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Glauben Sie an Engel oder Elfen? Wenn nicht, dann könnten Sie in diesem Buch einigen begegnen. Wundersame Erscheinungen und sonderbare Begebenheiten ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichten. Kommt der alltägliche Alltag auch so manches Mal ins Stocken, ist schließlich ein rettender Engel da, zumindest in diesen Geschichten. Aber sind diese Naturgeister wirklich real? Sind sie tatsächlich vorhanden? Das kann jeder einzig und allein für sich selbst entscheiden, denn am Ende ist doch immer nur wichtig, wie es weitergeht, das doch wieder alles gut wird. Vielleicht lassen gerade solcherlei Erscheinungen den Spielraum zu, das Leben ein ganz klein wenig leichter zu nehmen? Denn es könnte sein, dass sie immer und überall bei uns sind – diese Elfen und Engel unseres Lebens.
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Seitenzahl: 187
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Manchmal sind die Tage trübe
Und du fühlst dich schlecht und schwach
Jeder Tag scheint lang und müde
Fort sind scheinbar Hoffnung, Liebe
Angst hält deine Seel in Schach
Der Zaubergarten
Engelsträne
Engel der Träume
Engel des Glücks
Engel der Hoffnung
Ninas Engel
Stadt der Engel 1
Der Weihnachtsengel
Die kleine Elfe
Brunnen des Lebens
Engel auf den Gleisen
Die Elfe im See
Das Engelsbuch
Der Engel Gabriel
Der silberne Engel
Der Weihnachtsbaum
Engel der Freiheit
Engel im Schnee
Schneeengel
Stadt der Engel 2
Weiße Taube
Der Ring
Die Königin
Silvester - Engel
Es war so ein wunderschöner Hauch von Frühling, wie ihn sich Milla immer vorgestellt hatte.
Der Spaziergang in diesem einzigartigen Wald entspannte sie und die Depressionen und die Angst, denen sie sich immer öfter ausgesetzt sah, schienen für einen kurzen Moment vergessen. Da draußen war ihr alles zu viel geworden, alles kam auf sie zu, die Welt schien aus den Fugen und der ewige Run nach Geld und noch mehr Ansehen hatte sie schwach werden lassen. Sie wollte, dass es niemand merkte, wollte, dass sie niemand sah, wenn sie beim Nervenarzt darauf wartete, ihren Namen zu hören. Hier draußen in diesem märchenhaften Wald schien alles vergessen, hier war alles anders, irgendwie schöner und voller Lust und Hingabe. Langsam lief sie den schmalen, mit Laub bedeckten Waldweg entlang und zwang sich, alles da draußen in der feindlichen Stadt wegzuschieben. Nur mäßig gelang es ihr und immer wieder zwangen sich diese angstvollen Momente, die ewigen Machtkämpfe in ihrer Werbeagentur auf wie gierige Dämonen, die sie vernichten wollten. Doch da war das Rauschen der Bäume um sie herum, das Knistern der Zweige, wenn sie sie berührte, und das Unbekannte, das zwischen den Bäumen und den dicht stehenden Sträuchern des Waldes zu ahnen war.
Plötzlich glaubte sie, vor sich auf dem Weg eine Gestalt zu sehen. Das heißt, eigentlich sah sie gar keine Gestalt, sondern nur die Umrisse einer solchen, die durchsichtige Silhouette einer solchen und sie blieb stehen. Mehrmals schaute sie sich um, doch da war keiner, niemand, der sie verfolgte oder einfach auch nur spazieren ging.
Doch da war es wieder, dieses Trugbild, diese Silhouette einer Person. Ein wenig ängstlich versteckte sie sich hinter einem dicken Baumstamm und wartete einige Minuten ab. Als sie noch einmal auf den Weg blickte, erschrak sie fürchterlich. Denn inmitten des Wegs stand eine Frau.
