Dark Predator: Gegen jedes Risiko - Drucie Anne Taylor - E-Book

Dark Predator: Gegen jedes Risiko E-Book

Drucie Anne Taylor

0,0
2,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Alessia Wolkowa ist die Prinzessin der berüchtigten Wolkow-Bratwa. Von ihrem Vater schon in frühester Kindheit dazu verdammt, einen Mann zu heiraten, den er ausgesucht hat, rebelliert sie gegen die strengen Regeln ihrer Familie. Kyrill Nowikow musste als Kind den Mord an seiner Mutter mitansehen und wuchs danach im lieblosen Haus seines Vaters auf. Als eines Tages die Wolkow-Printsessa in seinem Elternhaus auftaucht und ihm als Verlobte seines Halbbruders vorgestellt wird, weiß er nicht, wie er sich ihr gegenüber verhalten soll, bis ein gemeinsamer Freund zum Feind Kyrills und der Wolkows wird und Alessias Leben bedroht. Vom Rachedurst getrieben, nimmt er keine Rücksicht auf Verluste, um Alessia aus den Fängen dieses Mannes zu befreien. Wird es ihm gelingen?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dark Predator

GEGEN JEDES RISIKO

DANGEROUS HEROES

BUCH DREI

DRUCIE ANNE TAYLOR

Copyright © 2019 Drucie Anne Taylor

Korrektorat: S.B. Zimmer

Satz & Layout © Julia Dahl

Umschlaggestaltung © D-Design Cover Art

Auflage 01 / 2023

Angelwing Verlag / Paul Dahl

6 Rue Saint Joseph

57720 Obergailbach / Frankreich

[email protected]

Alle Rechte, einschließlich das, des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Dies ist eine fiktive Geschichte, Ähnlichkeiten mit lebenden, oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Alle Markennamen, Firmen sowie Warenzeichen gehören den jeweiligen Copyrightinhabern.

Inhalt

Triggerwarnung

Prolog

1. Alessia

2. Kyrill

3. Alessia

4. Kyrill

5. Galina

6. Alessia

7. Kyrill

8. Alessia

9. Kyrill

10. Alessia

11. Kyrill

12. Alessia

13. Kyrill

14. Alessia

15. Kyrill

16. Alessia

17. Kyrill

18. Alessia

19. Ivan

20. Kyrill

21. Alessia

22. Kyrill

23. Alessia

24. Kyrill

25. Alessia

26. Kyrill

27. Alessia

28. Galina

29. Vladimir

30. Kyrill

Epilog

Danksagung

Über die Autorin

Dark Wolf: Gegen jede Regel

Dark Butcher: Gegen jeden Widerstand

Weitere Werke der Autorin

Dieses Buch

Alessia Wolkowa ist die Prinzessin der berüchtigten Wolkow-Bratwa. Von ihrem Vater schon in frühester Kindheit dazu verdammt, einen Mann zu heiraten, den er ausgesucht hat, rebelliert sie gegen die strengen Regeln ihrer Familie.

Kyrill Nowikow musste als Kind den Mord an seiner Mutter mitansehen und wuchs danach im lieblosen Haus seines Vaters auf. Als eines Tages die Wolkow-Printsessa in seinem Elternhaus auftaucht und ihm als Verlobte seines Halbbruders vorgestellt wird, weiß er nicht, wie er sich ihr gegenüber verhalten soll, bis ein gemeinsamer Freund zum Feind Kyrills und der Wolkows wird und Alessias Leben bedroht.

Vom Rachedurst getrieben, nimmt er keine Rücksicht auf Verluste, um Alessia aus den Fängen dieses Mannes zu befreien. Wird es ihm gelingen?

Triggerwarnung

Liebe Leserin, lieber Leser,

Dieses Buch ist voller Brutalität, Schimpfwörter, Flüche und vielen weiteren Beschreibungen, die dich schockieren könnten. Wenn du einen rosaroten Liebesroman erwartest, der sich strikt an die Realität hält, wird dich dieses Buch enttäuschen. Diesmal habe ich bewusst Grenzen ausgelotet und überschritten. Dieses Buch ist reine Fiktion, nichts von dem, was darin geschieht, passiert wohl so im wahren Leben und wenn doch, dann in den Schatten, in die wir nicht blicken.

Wenn ihr derartige Darstellungen nicht lesen möchtet oder euch dabei unwohl fühlt, empfehle ich euch, dieses Buch nicht zu lesen, da es euch triggern könnte – und das ist das Letzte, was ich erreichen will.

Alle sexuellen Handlungen zwischen den Protagonisten sind einvernehmlich, dennoch gilt im wahren Leben »safer Sex« und nicht »rein da und ab dafür.«

Dieses Buch behandelt sensible Themen und könnte dich triggern, wenn du empfindlich auf Gewalt gegen Frauen reagierst!

Allen, die sich von meiner Warnung nicht beeindrucken lassen, wünsche ich viel Spaß mit Kyrills und Alessias Geschichte.

Prolog

KYRILL

Achtzehn Jahre zuvor

Irgendwo in Russland

»Nein!«, schrie Mama und sah mich mit aufgerissenen Augen an. »Lass meinen Sohn in Ruhe, du mieses Arschloch!«

Ich wich den Fäusten ihres besoffenen Freundes aus, aber seinen Tritten konnte ich nicht ausweichen. Ich schmeckte Blut. Der metallische Geschmack benetzte meine Zunge und wann immer ich etwas sagen wollte, sprudelte es aus meinem Mund.

Ich glaubte, sterben zu müssen.

Mama riss an seinem Arm, doch er schüttelte sie ab. »Hör auf, ihm wehzutun!«

»Er hat meinen Wodka verschüttet, Asja, und das war scheißteures Zeug!«, herrschte er sie an.

