Dark Butcher - Drucie Anne Taylor - E-Book

Dark Butcher E-Book

Drucie Anne Taylor

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Beschreibung

Vladimir Wolkow – der Schlächter von Sankt Petersburg und Prinz der berüchtigten russischen Mafia – wollte sie nur beschützen, doch sie wurde ihm entrissen. Seit Monaten ist er auf der Suche nach Galina und geht dabei über Leichen, um sie aus ihrem Martyrium zu befreien. Als es ihm endlich gelingt, ist Galina eine gebrochene Frau und gefangen in den Gewohnheiten, die man ihr über Jahre hinweg eingebläut hat. Von ihrer Familie verraten und verkauft und der neu gewonnenen Freiheit überfordert, klammert Galina sich an den einzigen Menschen, dem sie vertraut: Vladimir. Allen Widrigkeiten zum Trotz verlieben sich die beiden ineinander, doch die Vergangenheit ruht nicht und wird zu einer Bedrohung von ungeahntem Ausmaß.

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Dark Butcher

GEGEN JEDEN WIDERSTAND

DANGEROUS HEROES

BUCH ZWEI

DRUCIE ANNE TAYLOR

Copyright © 2019 Drucie Anne Taylor

Korrektorat: S.B. Zimmer

Satz & Layout © Julia Dahl

Umschlaggestaltung © D-Design Cover Art

Auflage 01/2023

Angelwing Verlag / Paul Dahl

6 Rue Saint Jopseh

57720 Obergailbach

Frankreich

[email protected]

Alle Rechte, einschließlich das, des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Dies ist eine fiktive Geschichte, Ähnlichkeiten mit lebenden, oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Alle Markennamen, Firmen sowie Warenzeichen gehören den jeweiligen Copyrightinhabern.

Dieses Buch

Vladimir Wolkow – der Schlächter von Sankt Petersburg und Prinz der berüchtigten russischen Mafia – wollte sie nur beschützen, doch sie wurde ihm entrissen.

Seit Monaten ist er auf der Suche nach Galina und geht dabei über Leichen, um sie aus ihrem Martyrium zu befreien. Als es ihm endlich gelingt, ist Galina eine gebrochene Frau und gefangen in den Gewohnheiten, die man ihr über Jahre hinweg eingebläut hat. Von ihrer Familie verraten und verkauft und der neu gewonnenen Freiheit überfordert, klammert Galina sich an den einzigen Menschen, dem sie vertraut: Vladimir.

Allen Widrigkeiten zum Trotz verlieben sich die beiden ineinander, doch die Vergangenheit ruht nicht und wird zu einer Bedrohung von ungeahntem Ausmaß.

Inhalt

Triggerwarnung

Prolog

1. Vladimir

2. Galina

3. Vladimir

4. Samara

5. Ivan

6. Galina

7. Vladimir

8. Galina

9. Vladimir

10. Galina

11. Vladimir

12. Galina

13. Vladimir

14. Galina

15. Vladimir

16. Galina

17. Vladimir

18. Ivan

19. Galina

20. Ivan

21. Vladimir

22. Galina

23. Vladimir

24. Galina

25. Vladimir

Epilog

Danksagung

Über die Autorin

Weitere Werke der Autorin

Dark Wolf: Gegen jede Regel (Dangerous Heroes 1)

Triggerwarnung

Liebe Leserin, lieber Leser,

Dieses Buch ist voller Brutalität, Schimpfwörter, Flüche und vielen weiteren Beschreibungen, die dich schockieren könnten. Wenn du einen rosaroten Liebesroman erwartest, der sich strikt an die Realität hält, wird dich dieses Buch enttäuschen. Diesmal habe ich bewusst Grenzen ausgelotet und überschritten. Dieses Buch ist reine Fiktion, nichts von dem, was darin geschieht, passiert wohl so im wahren Leben und wenn doch, dann in den Schatten, in die wir nicht blicken.

Wenn ihr derartige Darstellungen nicht lesen möchtet oder euch dabei unwohl fühlt, empfehle ich euch, dieses Buch nicht zu lesen, da es euch triggern könnte – und das ist das Letzte, was ich erreichen will.

Alle sexuellen Handlungen zwischen den Protagonisten sind einvernehmlich, dennoch gilt im wahren Leben »safer Sex« und nicht »rein da und ab dafür.«

Dieses Buch behandelt sensible Themen und könnte dich triggern, wenn du empfindlich auf Gewalt gegen Frauen reagierst!

Allen, die sich von meiner Warnung nicht beeindrucken lassen, wünsche ich viel Spaß mit Vladimirs und Galinas Geschichte.

Prolog

GALINA

Vor zwölf Jahren

Sankt Petersburg, Russland

»Was hast du nur getan?«, schrie Papa mich an und ich zog den Kopf ein. Wenn er mich anschrie, bekam ich Angst. Höllische Angst. Sonst wurde er nur selten laut, aber heute, das wusste ich, hatte ich ihn enttäuscht.

Obwohl ich nichts getan hatte.

Nichts!

Ich hatte bloß zugelassen, dass mich jemand berührt – auch aus Angst. Aber dass ich damit mein Leben ruiniere, wurde mir erst bewusst, als ich die Augen meines Vaters sah. Er war enttäuscht, gar angewidert und er sah nicht mehr sein kleines Mädchen in mir.

»Aber, Papa«, weinte ich und wollte ihn umarmen, doch er stieß mich weg.

»Nein, Galina, du … du bist nicht mehr meine Tochter.« Papa schaute zur Tür und nickte jemandem zu.

Ich drehte mich um und sah ihn. Kopfschüttelnd wich ich zurück. Ich zitterte und fing an zu kämpfen, als Papa seine Hände auf meine Schultern legte und fest zupackte. »Lass mich los, Papa!«

»Deine Mama wäre so enttäuscht von dir«, sagte er wütend. »Und ich bin es auch.«

»Ich habe doch gar nichts gemacht!«, schluchzte ich und kämpfte weiter gegen ihn an. Ich wollte weg von ihm, raus aus seinem Arbeitszimmer und mich in meinem Bett verkriechen.

»Du hast nicht geschwiegen«, sagte Onkel Piotr ruhig.

