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Frankie *** Als ich vor acht Jahren mit meiner Familie nach San Francisco zog, machte ich recht schnell Bekanntschaft mit Camden Bothwell, einem Kerl, der so unverschämt wie sexy war. Unsere Beziehung glich einer Achterbahnfahrt – und gipfelte in einer folgenschweren Nacht, die mein Leben ins Chaos stürzte und mich zur Flucht zwang. Jahre später kehrte ich zurück, um als Anwältin zu arbeiten, doch als er plötzlich vor mir stand, waren all die Erinnerungen zurück, die mich einst davongejagt hatten. Es würde mich eine Menge Kraft kosten, Camden zu vertreten, ohne ihm den Hals umzudrehen. *** Camden *** Frankie Donovan. Die Frau, die ich nie vergessen konnte. Doch sie hasste mich – und das konnte ich ihr nicht einmal vorwerfen. Immerhin hatte ich ihr eine Menge Gründe dafür geliefert. Als meine Firma verklagt wurde und ich eine Anwältin brauchte, traf ich ausgerechnet auf sie. Zu behaupten, dass die Wiedersehensfreude auf beiden Seiten spürbar war, wäre eine glatte Lüge. Doch möglicherweise war das meine Chance, den Fehler von damals wiedergutzumachen und ihr Herz zu erobern. Vielleicht jagte sie mich aber auch geradewegs zum Teufel. Ich war bereit, das herauszufinden.
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BUCH EINS
Copyright © 2023 Drucie Anne Taylor
Korrektorat: S. B. Zimmer / S. Köhn
Satz und Layout: Julia Dahl
Umschlaggestaltung © D-Design Cover Art
Alle Rechte, einschließlich das, des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Dies ist eine fiktive Geschichte, Ähnlichkeiten mit lebenden, oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Frankie
Als ich vor acht Jahren mit meiner Familie nach San Francisco zog, machte ich recht schnell Bekanntschaft mit Camden Bothwell, einem Kerl, der so unverschämt wie sexy war. Unsere Beziehung glich einer Achterbahnfahrt – und gipfelte in einer folgenschweren Nacht, die mein Leben ins Chaos stürzte und mich zur Flucht zwang. Jahre später kehrte ich zurück, um als Anwältin zu arbeiten, doch als er plötzlich vor mir stand, waren all die Erinnerungen zurück, die mich einst davongejagt hatten. Es würde mich eine Menge Kraft kosten, Camden zu vertreten, ohne ihm den Hals umzudrehen.
Camden
Frankie Donovan. Die Frau, die ich nie vergessen konnte. Doch sie hasste mich – und das konnte ich ihr nicht einmal vorwerfen. Immerhin hatte ich ihr eine Menge Gründe dafür geliefert. Als meine Firma verklagt wurde und ich eine Anwältin brauchte, traf ich ausgerechnet auf sie. Zu behaupten, dass die Wiedersehensfreude auf beiden Seiten spürbar war, wäre eine glatte Lüge. Doch möglicherweise war das meine Chance, den Fehler von damals wiedergutzumachen und ihr Herz zu erobern. Vielleicht jagte sie mich aber auch geradewegs zum Teufel. Ich war bereit, das herauszufinden.
Teil I
1. Frankie
2. Camden
3. Frankie
4. Camden
5. Frankie
6. Camden
7. Frankie
8. Camden
9. Frankie
10. Camden
11. Frankie
Teil II
12. Camden
13. Frankie
14. Camden
15. Frankie
16. Camden
17. Frankie
18. Camden
19. Frankie
20. Camden
21. Frankie
22. Camden
23. Frankie
24. Camden
25. Frankie
26. Camden
27. Frankie
28. Camden
29. Frankie
30. Camden
31. Frankie
Danksagung
Über die Autorin
Weitere Werke der Autorin
Wie alles begann
Vor 8 Jahren
Da waren wir also. Ab sofort befand sich unser Lebensmittelpunkt in San Francisco. Mir schwirrte dieser alte Song aus den Sechzigern durch den Kopf, als Mom vor unserem neuen Haus parkte. Sie wurde versetzt und sollte nach ihrem Urlaub in der Stadt arbeiten. Mein Vater war Soldat, seit Jahren im Ausland stationiert, weshalb meine Schwester, mein Bruder und ich unsere Mutter begleitet hatten. Es störte mich nicht, denn nach den Sommerferien würde ich sowieso an der Berkeley studieren, somit war es für mich nicht ganz unpraktisch, dass wir hierher gezogen waren. Meinen Geschwistern fiel es nicht so leicht, insbesondere Harlow nicht, weil sie ihr letztes Highschooljahr vor sich hatte und nun neue Freundschaften schließen musste. Da wir nun hier leben würden, hatte ich keinen weiten Heimweg, außerdem würde ich so nicht nur an den Wochenenden nach Hause fahren, sondern in meinem Elternhaus 2.0 wohnen bleiben, statt mein hart erarbeitetes und erspartes Geld in ein schmuddeliges Zimmer im Studentenwohnheim zu investieren. Klar hatte ich mich gefreut, auf eigenen Beinen zu stehen, doch unter den gegebenen Umständen, blieb mir das Heimweh nun erspart. Zugegeben ich wollte auch nur das Positive sehen, denn dass ich nun mein Geld sparte, war durchaus gut. Ich hatte mir mit 16 nicht mal ein Auto gekauft, weil ich meine Ersparnisse nicht antasten wollte.
»Frankie?«
Ich hob den Blick, sah meine Mom an. »Ja?«
»Wir sind seit fünf Minuten hier und du bist immer noch nicht ausgestiegen. Willst du nicht dein Zimmer sehen?«
»Oh«, stieß ich aus. »Ich war in Gedanken.« Ich löste den Gurt, dann stieg ich aus ihrem SUV. Mom hatte ein klassisches Town House gekauft, das den Eindruck erweckte, geradewegs aus einer Episode von Full House kopiert worden zu sein. »Willkommen zu Hause«, sagte ich leise zu mir, holte meine Reisetasche sowie einen meiner Koffer aus dem Auto und ging auf die Haustür zu.
»Deine Geschwister müssten auch gleich ankommen«, meinte Mom, als wir das Haus betraten.
Ich schaute sie an, dabei zuckte ich mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
»Hast du nicht mit deiner Schwester geschrieben, als wir auf dem Highway waren?«, wollte sie wissen.