»Bitte, es reicht, er ist erst sieben Jahre alt. Er weiß gar nicht, dass er einen Fehler gemacht hat!« Mama versuchte wieder, ihn von mir wegzuzerren, aber es gelang ihr nicht. Stattdessen ließ er von mir ab und ging auf sie zu. »Du sagst mir, was ich zu tun und zu lassen habe?«, schrie er sie an.

»Du sollst meinen Sohn in Ruhe lassen!«

Er umklammerte Mamas Hals und drückte zu.

»Lauf, Kyrill, lauf«, krächzte sie, aber ich blieb wie angewurzelt liegen, denn mein Körper kam mir bleischwer vor. Mit großen Augen starrte ich zu meiner Mutter, die um ihr Leben kämpfte. »Lauf, mein Sohn«, wiederholte sie und ich sah, dass sie blau anlief.

Der Hass, den er verströmte, hüllte mich ein. Ich sah rot, kam auf die Beine und rannte auf ihn zu. Mit geballten Fäusten schlug ich auf ihn ein, aber es beeindruckte ihn nicht. Immer und immer wieder hämmerte ich auf ihn ein, bis er mich schlug. Ich krachte gegen die Anrichte in der Küche und fiel wimmernd zu Boden. Er brachte Mama zu Fall, dann fing er an, auf sie einzutreten. Immer wieder, immer fester, bis Mama Blut über die Schachbrettfliesen spuckte.

»Lauf, mein Kleiner, bitte lauf«, keuchte sie, aber ich war zur Salzsäule erstarrt.

* * *

Ich starrte in Mamas leblose Augen. Seit Stunden hatte ich mich nicht vom Fleck gerührt. Ihr Blut war inzwischen an meinen Füßen angekommen, färbte sie rot.

Ich konnte mich nicht bewegen.

»Mama, sag doch etwas«, bat ich sie leise, aber sie rührte sich nicht. Inzwischen sickerte kein Blut mehr aus ihren Wunden und in jener, die tödlich gewesen war, steckte immer noch das große Messer, mit dem sie sonst den Festtagsbraten tranchierte.

Er hatte sie einfach umgebracht, weil ich seinen Wodka verschüttet hatte.

Danach war er mit den Worten »Sieh nur, was du angerichtet hast« verschwunden. Ich wusste, dass mir niemand glauben würde, wenn ich sagte, dass er sie nur wegen meiner Tollpatschigkeit ermordet hatte.

Schritte.

Ich drängte meinen Rücken gegen den Unterschrank in der Küche und lauschte.

Ich lauschte um mein Leben.

Würde er nun kommen, um mich zu töten?

»Blyad!«, stieß eine männliche Stimme aus.

Ich hatte sie immer nur gehört, wenn ich schon im Bett lag. Aber ich hatte noch nie mit diesem Mann gesprochen.

Er trat in mein Sichtfeld. Der Mann war groß, hatte braune Haare und graue Augen, sein Gesicht kam mir dennoch bekannt vor. Aber ich wusste nicht, wo ich ihn schon einmal gesehen hatte. »Was ist passiert?«, fragte er mit rauer Stimme.

Mein Mund klappte auf und zu, aber Worte drangen nicht aus meiner Kehle. Sie blieben auf halbem Weg stecken.

»War er das?«

Ich nickte hektisch.

»Warum?«

Ohne etwas zu sagen, zeigte ich zu der zerbrochenen Wodkaflasche, die unweit von mir auf dem Boden lag.

»Wegen des Alks?«

Wieder nickte ich.

»Er hat sie wegen einer zerbrochenen Flasche Wodka getötet?«

Diesmal schüttelte ich den Kopf.

»Sondern?«

Ich senkte den Blick, dann zeigte ich auf mich.

»Hast du die Flasche zerbrochen?«

Nicken.

»Und dann hat er sie getötet?«

Nicken.

»So ein verdammter sukin syn!«, brüllte er auf und kam zu mir. »Mein Name ist Adrian Nowikow, du bist Kyrill Nowikow, weißt du, was das bedeutet?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Das bedeutet, dass ich dein Vater bin. Du kommst mit mir und wirst bei mir und meiner Familie leben. Verstehst du das?«

Daraufhin zuckte ich mit den Schultern. Natürlich wusste ich, was das bedeutet, aber ich wollte nicht weg. Ich wollte bei Mama bleiben. Ich kannte doch nur sie, hatte nur sie!

»Komm, moy syn.« Er ging vor mir in die Hocke, schob seine Hände unter meine Arme und hob mich mühelos hoch. »Du hast genug Grauen gesehen«, sagte er leise, streichelte meinen Hinterkopf und ich verbarg mein Gesicht an seiner Schulter.

Und dann weinte ich.

* * *

Ich fand mich vor einem großen Haus wieder, das mir wie ein Schloss vorkam. In allen Fenstern brannte Licht, es war nicht dunkel, so wie bei Mama und mir, wenn die Räume verlassen waren. Hier blendete es mich fast.

»Das ist jetzt dein Zuhause, Kyrill«, sagte Adrian Nowikow freundlich, nahm meine Hand und führte mich zu der großen Haustür.

Kälte ergriff Besitz von mir, als wir das Haus betraten.

Ich fühlte mich fehl am Platz.

»Papa!«, rief ein Junge mit braunen Haaren freudestrahlend aus und rannte auf Adrian zu.

Adrian ließ meine Hand los, fing ihn auf und hob ihn auf seine Arme. »Hallo, mein Sohn.« Er schaute zu mir runter. »Möchtest du unseren Gast nicht begrüßen?«

»Wer ist das?«, fragte der Junge neugierig, als er mich ebenfalls ansah.

