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Für Maureen Cruickshanks gab es nichts Dümmeres, als die Anmache mit dem berühmten Vermeer-Gemälde »Das Mädchen mit dem Perlenohrring«, dem sie verblüffend ähnlich sieht, bis ins kleinste überlieferte Detail …>br> Auch bei William S. Baring-Gould, dem Restaurator des weltberühmten Gemäldes, geht es der Agentin des M.E.C. zunächst so, wobei sie sich noch lustig macht über seinen Namen. Doch sehr rasch wird mehr daraus. Maureen, die in den geheimen Labors des M.E.C. dabei ist, das Geheimnis der großen Perlen zu erforschen und dabei seltsame Phänomene entdeckt, ist von dem gutaussehenden Mann, der jahrelang an Vermeers Gemälde gearbeitet hat, beeindruckt.
Aber die Aktivierung der Perle hat ungeahnte Folgen. Plötzlich wird die Agentin von unbekannten Feinden bedroht, die ohne Warnung sofort das Feuer eröffnen. Das Universum selbst scheint hinter ihr her zu sein. Als letzter Ausweg, wird die Perle ihr Lebensretter, denn das Netz der unbekannten Häscher zieht sich unwiederbringlich zusammen. Doch die Flucht durch die Zeit, ist ein zu hoher Preis, wenn es unwahrscheinlich ist, dass man zurückkehren kann – denn die Zeit selbst lässt sich nicht betrügen …
›Der Plot gefällt mir sehr, aber dass wisst ihr ja alle bereits. Die Besetzung ist geradezu ideal gelungen und ist deiner Erfahrung angemessen!‹ Der Sprecher nickte dem Chef der Casting-Gruppe freundlich zu. ›Lasst uns anfangen. Alles auf Anfang!‹ Der Produzent hatte das Zeichen gegeben, die Kameras blinkten, geräuschlos begann die Aufzeichnung.
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Tomos Forrest & Marten Munsonius
Das Geheimnis der Perlenohrringe
Ein Zeitreise-Roman
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
© des Essays by Lion Obra.
Cover: © by Jan Vermeer, Vladimir Manyukhin und Steve Mayer, 2023
Korrektorat: Bärenklau Exklusiv
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
Ein Essay von Lion Obra
Aus der Feder von Tomos Forrest sind weiterhin erhältlich oder befinden sich in Vorbereitung:
Für Maureen Cruickshanks gab es nichts Dümmeres, als die Anmache mit dem berühmten Vermeer-Gemälde »Das Mädchen mit dem Perlenohrring«, dem sie verblüffend ähnlich sieht, bis ins kleinste überlieferte Detail …
Auch bei William S. Baring-Gould, dem Restaurator des weltberühmten Gemäldes, geht es der Agentin des M.E.C. zunächst so, wobei sie sich noch lustig macht über seinen Namen. Doch sehr rasch wird mehr daraus. Maureen, die in den geheimen Labors des M.E.C. dabei ist, das Geheimnis der großen Perlen zu erforschen und dabei seltsame Phänomene entdeckt, ist von dem gutaussehenden Mann, der jahrelang an Vermeers Gemälde gearbeitet hat, beeindruckt.
Aber die Aktivierung der Perle hat ungeahnte Folgen. Plötzlich wird die Agentin von unbekannten Feinden bedroht, die ohne Warnung sofort das Feuer eröffnen. Das Universum selbst scheint hinter ihr her zu sein. Als letzter Ausweg, wird die Perle ihr Lebensretter, denn das Netz der unbekannten Häscher zieht sich unwiederbringlich zusammen. Doch die Flucht durch die Zeit, ist ein zu hoher Preis, wenn es unwahrscheinlich ist, dass man zurückkehren kann – denn die Zeit selbst lässt sich nicht betrügen …
›Der Plot gefällt mir sehr, aber dass wisst ihr ja alle bereits. Die Besetzung ist geradezu ideal gelungen und ist deiner Erfahrung angemessen!‹ Der Sprecher nickte dem Chef der Casting-Gruppe freundlich zu. ›Lasst uns anfangen. Alles auf Anfang!‹ Der Produzent hatte das Zeichen gegeben, die Kameras blinkten, geräuschlos begann die Aufzeichnung.