»Nein, ich hatte mit Amber geschrieben.« Amber war meine beste Freundin, allerdings besuchte sie die University of New York, weshalb wir uns nur am Anfang der Ferien gesehen hatten. Sie hatte mir geholfen, meinen Kram einzupacken, sogar eine Abschiedsparty für mich geschmissen und dann waren wir schon in Richtung San Francisco aufgebrochen.
Mom seufzte. »Na super, dann sollte ich vielleicht nicht vor morgen mit ihnen rechnen.«
»Du weißt, dass Harlow nicht hierher wollte, vielleicht hat Gray sie bei einer ihrer Freundinnen abgesetzt.«
»Ich sollte sie anrufen«, sagte sie leise.
»Ruf Gray an, denn Low wird deinen Anruf sicher nicht annehmen, so beschissen, wie ihre Laune war«, erwiderte ich nachdenklich, während mein Blick durch das holzvertäfelte Wohnzimmer schweifte.
»Gefällt’s dir?«
»Ja, ich warte nur darauf, dass die Tanners aus irgendeiner Ecke kommen und uns mit einer festen Umarmung in ihre Familie aufnehmen«, antwortete ich trocken.
Sie lachte. »Du mit deinen ewigen Vergleichen mit dieser Sitcom.«
»Du hast sie früher immer mit mir angesehen und viel gelacht«, hielt ich grinsend dagegen.
»Ich weiß, aber wir sind nicht die Tanners und niemand wird aus der Küche stürmen, um uns mit einer Umarmung in irgendeine Familie aufzunehmen.«
Ich seufzte gespielt. »Schade, dabei finde ich Onkel Jesse doch so heiß.«
Ihr Lachen wurde lauter. »Der ist ein wenig zu alt für dich.«
»Ich bin 21«, konterte ich. Bis ich die Aufnahmebestätigung der Berkeley bekam, hatte ich mich an sämtlichen Colleges in allen 50 Staaten beworben. Ich hatte einige Zusagen, noch mehr Absagen, aber mein Traum war es, in San Francisco Jura zu studieren. Meine Eltern hatten mich immer unterstützt, denn vor seiner Zeit bei der Army, hatte mein Dad ebenfalls die Berkeley besucht. Um nicht nur herumzusitzen, hatte ich dann ein paar Kurse am Community College belegt. Die Aufbaukurse waren bei meinem Notenschnitt zwar nicht nötig, aber ich wollte nicht die ganze Zeit zu Hause sitzen und darauf warten, dass ich wieder mal im Supermarkt gebraucht werde, in dem ich gearbeitet hatte.
»Und John Stamos ist mittlerweile sicher irgendwo in seinen Fünfzigern«, konterte Mom.
»Wirklich?«, hakte ich verdutzt nach.
Sie nickte gewichtig.
»Das hätte ich jetzt nicht gedacht«, sagte ich kichernd. »Da ich als Einzige hier bin, darf ich mir mein Zimmer aussuchen?«
»Klar, aber ich dachte, du nimmst das Dachgeschoss. Dort hast du deine Ruhe und den meisten Platz.«
»Alles klar, dann schleppe ich meinen Kram eben nach ganz oben.« Ich schenkte Mom ein Lächeln, anschließend wandte ich mich der Treppe zu. Auf dem Weg nach oben ließ ich weiter meinen Blick schweifen. In den letzten Wochen und Monaten war Mom ständig hier, weshalb ich meine Geschwister im Auge behalten musste, aber sie hatte eine Menge um die Ohren, wenn sie in Richtung San Francisco aufgebrochen war. Das Haus musste renoviert werden, außerdem hatte sie das Dachgeschoss ausbauen lassen, damit genug Platz für uns alle da war. Ich fand es gar nicht so schlecht, dass ich das größte Zimmer bekam, aber mein Gewissen war einer anderen Meinung. Meinem Bruder hätte es sicher gefallen, das Dachgeschoss für sich zu haben, meiner Schwester genauso, aber ich überließ den beiden nun den Krieg um die Zimmer in der ersten Etage.
Als ich endlich die Treppe in die zweite Etage gefunden hatte – sie verbarg sich hinter einer Tür – zog ich den Koffer sowie die Reisetasche hinter mir nach oben. Zu meinem Zimmer gab es auch noch mal eine Tür, sodass ich zwei zum Abschließen hatte – sofern es mal nötig sein würde. »Wow«, stieß ich aus, als ich mein Schlafzimmer sah. Es war riesig, nahm beinahe den ganzen Raum des Dachgeschosses ein. »Wahnsinn.« Ich zog das Gepäck zu meinem Bett. Die Möbel wurden schon hergebracht und unter Moms Aufsicht aufgebaut, weshalb wir zwei Wochen wie Camper gehaust hatten. Ich ließ die Reisetasche und den Koffer los, beides fiel rumpelnd zu Boden, dann setzte ich mich auf die blanke Matratze. Hier fehlte eindeutig meine persönliche Note, jedoch konnte ich sie in den nächsten Monaten noch einbringen.
Das Klingeln meines Handys ließ mich zusammenzucken. »Hallo?«, meldete ich mich verdutzt.
»Hey, Süße.«
Ich verdrehte die Augen. »Was willst du, Brad?« Mein Ex, der es so cool fand, mich während einer Party zu betrügen. Blöd für ihn war, dass seine Eroberung ein schlechtes Gewissen hatte, sodass sie es mir dann sagte.
»Ich wollte fragen, ob du Zeit hast, damit wir uns treffen. Wir sollten noch mal reden.«
»Brad, wir sind seit einem halben Jahr getrennt, außerdem kann ich nicht spontan vorbeikommen.«
»Warum nicht?«, hakte er irritiert nach.
Ich schnaubte amüsiert. »Grob geschätzt wäre ich etwa 20 Stunden unterwegs.«
Brad schnappte nach Luft. »Warum?«
»Weil ich nicht mehr in Montana wohne«, antwortete ich.
»Seit wann denn das?«, bohrte er tiefer nach.
»Seit gestern.«
»Fuck«, stieß er aus.
»Na ja, mach’s gut, Brad«, verabschiedete ich mich und senkte das Handy.
»Halt, Frankie, warte …«
Ich hörte nicht auf ihn, sondern beendete das Telefonat. Zwar klingelte mein Smartphone im nächsten Moment wieder, doch stellte ich den Ton aus. »Dieses blöde Arschloch.« Es musste sich doch längst herumgesprochen haben, dass ich die Stadt verlassen hatte, denn Brad und ich hatten den gleichen Freundeskreis. Er konnte es gar nicht verpasst haben.
