Das Vermächtnis der Königin - Elizabeth Chadwick - E-Book
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Das Vermächtnis der Königin E-Book

Elizabeth Chadwick

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Beschreibung

Die ergreifende Geschichte von Alienor von Aquitanien findet ihren triumphalen Abschluss.

England, 1176. Alienor von Aquitanien, die Königin von England, wird noch immer von ihrem Mann, König Henry, gefangen gehalten – doch obwohl er ihr ihre Kinder und ihr Geburtsrecht nahm – aufgeben wird sie nie! Erst Henrys Tod beendet ihre Gefangenschaft. Sie kehrt zurück an den Hof und muss feststellen, dass Henry in ihrer Abwesenheit gefährliche Konkurrenz um Land und Macht zwischen ihren Söhnen geschürt hat. Alienor muss all ihren Mut und ihr Geschick aufbringen, um den Frieden wiederherzustellen und England zurück ins Zentrum der Macht zu bringen …

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Buch

England, 1176. Alienor, Königin von England, Herzogin von Aquitanien und der Normandie, Gräfin von Anjou, wird von ihrem eigenen Mann, König Henry, auf der Burg Sarum gefangen gehalten. Doch obwohl er ihr alles nahm – ihr Geburtsrecht auf Aquitanien und ihre Kinder –, aufgeben wird sie nie! Alienor ist klug und weitsichtig, kennt sich mit politischen Strategien sehr gut aus. So kann sie ihren Ehemann Henry, den sie für ihre Gefangenschaft eigentlich abgrundtief hasst, immer wieder mit wohlüberlegtem Kontra im gewissen Rahmen in die Schranken weisen. Doch erst Henrys Tod beendet ihre Gefangenschaft und ihr Exil endgültig. Sie kehrt zurück an den Hof und muss feststellen, dass Henry in ihrer Abwesenheit gefährliche Konkurrenz um Land und Macht zwischen ihren Söhnen geschürt hat. Alienor muss all ihren Mut und ihr Geschick aufbringen, um den Frieden wiederherzustellen und England zurück ins Zentrum der Macht zu bringen …

Autorin

Elizabeth Chadwick lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in Nottingham. Sie hat inzwischen über 20 historische Romane geschrieben, die allesamt im Mittelalter spielen. Vieles von ihrem Wissen über diese Epoche resultiert aus ihren Recherchen als Mitglied von »Regia Anglorum«, einem Verein, der das Leben und Wirken der Menschen im frühen Mittelalter nachspielt und so Geschichte lebendig werden lässt. Elizabeth Chadwick wurde mit dem »Betty Trask Award« ausgezeichnet, und ihre Romane gelangen immer wieder auf die Auswahlliste des »Romantic Novelists’ Award«.

Von Elizabeth Chadwick bei Blanvalet bereits erschienen (Auswahl):

Die englische Rebellin ∙ Die Hüterin der Krone ∙ Der scharlachrote Löwe ∙ Das Banner der Königin ∙ Das Lied der Königin ∙ Das Herz der KöniginBesuchen Sie uns auch auf www.facebook.com/blanvaletund www.twitter.com/BlanvaletVerlag

ELIZABETH CHADWICK

Das Vermächtnis der Königin

Historischer Roman

Deutsch von Nina Bader

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Die Originalausgabe erschien 2016unter dem Titel »The Autumn Throne« bei Sphere,an imprint of Little, Brown Book Group,an Hachette UK Company, London.
Copyright © der Originalausgabe 2016 by Elizabeth ChadwickCopyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2017 by Blanvalet Verlagin der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenRedaktion: Bettina HengesbachUmschlaggestaltung und -abbildung: © Johannes Wiebel |punchdesign, unter Verwendung von Motiven vonRichard Jenkins Photography und Shutterstock.comLH ∙ Herstellung: samSatz: Uhl + Massopust, AalenISBN: 978-3-641-20668-0V002
www.blanvalet.de

1

Palast von Sarum, Wiltshire, April 1176

Alienor, Herzogin von Aquitanien und der Normandie, Gräfin von Anjou und Königin von Henry II. von England, blickte sich in der kahlen, kalten Kammer um, die seit fast zwei Jahren ihr Gefängnis darstellte. Fahles Frühlingssonnenlicht fiel durch die Fensterbögen und bildete blassgoldene Pfützen auf den Bodendielen. Der Kamin war sauber ausgekehrt und ihre wenigen beweglichen Einrichtungsgegenstände auf die Gepäckkarren verladen worden, die im Hof warteten.

Eine kühle Brise streifte ihr Gesicht. Den ganzen Winter lang war der Wind über die Downs hinweggefegt und hatte wie ein hungriger Wolf um die weiß getünchten Palastgebäude geheult. Ihre Gelenke waren steif und ihre Gedanken so trübe geworden wie Schlamm am Boden eines zugefrorenen Teiches. Es fiel ihr schwer, morgens zu sich zu kommen, sich zu regen und der Welt entgegenzutreten. Ihre verkrampften, zum Leben erwachenden Gliedmaßen bescherten ihr ein quälendes Kribbeln. Sie streckte die Hände aus und registrierte die hellbraunen Altersflecken. Doch diese störten sie weniger als die Art, wie ihre Hände zitterten.

Ihr Ehering blitzte auf. Trotz allem, was Henry ihr angetan hatte, trug sie ihn immer noch, denn solange er ihren Finger schmückte, war sie seine Königin und Herzogin. Auch wenn sie auf diesem windumtosten Berggipfel eingekerkert war, behielten ihre Titel ihre Macht. Henry hatte sie in seiner üblichen skrupellosen Art hier isoliert. Die Welt drehte sich weiter, doch ihr blieb es verwehrt, sich mit ihr zu drehen. Ihre Sünde bestand darin, sich seinem Willen widersetzt und sich in seine Politik eingemischt zu haben. Er bezichtigte sie, ihn verraten zu haben, doch der größte Verrat war immer auf sein Konto gegangen.

Die Nachrichten, die zu ihr durchdrangen, wurden von ihren Wächtern gefiltert, die angewiesen waren, ihr nur wenig mitzuteilen; und dann erhielt sie auch nur Einzelheiten, die sie herabsetzten, während sie zugleich den Ruhm ihres Mannes steigerten. Jetzt jedoch hatte er sie aufgefordert, am Osterfest teilzunehmen, das an seinem Hof in Winchester stattfinden sollte, und der mögliche Grund dafür stimmte sie misstrauisch. Vergebung in der Zeit von Christi Auferstehung? Das bezweifelte sie. Weitere Strafmaßnahmen? Er musste etwas von ihr wollen, und sei es auch nur, sie seinen Edelleuten vorzuführen und so zu beweisen, dass er sie nicht hatte ermorden lassen. Eine weitere derartige Beschuldigung konnte er sich schwerlich leisten – nicht, nachdem der Erzbischof von Canterbury von vier Rittern des königlichen Gefolges vor dem Altar seiner eigenen Kathedrale brutal erschlagen worden war.

Als sie in der Kammer hinter der ihren Schritte hörte, wandte sie sich zur Tür und verbarg ihre Beklommenheit hinter königlichem Hochmut. Sosehr sie sich auch danach sehnte, diesen Ort zu verlassen – die Vorstellung, in die Welt zurückzukehren, jagte ihr Angst ein, weil sie nicht wusste, was sie erwartete oder wie lange die Unterbrechung ihrer Isolation andauern würde.

Sie rechnete damit, ihren Gefängniswärter Robert Maudit zu sehen, und war erstaunt, als die Tür geöffnet wurde und stattdessen ihr ältester Sohn im durch das Treppenhausfenster fallenden gleißenden Sonnenschein auf der Schwelle stand. Sein hellbraunes Haar war windzerzaust, und auf seinem behandschuhten rechten Handgelenk thronte ein prächtiger weißer Gerfalke.

»Schau, Mama«, begrüßte er sie mit einem breiten Lächeln. »Ist sie nicht eine Schönheit?«

Alienors Herz krampfte sich zusammen, und sie fühlte sich, als wäre sämtliche Luft aus ihrer Lunge gesogen worden. »Harry«, keuchte sie, als ihre Knie unter ihr nachzugeben drohten.

Er war augenblicklich an ihrer Seite, fasste ihr mit einem festen Griff unter den Arm und führte sie zu der Bank am Fenster. »Ich dachte, sie hätten es dir gesagt.« Liebevolle Besorgnis lag in seinem Blick. »Soll ich deine Frauen rufen?«

»Nein …« Sie schüttelte den Kopf, vermochte wieder zu atmen. »Sie sagen mir überhaupt nichts.« Ihre Stimme brach. »Ich hatte keine Ahnung, und das hier ist zu viel für mich.« Sie legte eine zitternde Hand über ihre Augen.

Er schlang einen Arm um ihre Schultern, und sie schmiegte sich eng an ihn, atmete den Duft seines gesunden männlichen Körpers ein, spürte seine Kraft und Vitalität – Eigenschaften, die ihr selbst durch jahrelange Kämpfe und die darauf folgende Gefangenschaft geraubt worden waren.

Das Gerfalkenweibchen schlug mit den Flügeln, klirrte mit den Glöckchen an seinen Fußfesseln und stieß eine Reihe rauer, durchdringender Schreie aus. »Ruhig.« Der sanfte Tonfall ihres Sohnes konnte genauso gut ihr wie dem Vogel gelten. »Ganz ruhig.«

Als Alienor sich so weit erholt hatte, dass sie aufblicken konnte, hatte der Falke sich gleichfalls beruhigt und putzte emsig seine Schwungfedern.