***
Seit sie den anonymen Zettel gefunden hatte, wusste sie, wie risikoreich ihre Arbeit geworden war. Das lag auch an dem Fundort. Der Zettel befand sich an einem Platz, zu dem nur wenige Zugang hatten. In ihrem persönlichen Spind, nur zu öffnen mit einem Handscanner.
Du hast noch 48 Stunden.
Mehr stand da nicht. Keine Unterschrift. Kein Absender – hatte sie aber auch nicht wirklich erwartet.
Aber Maureen Cruickshanks, Wissenschaftlerin mit schottischen Vorfahren, ließ sich dadurch nicht abschrecken. Sie war sportlich durchtrainiert und hatte ihren schwarzen Gürtel im Taekwondo bereits vor mehr als zehn Jahren erhalten und zu ihrem dreißigsten Geburtstag die krönende Auszeichnung durch den Kukkiwon, das Welt-Taekwondo-Hauptquartier. Nun durfte sie sich mit dem 10. Grad eines Dan schmücken, was als absolute Besonderheit gilt. Maureen hatte ihre Ausbildung mehr zufällig während ihrer Armeezugehörigkeit begonnen. Als sie einem Kollegen von den Vorzügen ihres Judo-Trainings erzählte, das sie bereits im Alter von sechs Jahren begonnen hatte und nun selbst bei Wettkämpfen in Japan erfolgreich war, hatte der sie nur ausgelacht und sich über die sanfte Kunst der Selbstverteidigung und das Siegen durch Nachgeben lustig gemacht und Judo als typischen Mädchensport bezeichnet. Das schmerzte sie sehr, denn Guido war zu dieser Zeit der Mann, den sie aufgrund seiner Leistungen im Sport bewunderte. Er war einer ihrer Ausbilder und forderte nichts von ihnen, was er nicht selbst mit absoluter Perfektion beherrschte.
Unwillkürlich ballte Maureen die Faust, als sie sich an seine spöttische Miene erinnerte. Damals konnte sie sich nicht lange beherrschen.
»Mädchensport, ja?«, giftete sie zurück, als sein Lachen nicht enden wollte.
»Ja, und auch noch etwas für Schwächlinge, die sich einbilden, einen ausgewachsenen Mann damit stoppen zu können.«
Unwillkürlich nahm sie eine veränderte Körperhaltung ein, stellte ihre Füße so, wie sie für die Ausgangsposition beim Kampf den besten Stand hatten. Das konnte Guido natürlich nicht entgehen, und sein männlich-markantes Gesicht verzog sich erneut zu einem Grinsen.
»Gut, dann lass es uns doch einfach mal ausprobieren.«
Das Lächeln verschwand für einen winzigen Moment, um gleich darauf noch stärker zurückzukehren.
»Das meinst du nicht im Ernst, Maureen!«
»Nach Dienstschluss. siebzehn Uhr. Hier auf der Matte!«, lautete ihre kurze Antwort, bevor sie sich auf dem Absatz umdrehte und zurück in die Unterkunft eilte.
An diesem Nachmittag erteilte ihr Guido eine schmerzhafte und harte Unterrichtsstunde. Sie hatte das Gefühl, dass sie sich am nächsten Morgen kaum noch allein bewegen konnte, aber nach dem Ende dieser Stunde hatte sich sein Lächeln verändert. Es war nicht mehr dieses ironische, überhebliche Grinsen, das ihm Maureen gern aus dem Gesicht gewischt hätte.
Als die beiden sich nach ihrem ungewöhnlichen Zweikampf schwer atmend voreinander verbeugten, strahlte Guido mit einem gewissen Stolz. Diesmal erreichte das Lächeln seine Augen, und Maureen war glücklich.