»Du hast mich angefasst, obwohl du es nicht durftest!«, schrie ich ihn an.

»Du hast mir schöne Augen gemacht!«, brüllte er hingegen. »Dann ist es vorprogrammiert, dass ich schwach werde.«

»Sie kann nicht hierbleiben«, sagte Papa an ihn gewandt. Er klang so kalt.

»Papa!«, protestierte ich hysterisch.

Er drehte mich zu sich um und ohrfeigte mich so hart, dass ich mir auf die Wange biss. Der metallische Geschmack von Blut füllte meinen Mund und es lief aus meinem Mundwinkel. »Du bist nicht mehr meine Tochter. Du nennst mich nicht mehr Papa!«

Meine Beine gaben unter mir nach. Ich fiel weinend auf die Knie. »Wo soll ich denn hin?«

»Dein Onkel wird dich wegbringen.«

Hektisch schüttelte ich den Kopf und wollte auf die Beine kommen, um vor ihnen wegzulaufen, aber da stand schon mein Onkel und zog mich hoch. Er drängte sein Ding in meinen Rücken. Es war hart und tat mir weh. Dyadya hatte mir schon einmal damit wehgetan, aber da hatte er es mir nicht gegen die Wirbelsäule gedrückt, sondern war in mich … »Papa«, flehte ich wieder, aber Onkel Piotr zog mich von ihm weg. Meine Füße schabten über den Boden des Hauses, schließlich über den Kiesweg vor der Tür.

»Du hättest nichts sagen sollen, so wie ich es dir gesagt habe«, knurrte mein Onkel, als er mich in einen Van stieß. Es war kalt und ich hatte nur meinen Schlafanzug an. Mit klappernden Zähnen verkroch ich mich in eine Ecke und zog die Beine an meinen Körper. »Ich bringe dich dorthin, wo du zu den Vergessenen gehören wirst. Du hast keine Familie mehr.« Als er zu mir in den Van kletterte, drängte ich mich gegen die Wand. Rücksitze gab es nicht, Fenster auch nicht. Als er die Tür schloss, befand ich mich in absoluter Dunkelheit. Ein lautes Klopfen ließ mich zusammenzucken, sein Ruf, dass der Fahrer aufs Gas treten sollte, tönte laut in meinen Ohren.

* * *

Irgendwann auf der Reise war ich vor Erschöpfung eingeschlafen. Wir hatten uns auf den Weg gemacht, als es dunkel war, nun fiel Tageslicht in den Wagen. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte, etwas zu erkennen, aber die Sonne blendete mich.

Plötzlich grub sich eine Hand in meine Haare. »Wenn du schreist, bringe ich dich um.« Die Drohung meines Onkels verfehlte ihre Wirkung nicht. Vor Angst machte ich mir in die Hose und ich schämte mich so sehr. »Erst einmal wirst du bei mir bleiben, denn ich stehe auf deinen kleinen unreifen Körper«, knurrte er und zerrte mich an meinen Haaren zu einem Haus.

Ich war noch nie hier und alles kam mir fremd vor.

Aber ich wusste, dass ich in der Hölle gelandet war.

* * *

Vladimir

Heute

Tschechien

Mit geballten Fäusten umkreiste ich Jaroslaw Sokolow, der gefesselt auf einem Stuhl saß. Der Kerl bettelte um sein Leben und starrte immer noch seine verstümmelte Hand an. Ich hatte ihm bloß einen Zeigefinger und seinen Daumen gelassen.

»Ein letztes Mal, wo steckt Galina Kulikowa?«, hakte ich aufgebracht nach und spielte mit der Gartenschere, mit der ich seine Finger amputiert hatte. Immer, wenn er drohte, das Bewusstsein zu verlieren, spritzte Aleksandr, der Chef der nochnoy storozh – der Nachtwächter – ihm Adrenalin.

»Ich weiß es nicht. Nachdem ihr mein Lager überfallen habt, habe ich sie nicht mehr gesehen.«

»Wo könnte sie jetzt sein?«, bellte ich und griff zur Kastrationszange. Eigentlich war das Ding für Bullen gedacht, aber für Männer eignete es sich auch.

Seine Augen wurden groß, als er das Werkzeug in meiner Hand sah. »Du wirst mir doch nicht die Eier abschneiden!«, kreischte er und erinnerte mich mehr an eine Frau, als an einen skrupellosen Menschenhändler.

Ich neigte den Kopf und betrachtete ihn. »Wenn du mir nicht sagst, wo sie steckt, werde ich genau das tun.«

»Was willst du von dieser gottverdammten shlyukha?«, fragte er.

Als er sie Hure nannte, kochte mein Blut über. Ich griff noch einmal zur Gartenschere und rammte sie ihm in den Oberschenkel, er schrie und ich genoss es. »WO IST SIE?«

»Ich weiß es nicht!«

»Wer hatte Interesse an ihr, als du sie noch angeboten hast?«

»Viele Männer.«

»Namen, Sokolow! Ich will Namen!«, grollte ich.

Stammelnd nannte er mir so einige Namen von Männern, die in nächster Zeit Besuch von mir bekommen würden. Ich musste herausfinden, wo Galina steckte, und wenn ich mein Leben dafür hergab. Kaum hatte ich sie gesehen, hatte mein Herz einen Satz gemacht, wie nie zuvor. Und als ich sie sprechen hörte, schlug es schneller. Bei ihr hatte ich sofort das Gefühl von Wärme, wie ich es bei keiner meiner Frauen verspürt hatte. Eigentlich hätte ich Melania betrauern müssen, aber Galinas Auftauchen kam mir gelegen und die Trauer rückte in den Hintergrund. Die Suche nach ihr lenkte mich von Melanias Tod ab. Auch wenn die Tschechen noch bittere Rache erfahren würden, weil sie meine Frau umgebracht hatten.

Ich wies Aleksandr an, die Namen zu notieren. »Und dann schaff ihn in den Wagen. Er kommt mit uns.« Ich warf die Kastrationszange auf den metallenen Tisch, wischte mit einem feuchten Handtuch Sokolows Blut von meinen Händen und verließ den Lagerraum. Der Kerl sang wie ein Mädchen, nachdem ich ihn um insgesamt sechs Finger erleichtert hatte. Zumindest waren seine Hände nun unbrauchbar und er konnte so schnell keine Frau mehr ohrfeigen.

