Unerwartet - Holger Niederhausen - E-Book

Unerwartet E-Book

Holger Niederhausen

0,0

Beschreibung

Täglich ist die Journalistin Sandra mit sexistischen Anspielungen von Kollegen konfrontiert, und auch ihrem Partner fehlt noch einiges. Da verliebt sich die Feministin in ein Mädchen, das die Unschuld selbst zu sein scheint. Immer mehr eröffnet sich ihr ein Mysterium, und alles verändert sich völlig... Ein fesselnder Roman über Feminismus, Unschuld, Corona, Anthroposophie, Beuys und ein Zukunftsgeheimnis, das das Herz nicht mehr loslässt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 662

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Menschenwesen hat eine tiefe Sehnsucht nach dem Schönen, Wahren und Guten. Diese kann von vielem anderen verschüttet worden sein, aber sie ist da. Und seine andere Sehnsucht ist, auch die eigene Seele zu einer Trägerin dessen zu entwickeln, wonach sich das Menschenwesen so sehnt.

Diese zweifache Sehnsucht wollen meine Bücher berühren, wieder bewusst machen, und dazu beitragen, dass sie stark und lebendig werden kann. Was die Seele empfindet und wirklich erstrebt, das ist ihr Wesen. Der Mensch kann ihr Wesen in etwas unendlich Schönes verwandeln, wenn er beginnt, seiner tiefsten Sehnsucht wahrhaftig zu folgen...

Die Unschuld eines Mädchens führt mitten hinein in die heilige Alchemie der Seele

Es war eigentlich ein guter Tag gewesen. Sie hatte eine große Reportage fertig gestellt, an der sie schon lange gearbeitet hatte. Die Story würde wie eine Bombe einschlagen. Ein großer Schweinemastbetrieb drei Orte weiter hatte diverse Dokumentationspflichten durch gefälschte Unterlagen verletzt. Ihr Informant hatte sie reichlich versorgt, und jetzt würde die ganze Sache auffliegen. Sie hatte sauber recherchiert, alle Beweise mehrfach geprüft, und ihr Chef, der zuerst skeptisch war, würde nichts mehr gegen die Story sagen können.

Getrübt wurde der Tag nur durch die subtilen Blicke eines Kollegen, mit dem sie sonst weniger zu tun hatte, der sich aber heute in der Kantine an ihren Tisch gesetzt hatte. Sie hatte ihn schlecht abweisen können, denn ein Mindestmaß an Kollegialität war nun einmal nötig. Sie hatte ihn schon vor längerer Zeit einmal ,abgewiesen’, als er zu aufdringlich wurde. Und auch heute hatte sie ihn schließlich wieder konfrontiert.

„Was guckst du so?“

„Ich gucke doch gar nicht.“

„Natürlich guckst du immer wieder, ich sehe es doch.“

„Darf man nicht mal gucken? Du hast einfach ein schönes Kleid an...“

„Es ist einfach nur ein Kleid. Und ich möchte jetzt gerne auch einfach nur essen.“

„Halleluja – Mann, bist du empfindlich, Sandra. Kaust du immer noch darauf herum, dass ich mal was von dir wollte?“

„Ich habe den Eindruck, das gilt noch immer.“

„Bloß keine Angst, mein Gott! Ja, wirklich – mein Gott. Wenn du was wollen würdest, wäre ich ja auch nicht so zimperlich. Man darf also nicht mal gucken, ja?“

„Genau. Nein danke.“

„Das wirst du aber nicht ganz verhindern können, Süße!“

„Wie bitte?“

„Wie bitte was – habe ich was gesagt? Hast du was gehört? Ich hab nichts gehört.“

Und so ging es noch eine kleine Weile weiter. Solche Männer waren aalglatt – und sie gingen bis an die Grenze und darüber hinaus, aber man bekam sie nie zu fassen. Sie wussten genau, was sie sich ,leisten’ durften und was nicht. Und sie trugen es einem ewig nach, wenn sie einmal abgewiesen worden waren. Und das Schlimmste war – sie konnte sich nicht einmal bei ihrem Chef beschweren. Denn sie war mit einer weiteren Kollegin die einzige Frau in ihrem kleinen ,Team’, und auf diese Frau, die gerade erst angefangen hatte, war überhaupt nicht zu rechnen, das hatte sie sofort gesehen.