Aber es war nicht irgendeine Frau, nein, es war sie selbst, die einer Fata Morgana gleich einfach nur so dastand. Milla zwickte sich in den Arm, doch nein, sie träumte nicht, diese Frau stand tatsächlich dort. Was ging hier nur vor? Sollte sie am Ende gar … aber nein, sie war nicht verrückt, keineswegs! Doch es wurde noch unheimlicher, denn die fremde Frau begann plötzlich zu sprechen. Ihre Worte hörten sich blechern an, so, als würde jemand durch einen schlecht eingestellten Lautsprecher zu hören sein:
In meinen Garten, wo die Blumen blühn
Komm mit mir, es wartet Schönes
Komm nur mit, ich will nichts Böses
In meinem Garten, wo alles so grün
Milla spürte, wie sie am ganzen Leibe zu zittern begann. Vielleicht wurde sie ja doch verrückt und gehörte längst in eine psychiatrische Klinik? Doch dann schob sie all diese Gedanken beiseite und sprang mit einem Satz aus ihrem Versteck.
Nun stand sie dieser Frau, die ja eigentlich sie selbst war, gegenüber, und beide Frauen starrten sich sekundenlang an. Vorsichtig schritt Milla auf die Fremde zu, und auch die lief los, einfach immer geradeaus. Keine der beiden sprach auch nur ein einziges Wort, und Milla spürte, wie ihr Herz bis zum Halse schlug. Doch es war nicht allein die Angst, sondern der Gedanke, das Leben nicht mehr meistern zu können, weil die Nerven nicht mehr mitspielten. Denn, wer sah schon eine scheinbar durchsichtige Person, einen Geist, der auch noch aussah wie man selbst und folgte diesem augenscheinlichen Gespinst irgendwohin? Irgendwann hatte sie sich mit dem abstrusen Gedanken, wohl nicht mehr so ganz richtig im Kopf zu sein, abgefunden und ließ es einfach nur geschehen. Wortlos folgte sie der mysteriösen Gestalt und wunderte sich, dass sie noch immer niemandem begegneten. Die fremde Frau verließ den Waldweg und lief nun zwischen den dichten Sträuchern und Büschen hindurch.
Doch es war ganz komisch, die Sträucher und auch die Büsche bogen sich wie von Geisterhand bewegt auseinander und gaben den Weg frei, als sei es ihnen befohlen worden. Was war das nur, ein Zauber vielleicht? Milla folgte der fremden Frau und der Weg schien einfach kein Ende mehr zu nehmen. Plötzlich blieb die Fremde stehen und Milla staunte. Vor den beiden erstreckte sich ein hoher hölzerner Zaun, in dessen Mitte sich ein kreisrundes eisernes Tor befand. Die Fremde hob zu singen an:
Öffne dich, ich will hinein
Lass die Sonne scheinen, hell
Öffne dich, komm öffne schnell
Lass mich flink zu dir hinein
Als sei eine Fernbedienung betätigt worden, öffnete sich gehorsam das eiserne Tor. Die Fremde trat hindurch und drehte sich plötzlich unvermittelt zu Milla um. Mit ihren Händen gab sie ihr zu verstehen, ihr zu folgen. Und Milla folgte ihr ohne auch nur ein Wort zu sprechen. Als sie hinter dem Tor war, konnte sie nicht glauben, was sie da sah. Sie stand auf einer saftigen grünen Wiese, und überall blühten die wunderschönsten Rosen und die herrlichsten Tulpen. Es waren auch Blumen darunter, die sie nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatte und ein süßlicher betörender Duft schwängerte die Luft. Die Fremde lief auf einen kleinen lilafarbenen Tempel zu, der inmitten der unzähligen Blumen stand. Er glitzerte und funkelte als wenn er aus reinsten Edelsteinen erbaut worden wäre und die Fremde