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Als Sebastian Schäfer im Kino am Durchlass einer jungen Frau begegnet, verliebt er sich in einem einzigen Augenblick in sie. Er versucht, sie wiederzusehen und sie kennenzulernen, doch sie wehrt dies ab, und immer verzweifelter steht er vor der Situation, dass er sie unendlich liebt, diese Liebe aber zur Hoffnungslosigkeit verurteilt scheint. Dennoch ändert diese Liebe sein ganzes Leben...
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Seitenzahl: 266
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Das Menschenwesen hat eine tiefe Sehnsucht nach dem Schönen, Wahren und Guten. Diese kann von vielem anderen verschüttet worden sein, aber sie ist da. Und seine andere Sehnsucht ist, auch die eigene Seele zu einer Trägerin dessen zu entwickeln, wonach sich das Menschenwesen so sehnt.
Diese zweifache Sehnsucht wollen meine Bücher berühren, wieder bewusst machen, und dazu beitragen, dass sie stark und lebendig werden kann. Was die Seele empfindet und wirklich erstrebt, das ist ihr Wesen. Der Mensch kann ihr Wesen in etwas unendlich Schönes verwandeln, wenn er beginnt, seiner tiefsten Sehnsucht wahrhaftig zu folgen…
Den namenlos geliebten
Mädchen dieser Welt
gewidmet
„Lass uns am Wochenende mal wieder ins Kino gehen, Sebastian! Ich hab da wieder mal einen Film, den ich gerne sehen würde.“
Sebastian Schäfer konzentrierte sich weiter auf seine Zahlen. Er war gerade mit einer eintönigen Eingabe von Daten beschäftigt, die gleichwohl höchste Genauigkeit erforderte.
„Aha“, signalisierte er gleichwohl Interesse.
„Was, aha?“, hakte sein Kollege nach.
Frank Hoppe arbeitete mit ihm nun seit zwei Jahren im selben Büro – ein Zimmer in einem großen Gebäude, das der Sitz eines recht großen Konzerns war, sie beide als kaufmännische Angestellte, Teil eines größeren Teams und einer kaum überschaubaren Mitarbeiterschaft.
„Aha eben. Warte doch, bis ich mit dieser Kolonne hier durch bin – Moment noch.“
„Sebastian und seine Kolonnen…“, sagte Hoppe, und er hörte sein Grinsen, ohne aufzublicken. „Na gut, dann warte ich mal. Stört’s dich, wenn ich solange die Beine hochlege?“
Jetzt grinste auch er. Er wusste, dass Frank dies nie tun würde – aber sein Humor kannte solche Grenzen des guten Benehmens nicht.
„Ja, aber nimm sie wieder runter, wenn jemand reinkommt.“
„Du meinst, zum Beispiel die süße Praktikantin?“
„Zum Beispiel…“
Er spielte bei fast allen Bemerkungen seines Kollegen gern mit. Auch die Bemerkung über die Praktikantin hatte ihren Reiz. Allerdings fand er es in der Regel nicht sehr angenehm, wie dieser sich solchen jungen Frauen zu nähern versuchte. Überhaupt verstand er nicht, woher Hoppe seine Sicherheit diesbezüglich nahm. Aber selbst wenn er diese Sicherheit besäße, würde er es nie so machen…
„Ach weißt du“, spielte Hoppe das Spiel weiter. „Wenn sie kommt, könnte ich sie ruhig oben lassen, dann vergisst sie wenigstens nicht, wer das Sagen hat.“
Bei solchen Bemerkungen wusste er regelmäßig nicht mehr, was er sagen sollte. Er hatte eine tiefe Abneigung gegen jede Art von solchen Diskriminierungen. ‚Süße Praktikantin’ – das konnte er innerlich sagen oder denken, ohne sich wirklich über sie zu stellen. Hoppe konnte das nicht, für ihn waren solche jungen Frauen im Grunde so etwas wie ‚Freiwild’.
„Ja, ja“, seufzte Hoppe nun. „Ich weiß… Wenn Sebastian schweigt, ist klar, was die Stunde geschlagen hat. Komm schon, Sebastian, du musst auch mal ein bisschen mutiger werden. Woher sollen die Frauen sonst wissen, dass du überhaupt noch zu haben bist?“
Er würde die Art seines Kollegen nie verstehen. Da arbeitete man nun zusammen – aber all die Monate konnte man es einem solchen Kollegen nicht klarmachen, wie man selbst dachte oder nicht dachte. Und letztlich versuchte man es auch gar nicht, weil man ohnehin fühlte, dass er es nicht verstehen würde.
„Die Frauen wollen dich natürlich auch alle haben, nicht wahr, Frank?“, fragte er ironisch.
„Na klar!“, erwiderte dieser. „Die Praktikantin steht doch auf mich!“
Hoppe zwinkerte ihm zu.
