Drachennebel - Akira Arenth - E-Book

Drachennebel E-Book

Akira Arenth

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Beschreibung

"Die Magie in dir ist stärker, als es der schlimmste Bully je sein wird. Trotzdem überleg dir gut, ob du sie gegen ihn einsetzt ... vor allem, wenn du dich verliebt hast." Drachennebel Print 272 Seiten inkl. Illustrationen! Genres: Gay Urban Fantasy Romance / Yaoi Novel / Wandler Stell dir vor, du hast die Macht des Universums in deinen Händen: bist unmenschlich stark, robust wie ein Felsen, könntest jedem den Arsch aufreißen - doch du darfst nicht, denn du bist ein Teenager. Genauso geht es Akai, einem jungen Drachenwandler, der im Jahre 2017 zusammen mit seiner Mutter in Oslo aufwächst, der Hauptstadt von Norwegen. Als heranwachsende Zwischenkreatur beherrscht er bereits die ersten Ansätze der Telekinese und der Gedankenkontrolle, doch er muss sich bedeckt halten, denn jedes Mal, wenn er Magie wirkt, kommen seine Drachenmerkmale zum Vorschein und irgendwann könnte er die Kontrolle über die Echse in sich verlieren. Dabei würde Akai so gerne seine Kräfte erforschen und wer wäre da besser geeignet als der rüpelhafte Punk Kjell, der ihm in der neuen Schule das Leben zur Hölle machen will? Der Dumpfbatzen könnte eine so leichte Beute sein - und eine attraktive noch dazu. Kein anderer Junge bringt Akais jugendliche Fantasien so sehr in Wallung. Schließlich hält er den schnöden Alltag zwischen Abschlussprüfungen, Smartphonechats und andauernden Prügeleien mit seinem Widersacher nicht mehr aus und beschließt, ihn hin und wieder zu seiner Marionette zu machen, um wenigstens ein bisschen Spaß zu haben. Leider wird ihm zu spät klar, wie weitreichend die Folgen seines Handelns sind und dass es gefährlich ist, so tief im Verstand eines anderen zu wühlen …

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Drachennebel – Klappentext
Kapitel 1 - Erkenntnis
Kapitel 2 - Feindseligkeiten
Kapitel 3 - Wendung
Kapitel 4 - List
Kapitel 5 - Schein und Sein
Kapitel 6 - Glaubensfrage
Kapitel 7 - Vertrauen
Kapitel 8 - Monster
Kapitel 9 - Schicksal
Nachwort
Danksagungen
Impressum

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Drachennebel – Klappentext

Gay Romance / Urban Fantasy

 

Stell dir vor, du hast die Macht des Universums in deinen Händen: bist unmenschlich stark, robust wie ein Felsen, könntest jedem den Arsch aufreißen - doch du darfst nicht, denn du bist ein Teenager.

Genauso geht es Akai, einem jungen Drachenwandler, der im Jahre 2017 zusammen mit seiner Mutter in Oslo aufwächst, der Hauptstadt von Norwegen. Als heranwachsende Zwischenkreatur beherrscht er bereits die ersten Ansätze der Telekinese und der Gedankenkontrolle, doch er muss sich bedeckt halten, denn jedes Mal, wenn er Magie wirkt, kommen seine Drachenmerkmale zum Vorschein und irgendwann könnte er die Kontrolle über die Echse in sich verlieren. Dabei würde Akai so gerne seine Kräfte erforschen und wer wäre da besser geeignet als der rüpelhafte Punk Kjell, der ihm in der neuen Schule das Leben zur Hölle machen will? Der Dumpfbatzen könnte eine so leichte Beute sein - und eine attraktive noch dazu. Kein anderer Junge bringt Akais jugendliche Fantasien so sehr in Wallung. Schließlich hält er den schnöden Alltag zwischen Abschlussprüfungen, Smartphonechats und andauernden Prügeleien mit seinem Widersacher nicht mehr aus und beschließt, ihn hin und wieder zu seiner Marionette zu machen, um wenigstens ein bisschen Spaß zu haben.

Leider wird ihm zu spät klar, wie weitreichend die Folgen seines Handelns sind und dass es gefährlich ist, so tief im Verstand eines anderen zu wühlen …

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Akira Arenth

Vaelis Vaughan

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 1 - Erkenntnis

 

Ich bin ein schwuler Drache.

… Is' mal 'ne Aussage, oder?

Ja, du lachst, aber es ist wirklich so!

Ach, kannst du dir nicht vorstellen? Du sagst: Drachen sind nur Märchenfiguren, die können gar nicht existieren, denn sonst gäbe es irgendwelche Beweise?

Ja … so denken die Menschen eben. Was nicht greifbar ist, was wir uns nicht erklären können, was vollkommen unlogisch scheint – das gibt es nicht. Klappe zu, Affe tot. Was für ein Glück für uns, dass Menschen so engstirnige Wesen sind!