* * *

Mein Handy klingelte, als wir zurück in die Stadt fuhren. Ich warf einen Blick auf das Display. Es war mein Bruder. »Bratan?«, meldete ich mich.

»Wo steckst du?«, fragte er interessiert.

»In Tschechien«, antwortete ich frustriert, weil ich Galina nach über zehn Monaten noch nicht gefunden hatte. Ich war mir nicht einmal sicher, ob sie überhaupt noch lebte.

»Das trifft sich gut«, sagte Ivan unterkühlt.

»Warum?«

»Wir haben Galina gefunden.«

Mein Herz raste auf einmal. »Wo steckt …«

»In Kolín«, unterbrach er mich. »Das ist eine Kleinstadt, etwa sechzig Kilometer östlich von Prag«, fuhr er fort. »Adam Novák hat sie von Máté Balogh gekauft.«

»Woher weißt du das?«, fragte ich überrascht. Monatelang hatten wir nach ihr gesucht und er hatte sie endlich gefunden.

»Die byki haben einen Vertrauten der Baloghs geschnappt und ich habe mir ein Beispiel an dir genommen«, erwiderte er und ich hörte den Stolz in seiner Stimme. »Ich habe den Kerl so lange gefoltert, bis er gesungen hat.«

»Dasselbe habe ich mit Sokolow gemacht«, sagte ich ruhig und warf einen Blick in den Laderaum des Wagens. Sokolow lag wie eine Postsendung verschnürt auf dem Boden des Fahrzeugs.

»Lebt er noch?«

»Gleich nicht mehr«, entgegnete ich entschieden. »Er ist nicht mehr wichtig.« Ich stieß schnaubend die Luft aus. »Wo in Kolín finde ich Novák?«

»Ich schicke dir gleich die Adresse. So viel ich weiß, hält er Galina als Haustier, das von seinen reichen Freunden benutzt werden darf, wann immer es ihm passt. Du solltest dich auf einen furchtbaren Anblick gefasst machen«, erklärte Ivan.

Ich bedeutete Aleksandr, rechts ran zu fahren, als wir uns einem Waldstreifen näherten. Niemals würde der Verdacht auf mich oder die Bratwa fallen, denn üblicherweise waren wir nicht in Tschechien aktiv. Man würde unsere Konkurrenten in Verdacht haben. Und das war auch gut so. »Ich werde mich jetzt um Sokolow kümmern.«

»In Ordnung. Melde dich, sobald du in Kolín bist.«

»Mache ich, Bratan«, entgegnete ich und beendete das Telefonat. »Schafft Sokolow in den Wald«, verlangte ich von Aleksandr.

»Ja, Sir.« Er stieg aus und öffnete den Laderaum, ich ging an seine Seite, holte die Kastrationszange aus meinem Werkzeugkasten und tastete nach der Smith & Wesson, die ich in einem Schulterholster trug. »Sorg dafür, dass er die Hose nicht mehr trägt.«

Aleksandr bestätigte, dass er meinen Befehl gehört hatte, zog Sokolow aus dem Van und bugsierte ihn in den Waldstreifen. Ich folgte ihnen. Die Gegend war verlassen, der Morgen dämmerte bereits und der Kerl wusste ganz sicher, dass sein letztes Stündlein geschlagen hatte, denn er wehrte sich heftig gegen meinen Nachtwächter.

Meine beiden Männer, die ihren Wagen hinter dem Van geparkt hatten, stiegen aus und halfen Aleksandr, Sokolow festzusetzen. Sie schleppten ihn so tief in das Waldstück, dass wir die Straße nicht mehr sehen konnten. Die beiden hielten Jaroslaw Sokolow fest, Aleksandr befreite ihn von seiner Hose und riss auch dessen vollgepissten Feinrippunterhose herunter. »Du wirst keine Frauen und Kinder mehr vergewaltigen und verkaufen«, knurrte ich, als ich meine Lederhandschuhe überstreifte. Ich stellte mich vor ihn und sah in seine kleinen dunklen Augen. Sie erinnerten mich an die eines Schweins, aber das war er auch.

Ein unnützes Schwein, das die Welt nicht brauchte.

»Bitte nicht«, flehte er und Tränen rannen über seine Wangen. »Ich musste doch von irgendwas leben.«

»Stopft ihm das Maul«, verlangte ich.

Aleksandr zog den Knebel hervor, den er Sokolow letzte Nacht abgenommen hatte, und band ihm diesen wieder um.

»Ich würde dich ja nach deinen letzten Worten fragen, aber dein Geheule nervt mich«, sagte ich kalt, bewegte meine Finger in den Lederhandschuhen und griff dann nach seinen faltigen Hoden. Mit der Zange kastrierte ich ihn wie einen Stier, danach zog ich die Gartenschere, die immer noch in meiner Hosentasche gesteckt hatte. Ich schnitt ihm den Schwanz ab, anschließend die unbrauchbaren Eier. Das Blut spritzte nur so aus der Wunde und dieser sukyn sin, dieser Sohn einer Hündin, wurde immer blasser.

Artjom und Nazar ließen ihn fallen, als er sich nicht mehr bewegte und die Blutquelle versiegt war.

»Jetzt geht's weiter nach Kolín. Wir suchen Adam Novák.«

»Novák?«, fragte Aleksandr überrascht.

»Ja, wieso?«

»Adam Novák ist der prync der tscheschichen Mafia«, antwortete mein Nachtwächter besorgt.

Ich knurrte. »Dann brauchen wir mehr Männer, sein Haus wird bewacht sein.«

»Wir könnten das Überraschungsmoment nutzen, Sir«, sagte Aleksandr. »Ich werde ein paar Männer damit beauftragen, die Gegend auszuspähen.«

Ich nickte ihm zu.