»Gawrill, das ist Kyrill, dein Halbbruder.«

»Ich habe einen Bruder?«, fragte dieser hoffnungsvoll.

Dieselbe Frage schoss mir auch durch den Kopf. Ich hatte mir immer Geschwister gewünscht, aber Mama sagte, dass ich sie so glücklich machte wie fünf Kinder. Das hieß für mich, dass ich Einzelkind bleiben würde. Jedenfalls hatte ich das bis zum heutigen Tag gedacht.

»Richtig, du hast einen Bruder«, antwortete Adrian schließlich und schenkte mir ein warmes Lächeln, das ich nicht erwidern konnte. Überhaupt dachte ich, dass ich nicht mehr fähig war, irgendwas zu tun. Selbst das Atmen war unsagbar schwer für mich. Es fühlte sich an, als würden ganze Gebirgsketten auf meiner Brust lasten, die mich am Sprechen und Atmen hinderten. Und dann war ich auch noch hierher gebracht worden. In eine fremde Welt, in der ich ein Eindringling war, würde ich nun leben müssen. Das hatte Adrian mir gesagt, als er mit mir hierher gefahren war.

»Da bist du ja wieder, Adrian«, sagte eine Frau, zu der ich darauffolgend schaute. Ihre Miene erstarb, als sie mich sah. »Du hast deinen Bastard mitgebracht?«

»Asja ist tot, Daria, Kyrill wird jetzt bei uns leben.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich will ihn nicht unter unserem Dach haben.«

»Wenn wir es genau nehmen, ist es mein Dach, nicht unseres. Falls du damit nicht zurechtkommst, kannst du deine Sachen packen und gehen«, erwiderte Adrian entschieden. Liebte er die Frau denn gar nicht? »Du wirst ihn behandeln, als wäre er dein leiblicher Sohn, hast du verstanden?«, fragte er mit drohender Stimme, als er mit Gawrill auf den Armen zu ihr ging.

Sie schnaubte. »Wir werden sehen.« Dann räusperte sie sich. »Gawrill, zeig dem jungen Mann sein Schlafzimmer, damit er sich ausruhen kann.«

»Ja, Mama.«

Adrian setzte den Jungen ab, der daraufhin zu mir kam. »Komm, du kriegst das Zimmer neben meinem, damit wir immer miteinander spielen können.« Gawrill nahm meine Hand in seine und zog mich zur Treppe, ohne meine Antwort abzuwarten. Ich wollte nicht hierbleiben, sondern zurück zu Mama.

Tränen traten in meine Augen, aber Adrian verlangte Tapferkeit, also weinte ich sie nicht. Ich verbarg sie vor den fremden Männern, die Gawrill und mir entgegenkamen und mich skeptisch musterten. Mein Gesicht war nicht gewaschen, dabei hatte ich noch vor Stunden geblutet. Ich sah bestimmt nicht wie ein nettes Kind, sondern wie ein Monster aus.

»Hier wohnst du jetzt«, sagte Gawrill schließlich, als wir vor einer Tür standen. Er öffnete sie und zeigte mir ein großes Schlafzimmer. Es war sogar größer als Mamas und mein Wohnzimmer.

»Okay«, presste ich mühsam hervor.

»Geh schon rein.« Er schob mich in den Raum und ich schaute mich um. »Durch die Tür da kannst du in mein Zimmer kommen.«

Ich nickte, als ich seinem Deuten mit meinem Blick folgte.

»Und da steht dein Bett«, fuhr er fort und zeigte zu einem Bett, um das Vorhänge drapiert waren.

Es kam mir eigenartig vor.

* * *

Als ich später in diesem eigenartigen Bett lag, starrte ich den Stoff an, der über der Liegefläche angebracht war. So ein Bett hatte ich noch nie gesehen und ich wusste nicht, ob es einen Namen dafür gab.

Meine Gedanken schweiften zu Mama und einmal mehr stiegen die Tränen auf. Sie war nicht mehr da – und ich weinte.

* * *

Alessia

»Für kein Geld der Welt werde ich Gawrill Nowikow heiraten, Papa!«, herrschte ich Papa an. »Lieber gehe ich ins Kloster!«

»Lässt sich einrichten, geh packen«, erwiderte er desinteressiert, ohne den Blick von seinen Unterlagen zu heben.

Meine Gesichtszüge entgleisten. »Ist das dein Ernst? Wenn ich nicht tue, was du sagst, werde ich ins Kloster geschickt?«

Papa schnaubte. »Das war dein Vorschlag, nicht meiner, Lessi«, entgegnete er gelassen.

Ich verkniff mir den frustrierten Aufschrei. »Warum darf ich nicht wie Ivan und Vlad aus Liebe heiraten?«

»Die Liebe kommt mit der Zeit, moya doch‘«, hielt er unbeeindruckt dagegen.

»Ich werde ihn nicht heiraten!«

»Wie du meinst«, sagte er ruhig, dabei wollte ich ihn aus der Fassung bringen. Er sollte sich genauso aufregen wie ich, aber Stanislav Wolkow war durch nichts und niemanden aus der Ruhe zu bringen, was mich noch mehr ärgerte.

»Ich kenne ihn ja nicht mal! Wie soll ich jemanden lieben lernen, den ich noch nie gesehen habe? Ihr wollt mich an den Meistbietenden verschachern, damit eure Scheißbratwa…«

»Eto dostatochno!«, herrschte er mich an.

Es reichte ihm.

Jetzt.

Ich schluckte, versuchte auf diese Weise, meine Wut niederzukämpfen, aber es gelang mir nicht.