Nun, ich war der gleichen Ansicht, bis zu diesem denkwürdigen Tag, als ich eines Besseren belehrt wurde. Ich erinnere mich daran, als sei es gestern gewesen, dabei sind seitdem bereits elf Jahre vergangen …

*

„Ist es noch weit?“, jammerte ich in bester, kindlicher Manier und rieb mir theatralisch die Waden.

Meine Mum drehte sich um und lächelte gutmütig wie immer über ihre Schulter. „Nein Schatz, wir haben es bald geschafft.“

„Das hast du auch schon vor drei Kilometern gesagt … ich bin müde und ich hab Hunger!“, motzte ich weiter und kickte einen blöden Kiesel beiseite. Sie hielt an und schob sich eine der herausgerutschten, silbergrauen Haarsträhnen zurück, die sich aus ihrem vom Wind zerzausten Dutt befreit hatte. Dann hockte sie sich auf meine Höhe hinunter und sah mich aufmunternd an.

„Es ist wirklich nicht mehr weit und ich verspreche dir, dass es sich lohnen wird!“ Dabei verstärkten sich ihre leichten Fältchen um die Augen, doch es war mehr ihre Haarfarbe, die sie älter machte, als sie eigentlich gewesen ist.

„Sind doch alles nur doofe kahle Berge und Seen ...“, trotzte ich weiter und zog eine voluminöse Schnute. „Nicht mal Tiere gibt’s hier. Was soll daran schon toll sein?“

Sie griff behutsam meine Arme und flüsterte mir zu: „Schließ deine Augen, mein Engel.“ Schnaufend tat ich es. „Gut … und jetzt nimm die Geräusche dieser Umgebung in dir auf … hörst du es? Das Rascheln, Rauschen, Summen und Krabbeln?“

Ich nickte leicht und musste doch wieder grinsen, weil ich einen dicken Käfer an meinem Ohr vorbei brummen hörte. „Ja.“

„Leben gibt es überall Akai und nur weil wir es nicht sehen, heißt das nicht, es ist keines da!“ Ihre Stimme klang dabei so weich, als wäre sie selbst eines dieser Wesen, die nicht gesehen werden.

Langsam öffnete ich die Augen und bekam direkt einen Schmatz auf die Wange.

„Aber die Insekten hätten wir auch zu Hause hören können ...“, lachte ich, „... und das, ohne dabei wunde Füße zu kriegen.“

Sie schob meine dunkelbraunen Haare hinters Ohr und tippte mir dann mit dem Zeigefinger auf die Nase. „Glaubst du mir, dass es etwas Besonderes ist, wenn ich dir verspreche, dass dieser Tag heute den Rest deines Lebens verändern wird?“

„Weil ich eine neue Spinnenart zermatschen kann?“

Da war sie es, die lachte und mir eine leichte Kopfnuss verpasste. „Du kleiner Rabauke! Nein, ich spreche von etwas viel, viel Größerem als einer Spinne! Es ist … eine Überraschung!“

„Na schöööön“, seufzte ich geschlagen und ließ mich von ihr weiterziehen.

Also, versteht mich nicht falsch, ich liebe meine Mum, aber manchmal war sie doch schon ein wenig schräg. Welche andere Mutter schleppt ihren fünfjährigen Sohn bitte ins Jotunheimen-Gebirge? Zumal wir derzeit nicht mal auf den Galdhøpiggen Berg steigen konnten, weil ich dafür noch viel zu klein war! Also dümpelten wir nur am Fuße des Berges herum und sahen den anderen Touristen zu, wie sie die Steilwände erklommen.

Fast eine halbe Stunde dauerte es noch, bis wir das Ufer eines riesigen Sees erreichten, augenscheinlich das Ziel unserer Exkursion. Eventuell aufkeimenden Protest über die Belanglosigkeit dieses Tümpels und die nicht mindere Banalität der Umgebung, erstickte meine Mutter gekonnt mit Leberwurstgurkenbrötchen, samt hartgekochten Eiern und frischen Obstschnitzchen.

Zu dieser Jahreszeit war es noch immer angenehm warm, zumindest solange man nicht den Gipfel erklimmen wollte, und so setzten wir uns auf eine alte, braunkarierte Picknickdecke und entspannten von dem langen Fußmarsch.

Ich weiß noch, wie mich der schwermütige Blick meiner Mutter irritierte. Immer wieder sah sie den Berg hinauf und dann über das Wasser. Ziellos, doch so traurig, wie ich sie nie zuvor erlebt habe.

„Mama … ist alles okay?“, fragte ich vorsichtig, doch sofort wischte sie sich über ihre schimmernden Augen, wirkte wie aus einem Traum gerissen und lächelte wieder.

„Ja, ja. Entschuldige bitte. Ich … war nur in Gedanken versunken.“

„Was ist denn nun die große Überraschung?“, fragte ich ungeduldig piepsend und stopfte mir den Rest meines gebackenen Teigstücks in den Mund.