Nein, ich ließ nicht zu, dass sein Anruf meine Laune runterzog. Ich stand auf. Entschlossen ging ich nach unten, vielleicht konnte ich Mom ja dabei helfen, die Kartons auszuräumen. Sie war zwar schnell in so was, aber zu zweit war man immer noch etwas schneller und vor allem war es unterhaltsamer.
Sie sah mich überrascht an, als ich die Treppe in der Küche nach unten kam. »Hast du schon ausgepackt?«
Ich schaute mich um. »Eigentlich wollte ich ins Wohnzimmer kommen, aber habe die Treppen verwechselt«, sagte ich, statt zu antworten.
»Frankie?«
Daraufhin sah ich sie an. »Nein, ich habe noch nicht ausgepackt, weil ich nicht allein sein wollte. Ich dachte, ich könnte dir helfen, falls du mich brauchen kannst.«
Mom neigte den Kopf. »Du könntest einkaufen fahren. Ich glaube nicht, dass ich das heute noch schaffe.«
»Wo finde ich denn den nächsten Supermarkt?«, erkundigte ich mich.
Ihre Gesichtszüge entgleisten. »Du fragst mich zu viel.«
»Okay, ich google es einfach. Du hast doch ein Navi im Auto, oder?«
Mom nickte.
»Alles klar. Was brauchen wir denn?«, hakte ich nach.
»Alles, denke ich.«
Daraufhin atmete ich tief durch. »Okay, vielleicht sollten wir zusammen einkaufen, denn ich habe keine Ahnung, was alles sein soll.«
»Alles, was in den Kühl- und Gefrierschrank gehört«, erwiderte Mom amüsiert.
»Mom, komm einfach mit … Bitte«, gab ich mich jammernd.
»Reicht es aus, wenn ich dir eine Liste schreibe? Ich muss hierbleiben, deine Geschwister haben noch keinen Schlüssel.«
Ich setzte mich an den Esstisch. »Denke schon.«
* * *
Eine halbe Stunde später reichte Mom mir eine Einkaufsliste, die sich über sechs Seiten erstreckte. »O Gott, willst du eine Footballmannschaft verpflegen?«, hakte ich nach, als ich die Liste ungläubig anstarrte.
Sie lachte. »Nein, nur uns vier und dein Bruder isst für mindestens fünf Leute, seit er Football spielt.«
Ich stimmte in ihr Gelächter ein. »Okay, ich versuche, das alles zu bekommen.« Danach erhob ich mich.
»Ich gebe dir meine Kreditkarte.« Mom holte sie aus ihrem Portemonnaie, ebenso den Autoschlüssel – sie reichte mir beides.
»Wenn ich morgen nicht zurück bin, kannst du einen Suchtrupp losschicken«, scherzte ich, als ich beides in meine Hosentaschen steckte.
»Ich warte lieber zwei Tage, war schon öfter so, dass du einfach nicht nach Hause gekommen bist, Frankie«, hielt Mom dagegen.
»Und jetzt habe ich sogar deine Kreditkarte und deinen Autoschlüssel, ich könnte durchbrennen«, neckte ich sie.
»Du glaubst nicht, wie schnell ich die Karte sperren lassen kann.«
Amüsiert schnappte ich mir ihre Sonnenbrille, da meine in meinem Schlafzimmer lag, und setzte sie auf. »Bis später, Mom.«
»Bis später, meine Große.«
Ich ging zu ihr, drückte einen Kuss auf ihre Wange und verließ die Küche.
* * *
Nach einer Stunde hatte ich den Supermarkt erreicht. Trotz Navi hatte ich es geschafft, mich zu verfahren, da es mich ständig durch irgendwelche Einbahnstraßen schicken wollte, in die ich aus meiner Richtung nicht einbiegen durfte. Dieses verdammte Scheißding brauchte dringend ein Kartenupdate – oder einen Tritt, damit es vernünftig lief. Ich würde Mom später Bescheid sagen, damit sie sich darum kümmern konnte, denn möglicherweise war es auch kaputt und ich wusste, dass sie darauf angewiesen war. Nachdem ich Moms SUV recht nah am Eingang geparkt hatte, ließ ich meinen Blick auf der Suche nach den Einkaufswagen schweifen. Als ich die Garage für die Dinger entdeckt hatte, machte ich mich auf den Weg dorthin.
Als ich einen ausgelöst hatte, ging ich in den riesigen Supermarkt. Schon in der ersten Abteilung holte ich Moms Einkaufsliste heraus, las sie und schaute mich erneut um. Zugegeben ich war mit der Größe dieses Ladens vollkommen überfordert und wenn ich nur daran dachte, dass ich all die Sachen besorgen musste, brach kalter Schweiß auf meinem ganzen Körper aus. Ich bezweifelte nicht, dass ich alles bekommen würde, aber sicher würde ich mich irgendwann verlaufen und heulend in irgendeinem Gang enden.
* * *
Gut zwei Stunden später war ich fertig und hatte beinahe alles von Moms Liste im Einkaufswagen liegen. Es fehlten nur noch die Servietten, die ich nirgendwo gefunden hatte, aber nur deshalb würde ich den vollgeladenen Einkaufswagen nicht noch einmal quer durch den Supermarkt schieben, um an der Information nachzufragen. Ich hatte ja alles von der Einkaufsliste und Mom würde mir sicher verzeihen, wenn ich ein Teil vergessen hatte.
Mühsam schob ich den Wagen zur Kasse, lud dort alles aufs Band und wartete darauf, dass ich bezahlen konnte. Nach einigen Minuten, gefühlten Stunden, nannte mir die Kassiererin den zu begleichenden Betrag – ich reichte ihr Moms Kreditkarte.
Nachdem ich den Beleg unterschrieben hatte, gab sie mir die Karte und den Kassenbon, beides steckte ich in meine Hosentasche. Anschließend wartete ich darauf, dass der junge Mann an der Kasse meinen Einkauf zu Ende gepackt hatte. Ich wollte nicht mit ihm tauschen, denn es war sicher ätzend, den ganzen Tag, Tüten zu packen.
Als alle Brown Bags im Einkaufswagen standen, bedankte ich mich, dann machte ich mich auf den Weg zu Moms Auto. Als ich dort angekommen war, lud ich alle Taschen in den Kofferraum sowie auf die Rückbank und brachte den Einkaufswagen weg. Danach stieg ich in den SUV, den Mom sich vor einem Jahr gekauft hatte.