„Wer’s glaubt!“
„Egal, und wenn schon! Ein bisschen Spaß muss sein. Insgeheim macht es ihr doch auch Spaß – würde sie natürlich nie zugeben.“
„Das glaubst du doch selbst nicht!“
„Und ob ich das glaube. Ich sag’s dir – selbst wenn sie die Frage verneinen würde und es selbst nicht weiß… es macht ihr Spaß! Begreif doch endlich, Sebastian, Frauen wollen angebaggert werden! Du brauchst echt einen Lehrgang!“
„Nein danke“, erwiderte er voller Abneigung. „Ich würde wirklich gerne einmal in das Innere einer solchen Frau schauen, um zu erleben, was sie wirklich denkt…“
„Das Innere einer Frau solltest du lieber anders erkunden.“
„Frank!“, sagte er scharf. „Jetzt reicht’s aber wirklich!“
„Sebastian, Sebastian“, erwiderte Hoppe tadelnd, „du bist in mancher Hinsicht echt zu prüde.“
Er wollte es sich mit seinem Kollegen nie verscherzen, und in solchen Momenten zog er es immer wieder vor, das Gespräch durch Schweigen zu beenden. Was sollte er sonst tun? Es war eh nichts zu machen.
„Was ist nun mit Kino? Hast du am Samstag Zeit?“
Das vorangegangene Gespräch hatte seine Lust nicht gerade gesteigert.
„Was für einen Film denn?“
„Alles steht Kopf.“
Es klang nach einer bedeutungslosen Komödie. Darauf hatte er wirklich keine Lust.
„Nein, ich glaube, das ist nichts für mich.“
„Hey, du weißt doch noch gar nicht, worum es geht. Guck dir mal den Trailer an.“
„Ja, kann ich zuhause dann mal machen.“
„Nein, jetzt – ich zeig ihn dir.“
Hoppe suchte ihn auf seinem Handy, kam um die Schreibtische herum und hielt ihm das Handy vor sein Gesicht.
Es war ein Animationsfilm. Der Trailer zeigte eine Szene, in der ein Mädchen von vielleicht zwölf Jahren am Tisch mit seinen Eltern in Streit geriet – wobei in den Gehirnen des Mädchens und des Vaters verschiedene Figuren Kommandos gaben, die dann immer mehr eskalierten. Zu sehen, wie dies stattfand und wie die Figuren ihre Befehle erteilten, um die nächste Reaktion vorzubereiten, war wirklich lustig und entlarvend. Man konnte gar nicht anders, als aneinanderzugeraten… Am Ende lehnte sich das Team im Kopf des Vaters in seinen Sesseln an der Kommandokonsole zufrieden zurück und resümierte genüsslich: ‚Machtwort ge-sprochen…’
Obwohl er noch immer eine Abneigung gegen das vorherige Gespräch hatte, hatte er bei dem Trailer unwillkürlich lächeln müssen. Der Film war gut…
„Und?“, fragte Hoppe.
„Ja, der ist echt gut.“
„Sag ich doch“, erwiderte sein Kollege mit dem üblichen Stolz.
„Also gut.“
„Prima – läuft um zwanzig Uhr im Cinemax.“
„Treffen wir uns kurz davor?“
„Wir könnten doch auch mal wieder ein Bierchen davor trinken.“
Dies wollte er im Grunde immer wieder nicht so gern. Denn Hoppe wurde dann regelmäßig zum Alleinunterhalter. Prinzipiell hörte er auch ganz gerne zu, zumal er selbst ohnehin nichts beitragen konnte – und doch fühlte er nach solchen ‚Bier-Treffen’ immer eine Art Leere. Andererseits wollte er es sich auch hier nicht mit seinem Kollegen verscherzen…
„Na gut.“
Im Grunde war er ja auch irgendwo dankbar, dass Hoppe so viel für ihn übrighatte.
*
Als sie mittags in der Kantine saßen, sahen sie, wie die Praktikantin hineinkam und sich ebenfalls etwas zu essen holte. Die Kantine war voll, und die junge Frau sah sie nicht oder beachtete sie nicht, kam aber auf der Suche nach einem freien Platz auch in ihrer Nähe vorbei.
Hoppe nutzte die Gelegenheit und sagte:
„Na, Fräulein Fischer – hier ist noch ein Platz frei.“
Sie bemerkte sie, sah kurz auf den freien Platz neben Hoppe, blickte dann schnell noch einmal in die Richtung, in die sie gegangen war, und sagte:
„Ich wollte eigentlich dort drüben sitzen…“
„Aber nun können Sie doch auch hier sitzen.“
Als die junge Frau einen Moment zögerte, nutzte Hoppe auch diese Unsicherheit und sagte:
„Nun setzen Sie sich schon. Denken Sie etwa immer, wir beißen?“
Noch immer stand sie unschlüssig da.
Er fühlte auf einmal den Impuls, ihr zu helfen.
