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Gossenengel (Sammelband! Band 1, 2 und 3) Genre: Gay Romance / BDSM / Crime Print: 470 Seiten Für Kriminalkommissar Alexander Enders geht eine gewöhnliche Nachtschicht ihrem Ende entgegen, doch kurz vor Feierabend werden er und sein Partner noch zu einem dritten Sterbefall mit ungeklärter Todesursache gerufen. Das Opfer, Sohn eines stadtbekannten, hochkriminellen Drogenbarons, lebte bis zu seinem Tod ungewöhnlich versteckt in einer Berliner Stadtvilla. Die Beamten vermuten hinter seinem Abtauchen Morddrohungen eines konkurrierenden Clans aus der Untergrundszene. Genützt hat es ihm jedoch nichts, denn offensichtlich haben sie ihn trotzdem gefunden. Noch routiniert mit der Spurensicherung beschäftigt, hört Alexander plötzlich ein Geräusch hinter einer Wand und ahnt nicht, dass die darauf folgende Entdeckung sein ganzes Leben beeinflussen wird.
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Sammelband
Klappentext
Gossenengel
Gay Romance / BDSM / Thriller
15. Januar 2017. Für Kriminalkommissar Alexander Enders geht eine eher gewöhnliche Nachtschicht ihrem Ende entgegen, doch kurz vor Feierabend werden er und sein Partner noch zu einem dritten Sterbefall mit ungeklärter Todesursache gerufen. Das Opfer, Sohn eines stadtbekannten, hochkriminellen Drogenbarons, lebte bis zu seinem Tod ungewöhnlich versteckt in einer Berliner Stadtvilla. Die Beamten vermuten hinter seinem Abtauchen Morddrohungen eines konkurrierenden Clans aus der Untergrundszene. Genützt hat es ihm jedoch nichts, denn offensichtlich haben sie ihn trotzdem gefunden. Noch routiniert mit der Spurensicherung beschäftigt, hört Alexander plötzlich ein Geräusch hinter einer Wand und ahnt nicht, dass die darauf folgende Entdeckung sein ganzes Leben beeinflussen wird.
Wer sind wir?
Manche Menschen schwimmen mit dem Strom, andere paddeln dagegen. Wir latschen durch den Wald und finden nicht mal den verdammten Fluss. Wen wundert’s, denn so sind wir eben, Aki & Kira, das leicht verpeilte Autorenduo aus Berlin. Zwei durchgeknallte, aber herzliche Sanftmafia-Schriftsteller. Da wir beide aus eher schwierigen Verhältnissen stammen, zeitweise sogar auf der Straße gelebt haben und darüber hinaus einen ziemlich verkorksten, schwarzen Humor besitzen, gibt es bei uns keine makellosen, schwanzbefreiten Weicheimer-Helden ohne Fehl und Tadel. Stattdessen findet ihr in unseren Büchern unperfekte Protagonisten und queere Außenseiter, die realistische Probleme, Macken, Begierden und meist auch einen ordentlichen Knacks in der Schüssel haben. Sinnlicher, detaillierter Sex und erotische Szenen sind dabei immer ein fester Bestandteil unserer Geschichten, ohne zu vulgär oder vordergründig zu sein. Thematisch gibt es bei uns so ziemlich alles, denn wir schreiben einfach, worauf wir Lust haben: mal Romance, mal Dystopie, mal lustig, mal melancholisch, mal Fantasy, mal harter Realismus. Wenn wir den Leser mit unseren Büchern im Herzen berühren können und er auf seinem weiteren, hoffentlich glücklichen Weg einige Dinge mit anderen Augen betrachtet, diese mehr schätzt, hinterfragt und genauer hinsieht - dann haben wir alles erreicht, was wir wollten. Jede Art von Feedback ist übrigens herzlich willkommen!
In diesem Sinne: Carpe omnia!
Akira Arenth
Sammelband
Akira Arenth
Prolog
Schon als ich die Tür öffne, schlägt mir das Herz bis zum Hals.
Ich schließe sie leise, obwohl niemand da ist, den ich stören könnte, und das Erste, was mir auffällt, ist der wie immer verschlossene Flurschrank.
›Er war wieder vor mir hier. Wahrscheinlich hat er bereits eine Nacht in diesem Zimmer geschlafen ... allein oder mit einem anderen ... wer weiß das schon.‹
»Warum lasse ich mich nur immer wieder darauf ein?«, seufze ich und ziehe meine Schuhe aus. Die Frage stelle ich mir inzwischen bis zu dreimal im Monat. Meist dann, wenn ich erneut in einem dieser Nobelhotelzimmer stehe, die einen extremen Kontrast zu meinem alltäglichen Leben bilden, das beinahe ausschließlich auf der Straße stattfindet.
Ich reiße mich selbst aus meinen Gedanken und schaue auf die stylische Wanduhr über dem Schreibtisch.
›Nur noch siebenundzwanzig Minuten. Das wird knapp.‹
Entweder ich drehe mich auf der Stelle um und gehe oder ich mache dieses Spielchen ein weiteres Mal mit und beeile mich. Lange überlege ich nicht, hänge meine Jacke an den Haken und gehe ins Badezimmer, auf das ich mich fast noch mehr freue als auf das Treffen an sich.
Wie immer ist in dem schwarz-weiß marmorierten Raum eine große, offene Dusche vorhanden, in der kostenlose Duschgels und Shampoofläschchen auf einer Ablage bereitgestellt sind. Auf dem trapezförmigen Waschbeckenrand liegen zudem frische Handtücher, ein verpackter Einmalrasierer, verschiedene Cremetütchen und ein nicht angeketteter Haartrockner.
Schnell ziehe ich meine Hose aus. Ihr folgen mein schwarzes Batman-Shirt und meine Shorts sowie beide Socken. Meine Sachen lege ich neben die Toilette auf den Boden, nehme alles, was ich zur Körperpflege brauche, und betrete die geräumige Dusche. Dort lasse ich das Wasser über eine große, perforierte Platte wie warmer Regen auf mich herunterprasseln.
»Haaaah ... ist das schön!«
Im Alltag kann ich mich nur mit einem Lappen an den Waschbecken der öffentlichen Toiletten abschrubben. Rasieren ist da nicht drin und genussvolles Ganzkörpereinweichen erst recht nicht. Wenn es ganz schlimm ist und ich es nicht mehr aushalte, pilgere ich zu einem Campingplatz, gehe in ein Schwimmbad, in einen Flughafen, in ein Fitnessstudio oder in ein Solarium mit kulantem Betreiber. Doch all diese Einrichtungen haben drei große Mankos. Erstens: Sie kosten Geld, teilweise sogar ganz schön viel. Zweitens: Wenn man zu verlottert aussieht, zu viel Gepäck dabei hat oder schon zu sehr müffelt, lassen sie einen dort gar nicht erst rein. Drittens: Es gibt nur offene Gemeinschaftsduschen und von Privatsphäre ist da keine Spur. Die einzige Ausnahme bilden Autobahnraststätten. Da hat man für vier Euro seine eigene, abschließbare Kabine und die ist meist auch noch mit Klo und Waschbecken ausgestattet. Nachteil: Ohne Auto kommt man da schwer ran.
Für einen Moment lehne ich mich an die Fliesen, denn mir wird ein wenig schwindelig. Trotzdem massiere ich die Spülung in meine nach Pflege lechzenden Haare ein. Während sie einwirkt, hocke ich mich langsam hin und rasiere mich komplett. Danach lasse ich mir das warme Nass noch gut fünf Minuten über den Körper prasseln, ehe ich es abstelle und aus der Dusche steige, um mich abzutrocknen.
Jetzt wird es ernst.