* * *
Als ich in unserer Einfahrt parkte, sah ich den schwarzen Mustang, den mein Bruder Grayson in vielen Stunden restauriert hatte. Gemeinsam mit seinen – und meinen – Freunden hatte er damals für Wochen die Garage in Beschlag genommen, um die Karre fitzumachen. Ich stellte den Motor ab, dann stieg ich aus und ging die Treppe zur Haustür hoch. Meine Geschwister konnten mir ruhig dabei helfen, die Einkäufe ins Haus zu bringen, immerhin standen einige Tüten im Kofferraum und weitere auf der Rückbank. Zudem befanden sich dort auch Getränke, sodass ich nicht alles allein erledigen konnte.
»Gray, Low?«, rief ich, als ich im Wohnzimmer stand.
»Was ist?«, fragte mein Bruder laut.
»Helft mir bitte, den Einkauf ins Haus zu bringen«, erwiderte ich.
»Schaffst du das nicht allein?«, hakte meine Schwester lautstark nach.
»Bewegt euch! Sonst leihe ich dir kein Make-up mehr, Low, und dich lasse ich nicht mehr an meine Playstation, Gray!«, ließ ich die beiden wissen.
»Wir kommen ja schon!«, riefen sie im Chor.
Mom lachte, als sie das Wohnzimmer betrat. »Du hast die beiden besser im Griff als ich.«
»Ich weiß eben, womit ich sie erpressen kann«, entgegnete ich grinsend.
Meine Geschwister kamen die Treppe herunter. Meine Schwester sah aus wie mein Zwilling und manches Mal konnten wir mit dieser Lüge schon dafür sorgen, dass sie mit mir in Clubs kam, obwohl sie erst 17 Jahre alt war. Sie war wie ich um die einssiebzig groß – oder klein, wie man es nahm –, hatte langes kastanienbraunes Haar wie ich, allerdings haselnussbraune Augen wie unser Dad. Sie war schlank, schlanker als ich, was neben unserem Kleidungsstil die einzigen Unterschiede zwischen uns waren. Okay, ich hatte eine Narbe an der Lippe, weil ich als Kind von unserem Baumhaus gesprungen und auf dem Gesicht gelandet war, während ihres absolut makellos war. Gray, mein Bruder, war genauso groß wie unser Vater, außerdem hatten sich bei ihm Dads schwarze Haare durchgesetzt. Seine Augen waren grün, wie meine und Moms, aber sonst sah er wie eine Kopie unseres Vaters aus. Seit er Football spielte, war er außerdem verdammt muskulös geworden. Gray hatte keinerlei Makel, was er wusste und vor allem ausnutzte. In Montana lagen ihm die Mädchen zu Füßen und ich war sicher, hier würde es genauso werden.
»Da sind wir«, brummte Gray.
»Das sehe ich«, erwiderte ich lächelnd. »Kommt, ich habe Eis und anderes verderbliches Zeug im Auto.«
Sie folgten mir zum SUV, Gray nahm gleich drei Tüten an sich, Harlow zwei und ich hob ebenfalls zwei auf meine Arme, als Mom zu uns stieß.
»Ich nehme die letzte Tasche, dann müssen wir nicht mehr raus in die Hitze«, sagte sie gut gelaunt und schloss den Kofferraum.
»Es sind noch Getränke im Auto.«
Mom stieß die Luft aus. »Dann soll Gray sie gleich holen.«
»Alles klar, aber ich schließe den Wagen ab. Ich weiß ja nicht, ob hier irgendwelche Autodiebe rumlaufen.«
»Sieh nicht immer alles so negativ, Frankie«, hielt Mom dagegen, als sie sich auf den Weg ins Haus machte.
»Tue ich nicht.« Ich hielt den Schlüssel in der Hand, mit der ich die Tüte stützte, und betätigte den Knopf, der den Wagen verriegelte. Meine Geschwister und Mom waren bereits im Haus verschwunden, als ich die Treppe zur Tür hochging.
»Vorsicht!«, rief jemand, im nächsten Moment traf mich etwas im Rücken – und das tat verdammt weh.
»Fuck!«, stieß ich laut aus und sah auf den Boden. Ein Football. Ich drehte mich um, suchte nach demjenigen, der ihn nach mir geworfen hatte.
»War keine Absicht«, sagte ein junger Mann, der vermutlich etwas älter als ich war, als er auf mich zukam.
»Dort, wo ich herkomme, entschuldigt man sich, wenn man jemanden mit einem Ball beworfen hat«, ließ ich ihn wissen.
Er verzog seine schmalen Lippen zu einem Lächeln. »Da, wo ich herkomme, interessiert es mich einen Scheißdreck, wenn ich jemanden treffe.«
»Dann hättest du nicht Vorsicht brüllen müssen.« Ich betrachtete dieses unfreundliche Arschloch und staunte nicht schlecht. Er war groß, gutaussehend, seine Augen waren grün wie meine, die Haare kurz und dunkelbraun. Er war muskulös und hatte ein Grübchen im Kinn, das es teilte. Gott, wie konnte so ein Scheißkerl nur so gut aussehen?
Er grinste. »Ich weiß, aber ich glaube, ihr seid unsere neuen Nachbarn, also solltest du zumindest beim ersten Mal die Chance haben, in Deckung zu gehen.«
Meine Augenbraue glitt in die Höhe. »Sag mir bitte nicht, dass du nebenan wohnst.«
Daraufhin schüttelte er den Kopf. »Nein, schräg gegenüber.« Er deutete zu einem Haus auf der anderen Straßenseite. Es sah wie eine Kopie von unserem aus.
»Ah gut, dann weiß ich, wo ich an Halloween das schimmelige Obst und die faulen Eier loswerde.« Ich wandte mich ab.
»Wie heißt du eigentlich?«
Ungesehen von ihm verdrehte ich die Augen, dann drehte ich mich wieder zu ihm um. »Frankie und du?«
»Camden Bothwell.«
»Ich kann nicht behaupten, dass ich mich freue, dich kennenzulernen, nachdem du mir einen Football in den Rücken geworfen hast, Camden. Schönen Tag noch.« Ein weiteres Mal wandte ich mich ab, anschließend verschwand ich ins Haus und kickte die Tür hinter mir zu.