Dieses Gefühl, eine harte Stunde überstanden zu haben und ihrem Ausbilder so etwas wie Anerkennung abzuringen, bedeutete ihr sehr viel. Auch wenn sie am nächsten Tag tatsächlich herumschlich wie eine alte Frau und ihr jeder Muskel auf schmerzhafte Weise den Abend in Erinnerung rief. Guido war es schließlich auch, der sie in dieser Abteilung untergebracht hatte. Und er blieb auch in dieser Abteilung ihr direkter Vorgesetzter.
Doch jetzt wurde es Zeit, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren.
Der Lift hielt auf der fünften Etage im Untergeschoss des Hauses an, und mit einem leisen Zischen öffnete sich seine Doppeltür. Der lange Flur, von dem zahlreiche Türen abzweigten, war von der grellen Deckenbeleuchtung bis in den hintersten Winkel taghell ausgeleuchtet.
Als Maureen Cruickshanks vor der Tür zum Labor stand, leuchtete ein winziges Licht auf, dann öffnete sich auch diese Tür mit einem Summen. Die Identifikation ihres Abzeichens auf ihrer Jacke hatte problemlos funktioniert.
Jetzt war der Safe dran, und obwohl sie nicht zum ersten Mal hier unten war, überfiel sie doch eine nervöse Unruhe. Die Mitarbeiter des M.E.C. mit der Berechtigung, die fünfte Etage zu betreten und hier auch einen der geheimsten Laborräume zu nutzen, waren streng ausgesucht und mussten sich mehrfach ausweisen – vom Betreten des Liftes über die installierten Sensoren auf dem Flur bis über die Labortür und jetzt den Zugang zum Tresor. Aber alle Sicherheitseinrichtungen funktionierten auf eine einwandfreie, unauffällige Weise. Die Technik war in der Lage, das Abzeichen schon auf eine Entfernung von mehreren Schritten zu erkennen, niemand mit der Zugangsberechtigung musste hier umständlich Codes oder gar einen Handscan eingeben. Anders jedoch der Mechanismus beim Safe, der in einer Wand eingelassen war und sich kaum von der ihn umgebenden Schrankwand unterschied. Die Titanplatte war mit einer eleganten, weißen Holzabdeckung versehen, die genau wie die übrige Schrankwand ein dezent eingeschliffenes Schilfmuster aufwies. Doch Maureen ließ sich davon nicht täuschen.
Sie wusste längst, dass auch das dezente Muster im Holz seine Funktion hatte.
Jetzt stellte sie sich vor die Stelle, hinter der man den Tresor versteckt hatte, und fixierte einen bestimmten Punkt im Holz.
»Agent MC 2401. Berechtigungscode Zero one« erklang eine fast menschliche Stimme über ihr, und als sie nun gegen die Abdeckung mit einem Finger tippte, verschwand sie geräuschlos zur Seite und gab die Kamera in der Titanplatte frei.
Hier musste Maureen etwas näher herantreten, denn jetzt trat der Irisscan in Funktion und gab gleich darauf auch das letzte Schloss frei.
Mühelos konnte sie den Tresor öffnen und griff die Schachtel, die wie eine rubinrote Schmuckschatulle für ein besonders wertvolles Stück aussah. Tatsächlich war es im Grunde nichts Anderes, denn als sie die Schatulle jetzt auf einen Arbeitstisch stellte und sich dadurch an dieser Stelle das Licht darauf konzentrierte, hielt sie einen Moment inne und spürte, dass sie unwillkürlich lächeln musste.
»Wie zu Weihnachten!«, flüsterte sie, und damit war auch das letzte Hindernis überwunden. Die Schatulle sprang auf, das Licht am Arbeitstisch verstärkte sich und die ungewöhnlich große Perle wurde in ein seltsames Licht getaucht, das von ihrer Oberfläche reflektiert wurde.