Die mir erteilten Anweisungen könnten wohl kaum eindeutiger sein, trotzdem ziehe ich noch einmal mein billiges Prepaid-Handy aus der Seitentasche meiner auf dem Boden liegenden Jeans und öffne die entsprechende Nachricht.
›Hotel Adlon Kempinski, Zimmer 402. Die Schlüsselkarte ist auf deinen Vornamen an der Rezeption hinterlegt. Ab 12 Uhr kannst du rein, um 13:30 Uhr komme ich dazu. Sei nackt, frisch geduscht und rasiert. Alle für dich relevanten Utensilien liegen auf dem Bett - benutze sie! Sei pünktlich fertig!‹
Mein Blick schwenkt wie automatisch über die einteilige, weiß bezogene Matratze des Kingsize Bettes und ich mustere das bereitgelegte Equipment: eine Augenbinde, ein Knebel in kurzer Penisform, vier Schweißarmbänder und ein schwarzer Jockstrap. Die Decken und Kissen wurden bereits auf einem der Sessel gestapelt und auf dem Nachttisch steht eine große Tube Gleitgel, welches ganz sicher nicht zum Wichsen verwendet werden soll. Alles ist soweit wie immer, nur eine ungewöhnliche Sache fällt mir sofort auf: Da sind Ketten an den Bettpfosten, deren Enden in Schlaufen auf dem Laken liegen, versehen mit drei offenen Metallschlössern.
›Spinnt der jetzt total?‹
Das sind richtig große, massive Teile und ich sehe keinen Schlüssel dazu! Das ist etwas völlig anderes als die bisherigen Klettverschlussbänder, die man ohne Probleme mit den Zähnen aufziehen kann, wenn es einem zu bunt wird.
›Wenn ich die abschließe, wars das endgültig mit der Selbstbestimmung.‹
Auf einer der Ketten liegt ein kleiner, von Hand beschriebener Zettel mit lang gezogener, ebenmäßiger Schrift, der besagt: ›Leg dir die Schlaufen eng um die Hand- und Fußgelenke. Sind sie zu locker, werde ich dich bestrafen!‹
Der Kerl will ohne jeden Zweifel, dass ich ihm heute die gesamte Kontrolle überlasse, mich ihm vollkommen ausliefere, und ich bin wahrscheinlich auch noch so blöd und tue es.
Es ist wirklich verrückt. Seit vier Monaten habe ich nicht gerade unschuldigen Sex mit einem Mann, von dem ich nicht mal weiß, wie er aussieht, geschweige denn, wie er heißt. Ich soll ihn Herr nennen und keine Fragen stellen. Mein großzügiges Taschengeld bekomme ich nach jedem Treffen in bar.
Eigentlich ist mir diese distanzierte Form unseres Verhältnisses momentan auch ganz recht, denn ich komme gerade erst aus einer sehr emotionalen und nervenaufreibenden Beziehung. Gegen gelegentlichen Sex habe ich hingegen nichts und wenn er mir dafür auch noch Geld gibt, sag ich sicher nicht nein.
Wie wir zueinandergefunden haben, war jedoch etwas seltsam: Ich stand am Bahnhof Zoo, zusammen mit ein paar alten Bekannten, für die Sexarbeit so normal ist, wie sich morgens auf den Pott zu setzen. Die meisten finanzieren ihre Rauschmittel damit, manche aber auch ihr Studium und einige wenige brauchen das Geld für ihre Familie. Einer der Jungs, die ich nur vom Sehen kannte, kam plötzlich auf mich zu und gab mir einen Zettel mit einer Handynummer. »Stell dich mal bei dem vor«, sagte er. »Der sucht nach so Typen wie dir. Ist etwas speziell, aber er zahlt gut.« Dabei grinste er seltsam und beleckte seine ungeputzten Zähne. »Sag ihm, du hast die Nummer von Svenni, dann krieg ich Vermittlungsprovision.« Beim letzten Wort ließ er die Augenbrauen hüpfen, als wolle er damit Basketball spielen. Tja und da ich gerade frisch getrennt war, auf der Straße saß und nichts Besseres zu tun hatte, schrieb ich Mister Unbekannt tatsächlich noch am selben Tag eine Nachricht. Er antwortete praktisch sofort, verlangte ein Foto von mir und erklärte dann die Bedingungen für ein Treffen. Ich stimmte zu, bekam wenig später die erste Hoteladresse samt Zimmernummer und das Versteckspiel begann.
Ehrlich gesagt hätte ich mir nie träumen lassen, dass so etwas auf Dauer funktioniert, aber durch meine Pflicht, eine Augenbinde zu tragen, hat er es tatsächlich geschafft, bis heute ein Phantom zu bleiben.
Jedes Mal, wenn wir dann fertig sind, frage ich mich: Warum? Zuerst dachte ich, er sei vielleicht unförmig, alt oder hässlich, doch es gab schon viele Momente, in denen ich seinen ganzen Körper berühren durfte, wenn auch nur flüchtig, und dieser Mann braucht sich weiß Gott nicht zu verstecken! Er ist groß, durchtrainiert und noch dazu ganz gut bestückt. Das Einzige, was ich bisher nie anfassen durfte, ist sein Gesicht. Daher vermute ich mal, er ist irgendein Prominenter, der Angst hat, erkannt und danach erpresst zu werden. Vielleicht hat er aber auch eine Art Deformation: entstellende Narben oder eine Hasenscharte ... wer weiß.
Eines war jedenfalls von Anfang an klar: Wenn ich nicht nach seinen Regeln spiele, vor der Tür auf ihn warte, mir die Augenbinde abnehme, bevor er geht, oder sie gar nicht erst aufsetze – wars das. Und zwar für immer.
Noch einmal werfe ich einen Blick auf die Uhr.
›Nur noch fünfzehn Minuten! Shit!‹
Ohne großen Enthusiasmus lege ich das Handtuch ab und werfe es auf den zweiten Sessel, der wie die restlichen Polstermöbel mit einem goldenen Brokatmusterstoff bezogen ist.
Ich knie mich aufs Bett und überlege kurz, was ich als Erstes und was ich als Letztes anlegen muss. Dazu nehme ich die Augenbinde und den Knebel in die Hand. Die Sachen sind äußerst hochwertig: dickes Leder, feste Nähte, sichere Schnallen. Kein Softporno-Onlinehandel-Billigkram, der bei der ersten Gegenwehr kaputtgeht. Doch die Toys sind nicht neu und das widert mich jedes Mal an.
Bei dem Gedanken daran, dass der Knebel, den ich mir jetzt in den Mund stecken soll, auch schon von anderen Subs vollgesabbert wurde, wird mir schlecht. Scheißegal, dass das Ding zwischendurch desinfiziert wurde, was ich jedes Mal schmecken kann. Aber dieser Kerl ist ganz sicher kein Mensch, der sich nur auf einen Jungen konzentriert, und vermutlich ist es ihm zu aufwändig, für jeden seiner Boy-Toys ein Set zu kaufen, auch wenn er sich das garantiert leisten könnte.
›Wenn ich das noch länger mache, werde ich mir definitiv mein eigenes Spielzeug besorgen!‹
Ich halte mir beide Utensilien vor meine sensible Nase, doch zum Glück kann ich nichts Unangenehmes daran riechen. Ein leichter Ledergeruch und ein Hauch von Desinfektion, so wie immer.
Abermals schaue ich auf die Uhr.
›Dreizehn Minuten.‹
Ich atme einmal tief durch, sehe kurz aus dem Fenster nach draußen zum Innenhof des Hotels, ziehe dann den Jockstrap an und stülpe mir die schwarzen Schweißarmbänder über die Hand- und Fußgelenke. Danach öffne ich den Mund und lasse den Gummischwanz über meine Zunge rutschen. Er ist gut zweieinhalb Finger dick und fühlt sich im ersten Moment nicht sehr groß an, vor allem, weil er relativ weich und so kurz ist, dass ich nicht gleich würgen muss. Doch spätestens nach einer Dreiviertelstunde bekommt man auch bei dem Format eine saftige Kiefersperre und Atemprobleme noch obendrauf, zumindest, wenn es etwas heftiger zugeht.