verschwand alsbald in dessen Innerem. Milla überlegte, sollte sie der fremden Frau wirklich dort hinein folgen? Was, wenn es eine böse Falle war oder ein blutrünstiges Monster nur darauf wartete, frisches Menschenfleisch … nein, sie musste es wagen! Mutig und entschlossen folgte sie der Fremden und betrat den sonderbaren Glitzer-Tempel. Im Inneren duftete es noch viel stärker nach Rosen und überall ragten funkelnde Säulen in die Höhe. Sie stützten das glitzernde Dach ab, welches aussah wie ein märchenhafter Sternenhimmel. Die Fremde setzte sich auf einen Stuhl mit einer hohen Lehne und sprach: „Nun bist du also hier bei mir. Ich freu mich, dass du mir gefolgt bist. Glaube mir, du wirst es nicht bereuen.“
Milla blieb bald das Herze stehen und sie wollte etwas sagen, doch die Fremde sprach weiter: „Ich bin eigentlich DU, wie du ja schon bemerkt hast, denn ich sehe ja aus wie du. Ich bin das, was in deiner Seele ist, und du musst dich nicht vor mir fürchten. Ich weiß so viel von dir, weiß von deinen Ängsten und von deinen Nöten. Ich weiß, dass dir derzeit alles zu viel ist und ich weiß, dass du sehr stark bist. Du weißt nur nicht, wie du weiter machen sollst. Denn du fühlst dich schwach und allein gelassen. Glaube mir, das musst du gar nicht sein. Setz dich dort in diesen Sessel. Es ist der Sessel der Träume und dies ist der Zaubergarten deiner eigenen Seele. Schau, er ist voller wundervoller Blumen und er ist wunderschön.“ Milla sah den Sessel in der Ecke und nahm Platz. Er war wirklich so bequem und weich, dass sie nie wieder aufstehen wollte, doch dann sagte sie: „Ja, es stimmt, ich fühle mich schlecht. Alles dreht sich um mich und ich fühle mich wie in einem Karussell, aus dem ich nicht mehr herauskomme. Ich habe große Angst und ich fürchte mich sehr. Ich habe Angst, mein Leben nicht mehr zu schaffen, die Aufgaben die mir mein Leben stellt, nicht mehr erfüllen zu können. Ich habe Angst, zu scheitern, kein Glück mehr zu haben, in meinen Ängsten unterzugehen, noch ehe mein Leben wirklich zu Ende ist.
Oh, ich sehe vor lauter Ängsten mein eigenes Leben nicht mehr.“
Die Fremde hörte aufmerksam zu und schien traurig zu sein, denn eine winzige Träne kullerte über eine ihrer rosigen Wangen. Aber dann lächelte sie und sagte leise: „Ach sei nicht traurig, ich weiß ja, dass du so viele Ängste hast und keinen Ausweg mehr daraus findest. Aber ich gebe dir einen Rat. Denke nicht so viel über deine Ängste nach, damit tauchst nur immer tiefer in das Dunkel deiner Furcht. Nutze deine Zeit, glaube an dich, denn du kannst alles schaffen.
Du musst wieder lernen, an deine Kraft zu glauben, ihr zu vertrauen, weil du sie in dir hast. Sie ist da und sie wird dich nicht verlassen. Nichts ist umsonst, keine einzige Sekunde, und du hast eine Aufgabe zu erfüllen. Manchmal brauchen wir einfach ein bisschen mehr Disziplin als sonst und dann wird es weitergehen. Es ist eben so, es ist nicht immer leicht, und du weißt es genau.“
Milla wischte sich die Tränen aus den Augen und atmete tief ein. Der süße Duft der Rosen drang durch ihren Leib wie eine Medizin und schien irgendetwas in ihr zu verändern. Sie fühlte, wie die Kräfte zurückkehrten, die Kräfte, die sie lange schon verloren geglaubt hatte. Und sie fühlte, dass sie in diesem einen Moment alles schaffen könnte.