»Mein Vater hat mich geschickt, um dich nach Winchester zu bringen.«

Sie betrachtete den auf seinem Handschuh gefangenen Gerfalken. Trotz all der Kraft in seinen Flügeln konnte er nicht fliegen, bis Harry ihn freiließ. »Was will er von mir – außer dem Hof beweisen, dass ich nicht tot bin?«

Harrys Lächeln erstarb. »Er sagt, er möchte mit dir reden – und Frieden schließen.«

»Tatsächlich?« Ein bitteres Lachen blieb Alienor im Hals stecken. »Und welche Bedingungen stellt er?«

Er wich ihrem Blick aus. »Das hat er nicht gesagt.«

Sie blickte sich in dem leeren Raum um. Was würde sie darum geben, frei zu sein? Wichtiger noch – was würde sie nicht dafür geben? »Nein, das habe ich auch nicht angenommen.« Sie bemühte sich, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, als sie daran dachte, was hätte sein können, wenn es Harry vor drei Jahren gelungen wäre, seinen Vater zu stürzen. »Ich bedauere vieles, aber eine nicht erfolgte Versöhnung gehört nicht dazu. Vor allem tut es mir leid, dass ich gefangen genommen worden bin. Ich hätte besser planen sollen.«

»Mama …«

»Ich habe hier kaum etwas anderes zu tun als über das Geschehene nachzudenken, und ich bereue zutiefst, dass ich zu lange gezögert und dadurch an Antriebskraft verloren habe.« Sie sprang auf, was den Gerfalken dazu veranlasste, auf Harrys Handgelenk zu tanzen. »Wenn dein Vater dich geschickt hat, um mich nach Winchester zu bringen, dann deshalb, weil ihr Frieden geschlossen habt, und das muss unser Ausgangspunkt sein. Ich freue mich wirklich über alle Maßen, dich zu sehen.« Ein erwachsener Mann von einundzwanzig Jahren, dem Alter, in dem sein Vater König von England geworden war. »Wer ist sonst noch dort?«

»Alle.« Harry streichelte den Vogel, bis dieser sich wieder beruhigte. »Richard, Geoffrey, John, Joanna.« Sein unbekümmertes Lächeln wirkte gezwungen. »Ehefrauen, Bastarde, Kind und Kegel, alle leben auf engem Raum – du weißt ja, wie das ist. Noch kein Streit bislang, aber reichlich Potenzial.«

Es wäre so, als würde man mit einem einzigen Schritt die Kluft zwischen Verhungern und Übersättigung überwinden, ohne Zeit zu haben, sich an die Umstellung zu gewöhnen. Jede Faser ihres Körpers war angespannt, als sie sich dafür wappnete, diese Kammer zu verlassen, die sowohl ihr Käfig als auch ihr Zufluchtsort war. »Also dann …« Ihr unbekümmerter Tonfall war ein Schutzschild. »Lass uns gehen und das Beste aus der Situation machen.«

Das Leben in Sarum war wenig luxuriös, und es bedurfte nur eines einzigen Karrens, um ihre Habseligkeiten die zwanzig Meilen nach Winchester zu transportieren. Harry war mit einer ganzen Rittertruppe eingetroffen, um sie abzuholen – die meisten stammten aus dem Gefolge seines Vaters, ein paar jedoch auch aus seinem eigenen. Unter anderem hatte er seinen Waffenlehrer William Marshal mitgebracht, der mit einem gutmütigen grauen Schecken am Zügel auf sie wartete.

»Meine Lehnsherrin.« Sowie er sie sah, kniete er nieder und senkte den Kopf.

Sein Anblick und die Geste der Huldigung rührten Alienor fast zu Tränen. »William!« Sie berührte seine Schulter und bedeutete ihm, sich zu erheben. Als er gehorchte, traf der Blick seiner dunklen Augen sie bis ins Mark. Vor acht Jahren hatte er sie als junger Herdritter vor einem Hinterhalt bewahrt, war aber selbst gefangen genommen worden, während er ihre Angreifer abwehrte. Sie hatte seine Freiheit erkauft und ihm ihren ältesten Sohn anvertraut, den er zum Ritter ausgebildet hatte. Sie waren Verbündete, die miteinander durch dick und dünn gingen.

»Ihr seht gut aus, Madam.«

Sie maß ihn mit einem tadelnden Blick. »Ich befinde Euch der Schmeichelei schuldig, Messire. Ich weiß, wie ich aussehen muss, nachdem ich zwei Jahre lang an diesem Ort eingesperrt war.«

»Nie anders als eine Königin«, erwiderte er galant, und sie musste heftig blinzeln, um wieder klar sehen zu können, als er ihr auf den Grauen half. Er trug einen Damensattel mit gepolsterter Rückenlehne und Fußstütze, ein gezierter Stil, den sie immer zugunsten des Herrensitzes verworfen hatte. Derartige Konstruktionen verlangsamten das Tempo und bewirkten, dass sie sich verletzlich und weniger als Herrin der Lage fühlte. Es war typisch für Henry, dass er ihr einen solchen Sattel geschickt und sie so vor aller Augen auf den ihr zustehenden Platz verwiesen hatte.

»Madam, bei Hof heißt es, mit Eurer Gesundheit stünde es nicht zum Besten und Ihr hättet Euch in Sarum ausgeruht«, sagte William mit taktvoller Neutralität.

Sie nahm die Zügel auf. Ihr Mund zuckte verächtlich. »Ich nehme an, eine solche Ausrede soll die Wahrheit vertuschen.«

Er erwiderte nichts darauf, schaute sie aber vielsagend an, bevor er sich zu seinem Pferd wandte.

Harry gesellte sich zu ihr. Sein Kastanienbrauner tänzelte und krümmte den Hals. »Papa hielt es für das Beste, dass du auf diese Weise reist, weil du lange nicht mehr geritten bist.«

»Und weil es seinen Zwecken dient, Harry. Ich habe weder meinen Verstand noch meine Reitkünste eingebüßt, nur meine Freiheit.«

Harry hatte den Anstand, betreten zu wirken, aber seine Miene hellte sich rasch auf, und er bedachte sie mit seinem entwaffnenden Lächeln. »Trotzdem scheint die Sonne, und es ist ein schöner Tag zum Reiten – ob nun im Damen- oder im Herrensitz.«

Alienor verkniff sich den Hinweis darauf, dass sie lieber selbst die Wahl gehabt hätte. Harry verfügte über die Gabe, auf der Sonnenseite des Lebens zu verweilen, was ihr selbst oft schwerfiel – wie ein Schmetterling konnte er einen schönen Moment auskosten, so lange er andauerte.

Mit ein paar geschickten Bewegungen streifte er ihr seinen Falknerhandschuh über und setzte den weißen Gerfalken auf ihr Handgelenk. »Nimm du sie, Mama.«

Sie spürte das ausbalancierte Gewicht des Vogels, den Griff der stahlgrauen Klauen auf dem gepolsterten Handschuh und blickte in seine feurigen, Tintentropfen gleichenden Augen.

Er nickte anerkennend. »Jetzt bist du eine große Königin und Herzogin, die in Staatsangelegenheiten unterwegs ist.«

Erneut brannten Tränen in ihren Augen. Bis zu ihrer Einkerkerung in Sarum hatte sie immer einen weißen Gerfalken in ihrer Kammer gehalten und großes Vergnügen daran gefunden, ihn bei der Jagd fliegen zu lassen. Die Weibchen waren größer und stärker als die Männchen. Sie hatte Henry eines zu ihrer Hochzeit geschenkt und wünschte sich jeden Tag, dieses Geschenk rückgängig machen zu können.

»Wie heißt sie?«, fragte sie.

»Alienor«, gab Harry zurück.

Sie biss sich auf die Lippe und bemühte sich erneut, nicht zu weinen. »Ich werde mir vorstellen, wie sie frei hoch in den Himmel hinausfliegt«, sagte sie schließlich, als sie wieder sprechen konnte.

Als der Reiterzug Sarum verließ, trieb der Wind frische weiße Wolken über den blassblauen Aprilhimmel. Feldlerchen sangen hoch über den Downs, der Wind pfiff durch das neue Gras, und der Schmerz in Alienors Herz war eine süße Qual.

Als sie bei Einbruch der Nacht Winchester erreichten, war Alienor schwindelig vor Erschöpfung und Schmerzen. Henrys Bedenken bezüglich ihrer Fähigkeiten, eine längere Strecke zu reiten, hatten sich mehr als bestätigt. Nachdem sie zwei Jahre ohne eine Möglichkeit zur körperlichen Ertüchtigung und ohne Gesellschaft eingesperrt gewesen war, war sie sowohl physisch als auch psychisch überwältigt.

Der Gerfalke war schon einige Meilen zuvor in seinen Tragekorb gesetzt worden, und die symbolische Bedeutung des Weggesperrtwerdens war Alienor nicht entgangen. Noch mehr beunruhigte sie der Umstand, dass sie den Vogel fast um die Sicherheit des Käfigs beneidete.

Sie sammelte ihre letzten Kraftreserven und errichtete eine Fassade königlicher Distanz um sich, als sie unter Torbögen hindurch und durch von Wächtern bewachte Tore ritten und schließlich in einem dunklen Hof Halt machten. Diener eilten mit Laternen herbei, die im Dämmerlicht schaukelten und goldene tanzende Lichtkreise schufen. William Marshal war sofort an ihrer Seite, half ihr beim Absteigen und stützte sie, damit sie nicht das Gleichgewicht verlor. Sie hielt sich kurz an seinem soliden, kräftigen Körper fest, bevor sie sich aufrichtete. Auf Zuschauer musste es so wirken, als wäre ihre Gesundheit tatsächlich angeschlagen, und ihre nächtliche Ankunft würde diesen Eindruck noch verstärken. Keine Fanfaren, keine bunte Parade durch die Straßen, um das Eintreffen einer großen, lebenssprühenden Königin zu feiern, sondern stattdessen der gedämpfte nächtliche Empfang eines erschöpften Schattens einer Frau.