Leider spüre ich jetzt schon, wie diese einfache Form der self-suspension[Fußnote 1]auf meine Psyche und meinen Körper wirkt. Meine Zunge fährt beinahe sehnsüchtig an den nachgebildeten Adern des Knebeldildos entlang, mein Schwanz wird hart und richtet sich auf, noch ehe ich die erste Kettenschlaufe um mein linkes Fußgelenk geschlossen habe. Um auch die zweite um das rechte zu schließen, muss ich die Beine sehr weit spreizen, doch die Dehnung und das leichte Ziehen in meinen Oberschenkeln führen nur dazu, das meine Latte einen weiteren Härteschub bekommt. Gleich darauf falle ich mehr oder weniger nach vorne, weil ich mich so nicht wirklich aufrecht halten kann, und so langsam werde ich echt nervös.
›Noch zehn Minuten!‹
Hastig ziehe ich die nächste Kette zu mir, lege sie um mein rechtes, gut gepolstertes Handgelenk und lasse auch das dritte Schloss einrasten. Auf der linken Seite hat mein Gastgeber schon vorgesorgt und einen daumenbreiten Kabelbinder durch das letzte Glied gezogen. Dieser ist bereits halb geschlossen, sodass ich nur noch meine Hand hindurchstecken und daran ziehen muss, um die Schlaufe unwiderruflich über dem Schweißband zu schließen. Bevor ich das tue, lege ich mir aber die Augenbinde um, denn wenn erst mal alle Stränge fest sind, komme ich nicht mehr an meinen Kopf heran.
Mein Ständer pocht bereits schmerzhaft, sehnt sich nach Zuwendung, doch ich beeile mich lieber die Aufgabe zu erfüllen, ehe es zu spät ist und mein Teilzeit-Herr hereinkommt. Der Mann ist nämlich immer verdammt überpünktlich und steht wahrscheinlich jetzt schon im Hotelflur.
Dunkelheit umhüllt mich. Ich stecke meine noch nicht gefesselte Hand in die Schlaufe, zögere erst, doch dann reiße ich einfach meinen Arm hoch und es ratscht neben meinem Ohr. Der Kabelbinder sitzt fest. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.
Auch wenn ich einen ausgeprägten Fetisch für SM-Spiele habe, stehe ich absolut nicht auf Schmerzen und ich hasse Bestrafungen, weshalb ich stets bemüht bin, alle mir gestellten Aufgaben bestmöglich zu erfüllen. Ich prüfe daher, ob ich bestehen kann, doch selbst mit drehendem und ruckartigem Ziehen komme ich aus keiner der Schlaufen wieder heraus.
›Ja, alles in Ordnung. Er wird zufrieden sein‹, versuche ich mich zu beruhigen.
Meine Gliedmaßen kann ich jetzt nur noch so weit heranziehen, um mich gerade so auf allen vieren zu positionieren, aber lange werde ich die Position nicht halten können. Allerdings habe ich auch keine Zeit, darüber nachzudenken, denn bereits in dieser Sekunde höre ich, wie eine zweite Schlüsselkarte die Tür entriegelt.
Augenblicklich hebe ich meinen nackten Arsch höher und drücke dafür mein vor Scham glühendes Gesicht in die Matratze, denn ich weiß, dass er in dieser Position praktisch jeden Zentimeter meines Intimbereichs sehen kann. Ich bin nicht exhibitionistisch veranlagt, absolut nicht, aber er will es so, also tue ich es ... und beschämenderweise erregt es mich inzwischen.
Schwere Schritte, gedämpft durch den dicken Teppich, kommen näher, dann stoppen sie und er scheint mich anzusehen.
Ich rieche nasse Kleidung, kalten Rauch und dieses amberlastige Herrenparfüm, das er immer trägt. Allein von seinem Geruch pocht mein Schwanz mittlerweile stärker.
Er sagt nichts, so wie meistens, und mit dem Knebel im Mund ist auch mir jede devote Begrüßung verwehrt. Allerdings spüre ich, wie er als Erstes den Sitz der Schlaufen auf Korrektheit meiner Ausführung kontrolliert, und nutze die Chance, seine Hand mit dem kleinen Finger zu berühren. Einen Augenblick lässt er dies zu, dann entfernt er sich wieder und ich höre ein zufriedenes Schnaufen aus seiner Richtung, das mich ein wenig beruhigt.
Seine Jacke raschelt, dann geht er zurück in den Flur, vermutlich, um sie dort aufzuhängen, und ich höre auch, wie er die Schuhe auszieht. Jedes noch so kleine Geräusch nehme ich intensiv wahr und spüre gleichzeitig das immer stärker werdende Ziehen in meinen Innenschenkeln.
Plötzlich fühle ich seine kühlen Fingerkuppen, die meinen Nacken berühren, und zucke zusammen, denn ich habe sein Zurückkommen - barfuß und daher vollkommen lautlos - gar nicht bemerkt. Ganz langsam, als hätte er alle Zeit der Welt, fahren seine Finger zwischen meinen Schulterblättern entlang, über meinen Rücken bis in meinen Pospalt. Sobald er den intimsten Part meines Körpers berührt, zucke ich abermals zusammen, doch er verweilt dort nicht. Stattdessen streicht er über meine Eier bis hin zu meinem schmerzend harten Schwanz, der in seinem Griff aufwippt. Unerwartet gibt er mir einen leichten Klaps direkt auf die pralle Kuppe und ich stöhne gegen den Knebel, während ich instinktiv nach vorne ausweiche. Doch dann halte ich ihm meine Erektion gleich wieder hin, lechzend nach mehr.
»Hm«, entfährt es seiner Kehle mit brummig-amüsiertem Unterton, dann verreibt einer seiner Finger die ersten Lusttropfen, die aus meiner puckernden Latte perlen, und ich japse sehnsuchtsvoll auf. »Bist du wirklich schon wieder so untervögelt ...?«, fragt er auf einmal belustigt und ein zweiter Schlag landet auf meinem Schwanz.
Selbst wenn ich keinen Knebel im Mund hätte, wüsste ich, dass das eine rhetorische Frage war. Stattdessen keuche ich nur, genieße den leichten Schmerz, der sich sofort in Hitze umwandelt, und erhalte gleich noch einen dritten Hieb, der mich beinahe übers Ziel hinauskatapultiert.
»Du bist wirklich unglaublich notgeil«, konstatiert er mit seiner tiefen Stimme und lässt seine Finger wieder nach oben wandern. Dann zieht er meine Pobacken auseinander und ich spüre seinen gestutzten Bart, der dazwischen kitzelt, als seine Zungenspitze mein Loch zu penetrieren beginnt. Er leckt mich fest, saugt an mir und spielt so intensiv an meinem zuckenden Eingang, dass ich nach kurzer Zeit selbst hinter der Maske die Augen verdrehe.
›Oh nein ... fuck ... ich komme ... ich komme gleich!‹
Schroff rucke ich abermals nach vorn ausweichend, um nicht jetzt schon die Laken zu besprenkeln, doch da packen mich seine kräftigen Hände und reißen mich unwirsch zurück. Knurrend beißt er mich, verpasst mir dann einen saftigen Schlag auf die rechte Pobacke und ich brülle gegen den Gummischwanz in meinem Mund, während ich noch drei weitere Schläge von seiner Pranke ertrage.