* * *

Galina

Ich saß in einem luxuriösen Schlafzimmer, aber um meinen Knöchel befand sich eine elektronische Fußfessel. Hierher schickte er zahlreiche Männer, denen ich Vergnügen bereiten sollte, selbst kam er nie, um mich zu nehmen. Ich wusste nicht, wie lange ich schon hier war, aber ich erinnerte mich sowieso nicht mehr an besonders viel. Adam verabreichte mir immer wieder Medikamente oder Drogen, ich wusste es nicht genau, aber mein Gedächtnis litt darunter.

In meinem Kopf hallten Namen wider.

Samara.

Vladimir.

Alessia.

Ivan.

Ich wusste nicht, wer sie waren oder wie sie aussahen, aber dass sie mir geholfen hatten, von Sokolow wegzukommen. Sie waren nur noch Schatten in meinem Unterbewusstsein, die bald verblassen und schließlich verschwinden würden. So wie alles über die Jahre verblasst und verschwunden war.

Er ließ mich regelmäßig foltern, weil ich mich nicht ficken lassen wollte. Als ich an mir heruntersah, erkannte ich zahlreiche neue Hämatome. Ich hatte richtige Hand- und Fingerabdrücke auf der Haut, die bei jedem Schritt und jeder noch so kleinen Bewegung schmerzten.

Als ich das unheilvolle Knarzen der Zimmertür hörte, drehte ich mich nicht um. Ich würde wissen, wer kam, wenn ich die Schritte hörte. Dennoch versteifte sich mein Körper.

»Krása«, sagte er mit rauer Stimme und ich schloss die Augen. Wenn er mich mit diesem Kosenamen ansprach, wusste ich, was mir bevorstand. »Meine Schönheit, heute kommt ein guter Freund von mir zu Besuch.« Adam legte seine Hände auf meine nackten Schultern. »Ich möchte, dass du besonders nett zu ihm bist.«

Ich fing an zu zittern.

»Na, na, na, du musst doch keine Angst haben«, sagte er und schnalzte mit der Zunge. Grob drehte er mich zu sich herum und sah mir in die Augen. Zuerst streichelte er meine Wange, dann umfasste er mein Kinn. »Kleine russische Schönheit, du wirst mir doch diesen Gefallen tun, wenn ich dich darum bitte, oder nicht?« Sein Russisch war nicht besonders gut und ich konnte ihn nur schwer verstehen.

Als ich mich von ihm lösen wollte, drückte seine Hand fest gegen meinen Unterkiefer. Wimmernd gab ich meinen Kampf gegen ihn auf. Ich schloss die Augen, um meine Tränen vor ihm zu verbergen.

»Du wirst dich waschen«, entschied er und ich versuchte, zu nicken. »Zieh das rote Nachthemd an, nichts darunter.«

»Bitte«, flehte ich. »Ich habe Schmerzen.« Und ich wusste, kaum dass ich es ausgesprochen hatte, dass ich damit den Teufel in ihm geweckt hatte.

Adams Miene verhärtete sich, er ballte die Faust und rammte sie mir in den Magen, ohne mein Gesicht freizugeben. Ich schrie auf und fing an, nach ihm zu schlagen, aber er war stärker als ich. Mit dem Fuß zog er mir die Beine weg, sodass ich zu Boden fiel, dann trat er auf mich ein. Die Schmerzen, die ich ohnehin schon hatte, verschlimmerten sich. Sie gaben mir das Gefühl, dass mein Körper jeden Moment bersten würde, aber ich wusste, dass nur Adern platzten, was zu weiteren Hämatomen führte. Seit meiner Kindheit ließen Männer ihre Wut oder ihre Lust an mir aus.

Angefangen hatte das alles mit meinem Onkel. Dem jüngeren Bruder meines Vaters. Als ich anfing, mich gegen ihn zu wehren, verkaufte er mich an Sokolow, der mich gegen Bezahlung von seinen Folterknechten und Freiern aufs Übelste zurichten ließ. Aber ich erinnerte mich an eine Frauenstimme in der Dunkelheit, die mir half, als es mir besonders schlecht ging. Vielleicht war sie auch nur ein Hirngespinst, das mich am Leben erhielt, damit ich nicht aufgab.

»Du undankbare, kleine Hure!«, schrie er mich an und als er gegen meine Schläfe trat, schwand meine Wahrnehmung.

Alles wurde schwarz.

* * *

Es war düster, als ich aufwachte. Ich lag nicht mehr auf dem Teppich in dem Schlafzimmer, in das ich sonst eingesperrt wurde; nicht länger in meinem luxuriösen Käfig. Adam hatte mich in einen kahlen Raum gesperrt. Bloß eine Pritsche stand in der Ecke, es gab kein Kissen und nur eine schmuddelige Decke lag darauf. Mir war kalt, weshalb ich an mir hinunterblickte. Ich war nackt, mein Körper voller blauer Flecken und ich hatte höllische Kopfschmerzen.

Wann würde mein Leben endlich ein Ende haben?

Ich hielt es nicht mehr aus und hatte mir schon unzählige Male gewünscht, einfach zu sterben.

Aber das Schicksal verwehrte mir diesen Wunsch.

Ich fragte mich immerzu, was ich in einem meiner letzten Leben Grausames verbrochen hatte, um dieses hier zu verdienen, aber ich konnte nur mutmaßen, was ich getan hatte. Mühsam kroch ich zu der Pritsche, zog die Decke herunter und legte sie mir wie einen Umhang um die Schultern. Mit dem Rücken lehnte ich mich gegen die Wand. Jede Bewegung schmerzte und ließ mich glauben, in einer noch schlimmeren Hölle gelandet zu sein, aber nein, ich lebte. Ich glaubte, dass selbst das Fegefeuer besser zu ertragen war, als mein Schicksal.

Ich wollte mich kleiner machen, aber feuriger Schmerz schoss durch meine Glieder, als ich mich bewegte. Tränen traten in meine Augen, Angst kroch meinen Nacken hinauf und ließ meine Kopfhaut prickeln. Sogar die Härchen auf meinen Armen stellten sich auf.

Als die Tür geöffnet wurde, stand ein finster dreinblickender Mann dort und taxierte mich mit unergründlichem Blick. Meine Unterlippe zitterte und ich kniff die Augen zusammen wegen des plötzlichen Lichteinfalls. Erst jetzt hörte ich den Lärm, der draußen tobte.