Sie drehte sich zu Harry, der sein Gefolge mit gutmütigen Scherzen und Schulterklopfen entlassen hatte. »Es ist spät.« Ihre Stimme schwankte. »Ich … ich würde mich gern sofort zurückziehen.«

»Natürlich, Mama, das hätte mir klar sein müssen.« Er gab sich augenblicklich fürsorglich, erteilte ein paar rasche Befehle, und kurz darauf geleitete sie ein Laternenträger zu den Gemächern, die sie bei ihren Aufenthalten in Winchester als Königin immer bewohnt hatte.

Sie schluckte die Tränen hinunter, als sie von dem weichen Licht der Hängelampen aus dickem grünem Glas, den mit bunten Wandbehängen geschmückten Wänden und einem Bett mit einer Decke aus Pelz und Seide empfangen wurde. Auf einer Bank mit Klappsitz lagen zwei in Leder und Elfenbein gebundene Bücher, und auf dem Tisch stand ein Schachspiel neben einer Bergkristallkaraffe und Bechern. Ein köstlicher Weihrauchduft lag in der Luft, und Messingbecken mit glühenden Kohlen verbreiteten eine willkommene Hitze. All der Luxus, den sie vor ihrer Haft als selbstverständlich betrachtet hatte, war vorhanden. Nach zwei Jahren der Entbehrung löste Henrys wenig subtiler Hinweis darauf, was er ihr geben und ihr wieder nehmen konnte, eine fast lähmende Wut und Abneigung in ihr aus.

Als sie sich auf das Bett sinken ließ, erschienen Diener mit Brot, Käse und Wein. Andere brachten unter der Aufsicht ihrer Kammerfrau Amiria ihr Gepäck in den Raum. Sie war die verwitwete Schwester eines Barons aus Shropshire, Mitte dreißig, tüchtig und pflichteifrig, aber auch still und religiös. Sie hielt sich aus den Ränken und der Politik der Welt weitgehend heraus – genau die Art von Dienerin, die Henry für passend hielt. Keiner von Alienors Bediensteten sollte auch nur das geringste Talent für Listen und Intrigen haben, es sei denn, sie erstatteten ihm Bericht.

Amiria kniete vor Alienor nieder, um ihr die knöchelhohen Rindslederstiefel von den Füßen zu streifen, die ihre Herrin während des Ritts getragen hatte, und sie durch ein Paar weicher Schaffellpantoffeln zu ersetzen.

Harry schlenderte hinter dem Gepäck in die Kammer und blickte sich in besitzergreifender Manier um. »Ist alles recht so, Mama? Brauchst du heute Abend noch etwas?«

Sie schüttelte müde den Kopf. »Nur das, was ich nicht haben kann.«

»Ich würde es dir geben, wenn ich könnte, das weißt du.«

Sie zog die Füße an, als Amiria ihre Arbeit beendet hatte. »Ja, wir sind jeder auf unsere Art eingeschränkt.«

Er schenkte Wein in einen der Becher und brachte ihn ihr. »Er ist in Ordnung«, sagte er, als sie zögerte. »Er stammt aus meinem Haushalt, nicht aus Papas.«

Alienor trank einen vorsichtigen Schluck. Der Wein am Hof befand sich für gewöhnlich in einem halb essigähnlichen Zustand. Dieser war jedoch weich und lieblich und schmeckte nach ihrer poitevanischen Heimat und daher bittersüß.

»Soll ich die anderen rufen?«

»Nicht heute Abend«, sagte sie mit einem Anflug von Beklommenheit. »Lass mich erst schlafen.« Sie sehnte sich verzweifelt danach, ihre anderen Kinder in die Arme zu schließen, aber sie durften sie so nicht sehen, erschöpft, den Tränen nahe und überwältigt – vor allem Richard nicht. An Henry zu denken, brachte sie nicht über sich, denn ihr Hass auf ihn brannte heiß in ihrem Magen. »Du solltest auch gehen.«

Sein erleichterter Blick beunruhigte sie – es war ein Blick, den Kinder ihren alternden Verwandten zuwarfen, denen gegenüber sie eine Pflicht zu erfüllen hatten. »Ich werde dafür sorgen, dass du nicht gestört wirst, Mama.«

»Ich bin sicher, dass die Wächter vor der Tür dasselbe tun.«

Nachdem er gegangen war, legte sie sich hin und bat Amiria, die Bettvorhänge zuzuziehen. Zu erschöpft, um sich die Mühe zu machen, sich zu entkleiden, rollte sie sich zusammen und suchte im Schlaf Vergessen.

2

Windsor Castle, April 1176

Der Morgen brachte einen anfänglichen Moment von Orientierungslosigkeit mit sich, als Alienor erwachte und sich zu erinnern bemühte, wo sie war. Ihr ganzer Körper fühlte sich steif an und schmerzte, und sie hatte einen schalen Geschmack in ihrem trockenen Mund. Sie starrte den mit silbernen Sternen bemalten Baldachin über ihrem Kopf an, während sie sich zusammennahm und versuchte, die Kraft aufzubringen, aufzustehen und sich der Welt zu stellen. Außerhalb der Vorhänge konnte sie Amiria einer anderen Zofe etwas zuflüstern hören und vermutete, dass es schon spät war. Aber warum sollte sie sich überhaupt zum Aufstehen aufraffen? Warum blieb sie nicht einfach liegen und ließ die Zeit verrinnen?

Eine andere Frau sprach die Dienerinnen an; ihre Stimme klang sanft fragend, aber es schwang Autorität darin mit. Einen Moment später wurden die Bettvorhänge zurückgezogen, und Alienors Schwägerin Isabel de Warenne stand mit einem Kelch in der Hand in dem Lichtrechteck.

»Ich habe den Wein von letzter Nacht fortschaffen lassen und dir frisches Quellwasser gebracht«, verkündete Isabel. »Es gibt auch frisch gebackenes Brot und Honig, und ich habe dafür gesorgt, dass man dir ein Bad einlässt.«

Alienor griff gedankenverloren nach dem Becher und trank. Das Wasser war klar, kalt und erfrischend, und Isabels Anblick legte sich wie Balsam auf ihr wundes Herz, denn in dieser hatte sie eine wahre und treue Freundin.

»Harry hat mir gestern Abend von deiner Ankunft erzählt, aber darauf beharrt, dass du nicht gestört werden solltest; sonst wäre ich sofort zu dir gekommen.«

Alienor stellte ihren Becher beiseite und breitete die Arme aus. Isabel warf sich hinein und brach dann in Tränen aus, woraufhin Alienor ebenfalls zu weinen begann.

»Du kleiner Dummkopf«, schniefte sie, wischte sich über die Augen und machte sich los. »Schau nur, was du angerichtet hast.«

»Ich kann nichts dafür.« Isabel tupfte ihr Gesicht behutsam mit dem Futter ihres Ärmels ab.

»Du hast ein zu weiches Herz«, schalt Alienor. »Deswegen hätte ich es gestern Abend nicht ertragen können, dich zu sehen. Ich bin selbst jetzt noch nicht sicher, ob ich es ertragen kann.« Sie griff erneut nach dem Becher. »Ach, Isabel, es ist so schwer, das Grau hinter sich zu lassen und in die Welt der Farben zurückzukehren. Du ahnst ja nicht einmal ansatzweise, was er mir angetan hat.«

Ein paar Dienstmädchen brachten eine Wanne und Eimer mit dampfendem Wasser.

»Das vielleicht nicht, aber ich möchte dir trotzdem helfen.«

Alienor verkniff sich eine Grimasse. Isabel neigte stark dazu, Gutes zu tun, um das Leben unglücklicher Menschen zu verbessern. Und sie vermutete, dass sie in Isabels Augen in diese Kategorie fiel. »Wage es ja nicht, mich zu bemitleiden«, warnte sie.

Isabels haselnussbraune Augen weiteten sich gekränkt. »Das würde ich nie tun! Was unterstellst du mir da?« Sie förderte eine Phiole mit Rosenöl zutage, trat zu der Wanne und gab ein paar kostbare Tropfen in das heiße Wasser. Ein wundervoller Duft breitete sich im Raum aus.

»Du kannst eben nicht aus deiner Haut.« Alienor milderte die Bemerkung mit einem Lächeln ab, obwohl Isabel sie noch immer vorwurfsvoll ansah.

Nachdem Amiria sie entkleidet hatte, stieg Alienor in die Wanne und ließ sich in das blutwarme, nach Rosen duftende Wasser sinken, wobei sie einen zwischen Schmerz und Wonne schwankenden Seufzer ausstieß.

Isabel füllte den Becher erneut. »John und Joanna waren so aufgeregt, als sie hörten, dass du kommst«, sagte sie.

