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Peter Siefermann

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Beschreibung

Ein Märchenprinz ist er nicht, der Uhl. Aber er besitzt ein gutes Herz, und außerdem einen Motorroller, mit dem er über die Lande fährt. Bei einer solchen Tour lernt er auf dramatische Weise die schöne Elin kennen. Doch da ist auch noch Uhls ebenso schöne Zimmernachbarin Paula, mit der ihn diverse Abmachungen verbinden.

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Ein Märchenprinz ist er nicht, der Uhl. Aber er besitzt ein gutes Herz, und außerdem einen Motorroller, mit dem er über die Lande fährt. Bei einer solchen Tour lernt er auf dramatische Weise die schöne Elin kennen.

Doch da ist auch noch Uhls ebenso schöne Zimmernachbarin Paula, mit der ihn diverse Abmachungen verbinden.

Für die Fee meines Herzens

Inhaltsverzeichnis

Dienstag, September 2007

Mittwoch, September 2007

Donnerstag, September 2007

Freitag, September 2007

Samstag, September 2007

Sonntag, September 2007

Ein halbes Jahr später. Samstag, März 2008

Bekenntnis eines Huhns.

Anmerkung des Autors

Weitere Bücher von Peter Siefermann im Twentysix-Verlag.

Kriminalromane von Pit Ferman im Twentysix-Verlag.

Dienstag, September 2007

Jeden Morgen war es das gleiche Spiel. Wenn Uhl erwachte, versuchte er anhand der Helligkeit, die durch die Balkontüre ins Zimmer fiel, die genaue Uhrzeit abzuschätzen. Lag er daneben, kostete ihn das eine Liegestütze pro verfehlter Minute, abzuleisten im Laufe des Tages. Manchmal, wenn es wenige Minuten waren, erledigte er die Pflichtaufgabe umgehend. Zehn Stück schaffte er locker in einem Durchgang. Ansonsten, im Falle dass er schlecht geraten hatte, verteilte er sie nach Gutdünken, musste allerdings bis zum Abend fertig sein.

Er hatte die genaue Uhrzeit noch nie getroffen, doch mit der Zeit wurde er besser. Er lernte, verschiedene Faktoren wie die Jahreszeiten oder das Wetter mit einzubeziehen, und nicht zu vergessen die zweimalige Zeitumstellung, März und Oktober, Stunde vor oder Stunde zurück. Da hatte er sich doch glatt einmal über siebzig Liegestützen eingehandelt.

Jetzt war es Mitte September, und die Sonne ging merklich später auf als noch vor einem Monat. Vom Bett aus konnte er einen kleinen Ausschnitt des Himmels sehen, nicht mehr als ein schmaler Streifen über der Balkonbrüstung. Nach eingehender Betrachtung entschied er sich, das heute dargebotene Bild als wässriges Hellblau bezeichnen zu wollen, wie mit Aquarellfarben gehaucht anstatt gemalt. Das dürfte mit der Prognose aus der Zeitung übereinstimmen, denn die hatte für heute schönes Wetter angekündigt. Dann wanderten seine Augen über den Fußboden, denn das Licht warf einen leichten Schatten des Türrahmens ins Zimmer. Nicht, dass der Schatten mit dem Lauf der Sonne wanderte, nein, das Zimmer lag nach Westen hinaus, was bedeutete, dass die Sonnenstrahlen erst nachmittags in die Wohnung schienen. Es handelte sich um einen einfachen Helligkeitsschatten, und je nach dessen Stärke addierte oder subtrahierte er im Kopf die eine oder andere Minute zu seinem Schätzergebnis hinzu oder davon ab.

Endlich legte er sich fest: Es ist sechs Uhr einundfünfzig.

Aber als er auf die Uhr schaute, war es bereits zwei nach sieben. Elf Liegestützen demnach, und die ersten zehn stemmte er noch vor, die elfte nach dem Gang auf die Toilette.

Die Einzimmerwohnung im Haus An der Bachschleife lag am südlichen und längeren Ende des L-förmigen Gebäudes im ersten Stock. Zwölf Einzimmerwohnungen, jeweils sechs auf beiden Seiten des Flurs, die einen nach Osten, die anderen nach Westen ausgerichtet. Im rechten Winkel dazu, im kürzeren Gebäudeteil des Ls, befanden sich die Zweizimmerwohnungen. Zwölf insgesamt, verteilt auf zwei Etagen. Uhl hatte bewusst die Einzimmer-Variante gewählt. Nummer achtzehn.

Betreutes Wohnen hieß das Konzept. Die Bewohner lebten weitestgehend autonom, mit dem Vorteil, dass das Deutsche Rote Kreuz einen Stützpunkt im Haus unterhielt und die Mitarbeiter sich um die Bewohner und deren mehr oder weniger aufwendigen Anliegen und Gebrechen kümmerten. Das ging von der einfachen Nachschau, ob eine Person wohlauf war und die Nacht lebend und unfallfrei überstanden hatte, bis zur Hilfe bei der Körperpflege, dem Anlegen von Stützstrümpfen oder dem Verabreichen von Medikamenten. Man legte, besonders von Seiten der Bewohner, Wert darauf, sich nicht in einem Pflegeheim zu befinden.