Ein zweiter Mann kam dazu und ich bemühte mich, die Haltung einzunehmen, die Adam von mir verlangte. Mühsam kam ich auf die Knie, faltete die Hände in meinem Schoß und senkte den Blick.

Schritte.

Aber ich traute mich nicht, nach vorn oder oben zu sehen. Als man mir eine Hand auf den Kopf legte, kniff ich die Augen zu. Das Zittern konnte ich nicht mehr unterdrücken.

»Du musst keine Angst mehr haben, Galina.« Er sprach fließend Russisch und seine Stimme klang warm, dennoch wagte ich es nicht, ihn anzusehen. »Ich werde dich von hier wegbringen. Okay?«

Ich schüttelte kaum merklich den Kopf. »Adam wird böse, wenn ich gehe«, wisperte ich. Als er mich berührte, wimmerte ich und klammerte meine Hände so sehr ineinander, dass meine Knochen knackten.

»Er wird nicht erfahren, wo du bist.«

Ich kroch weg, weil ich mich nicht sicher fühlte.

»Galina, ich war immer ehrlich zu dir, bitte komm mit mir.«

Nun hob ich doch den Blick, aber ich konnte das Gesicht des Mannes nicht erkennen. Es lag in der Dunkelheit, das Licht strahlte in seinen Rücken.

»Wir müssen weg, Mr. Wolkow«, hörte ich jemanden Englisch sprechen.

»Galina, bitte.« Der Mann ging vor mir in die Hocke und sein Duft hüllte mich ein. Diese Mischung aus Minze, Moschus und einem ganz eigenen Odeur vertrieb den muffigen Gestank der Dunkelkammer, in der ich gefangen war.

Ich schüttelte den Kopf und senkte den Blick wieder.

»Jetzt reicht's«, sagte er leise und hob mich auf seine Arme. Ich wollte mich wehren, aber sein leises Knurren ließ mich innehalten. Mein Körper war wie gelähmt und ich wollte nicht, dass er mir auch wehtat.

Männer waren grausam, über Frauen konnte ich nicht urteilen, aber es gab niemanden, den ich mehr fürchtete, als einen Mann im Anzug.

Diese Menschen waren Raubtiere, die dazu imstande waren, einem jederzeit zu schaden. Sie taten es mutwillig und empfanden Lust dabei, während man selbst Todesängste ausfocht.

Dieser Fremde trug mich aus der düsteren Zelle und ich drehte mein Gesicht vom Licht weg. Die schmuddelige Decke lag immer noch um meinen Körper, hergeben würde ich sie nicht. Sie war mein einziger Schutz vor der Außenwelt, auch wenn sie bestialisch stank.

Ich zappelte, als er mich zu einem Van trug. In meinem Kopf erschienen die Erinnerungen an damals, als Onkel Piotr mich in so einen Wagen gesetzt und in meine persönliche Hölle gebracht hatte. »Nyet!« Ich wehrte mich so heftig, dass ich beinahe von seinem Arm fiel.

»Was ist los?«, fragte der Mann irritiert.

»Nicht, kein Van, nicht!«, kreischte ich und schlug nach ihm. Es war immer noch so, dass mir jede Bewegung höllisch wehtat, aber ich würde kämpfen wie eine Löwin, um nicht in diesen Wagen zu müssen.

»Ganz ruhig, wir steigen einfach in das andere Auto«, versuchte er, mich zu beruhigen, aber ich konnte es nicht.

Ich wusste ja nicht einmal, wohin er mich bringen wollte. Ich fürchtete mich vor dem, was auf mich zukam. Hatte Adam mich verkauft, weil er unzufrieden mit mir war? Würde dieser Unbekannte, auf dessen Armen ich mich befand, mich auch wie einen Menschen zweiter, gar dritter Klasse behandeln? Er stieg mit mir in den Wagen. Ich saß auf seinem Schoß, traute mich aber nicht, mich von ihm zu lösen. Seine Fingerspitzen glitten federleicht über meinen Oberarm, aber ich empfand Ekel, als er mich berührte.

»Erinnerst du dich an mich?«, fragte er leise.

Ich antwortete nicht, sondern stellte mich schlafend. Meine Augen waren vom plötzlichen Lichteinfall noch geschlossen und ich wollte ihm nicht zeigen, dass ich wach war. Ich bemühte mich um eine flache Atmung, allerdings scheiterte ich daran.

»Schlaf, moy angel«, raunte er und ich spürte seine Lippen an meiner Stirn, eine der wenigen Stellen, an der ich keine Schmerzen hatte. Er hatte mich mein Engel genannt. Aber so kannte ich Männer. Sie säuselten süße Worte in dein Ohr und schlugen dir mit voller Kraft ins Gesicht, wenn du nicht tatst, was sie wollten.

Das Auto setzte sich in Bewegung, der Herr hielt mich weiter in seinen Armen. Es war mir unangenehm, aber ich verhielt mich weiterhin totenstill. Diese Eigenschaft hatte ich in den letzten Jahren perfektioniert, in der Hoffnung, so den zahlreichen Missbräuchen zu entgehen. Aber darauf hatte nie jemand Rücksicht genommen. Sie fielen immer über mich her und ich fürchtete, dass mein jetziger Besitzer es auch tun würde.

* * *

Der Wagen stoppte, aber ich hielt die Augen geschlossen. Ich wurde hinausgehoben und ließ alle Muskeln locker, um ihnen vorzugaukeln, dass ich schlief.

»Bring sie ins Flugzeug«, vernahm ich die Stimme desjenigen, der mich vorhin seinen Engel nannte.

Flugzeug? Warum bringen sie mich in ein Flugzeug?, fragte ich mich unwillkürlich und hoffte, dass mein Körper sich nicht verspannte. Ihnen sollte nicht auffallen, dass ich gar nicht schlief. Die Schmerzen ließen es einfach nicht zu und ich wollte nicht zur Einnahme von Medikamenten gezwungen werden.

