, aber das kann ich ja noch nachholen“, mit diesen Worten kam Claudia noch das letzte Stückchen zu ihr rüber und legte die Arme um die Hüfte. „Und wie war dein Tag so?“, erkundigte sich Magdalena und strich durch Claudias dunkle Locken: „Vom Offensichtlichen mal abgesehen.“
„Eigentlich gibt es da nichts Besonderes. Ich bin heute gut durchgekommen. Deswegen war ich schon so früh hier und da dachte ich, ich nutze die Zeit mal“, erzählte Claudia zufrieden: „Aber nachdem ich die Zeit jetzt so intensiv für Mimi genutzt habe, würde ich sie gerne für etwas anderes Intensives nutzen.“
„Das klingt gut“, hauchte Magdalena und machte noch ein Schrittchen nach vorne. Und wieder trat sie voll auf eine von Claudias tollen Konstruktionen, dieses Mal drückte sich ein klingelndes Spielbällchen, das ihr Hamster sowieso nie genutzt hatte, schmerzhaft in ihre Fußsohle.
Zischend sprang sie auf und der Moment war voll hinüber.
„Können wir uns vielleicht einfach aus der Gefahrenzone aufs Sofa setzen und ein bisschen fernsehen? Ich brauche erst eine Pause“, kam sie wieder zu ihrem ursprünglichen Vorschlag zurück und erlaubte ihrer quirligen Freundin: „Du darfst auch aussuchen.“
Das hatte den großen Vorteil, dass sie nicht selbst zum DVD-Player gehen und auf dem Weg Spion spielen musste. Claudia hatte damit weniger Probleme.
Gut gelaunt stand sie auf und tänzelte durch das Meer aus Hindernissen. Mission abgeschlossen! „Nicht gucken!“, ermahnte Claudia sie grinsend. Den Überraschungsfilm nahm sie immer sehr ernst.
Mit einem kleinen Lächeln wandte Magdalena wieder den Blick von ihr ab und suchte stattdessen nach der Fernbedienung. Wie konnte das Ding nur immer verschwinden?
Nachdem sie das gesamte Chaos des Tisches durchkämmt hatte, arbeitete sie sich durch die Kissen durch. Immer noch nichts. Auch unterm Sofa keine Spur. Zum Abschluss checkte sie jetzt auch die Sofaritzen. Ansonsten hatte sie keine Idee, wo die Fernbedienung sein könnte.
Auf einmal berührten ihre Finger etwas Warmes, Weiches. Überrascht wurden ihre Augen ganz groß. War das etwa…
Langsam hob sie ihre Hand hoch und wer saß da auf ihrer Handfläche? „Claudia“, sagte Magdalena immer noch ungläubig.
„Hm?“, fragte ihre Freundin ohne sich umzudrehen. „Guck mal“, forderte die unfreiwillige Helferin sie geheimnisvoll auf.
Locker drehte sie sich um und augenblicklich hellte sich das Gesicht des aufgedrehten Lockenkopfs auf: „Mimi!“
Begeistert kam Claudia angelaufen und nahm den Hamster. „Na, wo warst du denn, du kleiner Frechdachs?“, grinsend machte Claudia mit dem kleinen Nager Nicke-Nicke-Näschen und brachte ihn zurück in den Käfig: „Du hast bestimmt Hunger! Ich mach dir gleich was! Ja, meine Süße!“
Magdalena war von dieser Wendung immer noch völlig baff. Hatte der Hamster etwa die ganze Zeit in dieser Ritze gehaust? Hm.
„Dann können wir ja wieder alles zurückräumen“, machte sie mit dem nächsten Punkt der Tagesordnung weiter und ließ wenig vorfreudig den Blick über das Chaos schweifen.
„Und dann können wir richtig weihnachtlich dekorieren, wenn wir schon dabei sind“, fügte Claudia strahlend hinzu.