„Hier, nimm dieses Amulett“, sprach die Fremde, „Es ist das Amulett der Sonne und es wird dir durch die schweren Zeiten helfen. Du musst es nur einfach immer tragen, dann wird es gut werden. Glaube mir, du bist ein guter Mensch.
Doch nun musst du gehen, denn der Zaubergarten kann nicht sehr lange für die Menschen sichtbar sein. Ich wünsch dir alles Glück dieser Welt, mein Herz wird immer bei dir sein. Lebe wohl.“
Milla wurde sehr müde und schloss ihre Augen.
Der Sessel, in dem sie saß, war so weich und so bequem - niemals mehr wollte sie aufstehen und so schlief sie ein.
Als sie wieder erwachte, schien sie irgendetwas Grelles zu blenden. Als sie ihre Augen öffnete, starrte sie sekundenlang in die Sonne. Schnell schloss sie die Augen wieder und rief die fremde Frau. Doch da war niemand, und als sie die Augen wieder öffnete und sich blinzelnd umschaute, lag sie auf einer kleinen Wiese inmitten ihres geliebten Waldes. Die Sonne stand hoch am Himmel und beleuchtete das kleine Wiesenstück wie eine Bühne. Vorsichtig stand Milla auf und rieb sich die Augen. Was war nur geschehen? War sie nicht eben noch in diesem sonderbaren Zaubergarten? Und wo war die fremde Frau geblieben? Wo waren diese wunderschönen Blumen, dieser angenehme Rosenduft? Sie konnte sich das alles nicht erklären, denn von alledem war nichts mehr geblieben. Dafür aber spürte sie ihren Herzschlag, fühlte neue Kraft in jeder Faser ihres einst geschwächten Leibes. Sie wusste plötzlich genau, was sie wollte: wieder kämpfen und das Leben meistern, so, wie sie es eigentlich immer gewillt hatte! Entschlossen lief sie los und spürte, dass sie es nun schaffen würde. Plötzlich fühlte sie etwas an ihrem Hals und als sie mit ihren Händen danach tastete, lächelte sie zufrieden. Denn es war das Amulett der Sonne, welches sie von der fremden Frau geschenkt bekommen hatte. Wohl war es wie ein Stück ihrer Seele, ihres Herzens und sie wollte es nie wieder ablegen. Immer wieder streichelte sie es und als sie den Waldesrand erreichte, die ersten Autos auf der nahen Straße erblickte, glaubte sie, eine sanfte Stimme zu hören, die leise sang:
Hab stets Glück auf allen Wegen
Ach, mein Wunsch ist stets bei dir
Nur für dich ist dieser Segen
Du hast Glück auf allen Wegen
Warst im Zaubergarten hier
Bleib ein Mensch, denn du bist stark
Was die Ängste dir genommen,
kraftvoll wird es zu dir kommen
Glücklich wird dein neuer Tag
Seitdem Jana denken konnte war sie drogenabhängig. Zwar zählte sie erst 20 Jahre, aber ihre Drogenkarriere kannte bereits sämtliche furchtbaren Geschichten, die man sich nur vorstellen konnte. Doch obwohl sie bereits in diesem jungen Lebensalter dem Tode näher war als dem Leben, ließ sie die Drogen nicht. Sie konnte auch gar nicht mehr aufhören. Zu abhängig war sie bereits geworden und zu schwach war bereits ihr Körper. So pendelte sie zwischen Knast, Entzugserscheinungen und dem Gefühl, sich so richtig zu gedröhnt zu haben. Und wenn sie all das einmal nicht hatte, wurde sie von ihrem aggressiven Dealer-Freund krankenhausreif geschlagen. Sollte es wirklich so weitergehen? Jana wusste, dass sie wohl nicht mehr ewig leben würde. In so manchem Drogenrausch sah sie ein riesiges schwarzes Kreuz auf sich zukommen.
Und dann schwanden ihr sämtliche Sinne.