Der Fremde ging los, die Stimme des anderen wurde leiser. Er entfernte mich von dem Mann. Er lief eine Treppe hoch und schnaufte nicht einmal, als wir oben angekommen waren. Eine Schiebetür wurde geöffnet und ich wenig später vorsichtig auf eine weiche Matratze gelegt. Sofort drehte ich mich auf die Seite und verbarg mein Gesicht unter einer Hand. Hoffentlich kaufte er mir ab, was ich ihm vorspielte.

Schritte, wieder das Geräusch der Schiebetür und ich glaubte, allein zu sein. Blinzelnd öffnete ich die Augen und sah die Wand an. Hier wirkte es ganz normal, als wäre ich in einem normalen Schlafzimmer. Bin ich wirklich in einem Flugzeug?, fragte ich mich im Stillen.

Ich starrte bloß in den kleinen Raum, in dem gerade einmal dieses Bett stand und eine weitere Tür führte hier heraus. Vorsichtig rutschte ich auf die andere Seite des Betts, schlang die muffige Decke enger um mich und hoffte, dass ich bald aus meinem Albtraum erwachen würde.

Dabei wusste ich, dass ich niemals aufwachen würde, denn dies war meine Wirklichkeit.

Wieder ertönte das Geräusch der Tür und ich schlug die Augen zu. »Ich weiß, dass du wach bist«, sagte der Mann, der mich Engel genannt hatte.

Ich zog die Beine an und lag wie ein Fötus auf dem Bett.

»Ich werde dir nicht wehtun.« Er klang warm und beinahe glaubte ich ihm, aber nur beinahe. Dieser Mann war genauso eine Gefahr für mich wie jeder andere. Hinter mir senkte sich die Matratze und er legte eine Hand auf meine Hüfte.

Wimmernd rutschte ich von ihm weg. Warum berührte er mich, wenn er mir nicht wehtun wollte? Aber dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Er wusste nicht, dass mein Körper über und über mit Hämatomen bedeckt war. Auch ahnte er nicht, dass meine Rippen so sehr schmerzten, dass ich mir sicher war, dass sie mindestens geprellt waren. Jeder Atemzug glich einem Korsett, das sich immer enger um meinen Oberkörper zog und mir die Luft zum Atmen raubte.

»Entschuldige.«

»Hm.«

»Erinnerst du dich nicht an mich?«

»Kenne Sie nicht«, wisperte ich auf Russisch und hoffte, dass er gehen würde. »Ich will Sie nicht.«

»Du willst mich nicht?«, echote er und ich spürte seinen Blick auf meinem Rücken.

»Nyet«, antwortete ich kleinlaut.

»Wie kommst du darauf?« Er klang verwirrt, aber das kümmerte mich nicht.

Ich schwieg und verbarg die Tränen vor ihm, denn ich ahnte, dass er mich betrachtete. Es war unangenehm, weil ich wusste, was dem üblicherweise folgte. Zuerst gaben sie sich nett, dann wurden sie zu Monstern. Als er einen weiteren Versuch unternahm, mich zu berühren, zuckte ich zusammen. Jetzt würde es passieren.

Jetzt nimmt er sich, was er will, schoss mir durch den Kopf.

Mit schmerzenden Gliedern drehte ich mich auf den Bauch. Die Decke könnte er selbst wegziehen.

»Was tust du denn?« Er stieß die Luft aus. »Galina, was auch immer du von mir hältst, ich werde dir wirklich nichts tun.«

Ich glaubte ihm kein Wort, früher oder später würde er mir etwas tun. Das wusste ich.

Die Matratze hob sich wieder. »Ich werde dich allein lassen.«

Schweigend schloss ich die Augen und atmete tief durch, als er den Raum verließ. Dann spürte ich den Ruck, der durch das Flugzeug ging. Mein Körper wurde unter dem Druck schwerer.

Wohin brachte er mich?

* * *

Vladimir

Als der Privatjet meiner Familie in LA landete, sah ich durch das Fenster den Wagen meines Bruders auf dem Flugplatz stehen. Hier flogen nur Kleinflugzeuge oder Privatjets, die sich nicht den Linienflügen beugen mussten. Galina war während des Flugs nicht einmal aus dem Schlafzimmer gekommen, selbst hatte ich in einem der Sessel geschlafen. Nun war ich hellwach. Sie erkannte mich nicht mehr. Ich fragte mich, was man ihr in den letzten Monaten angetan hatte. Jedoch konnte es nichts Gutes sein, denn sie bot sich mir an, obwohl sie sagte, dass sie mich nicht will. Sie war eine Sklavin ihres Lebens und hatte wohl all die Dinge wirklich verinnerlicht, die man ihr über die Jahre eingeprügelt hatte.

Ich wartete einen Moment, dann erhob ich mich und ging an die Tür. Die Treppe wurde ausgeklappt und ich ging sie hinunter.

»Bratan«, sagte Ivan gelassen, als ich ihn erreichte, dann umarmte er mich kurz. »Hast du sie gefunden?«

»Das habe ich. Sie ist noch im Flieger.«

Ivans Augenbraue glitt in die Höhe. Seine Miene war ernst. »Sokolow?«

»Tot.«

»Und Novák?«, hakte er weiter nach.

»War nicht im Haus, als wir eingedrungen sind«, erklärte ich stoisch und lehnte mich gegen seinen Wagen.

Ivan neigte den Kopf, während er mich abwartend betrachtete. »Überlebende?«

»Keine.«

Daraufhin nickte mein Bruder und schaute an mir vorbei. »Ist sie das?«

Ich sah über meine Schulter, dann wieder zu ihm. »Ja. Novák hatte sie in eine Dunkelkammer gesperrt, sie hatte bloß die Decke, die sie jetzt noch um ihren Körper trägt.«

Er seufzte nachdenklich. »Erinnert sie sich an dich?«

»Bisher hat sie mich nicht erkannt.«

»Vielleicht wird sie Samara erkennen«, sagte er und ließ sich die hintere Beifahrertür öffnen. »Sie wird in die Villa gebracht. Wenn du willst, bringe ich sie in deiner Suite unter, ansonsten in einer anderen.«

Ich schüttelte den Kopf. »Es ist keine gute Idee, wenn sie in meine Räume kommt.«

»Dann bekommt sie ihre eigenen.«

»Das wird das Beste sein.« Ich drehte mich zu Galina um.