»Du hast dich mir nicht zu widersetzen!«, höre ich aus seiner Richtung schallen, dann kommt er ums Bett herum und lehnt sich neben meinem Kopf auf die Matratze, was ich an deren Absinken bemerke. »So läuft das nicht, Kleiner. Ich befürchte, ich muss dir einen Denkzettel verpassen!« Dabei tätschelt er mir den Kopf, als wäre ich ein Hund, und erhebt sich wieder.
›Einen Denkzettel? Was hat er jetzt vor? Verdammt, wieso hab ich mich bei dem Kerl nie unter Kontrolle? Ist ja fast so schlimm wie bei -‹
Meine Gedanken reißen ab, als ich höre, wie er sich an der Bar bedient und eine Flüssigkeit in ein Glas eingießt. In diesem Moment spüre ich erst, welchen Durst ich habe, und schnaube leicht frustriert, weil ich jetzt ganz sicher nichts bekomme. Trotzdem verhalte ich mich unauffällig, um ihm keine weitere Angriffsfläche zu bieten.
»Ich werde erst mal duschen«, verkündet er wie beiläufig, doch ehe ich noch frustrierter aufschnaufen kann, greift er erneut nach meiner rechten Pobacke. Keine zwei Sekunden später beiße ich auf den Knebel, denn ein Schuss kühles Gleitgel trifft punktgenau mein Loch, bevor er etwas von der Dicke eines kleinen Fingers in mich drückt. Aber das ist kein Finger! Es ist deutlich härter und ... kühl? Als ich jedoch diesen unverwechselbaren Druck spüre, der sich erst stauend und dann weichend in mir ausbreitet, ahne ich Schlimmes.
›Nein ... bitte! Alles, nur kein Einlauf!!!‹
»Hör auf zu zappeln«, höre ich ihn hinter mir mit gedämpfter Stimme sprechen. »Das ist nur ein halbes Glas trockener Rotwein. Der versickert.« Schon zieht er die Tülle der Spritze, des Trichters oder was auch immer aus mir heraus und erhebt sich vom Bett, während ich in Froschhaltung auf der Matratze zusammensacke. »Da du jetzt beschäftigt bist, gehe ich erst mal ins Bad.«
›Dieser verdammte ... Dreckskerl!‹ Ich habe alle Mühe, nicht das weiße Laken zu versauen und die peinigende, brennende Flüssigkeit in mir zu behalten. ›Das schaff‘ ich nicht! Der duscht doch jedes Mal ewig!‹
Ich schnaufe gequält gegen den Knebel, spüre deutlich, wie mein Innerstes durch den Reiz des Alkohols anschwillt und mir sofort schwummrig wird, weil das Zeug ungefiltert durch meine Schleimhäute ins Blut aufgenommen wird. Gleichzeitig drückt es so sehr, dass ich meinen Schließmuskel zusammenkneifen muss, und trotzdem perlen schon die ersten Rotweintröpfchen an meinen Beinen hinunter.
So viel zum Thema: Es versickert!
Plötzlich zucke ich erschrocken zusammen, als ich erneut eine Hand in meinem Nacken spüre, die mich sanft nach unten drückt. »Ich geb dir noch eine kleine Hilfe«, raunt er erregt. »Man ist ja kein Unmensch.« Schon presst sich etwas Vibrierendes gegen mein Loch und rutscht über den glitschigen Gleitfilm in mich hinein. »Wenn dir was rausläuft, darfst du dein Missgeschick gerne der Putzfrau erklären! Die Flecken gehen nie wieder raus.«
Natürlich weiß ich, dass die Bettwäsche in die Reinigung kommt und nicht von Hand gewaschen wird, trotzdem führt seine unterschwellige Androhung nicht gerade dazu, dass meine Hemmungen sinken.
Sobald der Plug sitzt, lässt er mich zu meinem Bedauern los, um im Bad zu verschwinden. Ich versuche, mich zu konzentrieren, ziehe die Knie wieder zur Mitte und halte erneut den Hintern hoch, im Rahmen dessen, wie mir das die Ketten ermöglichen. Dieser Stöpsel ist genau genommen keine Hilfe, denn diese schmale Variante rutscht leicht heraus, wenn ich meinen Muskelring nicht aktiv verenge. Tue ich das, spüre ich die Vibrationen deutlich stärker, sodass mein Schwanz schon wieder vororgasmisch zu puckern beginnt. Wenn ich es sein lasse, schieße ich den Rotwein-Torpedo wahrscheinlich durchs ganze Zimmer! Darüber hinaus fängt alles um mich herum an, sich zu drehen, und das, obwohl ich nach wie vor die Augenbinde trage. Fast noch schlimmer ist jedoch, dass ich trotz dieser Tortur und meinem geschwollenen, kribbelnden, pochenden Arschloch mit diesem Mörderständer der Marke `Ich kann Nägel in die Wand kloppen` zu kämpfen habe. Der führt mir höhnisch vor Augen, wie versaut ich doch bin, dass mich so etwas antörnt.
›Ich muss das Ding weich kriegen ... und mich ablenken! Wenn mein Peiniger aus der Dusche kommt und sieht, wie geil mich seine Folter macht, nimmt er beim nächsten Mal drei Gläser!!! ... Einfach an was anderes denken!‹
Ich weiß, dass einige Mädchen und Jungs am Bahnhof etwas Ähnliches machen, um schnell und mit wenig Geld besoffen zu werden. Kein schönes Thema, doch für mich jetzt genau das richtige, um wieder runterzukommen. Sie kratzen zu viert oder fünft ein paar Euro zusammen, kaufen sich eine Flasche billigen Wodka und eine Packung Tampons ... na ja, den Rest kann man sich denken. Der Alkohol schießt verdammt schnell über die Schleimhäute in die Blutbahn, und durch die vergleichsweise geringen Mengen hält auch die Flasche länger. Man braucht so einen Stöpsel höchstens alle zwei Tage austauschen, trotzdem ist man damit dauerhaft benebelt. Das Problem an der Sache ist: Bei so hochprozentigem Suff, der ungefiltert über die Schleimhäute ihrer Muschis und Ärsche aufgenommen wird, kann man die Menge nicht wie beim Trinken dosieren. Auch frühe Warnsignale, wie Übelkeit, bleiben aus, und wenn es zu viel ist, kann der Körper das Zeug nicht erbrechen, um sich selbst zu entgiften. So landen nicht wenige Träger dieser zweckentfremdeten Vampirteebeutel wegen akuter Alkoholvergiftung im Krankenhaus ... oder gleich beim Bestatter. Je nachdem. Mal vollkommen davon abgesehen, dass sie sich jedes Mal die Schleimhäute verätzen, innere Blutungen kriegen und ihrer Leber einen Tritt in die Nüsse verpassen, selbst wenn sie nicht im Krankenhaus landen.
›Ich kann nicht mehr! Wann ist der endlich fertig?‹
Mein zwanghaft vibrierendes Loch brennt, ich werde sekündlich besoffener und meine Beine zittern bereits vor Anstrengung. Nur wenige Augenblicke später sinke ich wieder aufs Laken, aber zumindest lässt der innere Druck langsam nach. Der Rotwein scheint sich verteilt zu haben, doch ich weiß nicht, ob mich das jetzt beruhigen oder mit noch mehr Sorge erfüllen sollte.
Endlich kann ich mich von meinen Gedanken lösen, denn ich höre, wie das Prasseln des Wassers verstummt und nasse Füße den gefliesten Boden berühren. Die Schritte kommen auf mich zu, doch als sie den Teppich erreicht haben, kann ich nur noch raten, wo er ist.
»Hmm mmh«, tönt es aus meiner Kehle, doch kein einziges Wort meines Flehens ist verständlich.
»Hör auf zu wimmern!«, grollt er mir zu, greift in meine Haare und zieht meinen Kopf hoch, um mir den Knebel abzunehmen. Nachdem er die Schnalle geöffnet und mir den Gummischwanz aus der Kehle gezogen hat, bemerke ich erst, wie sehr mein Kiefer schmerzt.