»Warum hast du denn so lange gebraucht?«, fragte Mom, als ich die Küche betrat.
»Hab einen der Nachbarn kennengelernt.«
»Wen denn?«
»Camden Bothwell, wohnt schräg gegenüber«, erwiderte ich, als ich die beiden Brown Bags auf dem Esstisch abstellte. »Ein unfreundlicher Kerl, der mir mit voller Wucht einen Football in den Rücken geworfen hat.«
Mom sah mich skeptisch an. »Wie kam er denn dazu?«
»Keine Ahnung«, entgegnete ich, dann fing ich an, die Tüten auszupacken. Ich gab meiner Schwester die Lebensmittel an, die sie wiederum an Mom oder Gray weiterreichte.
»Weißt du eigentlich, wann Dad seinen nächsten Heimaturlaub hat?«, wandte Grayson sich an Mom.
»Nein, im Moment wird er gebraucht und weiß selbst nicht, wann er den nächsten Urlaub bekommt«, erwiderte sie.
Ich seufzte schwer. »Dad ist seit zwei Jahren ununterbrochen weg. Irgendwann werden wir ihn nicht mehr wiedererkennen.«
»Ich weiß doch, dass ihr ihn vermisst. Mir fehlt er auch, aber er dient dem Land und …«
»Leistet einen guten Dienst«, beendeten wir ihren Satz im Chor.
»Kinder, ihr fehlt ihm auch, das weiß ich«, sagte sie zerknirscht.
Ich wollte gerade etwas sagen, als es an der Tür klingelte. »Ich gehe schon.«
Grayson folgte mir aus der Küche und weiter zur Haustür.
»Neugierig?«, fragte ich interessiert.
»Ein bisschen. Vielleicht ist das ja der Kerl, der dir den Football in den Rücken geschmissen hat.«
»Geworfen«, korrigierte ich ihn.
»Dann eben geworfen«, brummte er. »Verbesser mich nicht immer.«
»Dann sprich richtig«, hielt ich grinsend dagegen, dann öffnete ich die Tür. Tatsächlich bestätigte sich der Verdacht meines Bruders. »Was willst du?«, wandte ich mich skeptisch an Camden.
»Ich habe nachgedacht. War wirklich scheiße, mich nicht zu entschuldigen, also hole ich das nach: Es tut mir leid, dass du vom Football getroffen wurdest.«
Ich schaute an ihm vorbei und hob eine Augenbraue. »Und dafür musst du deinen ganzen Hofstaat mitbringen?«
Die Männer, die hinter ihm standen, lachten laut.
»Nein, sie haben mich mehr oder weniger dazu gezwungen, mich bei dir zu entschuldigen.«
»Ah.« Ich schloss die Tür, doch er drückte sie wieder auf. »Sag mal, geht’s noch?«
»Kann ich es irgendwie wiedergutmachen?«, fragte Camden.
»Ja, geh auf dem nächsten Highway spielen«, antwortete ich, rang mir sogar ein charmantes Lächeln ab und löste seine große Hand von der Tür.
»Alles okay, Frankie?«, mischte mein Bruder sich ein, als er an meine Seite kam. Er hatte sich auf die Couch gesetzt, bevor ich die Tür geöffnet hatte, allerdings war er jederzeit bereit, einzugreifen.
Ich nickte knapp. »Ja, denn Camden wollte gerade gehen.«
»Ist das der Kerl mit dem Football?«, hakte Gray nach.
»Ja.«
»Hi, ich bin Grayson, Frankies Bruder«, stellte er sich vor und streckte seine Hand aus.
»Freut mich, Grayson«, entgegnete Camden, ergriff seine Hand und schüttelte sie.
Ich verdrehte die Augen. »Mach nachher die Tür zu. Ich gehe wieder in die Küche.« Danach wandte ich mich ab.
»Ist deine Schwester immer so eine Zicke?«, vernahm ich Camdens Stimme.
»Eigentlich nicht. Meistens ist sie ganz cool drauf, außer man erwischt sie auf dem falschen Fuß«, erklärte Gray.
Ich ging durch die Schwingtür und hörte noch, dass Gray die Kerle ins Haus bat. »Das Wohnzimmer ist nun offiziell die Idiotenzone im Haus.«
Mom hob eine Augenbraue. »Warum?«
»Gray hat den Footballtroll und seinen Hofstaat reingelassen.«
Sie schnaubte genervt. »Eigentlich sollte er helfen, die Kartons auszuräumen.«
»Eigentlich haben wir Ferien und die ganze Nacht Zeit, das zu erledigen«, mischte Harlow sich ein.
»Vielleicht sollten wir jetzt nur noch etwas essen und danach ins Bett gehen. Wir haben 20 Stunden Fahrt hinter uns und ich für meinen Teil bin echt kaputt.«
»Frankie hat recht, Mom«, stimmte Low mir zu.
Wir sahen sie erwartungsvoll an. »Und ich bin schwer dafür, dass wir Pizza bestellen«, fügte ich hinzu.
»Wir wissen doch noch gar nicht, wo es gute Pizza gibt«, gab sie zu bedenken.
Harlow schnalzte mit der Zunge. »Im Wohnzimmer sitzen ein paar Kerle von hier, die uns sicher verraten können, wo wir sie bekommen.«
»Gehst du sie fragen? Ich hatte genug Macho für die nächsten Tage«, wandte ich mich an Low.
»Klar.« Kaum hatte sie es ausgesprochen, war sie schon verschwunden.
Durch die schwingende Küchentür sah ich, wie die Kerle meine Schwester betrachteten – und sie taten es sicher nicht auf jugendfreie Weise. »Wenn du Bescheid weißt, kannst du mir eine Salamipizza bestellen, Mom?«
Sie nickte. »Sicher. Was hast du denn jetzt vor?«
»Ich will duschen, solange noch heißes Wasser da ist«, erwiderte ich. In Montana hatte ich immer das Pech, das meine Geschwister vor mir unter der Dusche gestanden haben, weshalb ich am Ende nur noch kaltes Wasser zum Duschen hatte. Dem wollte ich nun entgegenwirken, indem ich als Erste ging.
»Alles klar, dann geh unter die Dusche. Hast du dein Duschgel und Shampoo schon ausgepackt?«
»Nein, aber ich weiß, in welcher Tasche ich alles verstaut habe«, antwortete ich, als ich mich der Treppe in der Küche zuwandte.