Alienors Kehle schnürte sich zu. Als Henry sie zur Strafe dafür, sich gegen ihn aufgelehnt zu haben, von der Welt isoliert hatte, hatte er sie auch von ihren Kindern getrennt. Isabel, die mit Alienors Halbbruder Hamelin verheiratet war, hatte sie vorübergehend in ihren eigenen Haushalt aufgenommen, um sie zusammen mit ihren eigenen Kindern zu erziehen – eine kleine Gnade inmitten all des Elends. »Wie geht es ihnen?«

»Sehr gut, wie du bald sehen wirst«, erwiderte Isabel voller Zuneigung. »Joanna ist eine prächtige junge Dame, und John und William sind nicht nur Vettern, sondern auch enge Freunde geworden.«

»Das Wissen, dass sie bei dir sicher und in guter Obhut sind, war mir ein großer Trost.«

Isabel tat die Bemerkung mit einer Handbewegung ab, wirkte aber erfreut. »Es war mir ein Vergnügen, sie bei mir aufzunehmen. Sie sind beide so gescheit. Ich habe noch nie jemanden so geschickt mit einem Rechenbrett umgehen sehen wie John, und Joanna liest laut vor, ohne sich zu verhaspeln.«

Alienor glühte angesichts von Isabels Lob vor Stolz, aber sie empfand zugleich einen schuldbewussten Anflug von Groll. Sie sollte diejenige sein, die eine solche Intelligenz pries, statt aus dem Mund einer anderen Frau davon zu erfahren, selbst wenn Isabel ihre Schwägerin und eine gute Freundin war. Trotzdem erhellte eine optimistischere Stimmung den vor ihr liegenden Weg wie Sonnenstrahlen, die durch den Nebel brachen. Sie war ins Leben zurückgeholt worden und würde nicht mehr umkehren.

»Weißt du, warum Henry mich nach Winchester geholt hat?«, fragte sie, als Amiria ihr half, ein sauberes Hemd und ein Gewand aus scharlachroter Wolle anzulegen. »Harry sagt, er will Frieden schließen, aber ich fürchte, seine Motive werden mir nicht zum Vorteil gereichen.«

Isabel schüttelte den Kopf. »Hamelin hat nichts gesagt.«

Alienor warf ihr einen scharfen Blick zu. »Weiß er nichts, oder will er dir nichts erzählen?«

Isabel schlug die Augen nieder. »Auch das weiß ich nicht.«

Und sie würde es auch nicht wagen weiterzufragen: Alienor kannte Isabels Hang dazu, sich zu weigern, die unangenehmen Tatsachen des Lebens im richtigen Licht zu sehen.

»Ich hoffe, ihr gelangt zu einer Friedensübereinkunft«, meinte Isabel besorgt. »Das Dasein in Sarum ist kein Leben für dich.«

Alienors Lippen kräuselten sich. »Ich schätze, Henry wird das Leben in Sarum als eines von vielen Druckmitteln benutzen. Er hält mich dort seit fast zwei Jahren gefangen, verwehrt mir jeden Kontakt zur Außenwelt und meinen Kindern und nimmt mir jeden Luxus. Jetzt holt er mich nach Winchester und überschüttet mich mit allem, was ich entbehren musste. Aber eines sage ich dir: Ich werde ihm niemals Aquitanien geben, wenn das sein Preis sein sollte. Eher kehre ich nach Sarum zurück. Tatsächlich wäre ich lieber tot.«

»Alienor …« Isabel streckte beschwörend eine Hand aus.

»Sieh mich nicht so an!«, fauchte Alienor. Dann holte sie so tief Atem, dass er ihren ganzen Körper erfüllte, und bezähmte ihren Ärger. »Ich danke dir, dass du mich geweckt hast«, sagte sie mit sanfterer Stimme und küsste Isabel auf die Wange. »Ich mag vielleicht noch nicht bereit sein, mit Henry zu sprechen, aber ich brenne darauf, meine Kinder zu sehen.«

Alienor hatte gerade ihr aus Brot und Honig bestehendes Frühstück beendet, als John und Joanna mit ihren Kinderfrauen und Isabels vier Kindern, ihren Vettern und Basen, erschienen. Alienors Herz schlug schneller, denn sie erkannte den Sohn und die Tochter, von denen sie sich zwei Jahre zuvor vor den Toren von Sarum verabschiedet hatte, kaum wieder. Mit neun und zehn waren sie zwar noch Kinder, standen aber auf dem letzten Trittstein vor dem gefährlichen Sprung in das Erwachsenenleben.

John trat als Erster vor und sank geschmeidig auf ein Knie. »Mylady Mutter«, sagte er. Joanna knickste und murmelte dieselben Worte. Ihr Haar war zu einem schimmernden Zopf geflochten, das helle Braun an manchen Stellen von den rötlichen Strähnen ihres Vaters durchsetzt.

Die Befangenheit, die die Situation prägte, glich einer fest angezogenen Fessel. In einer plötzlichen Gefühlsaufwallung setzte sich Alienor über alle Formalitäten hinweg und drückte ihre jüngsten Kinder an ihr Herz. »Was seid ihr gewachsen!« Sie kämpfte gegen die Tränen an. »Ah, es ist viel zu lange her, aber ich habe jeden Tag an euch gedacht und gebetet, euch wiederzusehen.«

»Wir haben auch gebetet, Mama.« Johns Miene war unschuldig und offen.

»Ja, das haben sie«, bestätigte Isabel. »Ich musste sie nie daran erinnern.«

Alienor wischte sich die Augen mit ihrer Manschette ab und setzte sich mit John und Joanna in die Fensterlaibung, während sie sich bemühte, ihre Fassung wiederzugewinnen. Schließlich war sie imstande, Isabels Sohn und ihre drei Töchter ruhig und gelassen zu begrüßen. Sie registrierte verwundert, dass auch sie keine verletzlichen Kleinkinder mehr waren, sondern blühende Jugendliche auf dem raschen Weg zum Erwachsenwerden. Isabels Sohn William war genauso alt wie John, und zwischen den beiden hatte sich das für junge Männer typische Band entwickelt, zu dem es gehörte, ständig spielerisch ihre Grenzen zu testen und ihre Kräfte zu messen, während sie sich zugleich gegen die Welt verschworen. Isabels älteste Tochter Belle war fast gleichaltrig mit Joanna und hatte die alabasterfarbene Haut und die auffallenden grünblauen Augen ihres Großvaters Geoffrey, des Grafen von Anjou, geerbt, der wegen seiner Schönheit gerühmt worden war. »Ich kann jetzt schon sehen, dass dieses Mädchen viele Herzen brechen wird.« Alienor lächelte. »Habt ihr sie schon verlobt?«

Belle strahlte ob des Kompliments, hielt aber den Blick bescheiden gesenkt.

»Nein, wir möchten warten, bis sie älter ist, und ihr in der Angelegenheit ein Mitspracherecht zugestehen.«

Alienor hob die Brauen. »Was, wenn sie ihr Herz an einen Küchenjungen oder einen Spielmann mit schönen Worten auf der Zunge und einem leeren Geldbeutel verschenkt?«

Isabel winkte ab. »Natürlich gibt es Grenzen, aber innerhalb dieser soll sie eine Wahl haben – wie alle meine Mädchen.«

»Was sagt denn Hamelin dazu?«

»Er ist ganz meiner Meinung. Wir haben noch viel Zeit, und bislang hat uns noch niemand ein Angebot unterbreitet, das wir nicht ausschlagen konnten.«

Alienor erwiderte nichts darauf. Für eine so konventionelle Frau konnte Isabel in allem, was das Herz und ihr Heim betraf, ausgesprochen störrisch und eigensinnig sein. Manche mochten sie deswegen mutig und ehrlich, andere nachsichtig und töricht nennen. Sie verstand, warum Hamelin ihr zustimmte. Henrys Halbbruder regierte seinen Haushalt mit gütiger, aber absoluter Autorität und würde zögern, an diesem Zustand etwas zu ändern, indem er seine Tochter schon in jungen Jahren verheiratete und somit dem Einfluss anderer Männer aussetzte. Alienors eigene Töchter waren noch vor der Pubertät verlobt worden, um politische Bündnisse zu schmieden und zu sichern, aber auf Isabel und Hamelin lasteten weniger Verpflichtungen.

Sie hörte, wie sich in jovialem Geplänkel erhobene Männerstimmen näherten, und einen Moment später stürmten ihre Söhne mit ihrem Vater in den Raum, brachten die frische Luft aus dem Freien mit sich und verbreiteten eine Atmosphäre lebhafter Energie. Alle vier lachten schallend, weil Henrys Lieblingsterrier sich mit dem juwelenbesetzten Pelzhut des Bischofs von Ely aus dem Staub gemacht und ihn hinter den Ställen zerbissen hatte.

Alienors Blick wanderte schnurstracks zu Richard, den Erben ihres Herzogtums. Ihr Herz stand all ihren Söhnen offen, aber Richard war das Licht, das es erhellte. Graf von Poitou, zukünftiger Herzog von Aquitanien. Sein rotgoldenes Haar schimmerte, seine Augen glichen dem satten sommerlichen Blau von Kornblumen, und er war von allen der am höchsten Gewachsene.

Er wurde ernst, kam zu ihr herüber, kniete zur formalen Begrüßung vor ihr nieder und empfing den Friedenskuss. Alienor nutzte das Ritual, um ihre Würde zu wahren, obwohl die Emotionen in ihr tobten wie ein Wirbelwind. Ihre Blicke trafen sich und waren erfüllt von Hunderten von Dingen, die sie vor Henry und den anderen nicht auszusprechen wagten.

Richard erhob sich und nahm den Platz seines ein Jahr jüngeren, braunhaarigen und leichter gebauten Bruders Geoffrey ein. Er wurde dazu ausgebildet, über die Bretagne zu herrschen, und war mit Constance, ihrer Herzogin und Erbin, verlobt. Geoffrey galt als stilles Wasser; der offene Ausdruck auf seinem Gesicht ließ nicht immer auf die komplexeren Gedankengänge schließen, die sich in seinem Kopf abspielten. »Mylady, meine Mutter.« Er nahm ihre Hand und presste sie gegen seine Stirn. Seine Manieren waren vollendet, seine Augen blickten jedoch wachsam und unergründlich.