»Danke Herr«, japse ich, doch er zerrt mich gleich wieder hoch und drängt mich dazu, ihm die Wasserperlen von seiner muskulösen, rasierten Brust zu lecken. Ich tue es hingebungsvoll, rieche den Duft seiner Haut, der sich mit der Zitrusnote seines Sportduschgel mischt, und rutsche selbstständig tiefer, bis ich kurz darauf seinen weichen Schwanz in meinen Mund sauge.
»Hey! Hab ich dir das erlaubt?«, tadelt er mich keuchend, will mich an den Haaren höher ziehen, doch in diesem Moment vergreift er sich und hat plötzlich meine Augenbinde in der Hand!
Ehe ich realisiere, was passiert, blinzle ich gegen das gedämpfte Licht der Bettlampen, schaue nach oben und erstarre förmlich, als ich in das Gesicht meines Gegenübers blicke. Nach nur wenigen Sekunden zucke ich zusammen und erkenne, wer da die ganze Zeit mit mir gespielt hat.
Mein Körper spannt sich an. Seiner ebenfalls.
Während mir ein eiskalter Schauer über den Rücken läuft, verstehe ich endlich, warum ich seine Identität nie erfahren sollte.
Kapitel 1 - Mal was anderes
15. Januar 2017.
Arschkaltes Regenwasser läuft mir aus den Haaren in den Nacken und jede Pore meiner Haut stülpt sich nach außen, um mir eine großflächige Erpelpelle zu verleihen. Ja, heute ist eine dieser Schichten, bei der man sich wünscht, man hätte sich krankschreiben lassen und wäre einfach im Bett geblieben.
»Hast du alles?«, rufe ich und halte mir den Arm vors Gesicht. Irgendwo zwischen eisigem Wind und peitschendem Schneeregen höre ich ein gekeuchtes »Ja« und schultere die Kameratasche. »Okay, dann los. Beeilen wir uns.«
Zusammen mit Rainer Hotz, meinem gut zwanzig Jahre älteren Partner, kämpfe ich mich mitten in der Nacht durch dieses ekelhafte Kackwetter, das uns schon seit Schichtbeginn unsere Arbeit erschwert.
Wir vom Kriminaldauerdienst brauchen uns normalerweise nicht zu beeilen, denn wir werden erst gerufen, wenn die Action bereits vorbei ist. Das hat seine Vor- und Nachteile. Positiv: Wir kommen meist in eine von der Schutzpolizei abgesicherte und grob vorsortierte Lage, müssen keine Täter mehr schnappen und Einbrüche können wir auch nicht verhindern. Unsere Klienten haben alle Zeit der Welt und können in den seltensten Fällen weglaufen. Negativ: Wir müssen viel näher rangehen, länger unangenehme Gerüche aushalten und genau hinsehen, wo andere lieber wegschauen. Besser gesagt: Wir fassen die Scheiße an, um die unsere Kollegen nur herumpirschen.[Fußnote 2]
»Boah, wie groß ist denn dieser verdammte Parkplatz?«, schimpft Hotz, als wir gerade mal die Hälfte davon überquert haben. Er ist genervt. Normalerweise hätten wir in einer halben Stunde Feierabend, aber wie so oft werden wir dank dieses Einsatzes wieder Überstunden machen müssen.
»Gleich geschafft«, versuche ich ihn zu motivieren, auch wenn ich die Umrisse des Anwesens in der Dunkelheit und bei dem Griesel nur schemenhaft erkennen kann. »Da vorne ist der Eingang, hinter dem großen Zierbrunnen.«
Ziemlich stereotyp das Ganze. Wer auch immer hier wohnt, muss auf jeden Fall ein ordentlicher Geldsack sein. Wir schlängeln uns durch mindestens ein Dutzend parkender Bonzenkarren, um dem peitschenden Wind nicht ganz so ausgeliefert zu sein. Zwischen ihnen stehen auch Polizeiautos und ein großer Notarztwagen, doch dieser startet gerade den Motor und fährt davon. Dann müssen wir nur noch über die offene Fläche des pompösen Vorhofes.
»Drei Leichen in einer Schicht«, motzt Hotz weiter und versucht, mit mir Schritt zu halten. »Eigentlich ist das Maß für heute Nacht echt voll.«
Die Polizeiinspektion hat uns nicht viele Informationen gegeben, nur, dass ein Mann mittleren Alters leblos von seiner Haushälterin aufgefunden wurde und die Todesursache offenbar nicht natürlich ist. Details erfahren wir immer erst vor Ort.
»Na ja, zumindest scheint das hier mal was Besonderes zu sein. Solche Bonzen haben wir ja nicht alle Tage.«
Hotz schnauft, als müsse er zehn Zementsäcke schleppen. »Ach Enders, dein jugendlicher Eifer vergeht dir schon noch!«
»Ich bin siebenunddreißig«, erinnere ich ihn, als wir endlich das riesige, von Säulen gestützte Vordach am Haupteingang erreichen und durchatmen. »Geschafft ... wow! Schau dir diesen Palast an!«
Hotz knurrt nur: »Ob der Typ nun auf einem Bahnhofsklo verreckt ist oder dabei auf einem vergoldeten Pott saß, ist mir doch vollkommen wurscht!« Dann schüttelt er sich wie ein alter, nasser Bernhardiner. »Ich will pünktlich zum Frühstück bei meiner Familie sein, das ist alles, was für mich zählt!«
»Das wirst du.« Ich klopfe ihm auf die Schulter. »Notfalls übernehme ich die Vernehmungen nachher auch allein und du fährst zum Berichteschreiben schon mal heim.«
Er grunzt nur noch und nickt.
Anfangs war ich ein wenig enttäuscht, dass mir Hotz als Partner zugeteilt wurde. Auch wenn er viel Erfahrung mitbringt und durchaus ein Gespür für gewisse Täterprofile und Vorgänge hat, ist er eigentlich die ganze Zeit nur am Meckern und das kann auf Dauer ziemlich demotivierend sein. Aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt und verüble es ihm auch nicht mehr. Er arbeitet schon zweiunddreißig Jahre in der Abteilung und seine Frau bettelt ihn seit Ewigkeiten an, sich in den inneren Dienst versetzen zu lassen, damit die Überstunden ein Ende haben.
»Lass uns den ganzen Mist reinbringen«, schlägt er vor, als ich bereits den Rucksack öffne, um Teile unserer Arbeitskleidung herauszunehmen. »Der Wind drückt die ganze Pisse von den Seiten rein, da wird doch nur alles nass.«
Wenn es notwendig ist, ziehen wir uns normalerweise immer schon am Auto um. »Okay.« Ich stopfe die Sachen zurück, doch noch bevor ich klopfen kann, reißt eine junge Polizeibeamtin die große Eingangstür auf und rennt an uns vorbei. Da sie die Hand vor den Mund hält und sich schließlich an der Seite der Villa geräuschvoll übergibt, nehme ich an, unsere Zielperson bietet keinen besonders ansprechenden Anblick.
Ich übertrete die Schwelle und gehe ein paar Schritte in die ausgeleuchtete Empfangshalle des Anwesens, stets darauf bedacht, nichts zu berühren, außer dem Boden. Hotz tut es mir gleich. Ein anerkennender Pfiff entfleucht meinen Lippen. In einer solchen Situation nicht sehr taktvoll, ich weiß, aber allein der Kronleuchter über uns entspricht im Wert mindestens zwei meiner Jahresgehälter. Sobald ich mit Staunen fertig bin, laufen wir weiter.
»Da hinten scheint es interessant zu sein«, konstatiere ich, als ich Schritte, Gerede und auch eine weinende Frau höre.
»Na dann gehen wir mal rüber«, tönt Hotz, diesmal sogar ohne genervten Unterton.