„Frank, lass sie. Sie wollte woanders sitzen.“
Erstaunt sah sein Kollege ihn an. Zugleich bemerkte er, wie die Praktikantin ihm einen dankbaren Blick zuwarf, aber noch stehenblieb, weil die Sache nicht entschieden war…
„Was!?“
„Sie wollte woanders sitzen.“
„Was macht ihr hier eigentlich für einen Aufstand, wo jemand sitzt oder nicht sitzt?“, erwiderte Hoppe mit betont vorwurfsvollem Unverständnis. „Ich biete hier freundlich einen Platz an – und der wird dann abgelehnt?“
Befangen blieb die Praktikantin noch immer stehen. Auch er wusste einen Moment lang nicht, was er sagen sollte. Hoppes Worte entfalteten eine eigenartige Macht…
Einen Sekundenbruchteil sagte niemand etwas. Dann warf Hoppe selbst die ganze Situation um und sagte abfällig:
„Ach, macht doch, was ihr wollt! Meinetwegen kann sie sitzen, wo sie will. Wird ja sehen, was sie davon hat.“
Nun war die junge Frau erst recht völlig verunsichert. Hoppe hatte sich ganz wieder dem Tisch zugewandt, und sie stand hinter ihm und blickte nun ihn fragend und hilfesuchend an. In dem Moment, in dem sein Kollege dies noch nicht bemerkte, gab er ihr mit den Augen und einer winzigen Kopfbewegung den Wink, an den Platz zu gehen, den sie sich zuvor schon ausgesucht hatte, und als sie erleichtert weiterging, sagte er zu Hoppe, der ihn nun ansah:
„Frank, lass sie doch! Drohst du ihr etwa noch?“
Verärgert sagte Hoppe:
„Wer sich nicht kollegial verhält, hat auch keine Kollegialität zu erwarten.“
Er wusste noch immer nicht, was sein Kollege damit meinte.
„Verhältst du dich etwa kollegial ihr gegenüber?“
Hoppe sah ihn nun mit festem Blick an.
„Sebastian – sie ist eine Praktikantin!“
Das war wieder so ein Satz, zu dem er eigentlich nichts mehr sagen konnte. Dennoch fragte er jetzt:
„Ja, und – was heißt das?“
„Das heißt“, erläuterte sein Kollege, „dass sie eigentlich zu machen hat, was man ihr sagt.“
Verblüfft musste er die Antwort einen Moment sacken lassen.
Natürlich war es so. Aber doch nicht generell…
„Aber doch nicht in der Kantine!“, erwiderte er.
„Natürlich! Überall.“
„Das ist nicht wahr. Sie ist doch nicht die Haussklavin.“
Hoppe grinste.
„Wär aber schön, oder…?“
Er fühlte keinerlei Antrieb, diese Frage zu diskutieren.
Er blickte einmal nach links und sah, dass sie zwei Tische weiter Platz genommen hatte – gegenüber von einer Frau… Hoppe kommentierte:
„Na, stellst du fest, ob dein Schützling gut untergekommen ist?“
Fast peinlich berührt erwiderte er:
„Nein, was soll die Frage?“
„Es war nur eine Frage…“, stellte Hoppe mit deutlichem Unterton fest.
Ohne dass er es sich versah, hatte er in Hoppes Augen also bereits irgendeine Art von Beziehung mit dieser jungen Frau…
Er war froh, dass Hoppe nun zu essen begann und sich das Thema unbemerkt verlief.
*
Als er am Nachmittag mit dem Bus nach Hause fuhr, musste er an die Begegnung von heute Mittag zurückdenken. Er empfand für die junge Praktikantin nichts als Sympathie – und doch berührte ihn ein solcher Blick wie heute Mittag immer irgendwie. Sobald jemand einen so anblickte, noch dazu eine so junge Frau, war auf einmal viel mehr im Spiel… Nein, eigentlich nicht im Spiel, aber man fühlte sich einfach berührt. Und ja, natürlich stellte man sich dann vor, warum man nicht für eine dieser jungen Frauen einmal etwas mehr bedeuten konnte…
Nachdem er zuhause angekommen war, holte er sich sein tägliches Feierabendbier aus dem Kühlschrank und ließ sich auf das Sofa fallen. Er nahm die Fernbedienung vom Tisch und schaltete den Fernseher ein. Er wanderte so lange durch die Kanäle, bis er bei einer Talkshow hängenblieb, die ihm noch am unterhaltsamsten erschien. Die verschiedenen Positionen zu verfolgen, war einfach unterhaltsam und interessant.
Er hörte diesmal jedoch nur halb zu, weil seine Gedanken immer wieder abschweiften.
Die Praktikantin… Ihr Blick heute Mittag. Eigentlich war es schade, dass sie dann einfach weitergegangen war. Sie hätte ihm nach seinem Wink wenigstens noch einen einzigen dankbaren Blick schenken können… Aber, nun ja, natürlich bedeutete auch er ihr absolut rein gar nichts…
Wenn, dann würden solche jungen oder auch älteren Frauen tatsächlich an Hoppe etwas finden – draufgängerisch, recht gut aussehend, wenn auch nicht so gut, wie er es sich immer einbildete… aber in ihn würde sich die eine oder andere Frau schon verlieben können. Die Praktikantin natürlich niemals, so wie er sie behandelte. Was hatte er gesagt? ‚Die Frauen wollen das’? Lächerlich! Das war seine reinste Einbildung. Er wollte immer wieder nur etwas von ihnen. Sie wollten dies keineswegs. Aber… wenn es nun doch in einem winzigen Maß stimmte?