Harry küsste sie warm und drückte aufmunternd ihre Hand. »Fühlst du dich jetzt besser, Mama?«

»Ich habe meine Rüstung angelegt«, entgegnete sie mit galligem Humor. Fühlte sie sich besser? Anders vielleicht; bereit, in den Kampf zu ziehen.

»Diese hier sind für dich.« Er ließ ein halbes Dutzend bunter Edelsteine in ihre Handfläche rieseln, darunter auch ein großer Amethyst mit zwei hineingebohrten Löchern; von einem hing ein Faden mit daran befestigten Eichhörnchenpelzfetzen herab. »Teile der Jagdbeute, aber verrate dem Bischof von Ely nichts.« Seine Augen funkelten vor unterdrücktem Lachen.

Alienor umklammerte die Steine einen Moment lang in der Faust. Sie wusste genau, wie wertvoll sie waren und wie sie sich am besten verwenden ließen. Henry würde sie in Gegenwart so vieler Zeugen nicht konfiszieren, und es war alles ein Teil des Spiels. Nachdem sie die Juwelen in ihrer Schmuckschatulle verstaut hatte, drehte sie sich widerwillig verkrampft zu ihrem Mann um, der seinen Söhnen bewusst den Vortritt gelassen hatte, damit er ihre Interaktion mit ihnen beobachten konnte. Sie knickste nicht, und er verneigte sich auch nicht vor ihr.

»Madam, ich vertraue darauf, dass sich Euer Aufenthalt in Frieden und Abgeschiedenheit vorteilhaft ausgewirkt hat?« Seine Augen funkelten so hart wie Feuersteinsplitter.

»In der Tat, Sire. Ich hatte Zeit, über viele Dinge nachzudenken und sie klarer zu sehen, als ich es zuvor getan habe.«

»Es freut mich, das zu hören. Wie Ihr seht, bin ich mit unseren Söhnen zu einer Übereinkunft gelangt, und es gibt keinen Grund, warum wir nicht alle friedlich miteinander leben sollten.«

Es gab viele Gründe, das Gegenteil anzunehmen, aber Alienor schwieg dazu.

Er hielt ihr seinen Arm hin. »Der Hof erwartet uns in der Halle, wenn es Euch recht ist.«

»Würde es etwas ändern, wenn dem nicht so wäre?«

»Ich denke, wir beide kennen die Antwort darauf«, erwiderte er freundlich, doch sein Blick blieb hart.

Sie wollte ihn nicht berühren, aber sie zwang sich, die Hand auf seinen Ärmel zu legen und an seiner Seite zu gehen; sie wusste, dass er auf diesen Körperkontakt ebenfalls keinen Wert legte. Er wollte lediglich seine Macht ausspielen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als das Spiel mitzuspielen, bis sie herausfand, was er im Schilde führte; dann würden sie weitersehen.

3

Winchester Castle, Osterhof, April 1176

Alienor saß mit Isabel in der Fensternische und bestickte die Ärmel von Joannas neuem Gewand. Es war eine kunstvolle Arbeit, doch sie führte die Stiche rasch aus, da ihre Gnadenfrist jeden Moment enden konnte. In Sarum durfte sie nur schlichte Leinenhemden und Kittel für die Armen und Siechen nähen – vermutlich ein Teil ihrer Strafe dafür, dass sie ihre Söhne ermutigt hatte, sich gegen ihren Vater aufzulehnen. Es war ein Genuss, wieder mit Seidengarn und schönen Stoffen zu arbeiten.

Die gestrige Familienversammlung und Versöhnung war oberflächlich betrachtet so heiter wie im Sonnenlicht glitzerndes Wasser gewesen, unter dem sich trübe Unterströmungen verbargen. Alle hatten gelächelt, und manchmal hatte das Lachen sogar echt geklungen, aber unter der Oberfläche lauerten dunklere Gefühle. Niemand hatte die Gründe angesprochen, die zu den Zerwürfnissen geführt hatten. Stattdessen wurde gescherzt und Geschichten von der Jagd zum Besten gegeben. Das Dahinscheiden des Pelzhuts des Bischofs von Ely war etliche Male beschrieben worden, und der Bischof selbst hatte den Zwischenfall gutmütig aufgenommen und die Juwelen großzügig in Alienors Obhut gegeben. Der Streit, der die Söhne gegen den Vater aufgebracht und zu Alienors Einzelhaft in Sarum geführt hatte, wurde nicht erwähnt. Dennoch war der Vorfall so schwerwiegend gewesen, dass er still den ganzen Raum ausfüllte, und jeder Atemzug und jedes Wort wurde davon vergiftet.

An diesem Morgen war Henry mit ihren Söhnen auf die Jagd gegangen; er war bestrebt, ihr die herzliche männliche Harmonie vor Augen zu führen, die zwischen ihnen herrschte. Siehst du, sie gehören mir. Du hast versucht, sie mir wegzunehmen, und keinen Erfolg damit gehabt. Das war die Version, die er mit Feuereifer zu verbreiten suchte, doch obwohl es schmerzte wie ein eingerissener Fingernagel, glaubte sie ihm nicht.

Joanna und ihre de Warenne-Basen waren mit eigenen kleinen Stickarbeiten beschäftigt, ebenso wie Harrys junge Frau Marguerite und deren maushaarige, mit Richard verlobte Schwester Alais. Constance von der Bretagne, Geoffreys zukünftige Frau, las den Frauen aus einem Bestiarium vor und hatte ihnen gerade mit einer Grimasse kundgetan, dass Kamele lieber schmutziges Wasser tranken als sauberes und es zu diesem Zweck mit den Füßen aufwühlten, um Schlamm zu erzeugen.

»Hast du Kamele gesehen, als du im Heiligen Land warst, Mama?«, fragte Joanna. »Haben sie das wirklich getan?«

»Nicht dass es mir aufgefallen wäre«, gab Alienor zurück. »Du darfst nicht vergessen, dass nicht alles, was gelehrte Männer schreiben, der Wahrheit entspricht. Ich bin in Jerusalem einmal auf einem Kamel geritten. Louis war über die Unschicklichkeit entsetzt, aber das hat mich nicht davon abgehalten.«

Joannas Augen wurden groß. »Wie war es?«

»Unangenehm.« Alienor verzog das Gesicht. »Und ich wurde reisekrank. Sie sind größer als Pferde, deswegen kann man zwar weiter in die Ferne sehen, aber sie sind weder sicher auf den Füßen, noch reagieren sie so rasch auf Kommandos. Doch ein schnelles arabisches Rennpferd – ah, das ist etwas ganz anderes.« Bei der Erinnerung leuchteten ihre Augen auf. »Auch das erregte Louis’ Missfallen. Er hasste es, seine Frau auf einem edlen Pferd so schnell wie der Wind durch die Wüste jagen zu sehen. Vermutlich dachte er, ich könnte ihm durchgehen – ha, und damit hatte er wahrscheinlich recht! Ich wünschte, ich hätte jetzt ein arabisches Rennpferd oder auch nur ein Kamel, aber andererseits – wenn Wünsche Pferde wären, wäre ich schon längst in Poitiers in meiner eigenen Halle.«

Isabel berührte sacht Alienors Hand und warf ihr einen mitfühlenden Blick zu, in dem nichtsdestotrotz eine Warnung mitschwang.

»Was den Adler angeht«, fuhr Constance’ helle Stimme fort, »so ist es bekannt, dass er, wenn er alt ist, auf eine eigenartige Weise wieder jung wird. Wenn seine Augen sich eintrüben und seine Schwingen schwer werden, sucht er eine Quelle auf, kristallklar und rein, aus der das Wasser sprudelt und die im Sonnenlicht schimmert. Über dieser Quelle steigt er hoch in die Luft hinauf, heftet die Augen auf das Licht und blickt hinein, bis die Hitze seine Augen und Schwingen in Flammen setzt. Dann schwebt er dort zu der Quelle hinab, wo das Wasser am klarsten und hellsten ist, stürzt sich hinein und badet dreimal darin, bis er erfrischt, gestärkt und vom Alter befreit ist.«

Tränen brannten in Alienors Augen. Wenn es doch nur so einfach wäre.

Die Vorlesestunde wurde von Henry, der nach seiner morgendlichen Jagd energiegeladen in die Kammer rauschte, rüde unterbrochen. Seine Stiefel wiesen Schlammspritzer auf, in seinem Umhang klaffte ein Riss, und Zweige klebten an seinem Hut. Alienor konnte seinen Schweiß riechen. Von ihren Söhnen war nichts zu sehen, und Henry hatte auch keine Diener dabei. Ihr Herz begann zu hämmern. Also war es jetzt so weit, die Verhandlungen würden beginnen.

Er warf einem der diensthabenden Knappen seinen Hut und seinen Umhang zu, entließ den jungen Mann direkt und trat auf die Nische zu. »Geht, ihr alle«, befahl er mit einer brüsken Geste. »Ich wünsche mit der Königin unter vier Augen zu sprechen.«

»Ich möchte bleiben.« Joanna lehnte sich schmollend gegen Alienor.