Es war nicht erforderlich, dass Maureen die Perle aus ihrem Behälter nahm. Dafür hatten die zuständigen Mitarbeiter des M.E.C. gesorgt. Beim Abtasten wurde das seltene Schmuckstück von den Lasern auf allen Seiten erfasst, sobald die Schatulle auf dem Tisch stand. Das Risiko einer Berührung, selbst mit einem Schutzhandschuh, wollten die Fachleute nach den ersten Versuchen nicht mehr eingehen. Die Perle hatte damals zunächst ein rötliches Leuchten gezeigt, das aus ihrem Inneren drang. Dabei erhitzte sie sich innerhalb von Sekunden so stark, dass der Kollege eine schmerzhafte Brandwunde an zwei Fingern erlitt, weil er sie nicht schnell genug zurückgezogen hatte.
Maureen Cruickshanks setzte sich so auf den Arbeitsstuhl, dass sie den besten Blick auf das Schmuckstück hatte. Dann berührte sie den integrierten Bildschirm im Arbeitstisch, und mit einem bläulichen Schimmer nahm er seine Tätigkeit auf. Das Hologramm entstand direkt vor ihr, eine schier unendliche Reihe von Zahlen zogen vor ihren Augen entlang, und aufmerksam folgte sie diesen Reihen. Es war keineswegs so, dass die Sortierung von der Ungenauigkeit eines menschlichen Auges abhängig war. Aber Maureen setzte ihren Ehrgeiz daran, ähnliche Zahlenreihe mindestens so schnell zu erkennen, wie das System sie ihr gleich darauf melden würde. Bislang war noch alles vertraut, sie folgte dem Schema wie am Vortag und erkannte das Muster rasch. Der gestrige Tag hatte den ersten Erfolg gebracht, aber es konnte sich um einen Zufall handeln. Nach dem Zettelfund mit der anonymen Drohung hatte sich jedoch alles geändert. Jetzt kam es ihr selbst seltsam vor, dass in ihrer Gegenwart eine Maus in die Falle ging, deren Zuschnappen wie ein Pistolenschuss in der Stille dröhnte.
Wie war es möglich, dass die Maus in den hermetisch verschlossenen Laborbereich gelangen konnte? Und wer hatte die Falle aufgestellt? Hier gab es keinen Hausmeister, der zusammen mit den Putzfrauen durch die Räume ging und Mäusefallen aufstellte! Auch die Aufzeichnung der einzigen Überwachungskamera gab ihr keinerlei Aufschluss, und so blieb ihr nichts Anderes übrig, als den Vorfall der Security zu melden. Man versprach ihr, der Sache nachzugehen – bislang hatte sie jedoch von keinem Ergebnis gehört.
Also konzentrierte sie sich wieder auf die Zahlenreihen.
Ich bin dem Geheimnis auf der Spur! Ich komme ihm immer näher, schoss es ihr durch den Kopf, als sie wie gebannt auf das Hologramm starrte. Es ist nicht anders möglich, diese Kombination hat sich jetzt bereits zum dritten Mal wiederholt! Genauso fing es auch gestern an, und schließlich …
Um keinen Fehler zu machen, hielt sie das System mit einer Handbewegung an.
Nach und nach rief sie die Zahlenkette wieder auf, bis sie sich sicher war.
1559. 1666. 1789.
Tod König Henry II. Brand von London. Französische Revolution.
Sie kannte die mit den Zahlen verbundenen historischen Ereignisse auswendig und hätte sie im Schlaf aufsagen können.
Mit dieser Zahlenfolge hatte sie nur eine vage Bestätigung ihrer Vermutung.
Sie würde sich für eine der drei Jahreszahlen entscheiden müssen.
Nicht die Französische Revolution!, dachte sie und konnte sich eines leichten Schauers nicht erwehren, als sie an die Arbeit der Guillotine dachte. Was, wenn sie mit ihrem Experiment mitten in den Strudel dieser blutigen Zeit geriet?