Längst war ihr das eigene Leben egal. Sie konnte ohnehin nichts mehr an diesem Alptraum ändern. Und ihre Eltern, die lebten irgendwo auf dem Lande und hatten sich losgesagt von ihr. So gelangte sie immer mehr in die Drogenspirale und kannte nur noch eine Alternative: den baldigen Tod! Es war ein verregneter Novembertag.
Jana stand mal wieder auf dem Drogenstrich, um sich das Geld für den nächsten, dringend benötigten Schuss zu „verdienen“. Diesmal jedoch schien es so, als ob sie als einzige der vielen jungen und älteren Frauen, die unter der alten muffigen Brücke warteten, stehenblieb. Es wurde dunkler und dunkler und Jana hatte bereits die ersten Entzugserscheinungen. Das Zittern ihres schwachen Körpers versetzte sie jedoch nicht mehr in Angst. Sie kannte das alles schon zur Genüge. Trotzdem wusste sie, wenn sich innerhalb der nächsten Stunden kein Freier blicken ließ, blieb ihr nur noch ein Ausweg, um an Geld zu gelangen, sie musste sich das Geld stehlen.
Und es sah so aus, als ob es genauso kommen würde. Wie aus dem Nichts erschien plötzlich ein alter Mann unter der Brücke und blieb schließlich vor Jana stehen. Er schaute ihr lange ins Gesicht und fragte dann: „Worauf wartest Du? Heute kommt keiner mehr. Du solltest weitergehen, bevor Du hier unten erfrierst oder krank wirst.“
Jana glaubte, sich in einem schlechten Film zu befinden. Hatte der Alte da eben etwas von „Erfrieren“ und „Krank“ gefaselt? Aggressiv und voller Wut ging sie auf den alten Mann los und schrie ihn an: „Eh, was willst Du Alter! Verschwinde und lass Dich hier nicht mehr blicken! Es sei denn, Du hast Zweihundert in Bar für mich! Dann kannst Du bleiben. Ansonsten zieh Leine, aber ein bisschen pronto!“ Janas Geschrei schien den alten Mann jedoch nicht zu beeindrucken. Er blieb und setzte sich auf einen feuchten Bordstein. Dann stöhnte er laut vor sich hin und hielt sich den Kopf. Jana wusste nicht, was sie zu dieser Beharrlichkeit sagen sollte. Sie war drauf und dran, endgültig auszurasten. Doch plötzlich geschah etwas sehr merkwürdiges: vor ihren Augen löste sich der alte Mann in Luft auf. Statt seiner entpuppte sich ein furchtbares Monster, dem das Blut aus dem Maul tropfte. Es brüllte und schrie derart fürchterlich, dass die Brücke erzitterte. Dann entfaltete es seine bedrohliche Größe vor der entsetzten Jana. Die wurde klein und kleiner und hatte nur noch Angst und Panik.
Aber es war ganz seltsam, obwohl sie das Bedürfnis verspürte, davonzurennen, konnte sie es nicht. Wie ein gelähmtes Kätzchen stand sie vor dem fürchterlichen Monster und konnte sich nicht rühren. So etwas Entsetzliches hatte sie noch nie gesehen. Ihr stockte der Atem und sie spürte, wie sie die allerletzten Kraftreserven verließen.
Vor den blutroten Augen des blutrünstigen Monsters sank sie zu Boden. Das Monster hingegen verschwand augenblicklich und verwandelte sich wieder in den alten Mann. Der stand besorgt vor der regungslosen Jana und nahm behutsam ihre Hand. Während er ihre Hand hielt, hatte Jana einen merkwürdigen Traum. Vor ihrem inneren Auge entfaltete sich plötzlich das weite blaue Meer. Es rauschte und am blauen, blank geputzten Himmel erstrahlte hell die Sonne. War das schon das Paradies? Es roch nach Abenteuer und nach weiter Ferne. Und das Schönste an diesem Traum war: weder hatte sie das Bedürfnis, sich Drogen zu spritzen, noch verspürte sie Entzugserscheinungen. Ihr ging es so gut wie noch nie in ihrem Leben. Ewig wollte sie diesen Traum behalten. Denn um ihren Kopf flatterten Möwen und Jana sah, wie sie die Vögel fütterte.