»Danke euch«, zwitscherte Harlow regelrecht, als sie rückwärts in die Küche kam.
»Wo kann man Pizza bestellen?«, fragte ich, als ich auf der ersten Stufe stand.
Sie verzog das Gesicht. »Hoppla. Das habe ich jetzt ganz vergessen zu fragen.« Low kam zu mir. »Aber das hier soll ich dir von Camden geben. Scheinbar hast du mit deiner biestigen Art Eindruck gemacht.«
Ich nahm den Zettel an mich, faltete ihn auf. »Der glaubt ernsthaft, dass ich ihn anrufe?«
»Nein. Er meinte, dass du die Nummer speichern sollst, damit du weißt, dass er dich anruft. Ich habe ihm deine Nummer gegeben«, antwortete sie.
Meine Gesichtszüge entgleisten. »Das ist nicht dein Ernst!«
»Doch, warum nicht?«
»Low, ich kann den Kerl nicht ausstehen. Warum gibst du ihm meine Nummer?«
Sie hob abwehrend die Hände. »Ich hab’s nur gut gemeint. Du kennst ihn doch gar nicht und vielleicht werdet ihr doch noch Freunde.«
»Als ob«, schnappte ich, zerknüllte den Zettel und ging nach oben. Ich würde jetzt duschen gehen und die Konfrontation mit diesem Idioten und Brads Anruf vergessen, später würde ich schlafen gehen. Vielleicht stellte sich dieser Tag doch noch als dummer Traum heraus, vielleicht auch nicht, aber ich betete dafür, dass es sich als solcher ergab. Von allen Straßen in San Francisco mussten wir ausgerechnet in jene ziehen, in der auch dieser dämliche Camden wohnte.
Im ersten Stock stieß ich mit jemandem zusammen. »Gott, was machst du denn hier?«
Camden lächelte mich charmant an. »Dein Bruder hat uns eingeladen, auf sein Zimmer zu kommen.«
»Mein Bruder ist 18, also nicht unbedingt in dem Alter, um mit dir und deinen Leuten rumzuhängen.«
»Was denkst du denn, wie alt wir sind?«, hakte Camden geduldig nach.
»Zu alt«, erwiderte ich genervt und wollte an ihm vorbeigehen, doch er hielt mich am Oberarm fest.
»Hat deine Schwester dir meine Nachricht gegeben?«, fragte er interessiert.
Ich holte den zerknüllten Zettel aus meiner Hosentasche und drückte ihm diesen in die Hand. »Ja, aber ich lehne ab, dass du mich anrufst.«
Camden ließ mich los. »Zicke.«
»Macho.«
»Und stolz drauf«, sagte er im Brustton der Überzeugung.
»Wunderbar und jetzt Lebwohl.« Ich ging auf die Tür zu, die zum Dachgeschoss führte, doch warf ich noch einen Blick über meine Schulter, um nachzusehen, ob Camden noch dort stand.
»Du hast zurückgeschaut, du stehst auf mich«, stellte er amüsiert fest.
»Träum weiter«, entgegnete ich, dabei verdrehte ich die Augen und öffnete die Tür. Ich verzog mich nach oben.
Dass dieser Kerl so sehr von sich überzeugt war, nervte mich ungemein. Als ich in meinem Zimmer war, durchsuchte ich die Reisetasche nach meinem Kulturbeutel. Weil er ganz unten in der Tasche lag, war meine Laune noch weiter gen Marianengraben gesunken, doch freute ich mich nun umso mehr auf die Dusche. So, wie es sich anhörte, waren die Kerle noch bei meinem Bruder. Warum suchte Gray sich keine Freunde in seinem Alter? Na ja, vielleicht waren sie es und sahen nur älter aus, aber ich konnte Camden nicht ausstehen, somit war ich der Meinung, dass sie meine Familie meiden sollten.
Übellaunig ging ich ins Bad und zog mich aus.
* * *
Nach der Dusche fühlte ich mich schläfrig, doch wollten wir Pizza bestellen, weshalb ich noch einmal in Top und Shorts nach unten ging. Aus dem Zimmer meines Bruders erklangen immer noch die Stimmen der Nachbarn, was mich die Augen verdrehen ließ.
»Frankie, Gray, kommt nach unten. Die Pizzen sind da!«, rief Mom.
Grays Tür ging auf, er kommt raus. »Whoa, Frankie, warum stehst du mitten auf dem Flur?«
»Nur so, hab Freude dran«, erwiderte ich und ging weiter nach unten.
»Was ist denn heute mit dir los?«, wollte mein Bruder wissen, als er mir die Treppe runter folgte.
Ich seufzte. »Ich war in Gedanken versunken und habe überlegt, wo mein Laptop ist, deshalb bin ich stehengeblieben, sonst ist nichts mit mir los.«
»Du wirkst pissig.«
»Ja, bin ich auch.«
»Warum?«, hakte er nach.
»Wegen einem deiner Gäste.«
Er seufzte. »Sie sind ganz okay.«
»Ich meine Camden, der Kerl kam mir so blöd, dass ich schreien könnte.«
Daraufhin lachte Grayson. »Kommt mir eher so vor, als würdest du ihn heiß finden.«
Ich schnaubte, doch sagte ich nichts mehr. In der Küche angekommen, nahm ich meine Salamipizza an mich. »Ich esse in meinem Zimmer.«
Mom sah mich irritiert an. »Eigentlich wollte ich mit euch am Tisch essen. Es ist der erste Abend in unserem neuen Zuhause, da könnt ihr mir doch diesen Gefallen tun.«
Gray und ich tauschten einen Blick aus, dann nickte ich widerwillig. »Können die Jungs mitessen, Mom?«, fragte er.
»Sicher, es ist genug für alle da.«
Ich schluckte meinen Ärger darüber herunter, holte mir eine Flasche Diet Coke aus dem Kühlschrank und setzte mich an den Tisch. »Um ehrlich zu sein, fände ich es besser, wenn wir als Familie essen, also haben diese Kerle hier nichts zu suchen.«
»Es ist doch schön, dass Grayson schon Freunde gefunden hat«, widersprach Mom.
Ich brummte unzufrieden. »Ja, sehr schön.«
»Spar dir doch den Sarkasmus, Francine.«
»Frankie hasst den Namen«, mischte Harlow sich ein.
Daraufhin grinste ich. »Stimmt, Mom, ich hasse den Namen.«
»Und du weißt, dass ich dich nur so nenne, wenn du mir auf die Nerven gehst«, sagt Mom lächelnd.