Es stimmte ganz gewiss insoweit, als er, der die Frauen ganz und gar in Ruhe ließ, bei ihnen nie irgendeinen Anklang finden würde. Obwohl Hoppe vier Jahre älter war als er, schon neununddreißig, fand dieser sogar auf seine für seinen Geschmack abstoßende Art mehr Anklang, als er je finden könnte. Was er fand, war gleich Null. Mit Hoppe flirteten immer wieder verschiedenste Frauen – und er mit ihnen.
Er verstand die Frauen nicht – und doch verstand er sie, es war eben so. Sich selbst verstand er am allerwenigsten. Obwohl er wusste, dass man mutiger sein musste, wenn man überhaupt eine Chance haben wollte, war er es nicht. Er konnte nichts anderes tun, als sämtliche Frauen völlig in Ruhe zu lassen. In Ruhe zu lassen und einsam zu bleiben. Er war jetzt fünfunddreißig und hatte die Hoffnung auf eine Frau eigentlich schon ganz aufgegeben.
Die Hoffnung vielleicht nicht, aber die realistische Hoffnung. Realistisch gesehen fand er sich längst damit ab, als ewiger Junggeselle einst in die ewigen Jagdgründe einzugehen.
Ja, die Praktikantin war süß. Im Grunde empfand er für sie schon mehr als Sympathie. Oder tat er dies erst seit heute Mittag? Seit heute Mittag wahrscheinlich definitiv. Aber es war wahrscheinlich auch schon vorher so gewesen.
Er seufzte und trank einen Schluck aus der Flasche. Wahrscheinlich war es so, dass er für sehr viele Frauen mehr empfand als nur Sympathie. Und dies wiederum, weil er sich so sehr danach sehnte, dass auch eine Frau, für die er mehr empfand als dies, auch für ihn mehr empfinden würde… Aber die Sehnsucht war die eine Seite, die realistische Sicht auf die Dinge war die andere. Er war ja nicht nur unfähig, auf Frauen zuzugehen oder mit ihnen auch nur zu flirten, er würde damit die Frauen auch sowieso nur vertreiben. Was sein Aussehen anging, so ordnete er sich selbst ins allerunterste Mittelfeld ein – ganz im Gegensatz zu Hoppes Selbsteinschätzung. Und obwohl Hoppe mit dieser auch meilenweit danebenlag, sah er dennoch um Meilen besser aus als er selbst. Das Thema Frauen hatte sich also erledigt, so oder so. Es war besser, den Dingen ins Auge zu sehen, als sich immer wieder Illusionen zu machen und Träumereien hinzugeben. Immer, wenn er sich bei solchen erwischte, brach er sie möglichst radikal ab… Den Dingen ins Auge sehen, hieß: Die Frauen sahen einem nicht ins Auge – höchstens einmal.
Als die Praktikantin am nächsten Tag wieder für Hoppe einige Dinge erledigen musste, behandelte er sie tatsächlich streng und abweisend – und ließ sie dies auch bewusst spüren. Er hatte also seinen Ärger nicht überwunden oder hielt diese Art der Behandlung aus anderen Gründen für nötig, wahrscheinlich beides.
Als sie mit einem Stapel zu kopierender Unterlagen den Raum verlassen hatte, sagte er:
„Frank, muss das jetzt sein?“
„Die Kopien?“
„Nein, wie du sie heute behandelst.“
„Ja, das muss sein. Ich hab’s dir doch gestern erklärt.“
„Kannst du nicht heute trotzdem eine andere Meinung darüber haben? Man kann doch den ersten Ärger am nächsten Tag wieder vergessen…“
„Vergessen? Sebastian, vergessen? Der hier vergisst nichts…“ Er zeigte auf seinen Kopf.
„Überhaupt, denk mal an die Führungsprinzipien. Wer vergisst, erntet Undank und Schlendrian. Nein, bei einer Praktikantin wird nichts vergessen.“
Erschüttert erwiderte er:
„Ich dachte, wir hätten gestern geklärt, dass sie nicht die Haussklavin ist…“
„Ob sie es ist oder nicht, sauer bin ich trotzdem.“
‚Wohl eher gekränkt’, dachte er sich.
„Du musst es sie nicht spüren lassen, dass sie sich nicht bei uns hingesetzt hat. Sie kann sitzen, wo sie will.“
„Ja“, bestätigte Hoppe. „Und ich kann umspringen mit ihr, wie ich will.“
„Nein, Frank, ich find’s nicht in Ordnung.“
„Du musst es ja auch nicht so machen. Du kannst sie ja dann später irgendwie trösten.“
Hoppe unterstrich den anzüglichen Unterton durch ein ebensolches Augenzwinkern.