»Alessia, du weißt seit Jahren, dass du einen Mann heiraten wirst, der der Familie von Nutzen ist. Vlad hat auch mehrere Frauen geheiratet, zu deren Familien wir heute noch gute Geschäftsbeziehungen pflegen. Finde dich endlich damit ab.«

Ich schüttelte den Kopf. »Du bist nicht mehr der Pakhan, du kannst mich gar nicht dazu zwingen!«

»Ich bin immer noch dein Vater und ich sage dir, ich kann!«, schrie er mich an. Seine Ruhe war dahin – endlich. »Und glaub mir, du wirst den Mann, den ich für dich ausgesucht habe, heiraten!«

Wütend ballte ich die Fäuste und unterdrückte mühsam die Tränen. »Das werde ich nicht tun. Ich werde Vlad darum bitten, mir das nicht anzutun!«

»Vlad und Galina sind in Amerika, momentan vertrete ich seine Interessen in St. Petersburg, was heißt, dass dir keine andere Möglichkeit bleibt.«

»Ich werde ihn anrufen«, sagte ich entschieden.

»Nein, du wirst dich fügen.« Papa trat auf mich zu und legte seine Hände auf meine Schultern. Er sah mir fest in die Augen. »Du wirst tun, was ich dir sage, wenn ich es dir sage. Hast du das verstanden?«

Ich entzog mich ihm. »Ich werde ihn nicht heiraten!« Mit diesen Worten wandte ich mich ab und verließ sein Büro.

»Du wirst später von den byki der Nowikows abgeholt und zu ihnen gebracht. Wehe, du blamierst die Familie!«, rief er mir nach. Nun wusste ich auch, warum Mama vorhin mit dem großen Koffer in mein Zimmer gekommen war. Sie schoben mich zu den Nowikows ab, wie man es damals mit Vlads Frauen gemacht hatte, die zu uns gekommen waren. Sie hatten meinen Bruder auch nicht geliebt, aber den Kampf gegen ihre Eltern wesentlich schneller aufgegeben als ich. Und ich sah es nicht ein, kampflos in mein Unglück zu rennen.

»Raus!«, herrschte ich Mama an, als ich mein Schlafzimmer betrat.

Überrascht sah sie mich an. »Was ist passiert?«

»Ihr schiebt mich ab, damit ich meinen ungeliebten Verlobten kennenlerne!«, schrie ich sie frustriert an. »Raus jetzt, Mama! Bitte, geh einfach!«

Sie seufzte und kam auf mich zu. Mama legte ihre Hand an meine Wange und sah mich aus tränennassen Augen an. »Du weißt, dass ich die Taten deines Vaters nicht immer gutheiße. Diese Heirat heiße ich auch nicht gut und ich versuche seit Monaten, ihn von dieser Idee abzubringen, aber es gelingt mir nicht. Selbst deinen Brüdern ist es nicht gelungen«, erklärte sie heiser. »Ich wünschte, du hättest es so gut wie deine Brat’ya und könntest aus Liebe heiraten.«

»Ich auch«, stimmte ich leise zu und zog mich zurück. Ich setzte mich aufs Bett, stützte meinen Kopf ab und atmete tief durch. Nichts wollte den Sturm beruhigen, der in mir tobte. »Lass mich bitte allein, Mama.«

Sie kam zu mir, drückte einen Kuss auf meine Stirn und verließ mein Schlafzimmer.

Nun konnte ich meine Tränen nicht länger zurückhalten. Ich ließ sie einfach fließen, hinderte sie nicht daran und ließ sie auf meine Kleidung tropfen.

* * *

»Alessia?«

Ich hob den Blick und sah Papa tränenblind an.

Eine seiner kantigen Augenbrauen glitt in die Höhe, als er mich musterte. »Sie sind da. Wasch dir das Gesicht und versuch, die Spuren deiner Tränen mit Make-Up zu kaschieren.«

Ich ließ die Schultern hängen und schaute zu Boden, ohne mich vom Fleck zu bewegen.

»Beweg dich, Lessi!«, seine Stimme schnitt wie ein Messer durch die Luft.

Mühsam erhob ich mich und trollte mich ins Bad. Leicht wollte ich es weder ihm, noch den Nowikows machen. Ich kannte Adrian, aber seinen Sohn nicht. Meine Güte, bis vor Kurzem hatte ich nicht einmal gewusst, dass er Vater ist.

Nachdem ich mein Gesicht gewaschen und das Make-up aufgefrischt hatte, verließ ich das Badezimmer. Mein Vater musterte mich aufmerksam, jedoch spürte ich auch seine Ungeduld. »Gut, ich werde deinen Koffer von Mischa holen lassen, sobald wir unten sind und dich die byki der Nowikows in Empfang genommen haben.«

Ich nickte bloß, statt etwas zu sagen. Ohne mit ihm zu sprechen, holte ich meine Handtasche und machte mich auf den Weg nach unten.

»Wir sehen uns bald wieder, ryby«, sagte Mama, als ich an ihr vorbeiging.

Auch ihr nickte ich bloß zu. Zu mehr war ich einfach nicht mehr imstande. Das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich die beiden wirklich Angst einflößenden byki der Nowikows sah. Sie machten dem Namen alle Ehre. Sie waren Bullen, verdammt große und finster dreinblickende sogar. Ich ließ mir nicht anmerken, dass sie mich einschüchterten. Sie sollten es ebenso wenig wissen wie mein Vater, der das sicherlich für seine Zwecke ausnutzen würde. Ich konnte unsere byki schon kaum ausstehen, einzig Mischa verstand, dass ich nicht nur heiraten wollte, um der Familie dienlich zu sein. Vor allem verstand ich nicht, wieso Vlad und Ivan dieses Vorhaben zuließen. Oder wussten sie nichts davon? Das wiederum konnte ich nicht wissen. Aber da er mir heute Morgen per WhatsApp geschrieben hatte, dass Galinas Wehen eingesetzt hatten, konnte ich ihn nicht erreichen. Vom Badezimmer aus hatte ich es versucht, allerdings hatte die Mailbox den Anruf angenommen.