Uhl an sich benötigte keine Hilfe. So gesehen hätte er in seiner alten Wohnung bleiben können. Der Grund, weshalb er diese Wohnung gemietet hatte, war, dass er befürchtete, nachts einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden oder gar zu sterben, und unter Umständen tagelang unentdeckt zu bleiben. Eine Horrorvorstellung, die er nicht jeden Abend vor dem Zubettgehen haben wollte. Außerdem war der Unterhalt einer Einzimmerwohnung pflegetechnisch weit weniger aufwendig als eine Dreizimmerwohnung.

Seit seine Frau Cilly, Cilly von Cäcilie, vor Jahren gestorben, und seine Tochter Judith mit ihrem Mann beruflich bedingt nach Kanada gezogen war, lebte Uhl allein. Einzige Verwandte waren der Bruder der verstorbenen Frau mit dessen Familie; also Schwager, Schwippschwägerin und zwei Töchter. Doch Siegfried, wie der Schwager hieß, und seine Frau Margret wohnten in Grafenhardt, die Töchter irgendwo in Deutschland. Wo, das wusste Uhl nicht, und es interessierte ihn auch nicht. Er selber war schon immer in Durlangen daheim und wollte sich nicht ausmalen, woanders sein zu müssen.

Früher, als Cilly noch lebte, war es Usus, sich gegenseitig zu den Geburtstagen einzuladen. Viermal im Jahr, zweimal hier und zweimal dort. Cilly war die Triebfeder gewesen, so wie sie überhaupt für die sozialen Kontakte gesorgt hatte, doch seit sie nicht mehr war, geschah in dieser Beziehung so gut wie gar nichts mehr. Man traf sich höchst selten, und wenn, dann rein zufällig, zum Beispiel auf dem Gemüsemarkt in der Stadt. Nun, Uhl fand das nicht schade.

Er wohnte zur Miete. Andere hatten ihre Wohnung gekauft, wie zum Beispiel Hubert, der über den Flur direkt gegenüber hauste. Auch Uhl hätte die Möglichkeit gehabt, hier Wohneigentum zu erwerben. Sechsundneunzigtausend Euro waren nicht zu viel für die Größe und Ausstattung. Geräumiges, behindertengerechtes Badezimmer; separate, vollausgestattete Küche, breiter Flur mit begehbarer Garderobennische; großer Wohn/Schlafraum und respektabler Balkon; Waschmaschine und Wäschetrockner im Keller inklusive eines Kellerabteils.

Wer Lust hatte, konnte sich mit anderen Bewohnern oder Gästen im Gemeinschaftsraum treffen. Abends herrschte dort ein ständiges Kommen und Gehen. Uhl hatte sich einmal dazu drängen lassen, am sogenannten Gemeinschaftsleben teilzunehmen. An Weihnachten war´s vor einem dreiviertel Jahr, Heilig Abend, um genau zu sein, doch das Absingen von alten Weihnachtsliedern zu miserablem Christstollen vor brennenden Kerzen, und die enge Bestuhlung um den zentralen Tisch und somit die notgedrungene Nähe zu anderen Leuten, alle frisch gebadet und entsprechend parfümiert, hatten ihm widerstrebt. Heuer würde er der Einladung nicht Folge leisten. Er war kein geselliger Mensch.

Als seine Tochter Judith ihm vor circa eineinhalb Jahren ihre Pläne für Kanada offenbart hatte, war für Uhl die Zeit gekommen, sich neu zu orientieren. Bereits einen Monat später hatte er den Mietvertrag im Haus An der Bachschleife unterschrieben, und die Dreizimmer-Eigentumswohnung, in der er seit der Hochzeit mit Cillygewohnt hatte, einem Immobilienmakler zum Verkauf angeboten. Den Erlös aus dem Verkauf, immerhin einhundertfünfundsechzigtausend Euro, legte er für kommende Zeiten auf die hohe Kante. Die reduzierte Rente, die er als Frührentner bekam, reichte für die Miete; dreimal Essen-auf-Rädern pro Woche; einen bescheidenen Lebenswandel; Versicherungen – unter anderem für einen Motorroller; Bücher; und für sein Hobby.

Uhl war Zimmermann gewesen. Mit neunundfünfzig Jahren krankheitsbedingt aus dem Berufsleben ausgeschieden. Für einen Mann, der auf den Dachfirsten von Häusern balancieren musste, waren Gleichgewichtsstörungen lebensgefährlich. Komischerweise spürte er heute nichts mehr davon.