Es war kein Herankommen. Resigniert gab er es auf und widmete sich wieder seiner Arbeit.
*
Als er auf Toilette musste, sah er die Praktikantin noch am Kopierer stehen. Er war froh, dass sie nicht nur Hoppe zugeteilt war. Er selbst schämte sich vor ihr – für seinen Kollegen und für seine eigenen Unterlassungen. Ihm war natürlich klar, dass er mehr tun müsste, um sie vor solchen Behandlungen zu bewahren – aber das vermochte er nicht. Er hatte nicht den Mut, es auf eine Konfrontation ankommen zu lassen. Er fühlte sich vor ihr als Mitläufer, und das war er im Grunde ja auch.
Er war froh, dass sie ihn nicht beachtete, als er an der Nische, in der der Kopierer stand, vorbei musste.
Doch an jemandem vorbeizugehen und jemanden so einsam stehen zu sehen, war fast noch schlimmer als die schlimmen Situationen selbst. Diesen war man einfach ausgesetzt, sie geschahen einfach. Wenn man dann aber so einer jungen Frau später wieder begegnete, fragte man sich unwillkürlich, was in ihr vorgehen mochte; wie sehr sie darunter leiden mochte. Man sah sie, man sah, dass sie sich nichts anmerken ließ, oder man sah, dass sie traurig wirkte. In jedem Fall hatte man das Gefühl, dass in ihr unendlich viel vorging – und dann tat einem ein solcher Mensch erst recht leid. Sie stand da einsam am Kopierer, tat ihre Arbeit – aber was ging in ihr vor…
Als er auf dem Rückweg wieder am Kopierer vorbeikam, blieb er stehen. Mit einiger Befangenheit sagte er:
„Frau Fischer?“
Fast erschrocken drehte sie sich zu ihm.
„Ja?“
„Ich… ich wollte nur sagen… es tut mir leid, wie mein Kollege Sie manchmal behandelt.“
Sie schien beschämt – und erwiderte nur seinen Blick.
„Ja…“, murmelte er zögernd, „das wollte ich Ihnen zumindest sagen…“
„Danke“, sagte sie nun und lächelte zaghaft ein wenig.
Er lächelte auch.
Um noch etwas zu sagen, sagte er:
„Wie gesagt… es tut mir leid. Nehmen Sie es sich nicht so zu Herzen!“
„Ja, gut…“
„Also dann…“
„Ja…“
Als er ihr wieder den Rücken zukehrte, schämte er sich trotz allem in Grund und Boden. Er war einfach nicht fähig zu normalen Begegnungen – erst recht nicht bei Frauen, die er mochte. Regelmäßig mussten diese ihn bei solchen Begegnungen für einen völligen Idioten halten. Er wusste einfach nicht, was er daran ändern konnte. Aber zumindest fühlte er sich jetzt mit seinem Gewissen ein wenig mehr im Reinen.
Fünf Minuten später brachte die junge Frau die Kopien.
Hoppe musterte sie und fragte:
„Brauchen Sie immer so lange?“
„Ich – nein, wieso?“, fragte sie verunsichert.
„Weil man normalerweise mit so einem Stapel in der halben Zeit fertig sein kann.“
„Tut mir leid“, erwiderte sie. „Ich musste aufpassen, dass es nicht durcheinanderkommt…“
„Sie hatten die Reihenfolge doch!“
„Ja, aber es waren trotzdem verschiedene Sachen.“
„Das weiß ich selbst!“, antwortete Hoppe gereizt. „Trotzdem war die Reihenfolge da. Man hätte es hinterher doch in einem Zug sortieren können!“
„Das habe ich ja dann auch –“
Hoppe unterbrach sie:
„Ich will mit Ihnen darüber jetzt gar nicht diskutieren.“
Die junge Frau verstummte.
Selbst er konnte die Atmosphäre in solchen Situationen nicht aushalten. Es war schon deutlich, warum man sagte, dass Luft ‚zum Schneiden’ sein konnte. Und doch wagte er es nicht, seinem Kollegen in den Rücken zu fallen – und schämte sich auch dafür wieder tief. Er hoffte nur, dass auch diese Situation bald vorüber sein würde.
„Nächstes Mal wissen Sie hoffentlich, wie es geht!“, kommentierte Hoppe jetzt.
„Ja…“, erwiderte die junge Frau kleinlaut.
„Okay“, sagte Hoppe zufrieden. „Von meiner Seite war es das für heute. Jetzt gehen Sie zu Herrn Berger und arbeiten ihm weiter zu.“
„Ja…“
Sie warf ihm noch einen flüchtigen Blick zu, und obwohl es nur das winzige Zeichen ihres veränderten Verhältnisses zu sein schien, wollte er unter diesem Blick am liebsten im Erdboden versinken. Er wäre am liebsten überhaupt nicht im Raum gewesen…
Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, fragte er seinen Kollegen:
„Frank, was soll das?“
„Misch dich da am besten mal nicht ein“, erwiderte Hoppe trocken.