»Ich habe einen zweiten Wagen kommen lassen, damit sie sich ausruhen kann. In meinem müsste sie sitzen und so, wie sie aussieht, sollte sie besser liegen.«

»Sie schläft.«

»Das sehe ich.« Mein Bruder legte seine Hand auf meine Schulter. »Steig ein, Bratan«, verlangte er. Da er der Pakhan war und ich nur der knyaz' musste ich tun, was er sagte.

Ich setzte mich in den Mercedes und zog die Tür zu. Ivan ging um den Wagen herum und nahm hinter seinem Fahrer Platz. »Bringen Sie uns nach Hause«, befahl er seinem Chauffeur.

Mit einem leisen Schnurren setzte sich die Limousine in Bewegung und ich schaute aus dem Fenster. Galinas Augen waren immer noch geschlossen, als Aleksandr sie auf die Rückbank legte. Es war gut, wenn ich nicht bei ihr war. Schon auf dem Weg zum Flugplatz in Tschechien war sie angespannt, dabei hatte ich sie nur auf dem Schoß. Ich hatte keinerlei Anstalten gemacht, sie unsittlich zu berühren. Sicher würde ich sie auch niemals machen, weil ich sie nicht erschrecken wollte.

»Samara freut sich auf sie«, unterbrach Ivan die Stille, die sich wie ein Schleier um uns gelegt hatte.

»Galina wird sie nicht erkennen. Wir sollten ihr Zeit geben, damit sie sich an die neue Situation gewöhnen kann«, entgegnete ich und sah aus dem Fenster. »Nicht, dass sie panisch wird und weglaufen will.«

»Ich werde einen byk vor ihrer Tür abstellen, damit wir über alles informiert werden.«

»Mhm.«

Wir schwiegen wieder und brachten die Fahrt still hinter uns. Immer wieder drehte ich mich um, damit ich den anderen Wagen sehen konnte, in dem Galina lag.

* * *

Und dann waren wir schon auf dem Grundstück meines Bruders. Ich stieg aus, ging zu dem anderen Auto und öffnete die hintere Fahrertür, bevor ein anderer es übernehmen konnte. Galina schlief noch oder stellte sich zumindest schlafend, als ich sie vorsichtig heraushob. Sie war verkrampft, also war sie wach. Ivan wartete vor der Tür auf mich. »Samaras alte Suite ist noch frei. Du kannst sie dort unterbringen«, sagte er und ich marschierte nickend an ihm vorbei. »Vlad?«

Auf der dritten Stufe drehte ich mich um. »Ja?«

»Bring sie in ihr Schlafzimmer, danach will ich dich in meinem Büro sehen.«

»Würdest du Samara nach oben schicken? Vielleicht könnte sie Galina Kleidung leihen, bis ich für sie einkaufen war.«

Ivan nickte. »Sicher, ich sage ihr Bescheid.«

»Danke.« Ich wandte mich von ihm ab und nahm die weiteren Stufen nach oben.

Als ich Galina in Samaras ehemalige Suite gebracht hatte, legte ich sie ins Bett. Es war frisch bezogen, vermutlich hatte Ivan schon alles vorbereiten lassen, denn diese Räume waren normalerweise unbewohnt. Ich wohnte in der alten Suite meines Bruders, Alessia in jener unserer verstorbenen Cousine. Ich blieb noch einen Moment neben dem Bett stehen, als Galina sich aufrichtete und verwirrt umsah. »Wo bin ich hier?«, fragte sie leise in unserer Muttersprache.

»In Los Angeles«, antwortete ich und sie zuckte heftig zusammen.

Sie schaute zu mir hoch und ich hätte nicht gedacht, dass es passieren könnte, aber sie wurde noch blasser. Ihr Schweigen wirkte wie ein eiskalter Hauch, der mich frösteln ließ.

»Du bist in Sicherheit, Galina.«

Galina schluckte, ihre Unterlippe zitterte. »Sicherheit?«

»Ja, niemand wird dir etwas tun.« Ich wollte Platz nehmen, aber sie rutschte auf die andere Seite des Betts. Und noch weiter, bis sie herunterfiel.

Sofort stand ich wieder auf, ging eilig um das Möbelstück herum und riss erstaunt die Augen auf. Galina kniete, wie in der Zelle, aus der wir sie befreit hatten, und öffnete den Mund. Sie hielt ihn einfach geöffnet. Ich hob eine Augenbraue, weil sie nackt war. Die muffige Decke, die sie schon in Tschechien trug, war heruntergefallen und bauschte sich um ihre Beine herum auf. »Was soll das?«

Sofort senkte sie ihren Blick, das Zittern beunruhigte ihren ganzen Körper.

»Galina, warum …«

»Ich muss immer zur Verfügung stehen«, unterbrach sie mich eingeschüchtert. »Immer bereit sein, um Lust zu schenken.« Sie hatte bisher nur unsere Muttersprache gesprochen, damals aber auch Englisch, möglicherweise hatte sie die Fremdsprache inzwischen vergessen.

Es traf mich wie ein Schlag. Sie hielt mich für einen Kerl, der sie einfach nehmen würde, auch wenn sie es nicht wollte. »Hier musst du nicht mehr zur Verfügung stehen. Niemand wird dich gegen deinen Willen anfassen.«

Es klopfte, dann hörte ich die Tür und Schritte. »Ivan sagte, dass ich Kleidung bringen soll«, sagte Samara und betrat das Schlafzimmer. »Was …«, stieß sie aus, als sie neben mich trat und verstummte abrupt. Meine Schwägerin sah zu mir hoch.

»Sie dachte, ich wäre ein … Freier«, wandte ich mich auf Englisch an Samara.

Sie seufzte schwer und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Galina. »Erinnert sie sich?«

»Sieht nicht danach aus.«

Ein leiser Laut des Entsetzens stieg ihre Kehle empor. »Wo war sie?«

»In Tschechien, Adam Novák hatte sie von Máté Balogh gekauft.«

»O Gott.« Samara trat näher zu Galina und legte für sie sichtbar die Kleidungsstücke aufs Bett. »Willst du dich waschen?«, fragte sie auf Russisch.