Unruhig sah sie sich um, doch außer uns war kein anderer Tourist in der Gegend und die umliegenden Bäume machten das Ufer relativ uneinsehbar.

„Weißt du Akai, dies ist nicht der erste Besuch, den wir diesem schönen Ort abstatten, aber daran wirst du dich nicht mehr erinnern. Beim ersten Mal warst du noch in meinem Bauch und beim zweiten Mal gerade wenige Wochen alt.“ Sie seufzte und die bedeutungsschwere Pause, die sie machte, sagte mir, dass es hierbei um mehr ging als nur einen Ausflug in die Natur. „Akai … vertraust du mir?“

Was für eine Frage. „Natürlich!“

Sie nickte zufrieden, ob meiner prompten Antwort lächelnd und nahm meine Hände. „Gut … dann sei jetzt ganz ruhig und schließe deine Augen … es wird dir nichts Böses geschehen.“

Obwohl mir ihre mystische Art in diesem Moment ein wenig Angst machte, tat ich, was sie sagte. Kurz darauf hörte ich, wie sie die ersten Klänge meines Liedes anstimmte, welches sie extra für mich geschrieben hatte und es mir immer wieder beim Zubettgehen vorsang.

„Es sucht uns heim, in Dunkelheit,

die Seele, die verloren scheint.

So kalt die Nacht, der Vater geht,

so einsam er vorm Fenster steht ...

so einsam er vorm Fenster steht.

Er will hinein, an den Kamin,

wo einst das Feuer auf ihn schien.

So geh in Frieden, komm in Gunst,

zu mir hier jede Nacht, im Nebeldunst …

zu mir hier jede Nacht, im Nebeldunst ...“

„Dein Gesang ist noch schöner, als ich ihn in Erinnerung habe, Hedda ...“, ertönte plötzlich eine basslastige Stimme direkt neben mir.

Als ich erschrocken die Augen öffnete, erstarrte ich beim Anblick des vor mir wie aus dem Nichts aufgetauchten Wesens vor Angst, und mein Herz raste so schnell, dass ich beinahe das Bewusstsein verlor.

Der gewaltige Kopf eines blaugrünen Drachens, so groß wie drei Pferde hintereinander, sah uns tropfnass an, den Rest des Körpers noch in den Fluten versteckt, die Augen allein so riesig wie ein Medizinball.

„Und du bist noch immer der gleiche Charmeur, Tahmoh. Schön, dass du mich gehört hast ...“, entgegnete meine Mutter völlig entspannt.

Als das Ungetüm seinen Körper vollständig aus dem Wasser hob und auf meine Mum zukam, sprang ich auf und warf mich auf sie.

„Weg mit dir! Weg du Monster!“, brüllte ich völlig hysterisch und begann zu heulen. „Lass uns in Ruhe! Lass uns in Ruhe! “

Da öffnete der Drache sein Maul und als ich dachte, er würde uns beide verschlingen, lachte er markerschütternd und meine Mutter stimmte, für mich völlig unverständlich, mit ein.

„Habe ich es dir nicht gesagt? Er kommt ganz nach dir ...“, kicherte sie und rubbelte mir über den Kopf.

„Ein mutiger Junge … und schon so groß …“, antwortete die enorme Echse, sich mit dem Kopf neben sie auf der Wiese ablegend. „Wie viele Jahre ist es nun her? Drei? Vier …?“

„Beinahe sechs ...“, erwiderte sie traurig und strich ihm mit der Hand über die Schnauze. „Jeder Tag ohne dich ist ...“

„Halloooo?“, rief ich dazwischen und fand endlich meine kleine kindliche Fassung wieder. „Mama … das, das da ist … ist ...“

„Dein Vater!“

*

Wir leben in einer Welt, in der uns alles logisch erscheint. Wir sind die 'Auserwählten', die 'intelligente Art', die glaubt, alles zu verstehen und die Natur nach ihrem Willen formen zu können.

Wir halten uns für das am weitesten entwickelte Tier auf diesem Planeten und schaden uns selbst so nachhaltig, wie es kein anderes Lebewesen seinen Artgenossen antun würde. Wir führen Krieg, ob mit Taten oder Worten, wir spielen 'Gott', indem wir mit etwas, das wir 'Geo-engineering' nennen, sogar das Wetter beeinflussen, Wolken machen und uns jeden Tag ein kleines Stück mehr selbst vergiften. Wir spritzen winzige kleine Nanoteilchen Aluminium in die Luft, um durch deren Reflektion die Erderwärmung zu stoppen, statt einfach weniger Abgase zu produzieren oder unsere Kernkraftwerke stillzulegen. Dass diese Partikel jedoch, auf lange Zeit gesehen, voraussichtlich zu massivem organischen und unumkehrbarem Zelltod führen, egal ob in Mensch, Tier, Pflanze oder Erde, stempeln wir als wüste Theorie ab – eben weil es noch keine Beweise gibt.