Aber auch nicht unbedingt 1559. Als Frau bin ich da nicht sonderlich viel wert, schon gar nicht als Frau des Volkes. Ja, wenn ich mir eine der Hofdamen König Henrys aussuchen könnte …, ging ihr Gedankengang weiter.
Alles zu ungewiss. Und dann ist da noch die ungeklärte Frage der Rückkehr. Ich möchte beweisen, dass dieses Schmuckstück mehr ist, als wir bisher nach den ersten Untersuchungen vermutet haben. Aber ich gehe ein hohes Risiko ein, wenn ich nicht zugleich das Geheimnis der Rückkehr löse. 1559. 1666. 1789. Warum gerade diese drei Ereignisse?
Sie ließ die Zahlenblöcke weiterlaufen, die für einen Nichteingeweihten wie eine Matrix wirken musste.
Jetzt begann der zweite Teil des Experiments.
Genauer – die Wiederholung der Sache mit der gefangenen Maus.
Nur harmloser.
Sehr viel harmloser.
Dazu hatte sie sich entschlossen, nachdem sie verhindert hatte, dass die Maus in der einfachen Bügelfalle erschlagen wurde. Aber was in diesem Moment eigentlich passiert war, konnte sie sich nicht erklären. Die Kameras zeigten ihr jedoch auf die Mikrosekunde genau, dass sie in einer winzigen Zeitschleife stand und verhinderte, dass die Maus in die Falle ging.
Wären die Aufzeichnungen nicht vorhanden, hätte sie an eine Sinnestäuschung geglaubt, denn wenig später war die Maus aus dem Behälter verschwunden, als hätte es sie nie gegeben.
Auch diesen Abschnitt war sie mehrfach durchgegangen. Hatte sich mit den Kollegen bis zu einem gewissen Punkt abgestimmt. Stieß auf Widerstand, hörte Warnungen und setzte sich schließlich in den Konferenzen durch.
Heute kam der Punkt, an dem sie den Sprung wagen würde.
Zu diesem Zweck hatte sie ein Wasserglas bereitgestellt, direkt in das aus Aluminium gefertigte Becken des Arbeitstisches an der Wand. Es gab eine markierte Stelle am Wasserhahn. So wurde gewährleistet, dass sie während der Experimente stets den Hahn auf die gleiche Stärke einstellte.
Jetzt die Uhrzeit.
Maureens Präzisionsuhr stand in Funkverbindung mit der Atomuhr der PTB in Braunschweig, der genauesten Uhr der Welt. Und zugleich bestand die Verbindung zu dem Computer, der ihr die Werte der Perle aus der Schatulle übermittelte.
Schritt 1: Wasserhahn aufdrehen.
Schritt 2: Uhr mit Druck auf den Punkt timen
Schritt 3: Zeitpunkt, an dem das Wasser über den Glasrand lief, festhalten
Schritt 4: Startzeit einstellen
Schritt 5: 15 Sekunden in der Zeit zurückreisen
Schritt 6: Wasserhahn exakt in der Sekunde zudrehen, in der das Wasser den Rand erreicht hatte.
Ein Jubelschrei löste sich von ihren Lippen.
Exakt in der Sekunde, in der das Wasser den Rand erreichte hatte, stoppte sie den Zulauf.
Blick auf die Aufzeichnung des Experimentes. Dann die Erleichterung.
Die Kamera hatte mit hoher Geschwindigkeit eine Reihe von Makroaufnahmen gefertigt und das Experiment vollständig aufgezeichnet. Die Startuhrzeit, den Zeitpunkt des überlaufenden Glases. Das Eingreifen fünfzehn Sekunden zuvor, nachdem das Glas bereits übergelaufen war. Untrüglich mit der Kamera aufgezeichnet.
Vor Erleichterung zitterte sie, als sie die Replay-Taste des kleinen Monitors mit der eingeblendeten Sekundenanzeige immer wieder und wieder drückte, um die Bestätigung zu erhalten.