Zwei Kollegen von der Schutzpolizei sichern noch weiträumig das Umfeld des Tatortes. Sie erkennen uns am Equipment, grüßen flüchtig und weisen in die Richtung, in die wir gehen müssen, dann wuseln sie weiter. Eine Beamtin sitzt neben einer in Tränen aufgelösten Frau und versucht, diese zu beruhigen. Ein vierter Kollege, den ich nicht kenne, kommt direkt auf uns zu, als wir in eine Art Speisesaal einbiegen wollen.
»Halt!«, stoppt uns der junge Mann und hebt die Hand. »Gehören Sie zu den Angestellten oder -«
»Zum KDD!«, unterbreche ich ihn, denn auch wenn ich keine Uniform trage, kann ich es nicht leiden, wenn man mich für einen Zivilisten hält. »Wir wurden über die Direktion zwecks Spurensicherung und Ermittlung zur Todesursache angefordert. Kriminalkommissare Enders und Hotz.«
»Moin«, brummt mein Kollege und stellt den Koffer ab. »Der Funkspruch war dank des Sauwetters sehr undeutlich. Also ... klären Sie uns doch mal auf.«
Der junge Beamte räuspert sich und holt seinen Notizblock hervor, aber ehe er uns informieren kann, kommt seine Kollegin auf uns zu. »Hey Alexander, lange nicht gesehen!«
»Marian!« Unweigerlich muss ich lächeln. Ich kenne sie von der Grundausbildung, allerdings ist sie in den mittleren Dienst eingestiegen, ich in den höheren, daher haben sich unsere Wege recht schnell wieder getrennt. »Noch immer auf Streife?«, hake ich erstaunt nach, denn den meisten Frauen wird die Straße irgendwann zu viel. Die tägliche Konfrontation mit betrunkenen, aggressiven Menschen, Beleidigungen und Ähnlichem bringt viele dazu, in den inneren Dienst oder in die Verwaltung zu wechseln.
»Ja, bisher haben sie mich nicht kleingekriegt.« Sie begrüßt auch Hotz und mit einem Wink ihrer Hand erlöst sie ihren nervösen Schützling, der noch in seinem sechzehnwöchigen Praktikum zu sein scheint, so unsicher wie er auftritt. »Nils, das sind die Jungs vom Kriminaldauerdienst. Sie machen die Vorarbeit für das Hauptkommissariat und übernehmen jetzt die Spurensicherung, die Leichenschau und die Zeugenbefragung. Du kannst also den anderen Bescheid geben, dass sie abrücken dürfen, und kümmere dich doch bitte um Frau Wiśniewski. Die beiden wollen sicher gleich mit ihr sprechen, wenn sie sich ein Bild von der Lage gemacht haben, aber bis dahin sollte sie zur Ruhe kommen.«
»Okay«, antwortet Nils brav und will bereits lossprinten, doch dann bleibt er stehen und dreht sich nochmal um. »Ähm ... wie beruhige ich sie denn?«
Marian kichert. »Wie du willst. Geh mit ihr in die Küche und trinkt einen Tee zusammen.«
»Alles klar«, sagt er wacker und macht sich auf den Weg.
»Danke.« Marian führt uns um die Ecke, in den großen Speisesaal, und zeigt dann in ein englisches Arbeitszimmer, dessen massive Holztür offen steht. »Da ist der potentielle Tatort. Die Haushälterin hat die Leiche gefunden, danach waren nur noch der Notarzt und ich in dem Raum. Ist ziemlich offensichtlich, dass es sich um einen unnatürlichen Tod handelt, aber das werdet ihr gleich selber sehen.« Sie gibt mir die vom Arzt ausgestellte Todesbescheinigung und ich bemerke, dass er keinen Hinweis auf Gewalteinwirkungen, aber einen dringenden Verdacht auf Vergiftung vermerkt hat. »Wurde euch schon gesagt, um wen es sich bei dem Verstorbenen handelt?«, holt mich Marian wieder aus meinen Gedanken und ich schaue auf.
»Nein«, schnaufe ich, doch ich kann die Leiche bereits sehen. Ein breitschultriger, blonder Mann sitzt auf einem vermutlich antiken Holzstuhl und liegt mit dem Oberkörper auf seinem Schreibtisch. Das Ganze sieht auf den ersten Blick recht unspektakulär aus, denn er ist schräg mit dem Rücken zu uns gewandt, weshalb ich noch nicht viel mehr erkennen kann. »Na los, spuck’s aus. Haben wir irgendeinen Promi vor der Nase?«
»So in etwa«, gluckst sie und scheint regelrecht stolz zu sein, es zu wissen. »Das ist Romanov Alexej Schestakow, einer der richtig fetten Fische aus dem Schestakow-Clan! Die sind in der Untergrundszene ziemlich bekannt!«
»Nie gehört«, grollt Hotz achselzuckend und zieht sich bereits die Hand- und Überziehschuhe an. Wir achten generell auf strapazierfähige, atmungsaktive und bequeme Kleidung, tragen Schuhe mit Stahlkappe und durchstichsicherer Sohle oder aber entsprechende Gummistiefel. An Brandorten benutzen wir einen Overall und einen Bauhelm. An besonders kontaminierten Tatorten auch weiße Schutzanzüge. Dazu, je nach Anlass, Leder- oder Gummihandschuhe sowie Atemschutzmasken, um uns nicht zu gefährden oder Spuren nicht zu verunreinigen. Manche meiner Kollegen schneiden sich eine Kerbe in die Sohlenkante, um eigene Abdrücke von möglichen Täterspuren unterscheiden zu können. Wir beide hingegen streifen uns meist einfach einen dicken Einweckgummi um die Sohle, so wie Hotz gerade, ehe er mir die Kamera abnimmt. »Ich schieß schon mal ein paar Bilder. Mach du die Übergabe, danach erledigen wir noch gemeinsam die Inspektion und ich bin weg.«
Ich nicke ihm zu. »Alles klar. Den Rest schaff‘ ich dann sicher allein. Ist ja auch nur eine Zeugin, wie es aussieht.«
»Echt jetzt?«, flüstert Marian und beugt sich stirnrunzelnd zu mir. »Wie du das seit sechs Jahren mit dem Kerl aushältst, ist mir schleierhaft.«
»Der Tag war anstrengend.« Seufzend ziehe ich mir ebenfalls Gummihandschuhe an, um nicht aus Versehen meine Fingerabdrücke am Tatort zu verteilen. »Er will einfach nur Feierabend machen.«
Ich nähere mich dem Leichnam und lasse die Situation auf mich wirken, während ich seine Position analysiere. »Also, schieß los, was wisst ihr bisher?«
»Das Opfer ist weiß, männlich, deutsch-russischer Abstammung und vermutlich letzte Nacht verstorben«, beginnt sie, während ich um den Toten herumgehe. Sie selbst bleibt im Türrahmen stehen. »Er ist neununddreißig Jahre alt, war eigentlich topfit und ein Gesundheitsfanatiker, fast noch schlimmer als du früher, und wenn du sein Fitnessstudio im Keller siehst, platzt du vor Neid.«
Ich werfe ihr einen mahnenden Blick zu, doch als ich diesen auf das Gesicht von dem Kerl richte, zucke ich kurz zusammen. So harmlos, wie die Sache von hinten wirkt, so unschön ist der Anblick von vorn. »Nice«, sage ich sarkastisch und setze mir eine medizinische Maske auf. Wenn man direkt vor ihm steht, ist bereits Leichengeruch wahrnehmbar, und so nah, wie ich gleich an ihn ran muss, bin ich lieber vorsichtig. Ich habe wenig Lust, einen überraschenden, Gas geschuldeten Leichenrülps ungeschützt ins Gesicht zu kriegen.