»Darf ich überhaupt?« Galinas Blick glitt auf mich, er wirkte hoffnungsvoll.

»Du darfst dich jederzeit waschen, hinlegen oder im Haus bewegen«, versicherte ich ihr.

Tränen traten in ihre bernsteinfarbenen Augen. »Wirklich?«

»Ja.«

»Und Männer? Muss ich zu Diensten sein? Muss ich immer bereit sein?« Offensichtlich hatte sie mich nicht verstanden, als ich sagte, dass diese Zeit vorbei war. Oder sie hatte es einfach nicht registriert, weil sie so aufgeregt und ängstlich war.

»Nein. Niemand wird dich belästigen oder dazu zwingen, Zeit mit ihm zu verbringen.«

»Spasibo«, wisperte Galina mit rauer Stimme. Danke.

Samara schniefte neben mir, als ich sie ansah, schluckte sie. »Das ist furchtbar.« Kaum hatte sie es ausgesprochen, machte sie einen Schritt auf Galina zu und streckte ihre Hand aus. »Komm, ich zeige dir das Bad.«

Galina schaute Samaras Hand an, dann mich fragend.

»Geh nur«, erlaubte ich ihr und ahnte, dass es eine ganze Weile so laufen würde, dass sie mich wegen allem um Erlaubnis bat.

Sie legte ihre zitternden Finger in Samaras Handfläche und kam schwerfällig auf die Beine. Die Decke ließ sie achtlos liegen. Ich schluckte, als ich all die Hämatome an ihrem Körper sah, aber unterdrückte das Knurren, das meine Kehle hochrollen wollte. Dafür würde Novák früher oder später büßen.

»Alles ist gut«, sagte Samara, als sich der Atem Galinas beschleunigte. Sie stolperte, weshalb ich sie auffing und gemeinsam mit meiner Schwägerin stützte. »Geht's?«, erkundigte Samara sich.

»Da.« Galinas Stimme war leise und ihre Unsicherheit greifbar.

»Kriegst du es hin? Ich glaube, sie fühlt sich nicht wohl dabei, von mir berührt zu werden«, wandte ich mich an Samara.

»Ja, ich sage dir Bescheid, wenn wir fertig sind.«

»Mach das. Ivan will mich sehen, also lasse ich euch beide allein.«

»Klar.« Sie schenkte mir ein schwaches Lächeln und half Galina Richtung Bad.

Als Galinas Beine erneut nachgaben, griff ich ein. »Ich bringe sie ins Bad und lasse euch dann allein.«

»Okay.«

Ich trug sie ins Badezimmer, Samara war mir dicht auf den Fersen. »Wohin soll ich sie setzen?«

»Am besten auf die geschlossene Toilette. Ich werde ihr ein Bad einlassen, damit sie sich waschen kann.«

»Okay.« Ich setzte Galina auf die geschlossene Toilette und zog mich von ihr zurück. »Wir sehen uns beim Abendessen«, wandte ich mich an meine Schwägerin. »Frag sie, ob sie sich mit uns an den Tisch setzen oder in ihrem Zimmer essen will.«

»Ich werde sie erst mal waschen«, sagte Samara leise.

»In Ordnung.« Ich verließ das Bad und zog die Tür hinter mir zu, damit die beiden ungestört waren. Nachdem ich auch die Suite verlassen hatte, nickte ich Anatolij zu, der wieder für Samara zuständig war und vor Galinas Räumen Stellung bezogen hatte. »Hilf Mrs. Wolkowa, falls sie dich rufen sollte.«

»Ja, Sir«, erwiderte er respektvoll und begradigte seine Haltung.

»Danke.« Ich machte mich auf den Weg nach unten, in der Hoffnung, dass mein Bruder mich nicht allzu lange in Beschlag nehmen würde.

* * *

Samara

Ich betrachtete Galina, die ihren Oberkörper vor und zurück wiegte, während ich Handtücher aus dem Schrank nahm. Das Badewasser lief bereits in die Wanne und ich hatte Lavendelöl gefunden, dass ihre Schürfwunden nicht zu sehr reizen würde, wenn ich es ins Wasser gab. »Du kannst dich schon mal in die Badewanne setzen«, sagte ich, als ich zwei große und ein kleines Handtuch bereitgelegt hatte.

Sie sah mich an. Ihr linkes Auge war geschwollen, auch ihre rechte Wange. »Danke«, sagte sie leise auf Russisch.

»Gern geschehen«, erwiderte ich, allerdings waren meine Russischkenntnisse noch nicht auf dem Expertenlevel angekommen, dennoch gab ich mir Mühe.

Galina stand schwerfällig auf und kam langsam auf mich zu. Ich ging an ihre Seite, um sie notfalls zu stützen. »Bin ich sein Besitz?«

Ich sah sie verständnislos an. »W-was?«

»Besitzt der Mann mich?«

»Nein, er hat dich befreit. Du bist frei, Galina«, versicherte ich ihr heiser. »Niemand besitzt dich.«

Sie atmete auf, aber ich war mir sicher, dass sie es nicht verstand. Wer wusste schon, wie lange sie irgendwelchen Männern dienlich sein musste? Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, was Galina durchgemacht hatte.

Galina stieg vorsichtig in die Badewanne und wimmerte, als sie sich hinsetzte. »Es brennt.«

»Das lässt gleich nach.« Ich setzte mich auf den Badewannenrand und sah sie fragend an. »Darf ich dir helfen?«

Hektisch schüttelte sie den Kopf. »Es wird wehtun.«

»Ich weiß, aber ich werde vorsichtig sein.« Ich zeigte ihr den Badeschwamm. »Der ist ganz weich.«

Ihr Blick huschte zwischen dem Schwamm und mir hin und her, bis sie seufzend nickte. Ich tauchte ihn ins Wasser, anschließend wusch ich sie behutsam. Gelegentlich wimmerte sie und kniff die Augen zu, aber sie musste gewaschen werden. Ihre Haut war verschmutzt, ihr Haar fettig und dass sie Angst hatte, spürte ich.

---ENDE DER LESEPROBE---