„Wie kann man nur so viel Energie haben?“, lächelnd schüttelte Magdalena den Kopf. „Ich hatte einen guten Tag“, rechtfertige sie sich glücklich. „Und du machst meinen Tag mit jeder Minute besser“, ergänzte die Rationale liebevoll.
Erleichtert warf Claudia noch einen kleinen Blick auf den Ausreißer, der wieder unschuldig in seinem Käfig umher trappelte.
Jetzt musste sie sich keine Sorgen mehr machen. Eine sorglose Weihnachtszeit konnte kommen! Chaotisch würde es mit ihnen wahrscheinlich trotzdem werden, aber auf eine aufregende und schöne Art.
Stefanie überprüfte zweimal, ob die Handbremse auch wirklich drin war. Einmal war ihr das Postauto rückwärts gerollt und auf eine Wiederholung war sie wirklich nicht scharf, obwohl sie es sogar geschafft hatte die Katastrophe zu verhindern, indem sie schnell zurück gesprintet war, aber das brauchte man echt nicht.
Vorsichtig stieg sie aus, doch hier war es zum Glück nicht glatt. Der Winter war immer eine kritische Jahreszeit. Sehr tückisch.
Zufrieden griff sie sich das letzte Paket für heute. Gleich hatte sie Feierabend! Yippie! Auf ihrem Weg zur Haustür summte sie irgendein Kinder-Weihnachtslied vor sich hin, von dem sie den Namen nicht mehr wusste.
Im Dezember war es zwar scheiße zu fahren, aber Weihnachten war schon schön. Musik, Plätzchen, Geschenke, …
Für Letzteres war sie ja sogar mit verantwortlich und während der Fahrt bekam sie die volle Dröhnung Weihnachtlieder, besonders vor „Last Christmas“ war man nirgendwo sicher. Keine Ahnung wie oft sie das schon gehört hatte.
Nur zum Plätzchenbacken war sie noch nicht gekommen. Die Tage waren irgendwie so kurz, da kam man echt zu nichts.
Plötzlich flog eine Katze von oben auf das Paket in ihren Händen. Erschrocken gab sie ein kleines Quieken von sich und ließ den Karton fallen. Mit einem wütenden Fauchen lief die Katze weg.
Irritiert schaute Stefanie nach oben und aus dem offenen Küchenfenster im ersten Stock blickte ein ordentlich zerknirschter Typ zurück. Hatte er die Katze etwa rausgeworfen?
„Es tut mir leid! Ich hab Sie da nicht stehen gesehen!“, bestätigte er ihren Verdacht. „Ähm. Ich hab hier ein Paket. Sie können gleich zum Abzeichnen an die Tür kommen“, machte die Postbotin einfach weiter im Programm und hob den Karton wieder hoch.
Hoffentlich war da nichts Zerbrechliches drin.
Aus Gewohnheit klingelte sie an der Haustür, was wahrscheinlich sehr ungeduldig wirkte, immerhin hatte sie ihm eigentlich schon Bescheid gesagt. Gerade war sie schon ein wenig durch den Wind.
Normalerweise sagte man doch Hunde hätten etwas gegen Postboten, aber scheinbar auch Katzen.
Ein wenig atemlos öffnete er die Tür. Offensichtlich war er gelaufen. Sein Gesicht war sogar leicht gerötet und auch die weißen Pulverreste an seinem Ärmel sprachen für einen überstürzten Aufbruch. Apropos Ärmel, sein Pulli war total knuffig: Dunkelblau mit weihnachtlichem Muster und in der Mitte ein plüschiges Tierchen mit großen Augen, das den süßesten Yeti der Welt darstellen könnte. Gerne hätte sie darüber gestrichen, doch das wäre wohl kaum angemessen.
„Es tut mir leid! Geht es Ihnen gut?“, wollte er besorgt von ihr wissen. Seine Sorge war schon lieb. „Ja, alles in Ordnung“, mit diesen Worten schenkte sie ihm ein kleines Lächeln und hielt ihm dann auffordernd das Paket entgegen.