»Dein Handy, Alessia«, sagte Papa streng.

»Warum muss ich es abgeben?«

»Damit du keine Dummheiten machst.«

Seufzend holte ich es aus meiner Handtasche, behielt aber die Sicherheit des Prepaid Handys, das ich immer nutzte, um mit meinen Freundinnen zu kommunizieren. Ich legte es in seine geöffnete Handfläche und ließ die Tasche zuschnappen.

Er trat dicht an mich heran, schob seine Hand in meinen Nacken und zog mich an sich. »Irgendwann wirst du verstehen, dass es das Richtige ist«, sagte er leise, dann drückte er einen Kuss auf meine Stirn. »Bis bald, moya doch‘.«

Ich löste mich von ihm, dann folgte ich den Leibwächtern der Familie Nowikow.

»Mischa wird dich begleiten, Lessi«, sagte Papa mir hinterher, aber ich ignorierte es. Dennoch erleichterte mich das Wissen, einen Vertrauten in meiner Nähe zu haben.

* * *

Kyrill

»Ich bin in der Lage, mich allein in dieses Haus zu bewegen, vielen Dank!«, hörte ich eine weibliche Stimme schimpfen.

Was hatte ich wieder nicht mitbekommen? Ich senkte das Buch, das ich zum zigsten Mal las, und erhob mich von meinem Bett. Getrieben von meiner Neugier ging ich ans Fenster, um einen Blick nach draußen zu werfen. Eine junge Frau wurde von zwei byki flankiert zur Haustür geführt. Sie schüttelte immer wieder die Hände der Männer ab, ein dritter folgte ihnen.

Ich musterte sie.

Lange schwarze Locken, sportlicher Körper und ein beachtlicher Vorbau.

Wahnsinn.

»Kyrill!«, rief Gawrill, mein Halbbruder, in dem Moment, in dem ich mich weiter nach vorn beugte, um sie zu betrachten.

Ich richtete mich auf und schaute zur Tür, durch die er sicher jeden Moment hereinkommen würde.

Und nur einen Atemzug später geschah, was ich vorhergesehen hatte. »Kannst du mir mit der Krawatte helfen? Mama hat den Knoten gelöst, Papa ist verhindert und gleich kommt die Frau, mit der ich mich verloben soll.«

Ich neigte den Kopf, um ihn zu betrachten, dann nickte ich.

Gawrill kam zu mir. Ich nahm ihm die Krawatte aus seiner Hand und band sie ihm um. Seufzend ging er an den verspiegelten Kleiderschrank und musterte sich. »Kann ich ihr so gegenübertreten?«

»Warum nicht?«, fragte ich gelassen.

»Sie ist eine Wolkowa. DieWolkowa-Printsessa.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Heiratest du sie oder ihren Status?«

»Sie natürlich.«

»Dann sei charmant«, sagte ich und ging zurück zum Bett. »Und wenn sie diejenige ist, die sich vor fünf Minuten mit unseren Leibwächtern angelegt hat, dann ist sie schon da.«

»Blyad!«, fluchte er und drehte sich zu mir um. »Sie sollte erst ankommen, wenn Papa zurück ist.«

Meine Augenbraue glitt in die Höhe. »Hast du nicht genug Eier in der Hose, um ihr allein gegenüberzutreten?«

Mein Bruder seufzte schwer. »Sie will diese Hochzeit nicht, deshalb wäre etwas Rückendeckung ganz gut.« Er sah mich erwartungsvoll an.

Abwehrend hob ich die Hände. »Ich halte mich aus eurem Brautshopping heraus.«

»Gott, Kyrill, du bist gerade der Einzige, der mir helfen kann.«

Meine Miene verfinsterte sich. »Mhm.«

»Komm schon.«

Daraufhin verdrehte ich die Augen. Ich war nicht besonders scharf darauf, diese Frau kennenzulernen, denn ich wusste, dass man nicht mehr besonders viel Lebenszeit übrig hatte, wenn man den Wolkows gegenüber etwas Falsches sagte.

»Bitte«, sagte er eindringlicher. Der Schlappschwanz flehte mich an, als würde sein Leben davon abhängen.

»In Ordnung«, gab ich mich schließlich geschlagen. »Aber ich ziehe keinen Anzug an.«

Gawrill betrachtete mich skeptisch. »Warum nicht?«

»Sie wird nicht meine Frau, sondern deine, also sollte ich keinen guten Eindruck machen, hm?«

»Auch wenn du sie nicht heiratest, solltest du dich ihr nicht in deinen Sportsachen vorstellen«, meinte er und drehte sich wieder zum Kleiderschrank. Gawrill holte einen dunkelbraunen Anzug heraus und hängte ihn an die Tür. »Zieh den an, lass meinetwegen die Krawatte weg. Ich weiß ja, wie sehr du die Dinger hasst.«

»Mindestens genau so sehr wie du«, neckte ich ihn und stand auf. »Gehst du vor oder wartest du auf mich?«

»Ich werde warten.«

»Na schön.« Mein Bruder und mein Vater waren die einzigen in diesem Haus, mit denen ich sprach. Byki erhielten keine Befehle von mir, meine Stiefmutter ignorierte mich wie ich sie ignorierte, und Alessia würde ich wohl auch die kalte Schulter zeigen.

* * *

Fünf Minuten später war ich umgezogen und zeigte mich meinem Bruder. »Zufrieden?«

»Willst du dein Haar so lassen?«

»Ich trage es immer so, Gawrill.« Mein Haar war kurz, blond und ich hatte es mit Wachs in Form gebracht. Weder meinem Vater noch meinem Bruder gefiel meine Frisur, aber das kümmerte mich nicht. Ich war sowieso nur hier, weil der alte Herr sich weigerte, mich ziehen zu lassen. Ich war sein Bastard, gezeugt mit einer Affäre, aber laut ihm ein Kind der Liebe.