Sie hörte sich lachen und fühlte sich endlos glücklich. Nein, dieser Traum durfte niemals zu Ende gehen.
Doch er ging zu Ende und alles fiel wie eine Sandburg in sich zusammen. Jana erwachte und fand sich, mit dem Kopf auf dem Schoss des alten Mannes liegend, wieder.
„Was war das nur? Wo bin ich? Wo ist das Meer, die Möwen? Bin ich schon tot?“.
Der alte Mann schaute sie mit großen Augen an und raunte dann leise: „Nein, Du lebst Jana. Du hattest einen Traum. Und nun hast Du die Wahl.
Entweder vom Monster Deiner Drogensucht restlos aufgefressen zu werden oder es jetzt sofort selbst anzupacken und die Drogensucht zu bekämpfen, bis Du Deinen Traum eines Tages leben kannst. Bis Du irgendwann die Sonne wieder unbeschwert sehen kannst und nicht unter einer stinkenden Brücke den kranken Körper für ein bisschen läppisches Geld verschenken musst.
Du hast die Wahl, entweder vom Drogenmonster bis auf den letzten Tropfen Blut ausgesaugt zu werden oder im kühlen Wasser des Meeres baden zu gehen und sich von der Sonne bräunen zu lassen. Ja, Du hast die Wahl zwischen dem zähnefletschenden gierigen Monster, das nur an Deinem Blut interessiert ist und Dich, nachdem es Dich ausgesaugt hat, wegwirft wie einen alten Lappen oder dem Strand, an welchem Du die weißen Möwen fütterst, die sich in Scharen um Dich versammeln, weil Du ihnen etwas zu geben hast? Entscheide Dich jetzt, sofort!“
Jana fing an zu weinen. Ihre Seele schien in diesem Moment so durchweicht von den Worten des alten Mannes, dass sie einfach nicht mehr anders konnte. Sie entschied sich für das Meer und die Möwen. Sie entschied sich für die Verwirklichung ihres wundervollen Traumes.
Der alte Mann lächelte und gab ihr einen blauen Edelstein in die Hand. Dann sagte er nur: „Bewahre ihn gut auf. Und denk immer daran, wenn Du ihn jemals weggibst oder zu Geld machst, dann wird Dich das Drogenmonster verspeisen.
Bewahrst Du ihn eisern auf und hütest ihn wie Deinen Augapfel, dann wird Dein Traum Wirklichkeit werden.“
Mit diesen Worten drückte er Janas Hand, in welche er ihr den Edelstein gelegt hatte, ganz fest und verschwand. Jana sah nur noch eine weiße Möwe unter der Brücke empor fliegen. Sie nahm den Edelstein und wollte ihn genauer betrachten.
Dazu trat sie aus der Dunkelheit des Schattens heraus und lief hinauf auf die Brücke. Dort regnete es nicht mehr, nein, es schien die Sonne und der Edelstein funkelte wie ein blaues Feuerwerk des Lichtes. Der Edelstein war so wunderschön und anmutig wie die Träne eines Engels. Jana konnte nicht glauben, was sie da in ihren Händen hielt. Solch einen wunderschönen Edelstein hatte sie noch niemals gesehen. Nun wusste sie genau, was sie wollte. Sie wollte kein Drogenmonster mehr sehen und besann sich auf ihre Kraft. Plötzlich wusste sie genau, dass sie die Kraft in sich hatte. Das, was sie noch nie zuvor in sich spürte, konnte sie jetzt deutlich fühlen. Es glich an ein Wunder, an Magie. Wer war der alte Mann, dass er über solch eine Kraft verfügte. Ein Engel vielleicht? Insgeheim aber wusste sie genau, dass es nicht der alte Mann war, der ihr die nötige Erleuchtung brachte. Vielmehr war es ihre eigene Kraft, ihr eigener Wille, der trotz aller Niederlagen noch immer in ihrer Seele lebte. In diesem Augenblick wusste sie, dass sie alles schaffen könnte. Sie raffte sich auf und ging zu einer bekannten Drogenberatungsstelle.