Ich biss die Zähne zusammen, schaute nacheinander die Pizzakartons durch und zog jenen mit meiner Salamipizza zu mir.
»Wir sollten die Kartons in die Mitte des Esstischs stellen, damit sich jeder bedienen kann«, schlug Mom vor.
Genervt nahm ich mir zwei Stücke Pizza, legte sie auf meinen Teller und schob den Karton zurück.
»Ich glaube, hier ist jemand so gar nicht mit deinem Vorschlag einverstanden«, murmelte Harlow unserer Mutter zu.
»Damit muss deine Schwester für heute leben«, erwiderte Mom entschieden.
»Danke, dass wir mitessen dürfen, Mrs ..., wie war Ihr Nachname?«
»Donovan, aber nennt mich ruhig Sally«, antwortete Mom.
Ich sah auf meinen Teller. Der Appetit war mir so gut wie vergangen und er war fast gänzlich weg, als Camden sich neben mich setzte.
»Möchtet ihr etwas trinken?«, erkundigte sich meine Mutter.
Nacheinander antworteten sie, was sie trinken wollten.
»Frankie, könntest du Gläser holen?«, fragte sie mich.
»Sorry, Mom, aber meine Beine sind so schwer, ich glaube, ich kann mich nicht vom Fleck bewegen«, entgegnete ich gespielt leidend.
»Harlow, könntest du die Gläser holen?«, wandte sie sich daraufhin an meine Schwester.
»Sicher, Mom.«
Ich widmete mich meinen Pizzastücken, während die anderen ihre Stücke nahmen. Ich konnte es kaum erwarten, fertig zu werden, damit ich auf mein Zimmer verschwinden konnte.
»Woher kommen Sie eigentlich, Sally?«, fragte Camden freundlich.
»Wir sind aus Montana hierher gezogen«, entgegnete sie, als sie sich setzte.
Sie unterhielten sich, während wir aßen. Ich wollte brechen, weil Camden sich so einschleimte. Ja, es konnte sein, dass ich etwas zu grob mit der Einschätzung von ihm war, aber da er den ersten Eindruck verkackt hatte, war es eben so.
Als ich mit meinen beiden Stücken fertig war, stand ich auf und brachte meinen Teller weg. »Ich gehe ins Bett, Mom.«
»Schlaf gut, Liebes.«
»Gute Nacht«, erwiderte ich und wandte mich der Treppe zu.
Wenig später war ich auf meinem Zimmer. Ich ging in das angrenzende Bad, putzte meine Zähne, schließlich wanderte ich ins Bett. Es war noch nicht mal neun Uhr, aber ich war müde und genervt – in dieser Stimmung wollte ich meiner Familie nicht auf den Keks gehen.
Morgen würde sicher ein besserer Tag. Mit diesem Gedanken schloss ich die Augen, darauf hoffend, schnell einzuschlafen.
Diese Frankie war heiß, aber so eine verdammte Zicke, dass ich langsam dachte, es wäre besser, mich von ihr fernzuhalten. Ich stand auf Frauen, die nicht ganz so zickig und störrisch wie sie waren. Klar, sie war heute erst hierher gezogen, vermutlich gestresst und müde, aber sie sah mich an, als würde sie mich niederstechen wollen. Ihr Bruder war ganz gut drauf, allerdings war ich nicht so begeistert davon, mich mit einem 18-Jährigen anzufreunden, nur um an seine Schwester heranzukommen. Die jüngere, Harlow, war erst 17, ebenfalls sexy, aber definitiv zu jung für mich. Außerdem liebte ich Herausforderungen, womit ich Frankie den Vorzug gab, auch wenn ich entspanntere Frauen bevorzugte.
Vielleicht sollte ich netter zu ihr sein, mich noch einmal ernsthafter – wenn auch gespielt – bei ihr entschuldigen und hoffen, dass sie mir eine zweite Chance gab.
»Yo, Cam, was ist?«, fragte Tyler, mein Zwillingsbruder, der nur dreieinhalb Minuten jünger als ich war.
»Was soll sein?«, wollte ich wissen, als er mich skeptisch ansah.
»Spielst du noch eine Runde mit?«
»Football?«, erkundigte ich mich.
Mein Zwilling hob eine Augenbraue. »Ja, was sonst?«
»Klar.« Ich erhob mich und brachte den Pappteller in den Müll, wenigstens vor Sally – Frankies Mom – wollte ich einen guten Eindruck machen. Denn mochte sie mich, würde sie vor ihrer Tochter sicher von mir schwärmen. So hatte ich bisher jede noch so kleine Zicke von mir überzeugen können. Nachdem der Teller im Mülleimer gelandet war, verschwanden meine Freunde und ich gemeinsam mit Grayson im Garten der Donovans.
»Darf ich mitspielen?«, fragte Harlow interessiert.
Grayson, meine beiden Brüder und meine Freunde sahen sie überrascht an. »Lass mal lieber, Low. Ich glaube, das wird ein ziemlich heftiges Match«, sagte Gray, als er seine Stimme wiedergefunden hatte.
»Aber du kannst uns anfeuern«, mischte ich mich ein und zwinkerte ihr zu.
Ein sattes Rot breitete sich auf ihren Wangen aus. »Okay.« Ihre Stimme war kaum mehr als ein verlegenes Hauchen, also hatte mein Zwinkern seine Wirkung nicht verfehlt. »Vielleicht sollte ich Frankie holen, sie kann bessere Flic Flacs als ich.«
»Lieber nicht. Bei ihrer Laune wirst du es nicht lebend aus dem Dachgeschoss schaffen«, erwiderte Gray lachend.
Ich schnaubte amüsiert, fing den Football, den mein Bruder Riley – er war ebenfalls jünger als ich – zu mir warf und checkte den Garten. Besonders groß war er nicht, aber was sollte es schon? Ein kleines Footballmatch würden wir hier schon hinkriegen.
Kellan kam auf mich zu. »Wie sollen die Teams aussehen? Du und deine Brüder gegen uns und den Neuen?«
Ich nickte. »Wenn du unbedingt willst.«
»Nimm du den Neuen in dein Team, wir nehmen Riley«, sagte Kellan.