Sein Hobby war, alte Fachwerkhäuser maßstabsgerecht nachzubauen. Aus Holz natürlich, etwas anderes kam für ihn nicht infrage, und an geeigneten Objekten mangelte es ihm wahrlich nicht, denn die Ortschaft Obertalhalden, keine zehn Kilometer von Durlangen entfernt, war das Fachwerkdorf schlechthin. Aber er konzentrierte sich nicht allein auf Obertalhalden. Er fuhr mit dem Motorroller gern übers Land, und entdeckte er ein interessantes Haus, fotografierte er es zunächst von allen zugänglichen Seiten, um bei späterer Gelegenheit mit den Bewohnern über einen eventuellen Nachbau zu sprechen. Rückte ein Objekt in die engere Auswahl und er erhielt die Zusage der Eigentümer, vermaß er die Baulichkeit mit einem Lasergerät außen wie innen; fertigte Skizzen; fotografierte beispielsweise Treppenhäuser, manchmal auch Tapeten; notierte Besonderheiten wie die Form der Dachziegel, die Beschaffenheit der Grundmauern oder die Art der Beheizung. Es mussten unverfälschte Häuser sein, also nicht solche, die nach modernem Zeitgeist von Grund auf renoviert und umgebaut worden waren.

Mit dem Hobby hatte er vor vier Jahren begonnen, praktisch mit seinem sechzigsten Geburtstag. Damals noch in der alten und seit einem Jahr im Kellerabteil der neuen Wohnung. Ungefähr ein Jahr arbeitete er an einem Modell, und insgesamt existierten bis heute vier Modelle, das letzte bis auf einige Details so gut wie fertig. Zwei der Modelle hatte er an die Besitzer der Originale verkaufen können, jedes für dreitausend Euro.

Für die Möblierung der Häuser hatte er einen Online-Händler ausgekundschaftet, der Puppenhausinventar jeglicher Couleur anpries. Ihm schickte er Fotos der Originalmöbel mit den benötigten Maßen, und alsbald erhielt er Paketpost mit einer Zusammenstellung zumindest typähnlicher Einrichtungsgegenstände. Handelte es sich um Gemälde, verkleinerte er die gemachten Fotos verhältnismäßig und rahmte sie akribisch selbst.

Das Haus An der Bachschleife stand am nordwestlichen Stadtrand Durlangens, wo der Talbach in zahlreichen Windungen sich den Weg durch die Rheinebene bahnte. Der Bach kam von Obertalhalden her und durchquerte das tiefer gelegene Talhalden. Auf drei Seiten vom Bach umschlossen, hatte man das Haus auf einen extra aufgeschütteten Erdhügel gesetzt, um gegen allfällige Hochwasser geschützt zu sein. Über drei Fußgängerbrücken gelangte man in die diversen Bezirke der Stadt.

Meistens war es fünf Minuten nach acht Uhr, wenn die Pflegerin vom Roten Kreuz an Uhls Tür klopfte und sich nach seinem Befinden erkundigte. Normalerweise hatte er dann schon gefrühstückt und war angezogen, und für gewöhnlich entriegelte er die Tür und öffnete sie einen Spalt, damit sie ihn wohlauf sah. Wollte er dennoch einmal länger schlafen, hängte er ein Schild „Bitte nicht stören“ außen hin. Ansonsten ließ man ihn in Ruhe.

Das Bett hatte Uhl in einer Wandvertiefung aufgestellt. Eine Art Alkoven, in den das Bett beinahe vollständig hineinpasste. Andere bevorzugten den Platz für den Kleiderschrank, hatten das Bett dafür sichtbar offen im Wohnraum stehen. Jeder wie er wollte. Hubert zum Beispiel, der Nachbar, hatte die gesamte Wohnung mit Holztäfer ausgekleidet und über dem Bett ein Dach aus Rindenholzbrettern montiert. Er war Liebhaber rustikaler Bauweise im alpenländischen Stil, und dementsprechend sah es bei ihm aus. Uhl fühlte sich jedes Mal, wenn er bei Hubert zu einem Bier eingeladen war, wie in einem Sarg. Aber das sagte er ihm nicht.

Uhl war ein Meter achtzig groß und schlank. Das dunkelbraune Haar trug er halblang mit einem Mittelscheitel. Es war von etlichen Silberfäden durchzogen, doch schien ihm irgendwann im Laufe der Jahre das Edelmetall ausgegangen zu sein, denn es wurden nicht mehr. Die schmale Nase passte zu seinen dünnen Lippen. Am auffälligsten unter dichten Augenbrauen waren die blauen Augen, die vielleicht eine Idee zu eng beieinanderstanden, was ihm einen verletzlichen Ausdruck verlieh, den er durch einen kurzgehaltenen Bart zu kaschieren versuchte.

Wenn er an seinen Modellen werkelte, hörte er gerne Musik, bevorzugt Blues, neuerdings auch solchen, den ihm Judith aus Kanada schickte.