„Ich war gerade am Backen und Lucifer hat keine Ruhe gegeben. Es tut mir so leid, dass ich Sie erwischt habe“, erklärte er, während er das Paket hinter sich abstellte: „Ich bin übrigens Justin.“ Ja, Justin Krämer, erster Stock, das wusste sie, immerhin kannte sie seine Anschrift.
„Stefanie“, stellte sie sich einfach freundlich vor. „Freut mich sie kennenzulernen, auch wenn ich wahrscheinlich nicht den besten ersten Eindruck gemacht habe. Tut mir leid“, und wieder entschuldigte er sich. „Ist ja nichts passiert“, versicherte sie ihm nochmal und hielt ihm das Quittungsgerät hin: „Ein Autogramm bitte.“
Als er den Stift griff, berührten sich ihre Finger richtig filmmäßig. Es war echt so, als würde ihr gesamtes Bewusstsein darauf zoomen.
Auch er war für einen Moment wie vom Blitz getroffen. Eigentlich voll übertrieben, für diese kleine Berührung, aber… keine Ahnung. Dämlich stand er mit dem Stift in der Hand da und in diesem Herzschlag hätte er nicht einmal seinen Namen sagen können.
Dann meldete sich sein Marshmallow-Hirn zurück: „Kann ich dir einen Kaffee anbieten? Einen Kakao? Bald habe ich auch frische Plätzchen.“ Völlig natürlich hatte sich das „Du“ reingeschlichen. Irgendwie fühlte es sich jetzt schon richtig vertraut an, obwohl sie sich gerade erst getroffen hatten.
„Gerne“, nahm sie verträumt an, doch dann meldete sich ihr Verstand zurück: „Nein, tut mir leid, es geht nicht. Ich hab keine Zeit. Ich muss den Transporter noch wegfahren.“ „Ähm, natürlich“, geknickt senkte er den Blick und unterschrieb geschwungen.
„Was für Plätzchen magst du am liebsten?“, fing Stefanie doch noch ein Gespräch an. „Ich bin ganz einfach gestrickt, mich macht man schon mit Spritzgebäck glücklich“, erzählte er ihr gut gelaunt. „Spritzgebäck ist aber auch lecker“, stimmte sie ihm fröhlich zu.
„Ich lass mir einfach noch ein Paket schicken und dann bekommst du eine Tüte Spritzgebäck als Entschädigung“, plante Justin vorfreudig.
„Dafür brauchst du gar kein Paket. Ich komme auch gerne ohne vorbei“, erwiderte sie lächelnd. Breit grinste er zurück.
„Wie wäre es mit Samstagnachmittag?“, schlug sie aufgeregt vor. „Ich werde hier sein“, bestätigte er den Termin mit einem glücklichen Lächeln. „Aber werf nicht noch einmal mit deiner Katze nac
h mir“, meinte sie schmunzelnd. „Keine Sorge. Wenn der kleine Teufel wieder frech ist, setze ich ihn ganz sorgsam vor die Tür“, versprach er ihr lächelnd. „Dann bin ich ja beruhigt“, gab sie mit der gleichen Wärme zurück.
Lauthals schnurrend kam Lucifer angetrippelt, als hätte er gemerkt, dass sie über ihn geredet hatten. „Du kommst mir nicht ins Haus bevor die Plätzchen im Ofen sind“, drohend zeigte Justin mit dem Finger auf den Kater.
„Dann lass ich dich mal weiter backen“, zwang Stefanie sich zu einem Abschied.
„Bis Samstag“, verabschiedet er sich strahlend und sah ihr noch hinterher, während sie zum Transporter schritt. Als sie die Tür öffnete, winkte sie ihm noch einmal süß zu und er erwiderte diese Geste grinsend.