Die Netzhaut seiner Augen ist schon deutlich getrübt und auch die Starre seiner Muskeln löst sich bereits, was bedeutet, dass er vor mindestens vierundzwanzig Stunden verstorben sein muss. Alles wirkt normal, nur sein Gesicht ist vom Kinn bis zum Ansatz der Tränensäcke stark verätzt.
»Haben wir Bilder von ihm im System oder hast du ein Foto gefunden, auf dem man sieht, wie er vorher aussah?«
Sofort zeigt sie auf ein prunkvoll gerahmtes Bild in einer barocken Anrichte mit gläsernen Schwenktüreinsätzen. »Da. Der Große, ganz links.«
»Sieh einer an.« Gedankenversunken fahre ich durch meinen kribbelnden Bart, der inzwischen zwei Finger breit an meinem Kinn herumwuchert.
›Ich sollte den wirklich mal wieder stutzen.‹
»Und? Was denkst du?«, holt mich Marian erneut aus meinen Gedanken.
»War ja gar nicht mal so unattraktiv«, stelle ich zähneknirschend fest, aber ich beruhige mich damit, dass ihn weder seine anziehende Erscheinung noch sein Reichtum über die vierzig gebracht haben. Ich werde vermutlich nie so perfekt definiert sein, so smart aussehen und auch nie so viel besitzen, aber dafür erlebe ich meine Pension noch.
Hoffentlich.
»Sag bloß, du stehst auf solche Typen?«, säuselt Marian, doch ich zische sie sofort scharf an und werfe einen fast schon panischen Blick zu Hotz rüber. Zum Glück konzentriert sich dieser gerade auf die Dokumentation der Beweismittel mit Hilfe der Kamera.
»Oh«, flüstert Marian nun deutlich leiser und hebt die Augenbrauen. »Hast du dich ihm gegenüber noch nicht geoutet?«
»Nein!?«, fauche ich sie an. »Habe ich nicht und werde es auch nie! Meine Sexualität geht niemanden etwas an!« Sie ist die Einzige im Kollegenkreis, die davon weiß, und das auch nur, weil sie mich auf einer unserer damals legendären Wohnetagenpartys mal massiv angegraben hat und ich zu besoffen für eine Ausrede war. »Können wir uns jetzt bitte wieder professionell verhalten und hier weitermachen?«
»Ja, ja«, seufzt sie und fährt fort. »Also: Wie du dir sicher vorstellen kannst, hat der Mann mehr Feinde als Freunde. Es gibt außerdem unzählige Einbruchspuren in der ganzen unteren Etage, aber Frau Wiśniewski sagt, die seien schon vorher dagewesen.«
»Sie war diejenige, die ihn so gefunden hat?«, hake ich nach und gehe näher an das Opfer heran. »Gab es Stress, irgendwelche unbezahlten Gehaltsschecks oder hat er sie sexuell belästigt?«
»Ich bitte dich Alex, du hast sie doch gesehen. Sie ist an die fünfzig und war tief berührt von der ganzen Sache«, schnauft Marian und lehnt sich zur Seite, damit sie um mich herumschauen kann. »Außerdem sagte sie, dass sie bei ihrer jüngsten Tochter war, um ihr krankes Enkelkind zu pflegen. Deshalb hatte sie sich für den nächsten Tag frei genommen und war gar nicht im Haus, als es passierte.«
»Hast du bereits eine Zeugenvernehmung gemacht?«, frage ich sie, als ich mich zu ihr umdrehe und ihr dabei direkt in die Augen schauen kann.
»Nein«, wehrt sie gleich ab. »Aber verständlicherweise war sie sehr aufgelöst, als wir hier eingetroffen sind, und erzählte uns sofort von sich aus alles, was sie wusste. Auch dass sie ihre Arbeit hier gern macht und immer äußerst ernst nimmt. Nur deswegen ist sie bereits gestern Abend hergekommen. Sie wollte Herrn Schestakow fragen, was er zum Frühstück möchte, und schauen, was für den nächsten Tag ansteht. Sie hat also ein Alibi und ich denke, ihr könnt sie als Verdächtige ausschließen.«
»Wir schließen nie irgendwen aus!«, ruft Hotz dazwischen und lässt noch ein paarmal die Kamera aufblitzen, dann scheint er fertig zu sein. »Ich hab schon Pferde kotzen sehen und selbst das artigste Mütterchen kann zur rachsüchtigen Furie werden, wenn es den richtigen Anreiz hat!«
Ich nicke. »Da stimme ich ihm zu.« Dabei widme ich mich bereits wieder meiner Arbeit.
»War ja klar.« Marian verschränkt die Arme und tritt dann einen Schritt zurück. »Jedenfalls sagte die Gute, dass Schestakow vorgestern Abend noch lebte und alles so war wie immer. Als sie ging, schloss sie die Tür hinter sich zu, und als sie am nächsten Tag wiederkam, schloss sie diese auch wieder auf. Selbst die Fenster waren noch geschlossen. Sie sagte, dass einzig Seltsame, was ihr auffiel, war, dass die Wachhunde noch immer frei auf dem Grundstück herumliefen, obwohl die tagsüber eigentlich im Zwinger sind, aber auch das wäre nicht das erste Mal gewesen.«
»Wie siehts mit Überwachungsbändern aus?«, fragt Hotz, ohne aufzuschauen.
»Gibt es«, bestätigt sie. »Allerdings nur Aufnahmen vom Außenbereich. Zwei Kollegen haben sie bereits gesichtet, aber nichts Auffälliges gefunden. Die Hunde waren die ganze Zeit ruhig, bis auf ein Mal, als der Postmann ein paar Briefe in den Kasten schmiss.«
»Lebte Schestakow denn völlig allein hier?«, hake ich ungläubig nach und nehme meine kleine Taschenlampe, um in seine trüben, rot geäderten Augen zu leuchten. »Hatte er keine Sicherheitsleute? Einen Butler? Eine Freundin? Eine Affäre? Nutten? Irgendwen?«
»Nein. Er lebte allein. Neben zwei Putzfrauen, die dreimal die Woche kamen, ist Frau Wiśniewski angeblich die einzige festangestellte Bedienstete. In der entsprechenden Nacht hatte er auch weder Damenbesuch noch Bodyguards im Haus. Es gab nichts Ungewöhnliches, nicht mal Dreck auf dem Abtreter. Also entweder besaß der Mörder einen Schlüssel und hat sich die Schuhe ausgezogen, bevor er hereinkam, oder -«
»... geputzt, nachdem er fertig war«, beende ich ihren Satz und drücke mit einem Holzspatel das herunter, was mal der Unterkiefer dieses Unterweltlers war. »Genauso gut könnten der- oder diejenige kurz zuvor als Gast hier gewesen sein. Der ganze Rachen des Kerls ist regelrecht weggeschmolzen. Vermutlich hat er etwas geschluckt, das ihm nicht gut bekommen ist, und sich danach übergeben.« Ich richte mich auf und schaue mich um. Tatsächlich entdecke ich sofort ein nicht ganz geleertes Whiskyglas auf dem Schreibtisch und eine kleine Hausbar neben der Couch. »Marian, gibst du mir bitte mal das Rußpulver, die Pinsel und die Abziehstreifen aus meinem Rucksack? Die sind links in der Seitentasche. Ich will das Glas und die Flaschen da hinten gleich mal auf Fingerabdrücke untersuchen.«
»Klar, gern.« Sie nickt und geht zurück in das Esszimmer, um die entsprechenden Utensilien zu holen. »Die Schilder mit den Nummern auch?«
»Ja, danke. Die Flaschen müssen wir auf jeden Fall alle ins Labor schicken, das Glas ebenfalls und außerdem machen wir ein paar Abstriche von -«
Plötzlich höre ich etwas und erstarre.