So eine Lokalredaktion war ein Haifischbecken – noch immer. Jeder versuchte, sich zu profilieren, weil man bei den seit langem schleichend abnehmenden Leserzahlen tendenziell jederzeit auf der Abschussliste stand; aber natürlich nicht nur deshalb, sondern auch, weil der Zeitungsbereich nun einmal seit jeher von diesem Kampf gelebt hatte: Da gab es Platzhirsche, da gab es die zweite Garnitur – und dann den ganzen Rest. Die Platzhirsche wiederum verstanden sich wunderbar mit dem Chef, der sowieso alles dominierte. Und das bestimmte die Regeln für alles Übrige. Entweder, man passte sich an, oder man war unten durch.

Sie hatte mit unendlichem Kraftaufwand in den letzten Jahren ein halbwegs erträgliches Arbeiten durchgesetzt – hatte sich allzu offen sexistische Bemerkungen verbeten, hatte die Leute konfrontiert, immer wieder, bis klar war, dass das nicht ging. Die Weinstein-Sache hatte Spuren hinterlassen. Und es gab auch im Pressebereich Leute, die allzu offensichtliche Missstände benannten. Und doch waren die weit weg – und der Alltag blieb ein täglicher Kampf. Was nicht mehr ganz offen .ging’, wurde eben mehr verpackt. Der Griff an den Hintern war schon lange nicht mehr möglich – jedenfalls nicht bei ihr, und auch nicht bei der noch sehr jungen Kollegin, denn dann wäre sie ihr zu Hilfe gekommen wie eine Furie. Das wusste man natürlich. Aber alles unterhalb einer gewissen Schwelle ging weiter. Und man hatte dagegen keine Handhabe – wie sich heute Mittag wieder erwiesen hatte. Nicht, wenn alle Männer unter einer Decke steckten. Was sie taten. In ihrem Team taten sie das, mehr oder weniger. Allein schon, weil niemand sich eine Blöße geben wollte. Eine Frau war eben ,nur’ eine Frau – in einer Redaktion eigentlich eher deshalb geduldet, weil eine gewisse ,Quote’ heute nun mal notwendig war. Und deshalb konnte ein Tag noch so gut sein – die Rahmenbedingungen waren einfach erschöpfend. Auch wenn sie nie aufgeben würde.

*

Sie umarmte ihren Freund und wurde von ihm mit einem Kuss begrüßt.

„Na, fertig?“

„Ja, endlich Feierabend...“

„Na, dann komm essen.“

Glücklich setzte sie sich an den gedeckten Tisch.

Henri, der in einer Software-Firma eine etwas geregeltere Arbeitszeit hatte, kochte noch dazu gern, was wirklich ein Glück war. Ein Stück echter Gleichberechtigung – und Lastenverteilung.

Sie ließ es sich schmecken.

„Und wie war’s heute?“, erkundigte er sich.

„Ich hab die Story über den Betrieb fertig“, erwiderte sie triumphierend. „Sie wird noch diese Woche erscheinen.“

„Gratuliere!“ Henri grinste. „Dann gibt’s da mal so richtig Zoff. Geschieht denen recht!“

Sie schwieg tief befriedigt.

„Du siehst auch richtig gut aus...“

„Ja...“, sagte sie und ließ sich die mit maritimen Kräutern garnierten Ravioli schmecken. „Nur in der Kantine heute kam der Schulte wieder an, setzte sich direkt zu mir und machte blöde Sprüche.“

„Was denn?“

„Ach, von wegen ,schönes Kleid’ und so – dass ich nicht lache! Zuerst hat er die ganze Zeit geglotzt, bis ich gefragt habe, was er so guckt – und dann kam die ,Kleid’-Sache. Was für eine primitive Ausrede!“

„Vielleicht meinte er es ja.“

„Das glaubst du nicht einen Augenblick! Der versucht’s noch immer! Steht noch immer auf mich – oder hätte mich zumindest gern im Bett. Hat er sogar glattweg angedeutet.“

„Echt?“

„Ja, meinte so ganz auf die Doofe: ,Wenn du was wollen würdest, wäre ich ja auch nicht so zimperlich.’ Kannst du dir so was vorstellen? Wie kann so was inzwischen Jahre nach Weinstein noch sein? Ich kapier’s nicht!“

„Na ja, Jahre...“

„Ja, Jahre“, wiederholte sie dezidiert.

„Manche Uhren ticken eben langsamer“, bemerkte ihr Freund.