„Ich will mich aber einmischen“, sagte er. „Das ist echt daneben, wie du mit ihr umgehst!“
„Du kannst gerne anders mit ihr umgehen“, sagte Hoppe.
„Ich hab es dir ja nahegelegt.“
Er grinste zu ihm hinüber.
„Aber wie ich mit ihr umgehe“, fügte er nun hinzu, „das überlass mal mir. Ich leite hier die Praktikanten an, du wolltest es damals nicht, also hast du jetzt auch keine Mitsprache. Weißt du, sie sollen ja auch was lernen. So läuft es nun mal. Kuschelpädagogik können wir hier nicht gebrauchen. Und“, er grinste noch einmal, „meinen Spaß will ich ja auch haben…“
Er konnte es einfach nicht verstehen, wie man so sein konnte. So wollte er nie werden. Ja, er wollte auch ,Erfolg’ bei Frauen haben – aber wenn dies die Methode war, dann würde er gerne darauf verzichten. Seine Sehnsucht war, dass eine Frau, die er mochte, auch ihn einmal mögen würde – so, wie er war. Ohne Gemeinheiten, ohne Unterschied und wahrscheinlich sogar ohne Flirten…
*
Als er an diesem Abend nach Hause kam, fühlte er sich ziemlich frustriert – wieder einmal.
Als er mit seinem Bier vor dem Fernseher saß, schweiften seine Gedanken einmal mehr umher und fragten sich, ob er jemals die Zuneigung einer Frau gewinnen könnte. Immer wieder schweiften seine Gedanken zu der Praktikantin. Und auch seine Gefühle schweiften längst zu ihr… Sie war nicht außergewöhnlich attraktiv, aber doch hatte sie etwas Anziehendes. Sie hatte ein schönes Gesicht, und auch ihre Unsicherheit hatte etwas sehr Anziehendes…
Er stellte sich vor, wie sie ihn ansprechen würde. Vielleicht wenn sie einmal zufällig zur selben Zeit das Gebäude verlassen würden. Wie sie sich bedanken würde – obwohl er gar nichts getan hatte, aber gerade deswegen: weil er selbst nichts von dem gemacht hatte, was sein Kollege machte. Und weil er es nicht gut fand, was dieser tat.
Immer mehr verlor er sich in einem schönen Tagtraum… Als die junge Frau und er sich in den Armen lagen, wachte er wieder auf. Er seufzte. Nie würde dies möglich sein. Es war einfach nur Schall und Rauch – für ihn. Andere bekamen so etwas, er nicht. Er hasste sich selbst für seine ganze Ohnmacht, aber diese fühlte sich dennoch wie eine Naturkonstante an…
„Hey, du kannst mir ruhig mal dankbar sein“, sagte Hoppe, als sie ihr Bier bekommen hatten.
Sie saßen in dem Café, das sie schon öfter besucht hatten, wenn sie ins Kino gingen oder im Kino gewesen waren.
„Ich habe unser Fräulein Fischer den ganzen Freitag in Ruhe gelassen.“
Hoppe grinste zufrieden zu ihm hinüber.
„Ja“, erwiderte er, „danke.“
Es war genau so gemeint.
Hoppe musste lachen.
„Du meinst es echt ehrlich, was?“
„Ja, natürlich, das weißt du doch.“
„Ja – ich weiß es wohl. Gewöhnen kann ich mich daran nicht. Sag mal, Sebastian, du musst doch auch ein bisschen Härte zeigen. Führungsstil. Professionellen Abstand. Hierarchiedenken. Nenne es, wie du willst. Wann kommt das bei dir?“
„Gar nicht. Wozu soll das gut sein? Wir leben in einer Zeit, wo die Hierarchien flacher werden sollen.“
„Flacher heißt nicht, dass sie nicht da sind. Natürlich werden sie flacher. Wenn sie das nicht werden würden, würde ich sagen“, Hoppe verstellte seine Stimme, als wäre er eine ältere weibliche Vorgesetzte, „Also liebes Fräulein Fischer, bitte seien Sie doch so gut und kopieren diesen Stapel. Aber ein bisschen plötzlich.“
Er fand es nicht komisch.
„Vielleicht wäre das für sie sogar besser“, sagte er.
„Wieso besser? Ich bin doch schon fast kumpelhaft, Sebastian! Ich komme den jungen Menschen so was von entgegen. Nur ein bisschen honorieren müssen sie das…“
„Indem sie sich in der Kantine neben dich setzen…“
„Genau“, grinste Hoppe.
„Früher sind sie dann mit dem Chef ins Bett gegangen.“
„Ja, passiert auch heute noch.“
„Und das hättest du gern, nicht wahr?“
„Du etwa nicht?“
„Nein!“, wehrte er entschieden ab.
Nicht auf diese Weise.
„Du kannst mir viel erzählen. Ich würde mich nicht wundern, wenn du unsere kleine Schnecke noch reizender fändest als ich…“
Jetzt musste er auch noch aufpassen, dass er nicht rot wurde!