Warum sich mit derart belanglosen Dingen beschäftigen oder gar gegen sie vorgehen? Da schaut man sich doch lieber einen kotzenden Wellensittich auf YouTube an, postet sein aufgewärmtes Mittagessen von gestern und lädt sich die neuesten Tweets von seinem Lieblingstopmodel aufs schicke Smartphone.

Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Was ich nicht sehe, kann mir nicht schaden …

Ein Glück sind Menschen so dumm! Und wer dennoch hinterfragt, erntet ein vorwurfsvoll genervtes Stöhnen, gefolgt von theatralischem Augenrollen.

Diesem Umstand permanenter Ignoranz verdanken wir es, dass kein Schwanz heutzutage an die ernsthafte Existenz von Drachen glaubt, trotz aktiver Petzen in allen Jahrhunderten und unzähligen, weltweiten Berichten und Zeichnungen, die bis in die frühe Eisenzeit zurückgehen.

 

Du wirst dich sicher fragen, warum es denn bisher keine Knochenfunde gab? Außerdem, Drachen sind doch riesig, wo verstecken die sich? Müsste die nicht dauernd jemand entdecken? Und was fressen die? So eine verschwundene Schafherde würde doch auffallen!

Nun, für all diese Fragen gibt es eine ganz einfache Erklärung, die früher bei unerklärlichen Dingen noch sehr viel gebräuchlicher war: Magie!

Früher: Die Nachbarstochter war hübscher und hatte einen unglaublich süßen Charme, während man selbst nur die bucklige Brotspinne vom Dienst gewesen ist? - Grund? Logisch: Hexe!

Heute: Das Mädchen aus der Parallelklasse sieht unglaublich gut aus und die Jungs fliegen auf sie, während man selbst für die inzestuöse Tochter des furunkelgeplagten Hausmeisters gehalten wird? - Grund? Logisch: Geld! Die Olle hat wahrscheinlich das teuerste Make-up, einen heißen Fitnesstrainer, die angesagtesten Klamotten und die teuersten Accessoires. Daher die atemberaubende Ausstrahlung.

Dass dieses Mädchen eine magisch Begabte sein könnte oder regelmäßig Sex mit einem Ziegenbock auf zwei Beinen hat, das kommt natürlich niemandem mehr in den Sinn.

Meine Ahnen waren alle Drachen. Drachenwandler, um genau zu sein und genau da liegt der springende Punkt, der all eure Fragen beantwortet. Drachen sind und waren schon immer magische Wesen. Werft einen Blick in die Sagen und Mythen der Geschichte: Warum wurden uns Jungfrauen geopfert? Warum haben wir eine Schwäche für attraktive Menschen, die wir in unseren Schlössern gefangen hielten? Ganz einfach, weil wir zu einem Teil selbst menschlich sind!

Wir haben drei Gestalten, mit denen wir auf Erden wandeln können. Die erste ist eine klassische menschliche Hülle, welche eigentlich einzig und allein dem Zweck der Paarung sowie der Trächtigkeit dient und in den ersten sechzehn Lebensjahren der Tarnung und dem Schutz. In dieser Form sind wir zwar noch immer stärker und robuster als gewöhnliche Menschen, haben jedoch keine magischen Kräfte, bis auf die Fähigkeit, uns weiter zu wandeln und sind damit ziemlich wehrlos.

Die zweite ist eine Zwischenkreatur und wohl eine der bizarrsten Erscheinungen, die man sich vorstellen kann. Hier strotzen wir nur so vor Magie, können Gegenstände bewegen, Gedanken manipulieren und je nachdem, welche Elementveranlagung wir haben, diese auch überall wirken lassen. Leider ist es beinahe unmöglich, diese Gestalt im Alltag anzunehmen, denn unser Äußeres würde uns überall verraten. Unsere Augen leuchten dann weiß, rot, gelb, grün oder blau, je nach Element. Auf unserem Kopf wachsen Stacheln und Hörner, größer als die eines Stieres. Außerdem bilden die Enden unserer Finger bereits halbe Krallen und unsere Eckzähne treten weiter hervor. Also kurzum, eine mächtige, aber vollkommen nutzlose Form, da wir vom obersten Rat der Drachen vor Jahrhunderten die Auflage bekamen, unsere Existenz zu wahren und diese geheim zu halten. Fast so, als wären wir Superhelden … nur ohne super zu sein.

Der dritte und schließlich letzte Organismus ist der, welchen ihr alle als 'Drache' kennt. Ein, je nach Alter, fünf bis hundert Meter großes Tier, mit Hörnern, Klauen, Barteln, Reißzähnen und manchmal auch Flügeln, welches im Meer, hoch in den Bergen, im Wald oder tief unter der Erde lebt. Unsere Magie ist hier beinahe allmächtig, allerdings begrenzt sie sich in diesem Zustand auf das reine Element der Unterart. Wir können unseren gesamten Körper zu Luft, Feuer, Wasser, Stein, einem Baum oder Erde werden lassen und uns somit vor neugierigen Blicken schützen, wann immer wir es wünschen. Wenn wir sterben, werden wir zu unserem Element und dies ist auch der Grund, warum es keine Knochenfunde gibt.