»Was ist?«, fragt Marian verwirrt bei ihrer Rückkehr, doch ich zische nur und halte meinen Zeigefinger vor den Mund.
›Da, schon wieder!‹
»Irgendwas wimmert hier!«, flüstere ich.
»Das ist sicher nur einer der Hunde oder die heulende Frau, der wir vorhin begegnet sind«, wiegelt Hotz ab und macht weiter, doch meine Ohren sind wesentlich besser als seine und auch Marian wird langsam skeptisch.
»Das kann nicht sein. Die Hunde sind draußen im Zwinger am anderen Ende des Gartens, und die Haushälterin sitzt mit Nils in der Küche. Die ist auf der gegenüberliegenden Seite des Anwesens, das ist viel zu weit weg!«
Ich höre das gedämpfte Geräusch erneut und es scheint ganz nah zu sein. »Nein, das ... kommt von ... hier drüben?« Mein Gehör führt mich zu einem Bücherregal. Als ich schließlich sehr zügig alle Wälzer aus ihm herausschaufele, bemerke ich, dass es sich nach links bewegen lässt. »Okay ... jetzt wird es definitiv interessant!« Zwar gibt es kein einzelnes Buch, das eine Drehtür aktiviert wie in einem diesen alten Inspektor Clouseau Filmen, aber ich kann das gesamte Regal zur Seite schieben und dahinter kommt eine Metalltür zum Vorschein.
Ein verdutztes »Oh!« entkommt Marians Kehle. Hotz rollt nur mit den Augen, denn das Einzige, woran er jetzt garantiert denkt, ist: Noch mehr Schreibkram.
»Hallo? Ist da drinnen jemand?«, rufe ich nun lauter und das Wimmern verstärkt sich. Doch die Tür ist zu und egal, wie sehr ich daran ruckle, sie lässt sich nicht aufziehen. »Scheiße! Abgeschlossen!«
»Polizei! Können Sie uns helfen, die Tür zu öffnen?« Marian drängt mich beiseite und zieht ihre Waffe, doch das nützt jetzt herzlich wenig. »Offenbar nicht«, schnauft sie kurz darauf und überlegt. »Die Haushälterin hat nur drei Schlüssel: den vom Tor, vom Hundezwinger und vom Haupteingang. Die werden nicht passen.«
Das Wimmern ertönt erneut, diesmal deutlich kläglicher, aber sonst hören wir nichts und ich bilde mir ein, dass die Stimme schwächer wird, was alle meine Alarmglocken läuten lässt. Zum ersten Mal in meiner Laufbahn als Kriminalkommissar bekomme ich die Möglichkeit, jemanden vor dem Tod zu bewahren und nicht nur seine Leiche zu untersuchen!
»Keine Angst, wir helfen Ihnen!«, rufe ich ins Blaue hinein und drehe mich um. »Marian, ruf deine Kollegen wieder her! Hotz, fordere sofort zwei Notärzte an! Wer weiß, wie viele da drin sind!«
Ich renne an meinem irritiert schauenden Partner vorbei, der mit akuter Gefahr und Handlungen unter Zeitdruck generell überfordert zu sein scheint, und wühle in der Kleidung des Toten nach Schlüsseln. In seiner linken Hosentasche werde ich tatsächlich fündig, und als ich einen großen Industrieschlüssel in der Hand halte, weiß ich sofort, dass er passen wird.
Marian gibt einige Funksprüche durch, um die neue Lage zu erklären, doch als ich gerade aufschließen will, stoppt sie mich plötzlich und zischt mich an. »Halt! Wir sollten auf die anderen warten! Wir wissen nicht, was uns hinter dieser Tür erwartet! Da könnte sonst was lauern! Ich kann unmöglich mit dir alleine da rein und Nils ist noch nicht so weit!«
»Da drinnen ist vielleicht jemand in akuter Lebensgefahr!«, kontere ich, auch wenn ich weiß, dass unsere eigene Sicherheit eigentlich Vorrang hat. »Wir können nicht warten, bis die anderen hier wieder auftauchen!«
Während ich schon meine Dienstwaffe ziehe und entsichere, funkt Hotz seelenruhig mit der Dienststelle hin und her, nur Marian scheint bereit zu sein, auch wenn ich sehen kann, wie nervös sie ist. Sie entsichert ihre Waffe ebenfalls, nickt mir zu, dreht dann den Schlüssel im Schloss der Tür herum und betätigt den Knauf.
Ich stoße den Zugang mit dem Fuß auf und schwenke mit der Waffe und darüber gepresster Taschenlampe durch den karg beleuchteten, stickigen Raum, in dem es intensiv nach Pumakäfig riecht. Als ich jedoch die Szene vor mir realisiere, erstarre ich einen Moment.
»Oh fuck!« Für einen winzigen Augenblick streiten sich Kopf und Schwanz darum, ob ich den Anblick, der sich mir bietet, anregend oder abstoßend finden soll. Jeder Part reagiert schließlich, wie es ihm passt.
Mit weit gespreizten Beinen kniet vor mir ein schlanker, nackter Mann bäuchlings auf einem hüfthohen, lederbezogenen Strafbock. Er ist so strikt darauf festgebunden, dass er sich nur wenige Millimeter bewegen kann, und schwitzt stark, was ich rieche und an den Schweißtropfen sehe, die über seine Haut perlen. Sein Hintern bildet den höchsten Punkt, sein Oberkörper fällt nach vorne ab und seine Hände sind mit weiteren Seilen streng auf dem Rücken fixiert. Seine zitternden Schenkel werden durch Riemen und eine Eisenstange auseinandergehalten, sodass nichts, aber auch wirklich gar nichts von seinem geradezu penibel glattrasierten, gepiercten Intimbereich verborgen bleibt.
Eines der ersten Dinge, die mir auffallen, ist ein seltsames Tattoo auf seinem Bizeps, das zwar schwarz ist, aber trotzdem eher wie ein Brandzeichen aussieht, in Form eines Halbmondes mit einem Haken. Sein Gesicht wird komplett von einer Ledermaske mit Augenklappen verhüllt und in seinem Mund steckt ein Knebel, der erklärt, warum er nicht richtig schreien konnte.
Ich schlucke schwer und trete näher, lasse Marian hinter mir vorbei, die ihren Blick sichtlich losreißen muss und dann wortlos in alle Ecken des geheimen Zimmers leuchtet, aber offenbar ist der Typ vor uns alleine hier. Der Raum verfügt über eine in Schwarz geflieste Ecke mit einer Toilette und einem Waschbecken. Außer dem Strafbock befinden sich noch ein paar andere klassische BDSM-Möbel im Zimmer: ein großer Käfig, eine Streckbank, eine Liebesschaukel, ein schwarzer Gyn-Stuhl und ein Andreaskreuz. Außerdem gibt es eine schmale Liege mit Fesselösen im Rahmen, die mit einem Lacktuch überzogen ist. All das offenbart, dass es sich hier um ein sexuelles Fetischspiel handelt und nicht um Folter in klassischer Mafiamanier, auch wenn ich natürlich noch nicht sagen kann, ob der Typ freiwillig mitgemacht hat oder nicht.
Langsam nehme ich die Waffe runter, sichere sie und stecke sie zurück in das Holster an meinem Hosenbund. »Alles gut, ganz ruhig!«, rede ich auf den Unbekannten vor mir ein und öffne als Erstes die Schnalle des Knebels an seinem Hinterkopf. Statt dem von mir erwarteten Ball ziehe ich mit dem Riemen jedoch einen schwarzen Kurzdildo aus seinem Rachen und frage mich ernsthaft, wie er damit atmen konnte. Ein Schwall Spucke folgt, und so panisch und unkontrolliert, wie er gleich danach Luft in seine rasselnde Lunge zieht, scheint ihm das auch schrecklich schwergefallen zu sein.