Meine Mutter, die Frau, die mir das Leben geschenkt hatte, war nur eine Affäre.

Dabei hätte er sie beschützen müssen.

Vor ihm.

Vor dem Mann, der mich verprügelte, wann immer er die Gelegenheit dazu hatte, und Mama schließlich umbrachte, weil ich seinen Scheißalkohol verschüttet hatte. Alles, was ich wollte, war Rache und die bereitete ich akribisch vor. Meine Zielperson war mächtig, reich und ein mieser Hurensohn von Unterweltboss, bei dem ich alle Register ziehen musste. Vielleicht würde Alessia Wolkowa doch nützlich für mich sein. Die Bande, die mein Bruder damit knüpfte, könnten mir helfen, mein Ziel zu erreichen.

»Gut, dann lass uns gehen«, sagte er schließlich und nickte in Richtung Tür.

Ich folgte ihm nach unten, schließlich ins Wohnzimmer, wo ich die kleine Furie aus der Nähe betrachten konnte, die ich durchs Fenster gesehen hatte.

»Es freut mich, dass Sie da sind, Frau Wolkowa.«

Alessia drehte sich zu uns um, als sie uns sah, nahm ihr Blick finstere Züge an. »Ich wäre lieber zu Hause.«

Mein Bruder erstarrte und ich biss amüsiert die Zähne zusammen, weil sie ihm so offensichtlich zeigte, dass sie ihn nicht wollte. »Ich denke, das liegt an Ihrer Aufregung. Darf ich Ihnen Ihr Zimmer zeigen?«

»Sie dürfen mir einen Wagen stellen und mich nach Hause bringen lassen«, antwortete sie freundlich, klimperte sogar mit ihren sagenhaft langen Wimpern, die ihren Augen etwas Katzenhaftes verliehen.

Gawrill schnaubte, aber bevor er loswettern konnte, trat ich einen Schritt vor. »Guten Tag, Gospozha Wolkowa, mein Name ist Kyrill Nowikow, ich bin Gawrills Bruder und kann Ihnen versichern, dass wir alles tun werden, um Ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten.« Ich streckte meine Hand aus.

Alessia sah mich aus umwerfenden braunblauen Augen an. Sie ergriff fest meine Hand und schüttelte sie. »Alessia Wolkowa.«

Gawrill trat an meine Seite. »Da mein Bruder die Vorstellung schon übernommen hat, ich bin Gawrill.« Er bot ihr ebenfalls seine Hand an.

Alessia sah in seine Augen, als sie diese verweigerte. O Mann, die Sache schien ihr ordentlich gegen den Strich zu gehen.

Gawrill knurrte leise, jedoch schien es sie nicht zu beeindrucken. »Ich zeige Ihnen Ihr Zimmer.«

Die Haustür wurde geöffnet und ich hörte Papa reden. »Es tut mir leid, dass ich zu spät bin«, sagte er, als er das Wohnzimmer betrat. »Guten Tag, Alessia.« Er ging zu ihr und schloss sie in seine Arme.

Sie schien zu überrascht, um sich dagegen zu wehren. »Guten Tag, Gospodin Nowikow.«

»Ich hoffe, meine Söhne haben dich angemessen empfangen?«

»Sie möchte nach Hause«, mischte Gawrill sich ein und ich wusste, er hatte seine Eier eingebüßt. Wieso petzte er wie ein kleines Schulmädchen?

Papa nickte. »Nun, ich denke, das ist der Situation geschuldet.« Er trat an Alessias Seite und legte seine Hand auf ihren Rücken. »Ich zeige dir dein Zimmer. Scheu dich nicht, nach uns zu rufen, falls du etwas brauchst.«

Ich meinte, etwas wie »Strick und Beretta wären super, um dem Scheiß zu entgehen« zu hören, aber wollte nicht darauf herumreiten und schon gar nicht nachfragen. Ich hatte sowieso schon zu viel gesagt und die drei waren ab jetzt mit ihrer Heiratsaktion auf sich allein gestellt. Dennoch drehte ich mich um und betrachtete ihren Hintern, der in einer hautengen Jeans steckte. Heiß, schoss es mir durch den Kopf.

»Das ist ja super gelaufen«, brummte Gawrill, als Papa und Alessia das Wohnzimmer verlassen hatten.

»Sieh es ihr nach. Sie wurde sicher nicht nach ihrer Meinung gefragt«, erwiderte ich und ging los.

»Wo willst du hin?«

»Auf mein Zimmer«, antwortete ich, ohne stehenzubleiben. Ich machte mich auf den Weg nach oben und sah, dass die Tür neben meinem Zimmer offenstand. Die beiden Räume waren miteinander verbunden und ich verdrehte die Augen. Ich musste unbedingt die Verbindungstür abschließen und den Schlüssel verschwinden lassen, sonst würde ich es nachts sicher das eine ums andere Mal wagen, in ihr Schlafzimmer zu schleichen, um ihr beim Schlafen zuzusehen.

»Ah, Kyrill«, sagte Papa, woraufhin ich stehenblieb und ihn ansah. »Komm bitte her.«

Ich tat, wie mir geheißen, sonst hätte er ein Fass aufgemacht.

»Alessia fragte, ob wir ein Lesezimmer haben, aber du bist derjenige mit den meisten Büchern im Haus. Zeig ihr doch bei Gelegenheit deine Sammlung und lass sie daran teilhaben, damit sie sich beschäftigen kann.«

Ich nickte.