Daraufhin hob ich eine Augenbraue. »Warum?«
»Weil ich keine Ahnung habe, was Gray drauf hat, also nimmst du ihn.«
»Alles klar«, erwiderte ich lächelnd. Ich hatte keine Ahnung, wo mein bester Freund war, als Gray erzählte, dass er auf der Highschool Football gespielt hatte, aber das sollte nicht mein Problem sein. Riley war ohnehin nicht sportbegeistert, deshalb fand ich es umso besser, dass mein Bruder in Kellans Team ging.
»Gut.« Kellan zeigte mir ebenfalls ein Lächeln und nahm mir den Ball aus der Hand. »Riley, Bastien, ihr kommt zu mir. Gray, Tyler, ihr seid in Cams Team!«, rief er durch den Garten.
Ich wandte mich Harlow zu. »Würdest du unser Team anfeuern, Kleine?«
Wieder errötete sie, was sie irgendwie süß machte, aber ich stand nun mal auf richtige Frauen, nicht auf Mädchen, die gerade erst ihre Vorzüge entdeckt hatten. »Klar, immerhin … ist mein Bruder in deinem Team.« Sie schenkte mir ein scheues Lächeln.
Mit einem weiteren Zwinkern wandte ich mich von ihr ab und ging zu Tyler. »Habt ihr das Feld festgelegt?«
Er nickte knapp und zeigte es mir. »Check?«
»Check«, erwiderte ich und stellte mich in Position.
»Vielleicht sollte die Kleine den Anpfiff geben«, schlug mein Zwilling vor.
»Klar.« Ich rief ihr zu, um sie zu fragen, ob sie pfeifen konnte, was sie bejahte. »Na dann, lass mal einen Pfiff hören.«
Daraufhin legte sie Daumen und Zeigefinger an ihre Lippen, im nächsten Moment stieß sie einen gellenden – und sehr beeindruckenden – Pfiff aus.
Wir legten los.
* * *
»Leute, geht’s vielleicht noch ein bisschen lauter? Ich versuche ja nur, Schlaf nachzuholen!«, rief jemand zu uns runter, als ich mich gerade mit Kellan um den Ball raufte, da er unsere Führung bedrohte.
Wir hörten auf und ich hob meinen Blick. Die Kleine stand am Fenster im Dachgeschoss. »Sorry, aber beim Spielen wird’s nun mal lauter!«
»Andere Leute wollen schlafen, also Schnauze!«
»Sagst du mir das auch ins Gesicht?«, wollte ich wissen.
»Wenn du vor mir stehen würdest, würde ich es tun«, erwiderte Frankie genervt.
Ich schnalzte mit der Zunge. »Dann komm runter!«
»Seit wann kommt der Knochen zum Hund?«, hakte sie hingegen nach und ich hatte das Gefühl, das wütende Funkeln in ihren Augen sehen zu können.
»Seit der Hund zu schwach zum Treppensteigen ist!«, konterte ich amüsiert.
»Gott, bitte geh in den nächsten Tagen auf dem Highway spielen!« Anschließend knallte sie das Fenster zu.
Lachend wandte ich mich meinen Freunden und Brüdern zu. »Das ist echt eine Zicke, wie sie im Buche steht.«
»Normalerweise ist sie nicht so«, nahm Gray seine Schwester in Schutz. »Sie ist bloß übermüdet und gestresst.«
»Wovon?«, hakte ich nach.
»Von unserem Umzug hierher«, erwiderte er. »Wir sollten für heute Schluss machen, bevor Frankie mit dem Gartenschlauch kommt. Das hat sie in Montana gebracht und es kam nicht besonders gut an.«
»Na dann lasst uns abhauen!«, rief ich meinen Freunden zu, anschließend sah ich Gray noch mal an. »Willst du mit rüberkommen?«
Er winkte ab. »Nein, ich bin auch müde. War eine abartig lange Fahrt hierher.«
»Alles klar. Dann sehen wir uns vielleicht morgen«, entgegnete ich, schüttelte seine Hand und pfiff meine Freunde zu uns.
Wir gingen ins Haus. »Bye, Sally«, verabschiedeten wir uns von Grays und Harlows Mom, anschließend verließen wir die Küche.
»Ihr seid ja immer noch da«, schnappte Frankie, als sie die Treppe im Wohnzimmer herunterkam, und verdrehte die Augen.
»Weil ich noch einen letzten Blick auf deine anmutige Gestalt und Schönheit werfen wollte«, erwiderte ich charmant und verabschiedete mich von Gray. »Wir sehen uns, Alter.«
»Yo, bis dann«, erwiderte er, als er meinen Freunden die Hand schüttelte. »War wirklich cool mit euch.«
»Jederzeit wieder«, sagte Kellan gut gelaunt, zwinkerte Frankie zu und wir verließen das Haus der Donovans.
»Die Kleine hat wirklich Haare auf den Zähnen«, brummte Bastien neben mir.
Ich lachte auf. »Wem sagst du das?«
»Dir, aber ich bin fest davon überzeugt, dass es dir gefällt.«
»Stimmt, ich finde sie heiß und irgendwie bringe ich sie noch dazu, dass sie mich an sich heranlässt.«
»Bisher hat das ja bei jeder geklappt«, sagte er seufzend. »Aber ich finde sie zu biestig.«
»Wer weiß. Vielleicht war es nur Fassade, immerhin ist sie in einer völlig neuen Umgebung«, sinnierte ich, als wir zu meinem Elternhaus auf der anderen Straßenseite liefen.
»Deshalb muss sie aber nicht wie eine bockige Fünfjährige abgehen«, mischte Kellan sich amüsiert ein. »Aber du hast recht, heiß ist sie definitiv.«
»Sag ich ja«, brüstete ich mich, straffte meine Schultern und joggte die Treppe zur Haustür hoch.
»Seit wann stehst du denn auf Frauen, die so herumzicken?«, mischte Riley sich ein.
Ich zuckte mit den Schultern. »Da ich ihren Charakter noch nicht kenne, kann ich bisher nur ihr Äußeres beurteilen und das ist, wenn wir alle ehrlich sind, verdammt sexy.«
»Sie trug eine schlabbrige Jogginghose und ein verwaschenes Top«, warf Tyler ein.
Ich sah zu ihm, als ich mich auf die Couch setzte. »Und?«
»Wirkte nicht sehr weiblich«, antwortete er.
»Sie sah gut darin aus. Gut, man hat nicht wirklich ihren Arsch gesehen, aber ihren Vorbau und der ist …«
»Du oberflächlicher Wichser«, unterbrach Bastien mich, dabei verdrehte er die Augen.