»Wollen kannst du vieles, aber du tust, was ich sage«, erwiderte Henry knapp. »Dieses Gespräch ist nicht für deine Ohren bestimmt.«

»Komm, Joanna«, lockte Isabel. »Ich muss meine Schmuckschatulle durchsehen, und du und Belle, ihr könnt mir helfen.«

Joanna warf ihrem Vater einen raschen Blick zu, der an ein finsteres Funkeln grenzte. Aber da sie der Verlockung der Juwelen ihrer Tante nicht widerstehen konnte, vollführte sie einen Knicks und ging mit Isabel davon.

Henry zischte durch die Zähne. »Töchter«, brummte er, als er auf dem Stuhl Platz nahm, den Isabel geräumt hatte.

Alienor griff nach ihrer Näharbeit. »Das war zu erwarten. Sie kommt in ein Alter, in dem sie schon viel begreift.«

»Sie kommt auch in ein Alter, in dem sie sich würdevoll und anständig zu betragen und ihrem Vater zu gehorchen hat«, erwiderte er gereizt, nahm einen goldenen Stickgarnfaden zwischen Daumen und Zeigefinger und betrachtete ihn in dem Licht, das durch das Fenster fiel. »Abgesandte aus Sizilien sind auf dem Weg hierher, um einen Heiratsantrag von König William zu überbringen, und ich bin geneigt, ihn zu akzeptieren, wenn die Bedingungen vorteilhaft sind.«

Alienor führte ein paar kunstvolle Stiche aus. Ein Bündnis mit Sizilien war schon vor Jahren in Erwägung gezogen und dann verschoben, aber nicht verworfen worden. Eine weitere Tochter, die in ein fernes Land gesandt wurde und die sie wahrscheinlich nie wiedersehen würde. Trotzdem war Sizilien bezüglich Klima und Kultur Aquitanien nicht unähnlich und würde Joanna vielleicht gefallen. William von Sizilien mochte ungefähr zehn Jahre älter sein als ihre Tochter – ein Altersunterschied, der sich sowohl als unerheblich als auch als unüberwindbare Kluft erweisen konnte. »Weiß Joanna es schon?«

»Nein, aber ich werde es ihr bald sagen.« Er stieß einen übertriebenen Seufzer aus. »Ich habe immer getan, was zur Einheit unserer Reiche nötig ist. Meine Söhne verstehen das jetzt, und ich hoffe, die Zeit, die du zum Nachdenken hattest, hat dich auch zu dieser Einsicht geführt. Wie sollen wir die Leute dazu bringen, den König zu verehren und ihm gegenüber Loyalität zu zeigen, wenn sie uns nicht als Einheit sehen?«

Meine Söhne, registrierte sie, nicht unsere Söhne. »Ich habe nicht viel anderes zu tun gehabt als über diese Frage nachzugrübeln.« Sie drehte den Stoff um, um die Rückseite ihrer Stiche zu inspizieren. »Da du meine Ketten gelockert und mich nach Winchester gebracht hast, verfolgst du sicher ein bestimmtes Ziel. Harry sagte, du wolltest Frieden schließen?«

Er wickelte sich den glitzernden Faden um den Zeigefinger. »Erinnerst du dich, wie wir gemeinsam Fontevrault besucht haben?«

Eine interessante Eröffnung. »Das war vor langer Zeit.«

Er lächelte schief. »Ja, in den guten Jahren.«

Im Geist sah sie das Bild vor sich, wie sie mit Henry Hand in Hand durch taufeuchtes Gras schlenderte. Die Abteimauern waren vom frühmorgendlichen Nebel mit kleinen Perlen übersät, und eine Kinderfrau folgte ihnen mit ihrem Erstgeborenen in den Armen. Eine Zukunft voll endloser Möglichkeiten hatte sich vor ihnen erstreckt, und ihr Herz war vor Gewissheit und innerem Jubel übergeflossen. Aber Will lag seit über zwanzig Jahren in seinem Grab, und die Erinnerung glich dem Aufblitzen eines Sonnenstrahls auf tückischen Gewässern. Sie hatte Fontevrault seither oft besucht, aber nie wieder mit Henry. »Warum fragst du?«

»Der Aufenthalt dort war immer Balsam für deine Seele. Ich glaube nicht, dass du dieselbe Beziehung zu Sarum hast.«

Alienor unterbrach ihre Handarbeit und musterte ihn mit schmalen Augen. »Worauf willst du hinaus?«

Er erhob sich und ging zum Fenster. Die Bewegung setzte den beißenden Geruch der Jagd frei, der seinem Körper und seinen Kleidern anhaftete. »Die Abtei in Amesbury wird verwaltungsmäßig Fontevrault unterstellt und benötigt eine Äbtissin. Es könnte ein würdiges Projekt für dich sein, mit dem kein Stigma verbunden ist. Es wäre eine Ehre für dich.«

Äbtissin! Das war also sein Plan. Sie in ein Kloster zu sperren und von ihr zu erwarten, dass sie ihre Zeit im Gebet, mit wohltätiger Arbeit und vielleicht etwas der Würde und des Ranges einer Edelfrau in den Diensten der Kirche angemessener gesellschaftlicher Betätigung verbrachte. Ein sauberer, angenehmer Tod – im Gegensatz zu einem harten und kalten in Sarum, wenn sie sich weigerte.

»Ich würde keinerlei Druck auf dich ausüben, wenn du dort bist«, fügte er glatt hinzu. »Du könntest tun und lassen, was du willst – ausreiten, hochrangige Besucher empfangen und ein Gewinn für unsere Dynastie sein statt einer Belastung.«

Alienor betrachtete seinen Hinterkopf. Sein Haar wurde schütter, und das einstige Rötlichgold hatte die Farbe staubigen Sandes angenommen. »Ich denke, ich würde es vorziehen, Zeit in Poitiers zu verbringen«, versetzte sie in einem neutralen Ton. »In zwei Monaten werden die Kirschen reif, und der Frühsommer ist dort immer wunderschön. Das wäre wahrer Balsam für meine Seele.«

Er drehte sich um. »Das wäre unangemessen. Nach dem, was geschehen ist, kannst du nie mehr dorthin zurückkehren.« Sein starrer Blick war so hart wie der Stein, gegen den er sich gelehnt hatte. »Ich habe mit verschiedenen Geistlichen gesprochen, und sie sagten mir, es lässt sich einrichten, dass unsere Ehe keinen Bestand mehr hat.«

Alienor war weder erschrocken noch überrascht, denn sie hatte diesen staubigen Pfad bereits beschritten. »Du sprichst von einer Annullierung?«

Er zuckte die Achseln. »So etwas in der Art, ja.«

»Lass uns deutlich miteinander sprechen und nicht die Worte verdrehen. Du meinst eine Annullierung. Was sonst soll ›so etwas in der Art‹ bedeuten?«

Er blickte auf das Goldfadengeflecht zwischen seinen Fingern hinunter. »Ja, wenn du es so offen beim Namen nennen willst. Eine Annullierung.«

»Du willst mich zu einem Nichts machen.« Ihre Stimme klang vor zorniger Verachtung gepresst. »Du möchtest, dass ich einfach verschwinde, nicht mehr existiere.« In ihrem Magen fühlte es sich so an, als würden schwere Steine aufeinander fallen. Sie würde nicht zulassen, dass er ihr das antat. »Ich frage mich, welche Vorteile dir ein solches Arrangement bringt?«

Er hob die Schultern. »Ich wüsste nicht, warum du Einwände erheben solltest. Es bedeutet, dass wir jeder unseren eigenen Weg gehen und die andauernde Bitterkeit zwischen uns beenden können.«

Wenn Bitterkeit herrschte, dann deshalb, weil er sie bei jeder Gelegenheit herabgesetzt hatte und es auch heute noch tat. Er schob sie in ein Kloster ab und verwehrte ihr das Recht, ihr eigenes Herzogtum zu besuchen. Vielleicht trachtete er danach, sich eine neue Frau zu nehmen – eine Bedrohung, die sie nicht ignorieren konnte, denn wenn eine neue Königin ihm Kinder gebar, könnten ihre eigenen Nachkommen in Gefahr geraten. Sie würde sich vor ein Schwert werfen, um sie zu beschützen.

Alienor legte ihre Näharbeit beiseite und erhob sich, um ihm entgegenzutreten. »Ich habe nicht die Absicht, um eine Annullierung unserer Ehe zu ersuchen, nicht für das, was du mir zum Ausgleich bietest. Die Aussicht auf ein angenehmeres Gefängnis wird an meinem Entschluss nichts ändern.«

»Ihr werdet feststellen, dass Ihr kaum eine Wahl habt, Madam. Ich kann Dokumente bereitstellen, die beweisen, dass unsere Ehe von Anfang an wegen zu enger Blutsverwandtschaft gegen das Gesetz verstoßen hat.«

Sie lachte abfällig auf. »Ich bin sicher, dass es viele Gründe gibt, weshalb wir nicht verheiratet sein sollten, Henry, aber sie wurden alle überwunden und aus der Welt geschafft, als wir geheiratet haben. Egal, was für Beweise du vorbringst, ich kann gleichwertige vorlegen, die deine entkräften. Mir mögen keine Armeen zur Verfügung stehen, aber das zählt auf diesem Schlachtfeld nicht. Nach dem, was Thomas Becket zugestoßen ist, gibt es viele in Rom, die erfreut wären, sich für meine Sache einsetzen zu können. Überdies musst du mich am Leben lassen, denn nach Becket könnten die Männer dich zu leicht für fähig halten, nach deinem Erzbischof auch noch deine Königin zu ermorden.«

Henry lief puterrot an; die geplatzten Adern bildeten ein violettes Geflecht auf seinen Wangen. Er hob eine Faust. »Bei Gott, Madam, Ihr geht zu weit!«

»Nur zu, schlag mich ruhig«, forderte sie ihn mit einem stolzen Zurückwerfen des Kopfes heraus. »Schick mich nach Sarum zurück, erklär ›deinen‹ Söhnen die Gründe und warte ab, was sie dir antworten werden.«

Sie standen schwer atmend in der Nische und starrten einander hasserfüllt an.