„Weißt du, Frank, mir passen einfach deine Methoden nicht.“ „Methode hin oder her – niemand zwingt dich ja, dieselben Methoden anzuwenden.“
„Dann ist ja gut.“
„Aber das Ziel ist doch das gleiche, oder nicht?“, fragte Hoppe nun wieder mit genüsslicher Anzüglichkeit.
„Nein, Frank, ich habe überhaupt keine Ziele!“
„Das ist schlimm!“
Hoppe sprach die Worte extra betont, als ginge es ihm um sein Wohl.
„Sebastian, Sebastian – so bekommst du nie eine ins Bett.“
„Wer sagt denn, dass ich das will?“
„Das will erstens jeder, und zweitens sieht man es doch auch.“
„Was?“
„Man sieht es doch, dass auch du eine ins Bett bekommen willst – oder sagen wir: wollen würdest.“
„Nein, das siehst offenbar nur du.“
„Lüg dir doch nichts in die Tasche, Sebastian. Du willst eine Frau ins Bett bekommen. Vielleicht unsere süße Schnecke, vielleicht auch jemand anders. Aber gib’s doch wenigstens zu!“
„Das tut hier gar nichts zur Sache. Wir reden über Methoden und nicht über etwas anderes.“
„Genau, wir reden über Methoden für genau dies.“
„Nein, das tun wir nicht!“
„Das tun wir doch. Ich tue es jetzt. Und zwar zu deinem Wohl, Sebastian. Auch du kannst eine Frau ins Bett bekommen. Und das willst du doch? Du musst nur ein paar Kleinigkeiten ändern – dann klappt es auch…“
„Ach ja, und die wären?“
Er wollte es eigentlich nur wissen, um seinen Kollegen direkt danach widerlegen zu können, weil auch dies nicht seine Methoden wären…
„Einfach ein bisschen Mut, Sebastian. Du musst an dich glauben. Und dann ran an den Speck!“
„Ich will aber nicht ‚ran an den Speck’. Mir passt die ganze Wortwahl schon nicht.“
„Dann nenne es, wie du willst. Ran an die Braut, an die Schnecke, an das süße Ding – was ist denn dein Lieblingswort? Nimm es – und dann los.“
„Für dich scheint es immer so zu sein, als stünden die Frauen zu deiner Verfügung, als warteten sie nur darauf, von dir so behandelt zu werden – und als käme es nicht darauf an, auf eine Frau Rücksicht zu nehmen und sie so zu behandeln, wie man selbst auch behandelt werden möchte…“
Hoppe starrte ihn einige Momente verdutzt an.
Dann lachte er kurz verständnislos und sagte:
„Sebastian, das ist so! Sie stehen zu deiner Verfügung – und sie wollen so behandelt werden. Probiere es doch mal aus! Ich spreche doch aus Erfahrung! Frauen wollen einfach anders behandelt werden, und sie behandeln dich anders, es gibt einfach Unterschiede. Frauen sind doch keine Männer, sie sind Frauen. Wenn du das Spiel nicht spielen kannst, machst du nie einen Gewinn. Spiel es, wie auch die Frauen es spielen – und spielen wollen –, und du hast die freie Auswahl.“
Hoppe musterte ihn kurz – und ergänzte dann:
„Na, sagen wir: fast.“
Von dieser Belehrung musste er sich erst einmal erholen. Er trank einen Schluck Bier, setzte das Glas wieder ab und sagte dann:
„Ich will das Spiel nicht so spielen. Und ich weigere mich, zu glauben, dass alle Frauen oder auch nur der Großteil der Frauen so ist, wie du es schilderst. Die meisten wollen nicht so behandelt werden, wie du es dir einbildest.“
Hoppe lachte, wie man es tat, wenn jemand völligen Unsinn als Wahrheit verkaufen wollte.
„Sebastian! Willst du mir erzählen, was die Frauen wollen oder nicht wollen? Komm erst mal mit einer an oder schaff es zumindest, mit einer ein bisschen anzubändeln, auf welche Art auch immer, und dann erzähl mir, was du gelernt hast. Vorher kannst du mir doch nicht sagen, wie die Frauen ticken!“
Beschämt musste er zugeben, dass er auf diese Weise nicht weiter diskutieren konnte. Hoppe bräuchte die Praktikantin nur zu fragen – aber das wollte er ihm auch nicht sagen. Er wollte sie nicht in dieses schlimme Spiel hineinziehen.