Sie war in der Zeit zurückgereist. Zum zweiten Mal. Erst die Maus. Jetzt für 15 Sekunden konnte sie etwas beeinflussen, das – ja, was eigentlich? Das Wasserglas lief nicht über, obwohl es gerade noch …
Maureen sah sich erschrocken um.
Zweifel an dem Ergebnis waren doch jetzt nicht angebracht! Sie hatte den Beweis in den Händen, zudem aufgezeichnet mit einer Hochleistungskamera. Ausgelöst durch die Perle, die sich äußerlich durch die Größe und ihren ungewöhnlichen Glanz vor vielen anderen unterschied.
Man stelle sich vor! Zeitreisen in die Vergangenheit! Ich habe Einsteins Theorien ad absurdum geführt! Danke, Professor Henry Logan! Ohne Sie und Ihr Institut für kosmologische Konstante wäre das nicht möglich gewesen!, dachte Maureen dankbar an ihre Ausbildungszeit für diesen Job in Wien.
Aber das war nicht der Durchbruch.
Es war ein bescheidender Anfang, und nun galt es zu beweisen, dass Zeitreisen in die Vergangenheit möglich waren.
Und vor allem: über einen längeren Zeitraum als nur für 15 Sekunden.
Sie stand am Anfang einer ganzen Reihe von erforderlichen Experimenten, aber an diesem Tag war ihr ein bedeutsamer Schritt gelungen. Der Rest würde folgen, Schritt für Schritt. Morgen für eine halbe Stunde, dann mit ausgedehnten Zeiträumen.
Warum jedoch nur diese drei Jahreszahlen erschienen, war ihr noch immer nicht klar geworden. Und auch nicht, wie es dann möglich sein würde, zum Beipsiel aus dem Mittelalter oder einer anderen Epoche ohne die modernen Hilfsmittel des 21. Jahrhundert wieder in die Gegenwart zurückzukehren. Aber Maureen Cruickshanks war sehr zuversichtlich. Sie hatte den ersten Schritt gemacht und war erfolgreich. So würde es weitergehen.
Jetzt stoppte sie das Programm, nachdem sie die zweimaligen Systemwarnungen bemerkt hatte.
Es wurde Zeit, alle Systeme wieder herunterzufahren.
Während ihrer letzten Handgriffe war sie entschlossen, sich detaillierte Informationen über das 17. Jahrhundert zu besorgen. Vor allem über das Jahr 1666.
Zufrieden sah sie dem matten Blinken zu, das schließlich auch verschwand, und griff dann zu der kleinen Schmuckschatulle, die sich mit dem Herunterfahren des Systems wieder geschlossen hatte. Erleichtert stellte sie den Gegenstand wieder zurück in den Tresor und zögerte noch einen Moment, bevor sie die Titantür zurückfahren ließ. Deutlich hatte sie diesmal das Energiefeld gespürt, das noch immer von der Schatulle ausstrahlte.
Obwohl das System heruntergefahren war.
Noch einmal warf sie einen Blick auf die leeren Arbeitstische des Raumes, dann aktivierte sie die Sicherheitskontrolle und verließ den Raum, ging zum Lift und fuhr ins Erdgeschoss hinauf.
Sie trat aus dem Fahrstuhl.
Erstaunt blinzelte Maureen in die Nachmittagssonne, die ihr Licht durch die großen Glasfassaden der beeindruckenden Empfangshalle schickte. Sie reihte sich in die Mitarbeiterschlange ein, die sich zügig durch die Sicherheitskontrollen zum Eingang schob.