Dort wurde ihr sofort und ohne langes Fragen geholfen. Jahre später und nach harten Entbehrungen hatte sie es geschafft. Sie brauchte keine Drogen mehr, um sich ihr Leben zurecht zu fixen. Sie hatte sich selbstständig gemacht und wurde Streetworkerin. Die Kraft, die ihr gegeben wurde, wollte sie unbedingt weiter geben. Den wundervollen Edelstein, welchen sie von dem alten Mann bekommen hatte, bewahrte sie zu Hause in einem Schmuckkästchen auf. Und immer, wenn sie mal die Kräfte drohten zu verlassen, holte sie ihn hervor und schaute in ihn hinein. Dann sah sie dieses unfassbare Feuer, welches in ihm brannte. Und sie wusste, dass diese Brennen, dieses Lodern auch ihr selbst ist. Sie musste es nur herausholen. Die Kraft des Steines ließ sie eisern durchhalten und immer weiter kämpfen. Und sie bewahrte sich ihr Menschsein und konnte eines Tages ihren Traum verwirklichen. Sie kaufte sich ein kleines Häuschen am Meer und fütterte jeden Tag die Möwen am Strand. Eines Tages kam eine ganz besondere Möwe auf ihre Hand geflogen.
Sie war weiß wie die Hoffnung und schaute so liebevoll, dass Jana meinte, in den Augen der Möwe die rauschende Brandung des Meeres zu sehen. Als die Möwe wieder davon flog, blieb etwas auf Janas Hand zurück. Es war ein märchenhafter klarer blauer Edelstein, der aussah wie die Träne eines Engels…
Sarah lebte am Rande eines Slums, einer Siedlung, die nur aus Wellblechhütten bestand, in dieser riesigen Stadt Buenos Aires. Erst vor kurzem hatte sie ihren Ehemann durch eine schwere Krankheit verloren. Kinder hatten sie keine, und ihre Eltern, die auch so arm waren wie sie, lebten schon lange nicht mehr. Immer wieder ging sie zu dem kleinen Holzkreuz, welches sie am Rand des Hüttenmeeres aufgestellt hatte und weinte sich die Seele aus dem Leibe. Die Erinnerungen an die Kinderzeit, welche ihr die Eltern versuchten, so schön wie möglich zu gestalten, waren so nah. Und dann sah sie Finn, ihren Ehemann. Er musste so jämmerlich dahinvegetieren, bis er dann starb. Sie hatten so viel Schlimmes erlebt.
Und doch niemals geklagt. Aber nun? Sollte es wirklich bis an ihr Lebensende so trostlos bleiben? Sie wusste genau, dass sich nichts ändern würde, hier in dieser Siedlung der Hoffnungslosigkeit. Hier am Rande allen Glücks. Hier regierten nur die Trauer und die Angst, die Krankheiten und das Verderben. Hier gediehen nicht einmal die Blumen. Dennoch hatte sie eine Rose für die Eltern und für Finn neben das Holzkreuz gelegt. Sie wusste, dass es die Eltern und auch Finn bemerken würden. Ihre Seelen waren ihr manchmal so nah. So unglaublich nah. Und dann wollte sie bei ihnen sein, für immer und ewig.
Doch sie konnte es ja nicht. Denn sie musste leben. Sie musste es aushalten. Jedoch das Glück