Würde dir ein großer, länglicher Felsen als etwas Besonderes in einem Wald auffallen? Ein gut gewachsener Baum, am Rande eines Feldes vielleicht? Oder ein Windhauch, der nach Echsenpups riecht? Nein, wahrscheinlich nicht, denn du wärst viel zu sehr damit beschäftigt, ein cooles Selfie zu machen.

Was den Hunger betrifft, so ist unser Magen, genau wie unser gesamtes Astralwesen, lediglich an die Luft gebunden. Wir filtern Millionen von nahrhaften Partikeln aus ihr heraus, ähnlich einem Wal, der winziges Plankton aus dem Wasser siebt. Die Reißzähne dienen einzig und allein der Verteidigung und Abschreckung, denn Fleisch könnten wir überhaupt nicht verwerten.

In dieser letzten Form haben wir eigentlich die wenigsten Probleme. Wir leben im Einklang mit der Natur, sind die mächtigsten Wesen auf Erden, altern kaum noch und sind so gelassen wie ein bemooster Stein in einem friedlich plätscherndem Flussbett.

Leider gibt es zwei fette Haken an der Sache: Erstens ist der Zustand unumkehrbar, denn unser Körper kann sich nur ein einziges Mal von menschlicher Größe auf die Ausmaße eines Drachens ausdehnen. Danach gibt es kein Zurück mehr, denn wir wachsen bis zum Tod immer weiter.

Zweitens sind wir in dieser Form unfruchtbar ... Wenn wir also bis zur Wandlung keine Nachkommen gezeugt haben, war`s das mit der Blutlinie.

Du kannst dir sicher vorstellen, dass wir aus diesem Grund fast unser ganzes Leben als Menschen verbringen. Eine Familie gründen, lieben, leben und erst kurz vor unserem Sterbebett die Wandlung zum Volldrachen vollziehen, damit wir noch einige Jahrhunderte die zeitlose Schönheit des Seins genießen können, bevor wir die ewige Ruhe finden. Natürlich gibt es auch Ausnahmen unter uns, die lieber mit ihren Partnern als Menschen sterben, aber die meisten sind viel zu neugierig auf ein Leben als Volldrache, als dass sie diese Möglichkeit ungenutzt ausschlagen. Leider gibt es aber auch die wenige arme Seelen, die ihre Wandlung zu früh vollziehen, weil die Umstände sie dazu zwingen … so wie mein Vater.

Als meine Mutter mit mir schwanger war, stiegen meine Eltern auf den bereits erwähnten Berg Galdhøpiggen, zum Sitz des Krèachrr, dem ältesten Luftdrachen unserer Zeit. Er war mein Großvater und seine Tochter wollte seinen Segen für ihre Verbindung mit meinem Vater erhalten. Zu spät, wie sich herausstellen sollte.

Der anstrengende Marsch war einfach zu viel für sie. Aufgrund der fortgeschrittenen Schwangerschaft und der dünner werdenden Luft wurde sie ohne Vorwarnung plötzlich ohnmächtig. Sie verlor ihren Halt, stürzte in die Tiefe, geradewegs auf den riesigen, eisigen See am Fuß des Berges zu. Mein Vater sah keinen anderen Weg, als ihr hinterher zu springen, dabei seine Wandlung zum Wasserdrachen zu vollziehen, sie mit seinem Maul zu schnappen und uns so vor dem Sturz in das tödliche, eiskalte Nass zu bewahren.

Sie überlebte ohne einen Kratzer, nur mit dem Schock in den Knochen, sobald sie erwachte. Doch mein Vater war von da an in diesem namenlosen See gefangen.

Er war ein Held, jedoch getrennt von seiner Familie und verdammt zur ewigen Einsamkeit.

*

Ich sah meinen schuppigen Erzeuger seit diesem ersten richtigen Treffen zwölfmal im Jahr, jeden Monat einen Tag, solange wir in der Nähe, im Elternhaus meiner Mutter, in Beitostølen lebten. Mit der Zeit wurden unsere Besuche jedoch immer seltener, denn es ging uns zunehmend schlechter.

Wie ich später erfuhr, leiteten meine Eltern damals gemeinsam die kanadische Firma meines Vaters. Ein Familienbetrieb, der im Auftrag handgeschnitzte Figuren aus Treibholz anfertigte. Das Ganze machten sie von Zuhause aus und versandten die Skulpturen in alle Welt, eine jede davon gut vier Meter groß und damit 37.000 Norwegische Kronen wert. Es lief mehr als gut, doch leider war mein Paps bis zu seiner Wandlung der Künstler und meine Mutter bewerkstelligte die Buchhaltung, weswegen sie ohne ihn nicht weitermachen konnte. Die Firma geriet in der Trauerzeit meiner Mutter und ihrer langen Aufenthalte in der Geburtsklinik, als Folge des Sturzes, ins Minus. Wartende Kunden wurden wütend, stornierten ihre Aufträge, verklagten uns und die Mahnungen stapelten sich, während die monatlich laufenden Kosten für Werbung und Lebenshaltung gleich blieben.