„Oder überhaupt nicht – die Typen, die ticken überhaupt nicht richtig, nach wie vor nicht.“

„Sie gehen dir zumindest nicht an die Wäsche, das hast du ja schon mal durchgesetzt.“

„Muss man so was durchsetzen? Ich glaub, ich spinne! Auf welcher Seite stehst du eigentlich?“

Sie war auf einmal völlig aufgebracht.

„Beruhig dich doch wieder, Sandra! Ich wollte damit sagen, dass die Typen schon mal einen großen Lernfortschritt gemacht haben.“

„Ja, Wahnsinn! Dass man einer Frau nicht an die Wäsche gehen darf. Toller Lernfortschritt!“

„Ist doch so. Wenn sie’s früher gemacht haben...“

„Das ist ja das Schlimme! Dass so was bis heute noch stattfindet!“

„Tja...“

Dieses ,tja’ regte sie auch wieder auf. Sie wusste, dass Henri sich so nicht verhielt, nie verhalten würde – aber die Vorstellung sehr wohl auch erotisch fand.

„Was heißt ,tja’ jetzt schon wieder? Geht bei dir wieder irgendein Kino ab?“

„Quatsch, nein, warum?“

„Weil du so still bist, angesichts dessen.“

„Nein!“, erwiderte Henri nun auch etwas ungehalten. „Was heißt still! Du weißt genau, dass ich das auch nicht in Ordnung finde.“

„Aber es macht dich schon an – so die Vorstellung einer männlichen Hand an einem jungen weiblichen Hintern...!“

„Also, wenn du so direkt fragst...“

„Du bist echt ein Scheiß-Sexist, Henri! Ich weiß gar nicht, was ich hier eigentlich mache!“

Sie war stinkwütend.

„Jetzt hör doch mal auf!“, entgegnete er genauso wütend. „Ich wiederhole es: Du weißt genau, dass ich so etwas nie machen würde und auch nicht in Ordnung finde. Du hast diesen Gedanken ins Spiel gebracht! Und wenn du mich fragst: Ja, der Gedanke ist was andres, der macht schon an! Oder etwa nicht? Soll er nicht? Tut er aber! Ein junger weiblicher Hintern ist nun einmal attraktiv – ich kann es nicht ändern, sorry! Wenn du nicht zwischen Vorstellung und Handlung unterscheiden kannst. Ich finde es nicht in Ordnung – aber die Vorstellung ist attraktiv, ja!“

„Meine Güte...“, sagte sie erschöpft. „Was wäre wohl, wenn du von Frauen umgeben wärst, die es ,nicht in Ordnung’ fänden, einem Mann an die Hose zu gehen, die aber die ,Vorstellung’ attraktiv fänden!?“

„Keine Ahnung“, grinste Henri. „Das käme auf einen Versuch an.“

„Du kapierst es einfach nicht! Du kapierst nicht, dass es sowieso einen Unterschied macht, ob es Frauen oder Männer betrifft.“

„Und welchen?“

„Dass Männer ihre scheiß-schleimigen Gedanken immer anbringen können, sie einem regelrecht aufdrängen, bis an die Grenze gehen und darüber hinaus – dass sie keinerlei Rücksicht nehmen und immer nur ihren sexistischen Schleim runtersabbern!“

„Schleim?“

„Ja, Schleim! Dieser Schulte denkt immer noch, Frauen sind Freiwild – er könne einem auf die Brust glotzen und mit seinem Röntgenblick sogar durch das Kleid durch!“

„Und Frauen machen so was nicht?“

„Nein, du wirst es nicht glauben – Frauen machen das nicht!“

„Ich kenne sehr wohl Frauen, die einem genau auf einen bestimmten Punkt an der Hose blicken. Kurz unter dem Gürtel.“

„Ach wirklich? Wie viele kennst du denn? Bei mir besteht die ganze Redaktion aus solchen Typen! Und du weißt genau, dass eine Frau keine Macht hat – sie guckt vielleicht, aber sie kann dich mit den Blicken nicht ausziehen.“

„Hast du eine Ahnung. Manche Frauen können auch das.“

„Ja, weil sie sich endlich die gleichen Rechte aneignen!“

„Also bei Frauen findest du das gut? Rechtfertigst das sogar?“

„Das habe ich nicht gesagt! Aber so spürt ihr wenigstens mal, wie sich das anfühlt!“

„Es ist interessant, ja. Ein wirklich interessantes Gefühl.“

„Blödmann – du verstehst den Unterschied immer noch nicht!“

„Lass es doch einfach, Sandra. Ich habe tausendmal gesagt, ich finde es nicht in Ordnung! Kann das jetzt mal nicht endlich so stehenbleiben?“