»Bei Gott, du wirst mir geben, was ich will«, schnarrte er.

»Es kümmert mich nicht, was du tust«, gab Alienor tapfer zurück. »Du hast mich bereits erniedrigt. Was auch immer du tust, es macht keinen Unterschied mehr.«

»Oh, ich schätze doch. Denkt gut darüber nach, Madam. Ich werde Euch erneut fragen, bevor die Osterfeierlichkeiten vorbei sind, und ich erwarte, dass Ihr dann zur Vernunft gekommen seid. Ihr wisst, was passiert, wenn das nicht der Fall sein sollte.« Er stieß sie so grob zur Seite, dass sie stolperte, und stürmte aus dem Raum.

Alienors Knie gaben unter ihr nach. Sie tastete hinter sich, bis sie das Kissen des Fenstersitzes spürte, und sank zitternd darauf nieder. Heiliger Christus, er wollte eine Annullierung, damit er sie in ein Kloster verbannen und vergessen konnte. Sie hatte kaum etwas gegen ihn in der Hand, aber Verweigerung war eine Waffe, mit der sie ihn bis zum Letzten bekämpfen würde.

Isabel schlich auf Zehenspitzen in die Kammer und trat auf Alienor zu, die schweigend und wie betäubt dasaß. Als sie sah, in welchem Zustand sich ihre Freundin befand, scheuchte sie die anderen Frauen fort und brachte ihr eigenhändig einen Becher Wein.

»Er will die Ehe annullieren lassen«, sagte Alienor steif. »Er will, dass ich nach Amesbury gehe und den Schleier nehme.«

Isabel rang nach Luft. »Großer Gott!«

»Er möchte eine Nonne aus mir machen und mir Aquitanien wegnehmen.« Sie zitterte vor Hass auf ihn und vor Abscheu. »Er sagt, es wäre eine ehrenvolle Lösung; er sagt, dort wäre mein Leben frei von Zwistigkeiten und ich hätte meinen Frieden, aber das sagt man schließlich auch über den Tod, nicht wahr?« Sie blickte den Wein an, der in ihrer zittrigen Hand schimmerte. »Eines Tages ziehe ich mich vielleicht in ein Kloster zurück, aber jetzt noch nicht. Kinder kann ich keine mehr bekommen, aber ich lasse mich nicht wie eine abgehalfterte Mähre behandeln, die in ihren letzten Tagen das Gnadenbrot erhält.« Sie warf Isabel einen hitzigen Blick zu. »Ich werde nie einwilligen, niemals!«

Isabel setzte sich neben sie und sagte nach einem Moment zögernd: »Ich weiß, es muss schwer sein, es überhaupt in Erwägung zu ziehen, aber wäre es nicht besser, als nach Sarum zurückzukehren oder in Winchester hinter Schloss und Riegel gehalten zu werden?«

Alienor presste die Lippen zusammen und blickte zum Licht hinüber, das durch die Fenster hineinfiel. Der Goldfaden, den Henry sich um seinen Finger gewickelt hatte, glitzerte auf dem Boden. »Nein«, widersprach sie, »das ist es nicht.«

»Aber du hättest die Gesellschaft anderer Edelfrauen und Bücher zum Lesen und vielseitige Möglichkeiten, dich zu beschäftigen.« Isabel berührte Alienors Knie; sie schlug einen mitfühlenden, überredenden Ton an. »Du hättest frische Luft und Bequemlichkeit, und man würde dich ehren und respektieren. Wenn du eingehend darüber nachdenkst – ist es wirklich so schlimm, was er verlangt?«

Isabels Entschlossenheit, jeder Situation etwas Gutes abzugewinnen, selbst wenn es bedeutete, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, hatte Alienor schon immer aufgebracht, aber nun verwandelte sich das Gefühl in Wut. »Du verstehst es nicht, das tust du nie!«, brauste sie auf. »Ich bin eine Königin, und was er von mir verlangt, entspricht nicht meiner Rolle. So würde er mich aus dem Weg fegen wie Staub.«

Isabel machte eine beschwichtigende Geste. »Ich wollte dich nicht kränken, ich überlege nur, was das Beste für dich ist.«

»Das Beste? Ha! Er reduziert mich zu einem Nichts, und du heißt es gut, weil du dich weigerst, die Welt so zu sehen, wie sie ist.«

»Alienor …«

»Ach, verschwinde«, spie sie. »Ich brauche deine Ratschläge nicht.«

Isabel biss sich auf die Lippe. »Ich möchte dir helfen, das ist alles.«

»Du kannst mir nicht helfen«, fauchte Alienor voll hilfloser Wut. »Ich meine es ernst. Lass mich allein, ich will dich nicht hierhaben.«

Isabel stand auf. Ihr Kinn zitterte. »Wie Ihr wünscht, Madam.« Sie knickste formell und verließ den Raum.

Alienor schloss die Augen und schlug die Hände vor das Gesicht. Sie war nahe daran, Isabel zurückzurufen, aber Stolz und Zorn fesselten sie an ihren Platz.

Niemand kam zu ihr, denn wer würde es schon wagen, die Höhle der Löwin zu betreten. Nach einer Weile ließ sie die Hände in den Schoß sinken und hob das Gesicht. Ihre Miene war angespannt und hoheitsvoll zugleich. Sie fühlte sich auf seltsame Art aufgeblüht und von Zielstrebigkeit erfüllt. Sie würde mit allem, was auf sie zukam, auf ihre Weise fertigwerden. Sie war eine Königin und hob sich allein durch diese Rolle von anderen Frauen ab – selbst von denen, die sie als Freundinnen bezeichnete. Der Zwischenfall mit Isabel hatte ihr wieder einmal bewiesen, dass der einzige Mensch, auf den sie sich verlassen konnte, sie selbst war.

4

Winchester Castle, Osterhof, April 1176

Hamelin de Warenne, Earl of Surrey, entspannte sich vor dem Feuer und genoss die Fürsorge seiner drei Töchter. Sie wuselten um ihn herum, ihre Stimmen zwitscherten so hell wie die von Singvögeln, während sie sein Haar kämmten und seine wunden Füße badeten. Er war den ganzen Tag auf den Beinen gewesen, um die Forderungen seines vor Energie sprühenden königlichen Halbbruders zu erfüllen, und diese Ruhepause war ein wundervoller Segen.

Voller Zufriedenheit dachte er daran, wie glücklich er mit seiner Familie war. Sein Sohn war ein gescheiter Bursche mit wachem Verstand und robuster Kraft, was Gutes für die Zukunft der Grafschaft verhieß, während seine Töchter sein Leben durch einen warmen Schein von Familienfrieden und Erfüllung bereicherten. Eines Tages würden sie heiraten, und ihre Männer würden sich glücklich schätzen, so wunderbare Frauen zu bekommen – was er sie von Anfang an wissen lassen würde. Aber jetzt noch nicht; er und Isabel konnten sich noch etwas länger an den Mädchen erfreuen. Belle war, obwohl sie langsam zur Frau wurde, noch keine zwölf, Adela war sieben und Matilda fünf. Im Gegensatz zu Henrys Töchtern bestand bei ihnen keine Eile, sie in große dynastische Verbindungen zu drängen.

Er blickte zu seiner Frau, die damit beschäftigt war, den Inhalt einer Kleidertruhe durchzusehen. Sie kehrte ihm den Rücken zu und zog und zerrte mit hektischen Bewegungen an den Kleidungsstücken. Er dachte sich jedoch nichts dabei, sondern ging davon aus, dass sie sich wie üblich mit irgendwelchen geheimnisvollen weiblichen Haushaltsangelegenheiten befasste.

»Belle, spiel für mich«, bat er.

Seine älteste Tochter holte ihre Harfe und setzte sich auf einen Schemel zu seinen Füßen. Ihr dichter brauner Zopf fiel nach vorne, und sie warf ihn mit einer anmutigen Bewegung des Handgelenks und einem Lächeln für ihren Vater zurück. Sie war eine begabte Musikerin; ihre Finger glichen geschmeidigen Bändern, die den Saiten Töne entlockten. Matilda kletterte auf seinen Schoß, um sich an ihn zu kuscheln, und er schlang zärtlich-beschützend einen Arm um ihren anschmiegsamen Körper. Nachdem er den größten Teil des Tages mit Besprechungen mit Henry verbracht hatte, brauchte er diesen familiären Moment dringend, um sich von dem Schmutz des Hofes zu reinigen. Er dankte Gott immer wieder inbrünstig dafür, dass ihm seine Familie so viel Freude und Trost schenkte, während anderen dieser Rückhalt gänzlich fehlte.

Später, nachdem die Mädchen ihn geküsst hatten, unter Aufsicht ihrer Kinderfrauen zu Bett gegangen waren und auch sein Sohn ihm Gute Nacht gesagt hatte, wandte er sich Isabel zu und klopfte mit der Hand neben sich auf die Bank.

»Komm, du warst heute Abend so still. Bring mir einen Becher Wein und setz dich ein bisschen zu mir.«

Sie tat wie geheißen, doch er bemerkte ihre innere Unruhe. Irgendetwas lag ihr auf der Seele, aber sie würde es ihm schon erzählen, wenn sie dazu bereit war. Es war nicht seine Art, unnötig Probleme heraufzubeschwören. Er nahm den Wein an und streckte die Beine dem Feuer entgegen. »Ich nehme an, du hast von Henrys Plan gehört, seine Ehe mit Alienor auflösen zu lassen?«, fragte er.