Alessia musterte mich interessiert. »Ich kann mir auch ein paar Bücher im Internet bestellen, falls Sie mir keine leihen möchten.«

»Quatsch, Kyrill wird dir gern ein paar Bücher leihen.« Er sah zu mir. »Nicht wahr, mein Sohn?«

Ich nickte wieder.

»Herrgott, warum kriegst du nie die Zähne auseinander, wenn Fremde dabei sind?«, fragte er.

»Ich spreche nur, wenn ich etwas zu sagen habe«, antwortete ich teilnahmslos und wandte mich ab.

»Eine vorbildliche Einstellung«, sagte Alessia anerkennend. »Ich würde mich gern etwas ausruhen. Es war eine lange Fahrt und es ist spät geworden.«

»In einer halben Stunde gibt’s Abendessen, du solltest dich im Esszimmer sehen lassen, um meine Frau zu begrüßen.« Papa räusperte sich. »Außerdem hast du so die Möglichkeit, Gawrill etwas besser kennenzulernen.«

»Ich verzichte darauf, ihn näher kennenzulernen.«

Mein Vater seufzte. »Ich weiß, dass dir die Entscheidung deines Vaters nicht gefällt, aber Gawrill ist nicht schuld daran.«

»Doch, er ist genauso schuld daran wie du und Papa«, konterte sie feindselig.

Er sah mich an. »Was sagst du dazu?«

»Dass ich mich raushalte«, erwiderte ich, wandte mich ab und verließ ihr Schlafzimmer, um einen Moment später in meinem zu verschwinden.

»Kyrill!«, rief er mir hinterher.

Ich kümmerte mich nicht darum, auch wollte ich nichts mit dieser Sache, Alessia zwangsweise an meinen Halbbruder zu binden, zu tun haben.

»Ich wusste gar nicht, dass du Vater bist«, hörte ich Alessia durch die Verbindungstür sagen.

»Es war nie wichtig«, vernahm ich Papa.

»Na ja, scheinbar doch, immerhin soll ich jetzt mit einem deiner Söhne verheiratet werden«, wandte sie ein. Diese gottverdammte Tür war wirklich unzuverlässig. Statt ihre Stimme auszusperren, hörte ich sie, als stünde sie direkt neben mir.

»Wie dem auch sei. Ich lasse dich jetzt allein. Um sieben gibt es Abendessen, es wäre schön, wenn du pünktlich erscheinst.«

»Okay«, entgegnete Alessia.

Papa schloss die Tür, es kam mir so vor, als würde er mein Schlafzimmer verlassen. Verdammt, ich musste unbedingt umräumen und mein Bett ins Wohnzimmer schaffen und die Wohnzimmermöbel hier herein. Sie schluchzte, ich hörte es laut und deutlich. Schnaubend ließ ich mich aufs Bett fallen und schloss die Augen. Und Alessia wurde immer lauter.

»Blyad!«, fluchte ich leise, erhob mich und ging an die Verbindungstür. Ich klopfte an.

»Wer ist da?«

»Kyrill«, antwortete ich.

»Und was wollen Sie?«

Ich betrat ihr Zimmer über die Verbindungstür. »Warum weinen Sie?«

»Ist das nicht offensichtlich?« Sie wischte die Tränen von ihren Wangen, atmete tief durch und sah in den Spiegel, der über der altmodischen Schminkkommode hing. Alessia schniefte, nahm eines der Kosmetiktücher und beseitigte die Spuren ihrer verlaufenen Mascara.

»Schon.«

»Warum stören Sie mich dann?«

»Weil ich Sie gehört habe.«

Alessia schnaubte. »Gehen Sie bitte.«

Ich neigte den Kopf, um sie zu betrachten. »Na schön.« Anschließend wandte ich mich ab und ließ sie allein. Ich zog die Verbindungstür hinter mir zu, ging zurück zum Bett und legte mich wieder hinein. Das Buch, das auf dem Nachttisch lag, nahm ich an mich und schlug es an der Stelle auf, an der ich unterbrochen hatte. Der Meister und Margarita, mein Lieblingsbuch. Die zerlesene Ausgabe fiel beinahe auseinander, aber ich wollte sie nicht ersetzen, weil sie Mama gehört hatte. Es war neben ein paar wenigen Fotos und einer Halskette das Einzige, was ich von ihr hatte. Diese Dinge erinnerten mich an sie und ihre Herzenswärme. Mama versuchte damals immer, mein Leben bunter zu machen, bis er es eines Nachts in einen schwarzweißen Albtraum verwandelt hatte. Mit ihr verband ich nur gute Erinnerungen, bis zu jener, die so präsent war wie keine andere.

Ihr Tod.

Ich atmete tief durch, um das Bild vor meinem inneren Auge zu verdrängen. Ich wollte es nicht sehen; diesen Abend nicht noch einmal durchmachen.

Ich konzentrierte mich wieder auf die Geschichte von Michail Bulgakow, zumindest versuchte ich es, denn Alessia schluchzte schon wieder. Sollte es so weitergehen, würde ich früher oder später in den Keller oder auf den Dachboden ziehen. Alles war besser als diese plärrende Frau.

* * *

Sieben Uhr, Zeit fürs Abendessen und eine weitere Episode der unglücklichen Zwangsverlobten. Zugegeben ich war gespannt, wie dieses Essen verlaufen würde, wenn sie neben Gawrill Platz nehmen und so tun musste, als wäre alles kein Problem für sie.

Ich zog das Jackett an, kontrollierte meine Erscheinung und machte mich auf den Weg ins Esszimmer. Auf dem Flur stieß ich beinahe mit Alessia zusammen.

»Oh, tut mir leid«, sagte sie heiser und wandte sich ab.