Der mächtigste Unterhaltungskonzern der Welt hatte für diesen Tag die Mitarbeiter der ersten Schicht in den Feierabend entlassen. Die zweite Schicht der M.E.C.-Leute saß bereits an ihren Arbeitsplätzen und tat das, was man von einer Firma mit dem Namen Millenium Event Center erwartete. Nur eine ganz kleine Gruppe in diesem gewaltigen Bürozentrum wusste, dass die drei Buchstaben auch eine ganz andere Bedeutung hatten: Mysterious Energy Center. Und auch das war nur ein Code-Name, den sich irgendein Witzbold in der Chefetage ausgedacht hatte.
Als sie zusammen mit den anderen die große Halle verließ und zur nächsten U-Bahn-Station ging, fiel ihr der dunkle Sportwagen nicht weiter auf, der auf einem der wenigen freien Parkplätze für Besucher des Centrums stand. Hinter der getönten Scheibe verfolgte eine Kamera jeden ihrer Schritte. Erst, als sie die ersten Stufen erreicht hatte und in der Masse verschwand, legte der Beobachter die Kamera beiseite und aktivierte eine App auf seinem Handy.
Der zweite Mann bestätigte und wartete ab, bis er Maureen in ihrem dunklen Kostüm in der Menge erkannte. Von diesem Augenblick an würde sie keinen weiteren Schritt mehr unbeobachtet machen können.
*
›Für einen winzigen Moment hatte ich den Eindruck, dass die Protagonistin die Kamera gesehen hat!‹, sagte der Produzent. ›Aber das ist ja wohl nach wie vor ausgeschlossen, selbst bei der inzwischen verfügbaren Technik, oder irre ich da?‹
›Absolut richtig, Chef. Das wird niemals geschehen, keiner der Protagonisten ist in der Lage, eine der Kameras oder etwa jemand von uns zu entdecken. Dafür sorgen auch die Wächter‹.
›In Ordnung. Sind alle bereit? Dann wieder auf Anfang, wir drehen!‹
Es war das übliche Chaos in den U-Bahn-Stationen zu dieser Zeit. Aber Maureen Cruickshanks wollte es so, denn in ihrer Position wäre es eine Kleinigkeit gewesen, sich eine andere Uhrzeit für ihren Feierabend auszusuchen. Aber es gehörte zu ihrer Strategie, sich inmitten dieser Menschenmassen zu verstecken. Und gerade jetzt, nach dieser seltsamen Mitteilung.
Du hast noch 48 Stunden.
Nicht die Drohung hatte sie beeindruckt. Solche Dinge kamen vor in ihrem Beruf. Beunruhigend war nur der Fundort. Natürlich war ihr klar, dass selbst ein Handscan gefälscht werden konnte. Nur – aus welchem Grund verwendete jemand so viel Mühe darauf, ihr diese Warnung zukommen zu lassen? Dafür gab es nach ihrer Überzeugung nur einen einzigen Grund.
Ihr Gegner wollte sicher gehen, dass sie von dieser Drohung beeindruckt war.
Jetzt, als sie an der zweiten Station wieder ausstieg und den Bahnsteig wechselte, spürte sie ihre Glock im Holster. Wie immer, gab ihr das ein beruhigendes Gefühl. Auch sonst machte sie sich um ihre Sicherheit wenig Sorgen.
Selbst ohne jede Waffe war sie in der Lage, sich jederzeit zu wehren.
Ihre Hände wurden blitzschnell zu tödlichen Waffen, und ihre …
Moment! Der Kerl stand eben noch in der Bahn neben mir!, schoss es ihr durch den Kopf. Misstrauisch musterte sie den jungen Mann, der gleichgültig auf die Anzeigen der verschiedenen Linien starrte. Aber Maureen ließ sich dadurch nicht täuschen.
Statur und Bewegungen des Mannes versetzten sie in höchste Alarmbereitschaft.
Als ihre Linie einlief und sich die Türen öffneten, behielt sie den Mann im Auge. Doch sein Verhalten irritierte sie.
Ohne noch einen einzigen Blick in ihre Richtung zu werfen, betrat er den vor ihm haltenden Waggon, kaum dass der letzte Passagier ausgestiegen war.