Als er kurz auf Toilette ging und einige Momente zum Nachdenken hatte, dachte er daran, wie anders die Welt wäre, wenn die Frauen sähen, was in einem wirklich vorging. Wenn sie sähen, wie jemand über sie dachte oder nicht dachte. Bei Hoppe sahen sie es ja – aber bei ihm nicht. Er war so unscheinbar wie eine graue Maus. Und weil er keinen Mut hatte, sah man eben auch nicht, wie sympathisch ihm manche Frauen waren. Wenn man es aber sehen könnte… dann wäre alles so viel einfacher… Und wenn man es bei der Frau auch sehen könnte, erst recht…
Als er wieder zurück zum Tisch ging, dachte er daran, dass man es aber auch wiederum nicht zeigen konnte. Wenn man seine Sympathie zeigte, riskierte man in den allermeisten Fällen eine Ablehnung. Die Frauen müssten es so sehen, einfach so…
„Weißt du, Sebastian, ich hab mir was überlegt“, empfing ihn Hoppe. „Sag mir nur mal ehrlich: Willst du eine Frau oder nicht?“
„Hat das jetzt wieder mit der Praktikantin oder so etwas zu tun?“
„Nein, überhaupt nicht.“
„Na – du sagst doch, man sieht es mir schon an.“
„Ja, aber ich will es jetzt mal wirklich von dir hören.“
Er zögerte noch einen Moment. Dann antwortete er:
„Natürlich. Wer möchte keine Frau?“
„Na ja, es gibt schon welche… die nennt man dann anders.“
Auch darin hörte er wieder einen leise abwertenden Unterton. Er schwieg und wartete.
„Aber gut – dass du nicht dazu gehörst, wusste ich ja. Also gut, Sebastian, du willst auch eine Frau. Und du hast nicht so den rechten Mut, stimmt’s?“
Eigentlich war ihm dieses Gespräch gar nicht recht – er wusste noch überhaupt nicht, worauf es hinauslief, und er glaubte nach wie vor nicht, dass Hoppe der richtige Berater war. Dennoch hatte seine Sehnsucht ihn dazu gebracht, sich auf dessen Fragen einzulassen. Wohl oder übel gab er zu:
„Ja. Und was schlägst du vor?“
„Auch hier wieder nur wohlerprobte Methoden. Ich meine nicht unbedingt mich, aber Generationen von Männern. Es geht einfach darum, den Mut zu lernen. Wenn es nicht an Frauen direkt geht, muss man an Frauen üben. Das heißt, nicht an denen, bei denen man es dann können will, sondern bei anderen.“
„Aber ich übe doch nicht an anderen Frauen!“
Das Thema war erledigt.
„Ich meine doch nicht irgendwelche anderen. Ich meine, du bezahlst sie sogar dafür…“
Jetzt fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
„Du meinst…“
„Ja, genau, das meine ich. Du bezahlst Frauen dafür, dass du mit ihnen und bei ihnen und an ihnen üben kannst. Und sie machen das sogar gern! Sie verdienen ihr Geld damit – und du kannst mit ihnen üben…“
„Das kommt überhaupt nicht in Frage – sag mal, wie kommst du überhaupt darauf!?“
„Sebastian – jetzt erhitz dich nicht gleich so. Ganz ruhig! Du reagierst immer gleich so über… Man muss einen Gedanken auch mal auf sich wirken lassen können. Ganz ruhig! Und mit Besonnenheit. Mit Vernunft. Und auch etwas mutiger. Und auch mit etwas Realismus. Sag mal, warum lehnst du das einfach so schlichtweg ab? Welchen Grund hast du dafür? Es gibt nur Gründe auf der Habenseite – Aktiva, sozusagen. Das Ganze hat nur Pluspunkte. Hier kannst du garantiert nicht verlieren – nur ein paar Euro, aber die sind radikal gut angelegt…“
Er atmete einmal tief aus.
„Nur Pluspunkte?“, versuchte er einzuwenden. „Hast du auch hier mal an die Frauen selbst gedacht?“
„Sebastian!“
Hoppe spielte den Beleidigten.
„Hast du auch nur ansatzweise die Diskussionen der letzten Jahre mitbekommen? Diese Frauen kämpfen seit Jahrzehnten um die Anerkennung ihres Berufes. Inzwischen setzen sich Politiker auf höchster Ebene dafür ein – alles steht kurz davor, dass auch dieses letzte Tabu der käuflichen Liebe fällt, und du fragst mich, ob ich an die Frauen denke? An die denke ich sozusagen immer zuerst.“
Hoppe grinste.
Es war nicht so, dass er noch nie daran gedacht hatte, eine Frau einmal für Zärtlichkeit und Liebe zu bezahlen, um überhaupt diese Erfahrung machen zu können. Dennoch konnte er nie anders, als zu empfinden, dass es ein genereller Missbrauch der Frauen war – und dass diese Frauen einen Weg gingen, der für sie selbst nicht gut war. Mehr als einmal hatte er sich vorgestellt, dass er sich in eine Prostituierte verliebte und sie sich in ihn – und dass sie dann damit aufhörte und er sie gerettet hatte…
„Also?“
Hoppe wartete.
Seine Sehnsucht nach einer Frau ließ ihn schweigen – er hatte keine Kraft zu widersprechen.
„Sag ich doch“, meinte Hoppe, „nur Pluspunkte.“
Er konnte überhaupt nichts erwidern. Auch weiter einlassen wollte er sich darauf nicht. Vielleicht allein – aber nicht unter Hoppes Beratung.