»Alessia Wolkowa?«

Sie blieb stehen. »Ja?«

Ich trat an ihre Seite und sah sie abschätzig an. »Versuchen Sie bitte, freundlich zu sein.«

Sie schnaubte. »Ich werde mir Mühe geben.«

»Danke.«

»Wie finden Sie es?«, fragte sie, als wir nebeneinander die Treppe nach unten gingen.

»Was meinen Sie?«

»Dass ich gegen meinen Willen mit Ihrem Bruder verlobt werde«, antwortete Alessia nachdenklich. »Ich komme mir vor wie ein Stück Vieh, das verschachert wird, um meiner Familie Geld einzubringen.«

»Ich denke, dass das eine Angelegenheit ist, in die ich mich lieber nicht einmische.« Ich räusperte mich. »Außerdem ist er mein Halbbruder.«

Sie sah mich fragend an. »Ist Ihre Mutter jetzt mit Adrian verheiratet?«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin sein Bastard.« Mit diesen Worten beschleunigte ich meine Schritte und betrat das Esszimmer vor ihr. »Guten Abend zusammen«, grüßte ich meine Familie und nahm am Tisch Platz.

»Guten Abend«, sagte Alessia leise und blieb am Esstisch stehen.

»Guten Abend, Alessia«, sagte Daria, meine Stiefmutter, freundlich. »Setz dich doch.«

»Wohin?«, fragte sie.

»Am besten neben Gawrill«, erwiderte Daria lächelnd. »Immerhin seid ihr verlobt.«

Alessia stieß einen sarkastischen Ton aus und kam an den Tisch, jedoch setzte sie sich nicht zu meinem Bruder, der neben meiner Stiefmutter saß, sondern zu mir. Als Gawrill, Daria und Papa mich fragend ansahen, zuckte ich mit den Schultern.

»Ich hoffe, Ihnen gefällt Ihr Schlafzimmer«, versuchte Daria, ein Gespräch anzufangen.

»Ja, es ist ein wirklich äußerst komfortables Gefängnis«, entgegnete Alessia trocken.

Papa räusperte sich, während ich mühsam ein Auflachen unterdrückte. »Alessia, ich weiß, es gefällt dir nicht, aber diese Vereinbarung ist unumstößlich.«

»Dann wird das wohl eine sehr zölibatäre Ehe«, meinte Alessia.

Gawrill schüttelte den Kopf. »Ich habe noch nie so viel Undankbarkeit in einer Person erlebt.«

»Sie nennen mich also undankbar?«, hakte Alessia zischend nach.

»Ja, das tue ich. Sie werden in unser Haus aufgenommen, bekommen ein wirklich herrschaftliches Zimmer und alles, was von Ihnen kommt, ist Undankbarkeit.«

»Wissen Sie, wie ich Sie nenne?«, wollte sie wissen.

»Verraten Sie es mir«, erwiderte Gawrill gelassen und lehnte sich zurück.

»Schwanzlos, weil Sie nicht in der Lage sind, sich eine Frau zu suchen, die Sie auch will, sondern sich von Papi eine kaufen lassen müssen.« Mit diesen Worten erhob sie sich und verließ das Esszimmer.

Ich presste meine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, sonst hätte ich losgelacht. Alessia hatte genau das ausgesprochen, was ich von dieser ganzen Aktion hielt. Ich verstand einfach nicht, wieso die beiden miteinander verheiratet werden sollten. Die Familie war sowieso mit den Wolkows verbunden, weil Papa seine Geschäfte stets mit ihnen machte. Sie mussten diese Verbindung nicht mit einer Zwangsehe festigen.

»Das ist ja ungeheuerlich«, stieß Daria aus.

»Sie wird sich noch mit dem Gedanken anfreunden, Liebes«, sagte Papa ruhig. Ihn schien die ganze Szene kalt zu lassen.

Ich betrachtete meinen Halbbruder. Er kochte, das erkannte ich an dem Lodern in seinen grauen Augen. Unsere einzige Gemeinsamkeit: unsere Augenfarbe. Die Unterhaltung meiner Familie blendete ich aus. Es interessierte mich nicht, was sie über Alessia vom Stapel ließen. Es war unfair und eine mehr als egoistische Sichtweise, immerhin waren Papa und Gawrill nicht unschuldig an der Vereinbarung. Ich hatte keine Lust, länger bei ihnen zu sitzen. Aus dem Grund nahm ich meinen Teller an mich, Alessias ebenfalls und erhob mich. »Ich werde essen gehen.«

»Und warum nimmst du Alessias Abendessen mit?«, fragte Daria schnippisch.

»Stell dir vor, weil sie auch etwas essen muss«, erwiderte ich sarkastisch und verließ das Esszimmer. Ich machte mich auf den Weg nach oben. Ihr byk kam mir entgegen und nickte mir zu, ich erwiderte den stummen Gruß. Ich war kein Freund vieler Worte und heute hatte ich schon mehr ausgesprochen, als im gesamten Monat.

* * *

Alessia

Ich konnte es nicht fassen.

Blyad, warum hatte ich nur die Beherrschung verloren?

Ich hasste dieses Haus und alle, die darin wohnten, na ja, abgesehen von Kyrill. Er schien genauso wenig begeistert zu sein wie ich. Aber er hielt sich aus der Sache heraus, weshalb er mir niemals eine Hilfe dabei sein würde, dieser Verlobung zu entgehen.

Es klopfte, aber nicht an der Schlafzimmertür, sondern an jener, durch die Kyrill heute schon einmal gekommen war. Ich erhob mich und ging dorthin. »Ja?«

Er hielt mir einen Teller unter die Nase. »Abendessen.«

»Danke.« Ich nahm den Teller an und schenkte ihm ein Lächeln.

---ENDE DER LESEPROBE---