Maureen zögerte kurz, dann kam die automatische Ansage, die dem Türenschließen vorausging. Mit zwei schnellen Schritten war sie am Nachbarwaggon und glitt elegant durch die sich gerade schließenden Türen. Der Zug ruckte an und nahm seine rasche Fahrt wieder auf. Ein kurzer Blick in den Nachbarwagen zeigte ihr den jungen Mann, der sich entgegen der Fahrtrichtung auf eine Bank gesetzt und eine Zeitung herausgezogen hatte.
Werde ich hysterisch? Ein anonymer Zettel, und ich sehe überall Verfolger? Doch das unangenehme Gefühl blieb. Wer auch immer ihr Gegner sein mochte – er hatte es geschafft, innerhalb eines Hochsicherheitstraktes eine Drohung im persönlichen Spind einer Agentin zu hinterlassen.
Maureen Cruickshanks stand unmittelbar vor der Tür, als der Zug in ihre Station einlief. Menschenmassen drängten sich auch hier überall und warteten auf die Gelegenheit, endlich weiterzufahren. Ein Blick zur Seite – der junge Mann saß noch immer auf seinem Platz, die Zeitung auf ein kleineres Format gefaltet und offenbar in einen Artikel konzentriert vertieft. Entschlossen trat Maureen hinaus, kaum, dass sich die Türen öffneten. Dann sprintete sie los, entgegen der Richtung zu den Rolltreppen. Hier würde sie bei ihrem vorgelegten Tempo sehr rasch an den Tunnelbereich gelangen, wo es kein Weiterkommen für sie gab.
Doch ein rascher Blick über die Schultern bewies ihr, dass sie richtig gelegen hatte.
Der Mann lief hinter ihr her und legte ein scharfes Tempo vor.
Ein Blick auf ihre Uhr, und der Plan war gefasst.
Am Ende der Plattform sprang sie auf die Schienen herunter und hastete durch den nur spärlich beleuchteten Tunnel bis zu der schmalen Eisentür. Sie benötigte nur einen winzigen Moment zum Entriegeln, dann war sie in dem Gang und verschloss die Tür wieder hinter sich. Hier brannte nur in größerer Entfernung ein mattes Licht, aber Maureen konnte sich hier unten mit geschlossenen Augen zielsicher bewegen. Ein kurzer Sprint, dann ertastete sie die eisernen Sprossen, zog sich hinauf und öffnete wenig später mit ihrem Spezialwerkzeug den Einstieg über ihrem Kopf. Die Klappe schwang mit einem kreischenden Geräusch nach oben, und als sie sich hinaufgezogen hatte, lauschte sie noch in die Dunkelheit unter ihr.
Kein Zweifel.
Ihr Verfolger hatte auch die Eisentür überwunden und suchte jetzt nach ihr. Seine Schritte klangen unsicher, aber Maureen gab sich keinerlei Illusionen hin. Sie verschloss den Einstieg wieder, was erneut mit viel zu lauten Geräuschen verbunden war. Doch das ließ sich nicht mehr ändern. Sie schob den schweren, eisernen Riegel in die Vorrichtung und eilte weiter. Auch hier gab es nur wenig Licht, aber das störte sie nicht. In wenigen Augenblicken hatte sie die Tür erreicht, setzte erneut ihr Werkzeug ein und öffnete behutsam.
Alles war so, wie sie es unzählige Male geprobt hatte.
Helles Licht umgab sie, als sie die schmale Toilettenkabine betrat.
Erleichtert drückte sie die Tür hinter sich wieder zu, musterte sich kurz in dem Spiegel, den man an der Innenseite dieser Kabine angebracht hatte, und strich sich über die Schultern ihrer Jacke.
Sie meinen es offenbar ernst. Oder handelt es sich doch nur um eine Übung? Zuzutrauen wäre es ihm!, dachte Maureen, als sie die Tür entriegelte und an das gegenüberliegende Waschbecken trat.