Als sie nicht antwortete, blickte er auf und sah, wie sich ihr Gesicht verzerrte und sie in Tränen ausbrach. Erstaunt und bestürzt griff Hamelin nach ihrer Hand. »Was ist mit dir?«, fragte er. »Was hast du denn?«

»Nichts«, stieß sie erstickt hervor. »Gleich geht es wieder.«

»Komm schon – liegt es an dem, was ich gerade gesagt habe?« Er fragte sich, ob sie glaubte, die Neuigkeiten würden ihre eigene Position gefährden. »Es ist ja nicht so, als würde ich dich um eine Annullierung bitten. Warum bist du so aufgebracht?«

»Ich … ich bin nicht aufgebracht«, schluchzte Isabel zutiefst beschämt darüber, dass es ihr nicht gelang, sich in ihrem eigenen Haushalt, der doch Hamelins Oase der Ruhe und des Friedens sein sollte, zusammenzunehmen.

»Ganz im Gegenteil, ich sehe es dir doch an. Erzähl es mir.«

»Es geht um Alienor«, weinte sie. »Sie … sie ist förmlich auf mich losgegangen, als ich meinte, eine Annullierung wäre die beste Lösung. Sie hat mich fortgeschickt und mir vorgeworfen, ich würde nichts verstehen. Es war fast so, als wäre ich ihre Feindin, und alles, was ich je für sie getan habe, zähle nicht mehr.«

Hamelin verzog das Gesicht. Zwar liebte er seine Frau sehr, aber ihre Empfindlichkeit erschwerte manchmal vieles, und er hatte nicht die Absicht, sich in Frauenstreitigkeiten hineinziehen zu lassen. Selbst mit Henrys Launen, Intrigen und Wutanfällen ließ sich viel leichter fertigwerden als mit Problemen, bei denen Frauen im Spiel waren. »Beruhige dich, Liebes«, beschwichtigte er sie. »Ich kann nicht mehr zählen, wie oft Henry mich weggeschickt hat, weil er mit dem, was ich gesagt habe, nicht einverstanden oder einfach nur wütend auf die ganze Welt war. Wenn es hart auf hart kommt, braucht er uns – und Alienor braucht dich ebenso, sosehr sie auch das Gegenteil beteuert.« Er schnitt eine Grimasse. »Wir sind ihre Stützen, selbst wenn sie uns einen Tritt versetzen. Trink etwas Wein und trockne dir die Augen. Es wird vorbeigehen.«

»So«, sagte er, als ihre Tränen schließlich versiegt waren, sie nur noch gelegentlich schniefte und er ihren Becher neu gefüllt hatte. »Demnach steht Alienor einer Annullierung nicht unbedingt wohlwollend gegenüber?«

Isabel schüttelte leicht den Kopf. »Nein. Sie hat sich wie eine Löwin gebärdet, als ich gesagt habe, es könnte die beste Lösung sein.« Sie drehte das feuchte Leinentuch, mit dem sie sich die Augen betupft hatte, zwischen den Händen. »Selbst wenn Henry sie nach Sarum zurückschickt oder in ein Verlies steckt, wird sie sich ihm widersetzen.«

Ein gequälter Ausdruck huschte über Hamelins Gesicht. Henrys und Alienors eheliche Schwierigkeiten erzeugten Reibungen, die weit über ihren persönlichen Bereich hinausgingen. Er wunderte sich überhaupt nicht über Alienors Reaktion auf Henrys Vorschlag.

»Hat Henry dir gesagt, warum er eine Annullierung will?«, fragte sie.

»Er sagt, er wünscht einen sauberen Schnitt, um sich von Alienor zu trennen. Ihr werden in Amesbury ehrenhafte Pflichten übertragen, und er wird frei sein, um sein eigenes Leben weiterzuleben.«

»Alienor findet, dass Henry sie herabsetzt.« Isabel musterte ihn forschend. »Es sind noch immer Gerüchte im Umlauf, dass er plant, Alais von Frankreich oder Rosamund de Clifford zu heiraten.«

Hamelin zuckte mit den Schultern. »Der Klatsch macht immer aus einer Mücke einen Elefanten. Ich kenne meinen Bruder, er wird weder das eine noch das andere tun, weil es einen Aufruhr auslösen würde. Eine der beiden ist mit seinem Sohn verlobt, die andere die Tochter eines einfachen Barons. So töricht ist er nicht.« Er zog sie an sich und küsste sie. »Du musst Distanz wahren. Das ist der einzige Weg, um sicher zu sein und zu überleben.«

»Ja, du hast recht.« Isabel schmiegte sich Trost suchend an ihn.

»Ich habe noch andere Neuigkeiten, die dir vielleicht besser gefallen«, verkündete er nach einem Moment. »Henry hat mir erzählt, dass sizilianische Abgesandte mit einem Heiratsantrag ihres Königs für unsere Nichte Joanna erwartet werden. Wenn ihre Bedingungen akzeptabel sind, wird Henry einwilligen.«

»Ich wusste, dass davon schon die Rede war, aber mir war nicht klar … Ein so weit entferntes Land für das Kind.«

»Es ist Joannas Bestimmung, vorteilhaft zu heiraten und gute Beziehungen zwischen den Ländern zu fördern. Sie weiß das, und du hast sie gut vorbereitet. Wie man hört, sieht der Bräutigam gut aus, ist wohlhabend, und der sizilianische Hof gehört zu den angesehensten der christlichen Welt.«

»Es ist eine gute Partie, und ich freue mich über die großartige Zukunft, die vor ihr liegt. Aber ich werde sie vermissen. Und Belle auch.«

»Es ist ihre Pflicht«, versetzte Hamelin fest. »Dafür wurde sie geboren.«

»Ich wurde auch dafür geboren. Ich hätte Englands Königin sein können.« Isabel dachte an ihren ersten Mann, der der Thronerbe gewesen war und seinen Platz für Henry geräumt hatte. Hätte das Schicksal es anders gewollt, hätte Alienors Krone ihr gehört. »Ich bin froh, dass es nicht so gekommen ist; es hätte mir das Herz gebrochen, unsere Töchter in so jungen Jahren gehen zu lassen. Wie bald muss Joanna abreisen, wenn es zu einer Übereinkunft kommt?«

»Im Herbst.«

Hamelins weiße Jagdhündin sprang auf der anderen Seite der Bank auf, beschrieb mehrere Kreise, ließ sich dann wieder nieder und legte die Schnauze auf Hamelins Bein.

»Henry möchte, dass ich sie dorthin begleite und dafür sorge, dass sie sicher ankommt und gut untergebracht wird.« Ein Lächeln erhellte seine Augen. »Du sollst ebenfalls mitkommen, also zögert sich der Abschied noch einige Zeit hinaus. Was sagst du dazu?«

Isabel löste sich von ihm und lachte dann vor freudiger Überraschung auf. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll! Es ist ein aufwendiges Unterfangen, und es wird viel zu tun geben.« Sie dachte an all die Dinge für die Hochzeitstruhe der Braut und die neuen Kleidungsstücke und die Aussteuer, die zusammengestellt werden musste, ganz zu schweigen von der Organisation eines neuen Haushalts für Joanna. Henry würde Alienor nicht gestatten, dies zu übernehmen, so viel stand fest. Entschlossen verdrängte sie den Gedanken an Alienor, bevor sie erneut weinen würde.

»Das ist wahr, aber sag vorerst noch nichts«, warnte er. »Mach kein großes Gewese um das Packen.«

»Natürlich nicht.« Sie warf ihm einen entrüsteten Blick zu. »Ich kann Geheimnisse für mich bewahren!«

»Das weiß ich doch«, beschwichtigte er sie und grinste dann. »Das wird eine gute Gelegenheit, aus den sizilianischen Werkstätten Seide für Gewänder und Wandbehänge mit nach Hause zu bringen, hm?«

Isabel versetzte ihm einen spielerischen Stoß. »Man könnte fast annehmen, dass du mich bestechen willst.«

»Was wäre denn daran so schlimm? Was dich freut, freut mich, weil es Harmonie in mein Haus bringt – und das ist mir wichtiger als alles andere.«

»Und das weiß ich auch zu schätzen.« Sie biss sich zerknirscht auf die Lippe. »Es tut mir leid.«

»Was denn? Dass du ein weiches Herz hast?« Er drehte ihr Gesicht zu sich und küsste sie. »Auch das liebe ich an dir.«

Isabel erwiderte den Kuss voller Zuneigung, bevor sie sich wieder von ihm löste. »Du behauptest, es wird vorbeigehen, aber das ist leichter gesagt als getan. Was soll ich bezüglich Alienor unternehmen?«

Er zuckte mit sachlicher Miene die Schultern. »Tu gar nichts. Warte, bis der aufgewirbelte Staub sich legt. Alienor hat so wenige Verbündete, dass sie es sich nicht leisten kann, auf deine Freundschaft und deinen Rat zu verzichten. Lass sie zu dir kommen, aber rechne nicht mit einer Entschuldigung. So etwas kommt weder ihr noch Henry über die Lippen.«

Isabel scheuchte den Hund fort, schob sich auf Hamelins Schoß und schlang die Arme um seinen Hals. »Ich möchte, dass es zwischen uns beiden nie so weit kommt«, sagte sie mit Nachdruck. »Dass wir uns entzweien und im Zorn getrennte Wege gehen.«