Als meine Mutter mit mir aus der Geburtsstation entlassen wurde, führte sie ihr erster Weg an den See. Doch danach stand sie vor den Scherben ihrer Existenz, als sie nach Hause zurückkehrte.

Der Betrieb war inzwischen hoch verschuldet und so blieb ihr nichts weiter übrig, als alles zu verkaufen, Insolvenz anzumelden und auch das Haus ihrer Eltern in Zahlung zu geben.

Meinem Vater erzählte sie nie auch nur ein Sterbenswort davon. Sie wollte nicht, dass er sich Sorgen und Vorwürfe machte und zeigte sich ihm immer als die starke Frau, um die er sich keine Gedanken zu machen brauchte.

*

Wir mieteten uns zunächst eine kleine Wohnung erst in Lillehammer, dann in Gjøvik, doch als die Gegenden immer beliebter und die Preise an das Niveau der Touristen angepasst wurden, konnten wir nicht einmal mehr die nötigsten Lebensmittel bezahlen.

Meine Mutter arbeitete als einfache Sekretärin verdiente nicht viel und ich, als junger Drachenwandler im Wachstum, fraß ihr die Haare vom Kopf. Selber Geld verdienen durfte ich aufgrund meines zarten Alters noch nicht, also blieb uns nichts weiter übrig, als noch billigere Wohnungen, in schäbigeren Gegenden zu suchen.

Schließlich, zu dem Zeitpunkt, als ich zum ersten Mal spürte, wie die Magie in meinem Inneren aufbrodelte, landeten wir am Rande der Hauptstadt Oslo. Dort fand meine Mum, über die Empfehlung eines Freundes, endlich einen besser bezahlten Job als Buchhalterin in einer Zahnarztpraxis.

Tja … da sind wir heute – und mit heute meine ich den Abend vor meinem ersten Tag in der 10. Klasse der Sekundarstufe I an meiner neuen Schule.

Kapitel 2 - Feindseligkeiten

 

Meine Mutter pendelte anfangs noch viel allein hin und her. Sie organisierte die Ummeldungen, machte ihren Job dingfest und mietete eine billige Dachgeschosswohnung im vierten Stock, was sich ohne Fahrstuhl beim Umzug jetzt als äußerst nervig erweist.

Heute habe ich also mein neues Zimmer bezogen. Mein Reich ist ein lang gezogener Raum, in den nicht viel mehr hineinpasst als ein schmales Einmannbett, ein kleiner Schreibtisch mit Stuhl und ein dreißig Zentimeter tiefer Kleiderschrank, aber meine Hausaufgaben mache ich ja sowieso immer in der Küche.

Exakt siebenundvierzig Minuten dauert es, dann habe ich meinen ganzen Besitz eingeordnet und schmeiße mich in die Kissen … Na ja, zumindest habe ich ein Dachfenster. Regen perlt daran herab und ich sehe mein Spiegelbild im Glas, während ich verträumt an meinem silberfarbenen Drachenanhänger spiele, den ich seit gut zehn Jahren nicht mehr vom Hals genommen habe, auch wenn er nur aus einem billigen Kaugummi-Automaten stammt. Meine schulterlangen, braunen Haare werden zum Winter hin immer dunkler und verschwimmen förmlich mit der schwarzen Decke, auf der ich liege.

Meinen sechzehnten Geburtstag habe ich vor einigen Monaten hinter mich gebracht und ich spüre eindeutig, dass mein Körper seitdem in allen Bereichen einen großen Sprung gemacht hat. Also, ich würde nicht unbedingt sagen, dass ich kräftiger geworden bin, aber hager bin ich auch nicht (wahrscheinlich irgendwas zwischen drahtig und völlig normal, womit ich absolut leben kann). Meine magischen Fähigkeiten nehmen jetzt rasant zu. Ich kann Dinge bewegen und wandle mich dabei ... und mein Schwanz wird alle zwei Stunden hart, was mir ehrlich gesagt ziemlich auf den Sack geht! Ach ja, und ich fluche deutlich mehr ...

Ich konzentriere mich und lasse die Tropfen im Kreis laufen, während ich spüre, dass sich meine Stirn durch die Magie auswölbt und sich die beiden Drachenhörner aus den Schlitzen an meinem Kopf schieben. Meine Eckzähne stechen in meine Unterlippe und ich sehe, wie meine hellblau leuchtenden Augen im Glas über mir reflektieren.

Es ist immer noch nicht ganz klar, ob ich ein Wasser- oder ein Luftdrache bin, doch ehrlich gesagt käme ich in diesem Punkt lieber nach meiner Mutter, denn ich möchte fliegen können. Ein Luftdrache ist nach seiner endgültigen Wandlung frei wie der Wind. Er kann sein, wo immer er will und stetig seinen Ort wechseln, wohingegen ein Wasserdrache zwar einem König gleich im Meer lebt, an dieses jedoch gebunden ist.

Es ist selten, dass sich zwei Drachen vor ihrer Transformation auf dieser Welt finden. Meistens haben wir einen menschlichen Partner und dann ist es keine Frage, was man später einmal wird. Bei mir hingegen steht es nach wie vor aus. Zum einen ähnelt meine Statur mehr der eines späteren Luftdrachens, denn das sind die leichtesten und zierlichsten Drachen von allen, und auch das leuchtende Türkisblau meiner Augen ist, wenn ich die Magie wirke, eigentlich viel zu weiß. Zum anderen zeige ich leider recht eindeutige Tendenzen in Richtung Wasser, wie man an den Tropfen sieht.

„Geh schlafen Schatz, der Tag morgen wird sicher aufregend und anstrengend.“

„Ja Mum ...“, seufze ich nur und bekomme den allabendlichen Schmatz auf die Stirn.

Immer wieder frage ich mich, warum ich überhaupt in die Schule muss. Viel lieber würde ich mich einer Freakshow anschließen und meine Magie voll ausleben, statt lediglich an den spärlich zelebrierten Karnevalstagen mein wahres Ich zeigen zu können …

Aber meine Mum meint: „Freak-sein ist kein Beruf!“ Außerdem verstößt es gegen unseren Ehrenkodex, unsere Magie vor Menschen einzusetzen … aber eigentlich verstößt alles gegen unseren blöden Ehrenkodex, was auch nur ansatzweise Spaß macht.

'Was soll‘s … wenn ich mich so unauffällig verhalte wie immer, wird es schon werden.'

Welchen Sinn macht es überhaupt, ein Drache zu sein, wenn es niemand wissen darf? Wie cool wäre es, wenn ich meinen neuen Mitschülern meine Macht demonstrieren könnte!

'Und keine drei Tage später würde ich wahrscheinlich von der Regierung abgeholt und in irgendein Versuchslabor gesteckt werden ...'

Nein, mir bleibt nichts weiter übrig, als diese Zeit als Durchschnittsmensch zu überstehen, denn meine Ewigkeit als kastrierter Drache will ich definitiv nicht antreten, bevor ich nicht mit mindestens zehn supergeilen Kerlen Sex hatte … und bisher bin ich praktisch noch Jungmann.

Ich seufze erneut, stehe auf und gehe ins Bad, während ich beiläufig die Heckenschere aus dem Flur mitnehme, aber ich muss mir unbedingt noch die Nägel schneiden ...

*

Während mich meine Mutter durch die dunkelgrauen Kluften der engen Straße nach oben auf den Berg fährt, schlägt mein Herz bereits unruhig in meiner Brust und bei jedem laufenden oder Fahrrad fahrenden Schüler, den wir überholen, sinke ich immer tiefer in den Beifahrersitz. Auch wenn ich auf den alten Schulen nicht unbedingt beliebt war oder super beste Freunde hatte, so waren es doch zumindest ruhige, kleine Einrichtungen, die man genauso schnell wieder verlassen konnte, wie man sie betreten hatte.

Die Osloer Ungdomsskole hingegen ist schwer zu erreichen, eine halbe Stunde von unserer neuen Wohnung entfernt und riesig. Riesig bedeutet für mich in erster Linie noch mehr Menschen, mit denen ich mich auseinandersetzen muss. Meine Freude hält sich also in Grenzen, außerdem gibt es wohl kaum eine blödere Zeit die Schule zu wechseln als im zweiten Halbjahr der 10. Klasse.

Natürlich könnte ich mir einfach sagen: 'Ist doch toll, dann habe ich es eben schnell hinter mir und nach dem halben Jahr ist sowieso alles vorbei', aber eigentlich wollte ich danach auf die Videregående skole wechseln und das gestaltet sich schwierig, wenn man kurz vor den Prüfungen mal eben vollkommen neue Standards, neue Themen und neue Hauptlernbereiche hat. Ich will mir den Berg an auswendig zu lernendem Zeug nicht mal vorstellen, der mich in den nächsten Tagen überrollen wird.

„Komm wieder hoch Liebling, so schlimm wird es sicher nicht ...“, sagt meine Mum leise und stellt das bisher fröhlich Popcharts vor sich hin jodelnde Radio aus, nachdem sie mit dem Wagen in der Einfahrt anhält. Klar, wie nicht anders von ihr zu erwarten, steht sie direkt vor dem Haupteingang!

Die vorbeilaufenden Kommilitonen schauen belustigt ins Fenster und am liebsten würde ich mich in den Fußraum des Autos verkriechen.

„Mum, könntest du bitte irgendwo an der Seite parken, wo mich niemand sieht?“

Da lacht sie und tätschelt mir auch noch den Kopf, als wäre ich ein kleines Kind.

„Damit du wieder schön abtauchen kannst? Nichts da! Diesmal gehst du mit stolz geschwollener Brust durch den Eingang und zeigst allen, was für ein intelligenter, wohlgeratener junger Mann du bist!“

„Genau! Ich reibe allen meine Wohlgeratenheit unter die Nase und reiße ein paar Klugscheißersprüche, dann werden sie mich sicher mögen“, knurre ich nur noch und schnalle mich ab.

„Ich weiß was! Ich könnte doch morgen ein paar Skolebrød machen und die nimmst du dann mit und verteilst sie an deine Mitschüler!“

Meine Gesichtszüge entgleisen vor 'Begeisterung' mit der Erdanziehung und ich schnalze bedient mit der Zunge.

„Super Idee Mum! Am besten ich male noch kleine 'Habt-mich-bitte-alle-lieb' Zettel dazu, schneide sie in Herzform aus und garniere sie mit einem Foto von mir in feschen rosa Erwachsenenpampers!!!“

„Du nun wieder ...“, entgegnet sie geknickt und ich kann es ihr nicht mal übel nehmen, weil ich weiß, dass sie es eigentlich nur gut meint.

„Bye Mum. Ich nehm die Öffis nach Hause“, seufze ich nur noch und gebe ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Bye mein Engel … und viel Glück.“

Irgendwie hätte ich jetzt doch gerne eines ihrer leckeren puddinggefüllten Hefeteilchen ...

*

Die Ungdomsskole sieht aus wie ein Gefängnis und genauso fühlt sich der Gang auf den Hof auch an. Ein kantiges, grau-rotes Backsteingebäude, mitten auf einer abgeranzten Bergwiese, mit vier Eingängen, über denen große Orientierungsbuchstaben in grellem Gelb prangen, damit auch jeder Vollidiot weiß, wo er rein muss. Die grauen Rollläden sind beinahe alle noch unten, und wahrscheinlich sitzen die Lehrer auch noch gemütlich beim Kaffee zusammen, während wir uns hier draußen den Arsch abfrieren.

Ich ziehe bei der nächsten kühlen Windböe den Kragen meiner Jacke höher und versuche, möglichst unauffällig durch die Traube der Leute zu kommen. Zwölf bis sechzehnjährige Schüler stehen in kleinen Gruppen auf dem Hof und einige werfen mir höhnische Blicke zu, während sie heimlich rauchen, sich unterhalten oder auf ihren Smartphones und Tablets herumspielen.

Ich verziehe mich in eine Ecke und tue so, als wenn ich ebenfalls ganz wichtige Dinge auf meinem Handy zu checken habe. Dabei verdecke ich, so gut es geht, dass es sich nur um eine billige China-Importkopie handelt, welche mir alle drei Fürze lang abstürzt.

Tatsächlich beobachte ich jedoch die Leute um mich herum und sehe zu meinem Leidwesen keinen einzigen Jungen, der mir gefällt. Dann läutet die Klingel und die Türen zu den vier Eingängen werden geöffnet.

Nervös schaue ich auf meine Notizen, nachdem ich in der Masse mit dem Sog des D-Abteils ins Haus gelaufen bin. Den Schlüssel zu meinem Spind, samt dazugehöriger Nummer, habe ich schon vorab bekommen, also suche ich die große Wand mit den Schließfächern auf und entnehme dort meinen Stundenplan sowie die für den Unterricht benötigten Bücher. Geografie ist mein erstes Fach auf dem heutigen Tagesplan. Die einzelnen Klassenräume sind mit Nummern beschriftet und auch ein Ansprechpartner wurde mir angegeben, welcher im Sekretariat auf mich wartet, sollte ich mich nicht zurechtfinden. Trotzdem würde ich am liebsten einfach wieder umdrehen, als ich kurz darauf die offene Tür erreiche, hinter der reges Gewusel herrscht. Ich linse kurz hinein und werde bereits von einigen Schülern seltsam angesehen, doch ich traue mich nicht, ohne Aufforderung ins Zimmer zu gehen.

„Akai Tremblay?“, fragt mich plötzlich eine männliche Tenorstimme und im nächsten Moment sehe ich einen rothaarigen Mann auf mich zukommen, dessen Flanellhemd sich so fest um seinen dicken Bauch spannt, dass ich Angst bekomme, von den Knöpfen erschossen zu werden, sollten sie irgendwann abfliegen.

Ich nicke, erwidere ein verhaltenes „Ja“ und er schiebt seine Nickelbrille zurecht, bevor er mir einen Batzen Papier in die Hand drückt und mich auf einen leeren Platz an der Seite verweist.

„Das sind die Themen, die wir zuletzt durchgenommen haben. Du tätest gut daran, sie aufzuholen bis die Prüfungen beginnen!“

Das war's von seiner Seite aus. Sobald das zweite Läuten ertönt, beginnt er seinen Unterricht und lässt mich links liegen. Wahrscheinlich hält er es nicht mehr für nötig, mich für die paar Monate, in denen ich diese Klasse besuche, noch zu integrieren.

---ENDE DER LESEPROBE---