„Ja, kann es – wenn ich nicht wieder zweifeln muss, auf welcher Seite du stehst. Ich bin einfach so unglaublich sauer auf diesen Typen.“

„Ich stehe auf deiner Seite, Sandra, das weißt du. Und ich bin ja froh, dass ich dich ,habe’... Er hat dich eben nicht...“

„Was heißt ,habe’ – auch das ist wieder sexistisch!“

„Wieso – du hast mich doch auch. Mach doch nicht wieder so ein Ding draus!“

„Ich habe dich auch, ja. Aber wieso habe ich das Gefühl, dass bei euch Männern immer so ein ,Besitz-Ding’ mit dabei ist?“

„Bei uns Männern? Werde ich jetzt schon in einen Topf geworfen?“

„Ist doch wahr! ,Er hat dich eben nicht – ich bin ja froh, dass ich dich habe’ – was soll dieses Wort denn?“

„Es ist eben ein ,Haben’, Partner haben sich nun einmal, Sandra!“

„Nein, Partner:innen sind einfach zusammen. Nur bei Männern gibt es auf einmal dieses ständige Haben einer Frau. Fällt dir da nichts auf?“

„Fängst du jetzt wieder mit den Doppelpunkten an?“

„Ja, tue ich – zwei unscheinbare Pünktchen, die das Ganze auf eine völlig gleichberechtigte Ebene bringen.“

„Und die Sprache verunstalten – einschließlich der Lücke.“

„Die Lücke steht für alles, was es zwischen männlich und weiblich noch gibt.“

„Ja, tausend Dinge, ich weiß.“

„Wie gut, dass du es so wunderbar ernst nimmst!“

„Mein Gott, Sandra – selbst Schwule sind männlich und Lesben weiblich, was gibt es denn wirklich noch dazwischen?“

„Wie oft noch, Henri: trans, nicht-binär, genderfluid, bigender, agender...“

„Ja, ich weiß, es gibt ungefähr zweiundsiebzig Geschlechteridentitäten – seit der letzten Zählung, bitte korrigiere mich, wenn inzwischen wieder neue dazugekommen sind. Aber irre ich mich, oder sind das teilweise tatsächlich alles Synonyme?“

„Ja, grabe dich ruhig ein in deinen Schützengraben der sarkastischen Ironie. Es sind sich überschneidende Kategorien, die aber trotzdem alle etwas anderes bedeuten.“

„Und was, bitteschön, ist zum Beispiel der Unterschied zwischen ,nicht-binär’ und ,genderfluid’?“

„,Nicht-binär’ bedeutet einfach nicht binär – wo ist das Problem? Es bedeutet: Ich lasse mich nicht binär einordnen. Das kann also alles sein – genderfluid, bigender, agender... Und ,genderfluid’ bedeutet einfach, ich bin mal dies und mal dies...“

„Ja, wunderbar – und wie sieht dies ganz praktisch aus? Warum sagt man nicht einfach ,bisexuell’?“

„Weil es nicht dasselbe ist. ,Bisexuell’ wäre nicht einmal dasselbe wie ,bigender’. Bisexuell ist, wenn man sich von beiden Hauptgeschlechtern angezogen fühlt, entweder gleichzeitig oder wahlweise. Bigender dagegen betrifft das eigene Geschlecht. Man fühlt sich als Mann oder Frau – mal dies, mal das, oder auch gleichzeitig. Und ,genderfluid’ betont das Variieren, also zusätzlich noch die ganzen Zwischenräume, das Kontinuum.“

„Das Kontinuum.“

„Ja, genau.“

„Wie mit so einem ... Schieberegler?“

„Ja, mach dich nur weiter lustig.“

„Der Punkt ist einfach, dass mir das wie eine Modeerscheinung vorkommt. Man ist irgendwie mit seinem Geschlecht manchmal nicht ganz zufrieden. Dann kommt jemand, der sagt, es gibt sowieso mehr als zwei – und schon flippen die Leute aus, behaupten, sie wären jetzt gerade zu siebzig Prozent Frau und zu dreißig Prozent Mann, aber Moment mal, die aktuelle Messung zeigt, dass sie zu zweiundsiebzig Prozent Frau sind – aber, Moment, jetzt hat es sich schon wieder verändert...“

„Ja – Schützengraben. Mach ruhig weiter... So ist es nun mal, Henri. Manche Leute definieren sich so. Du kannst sie nicht festlegen, denn es ist ihre Sache.“

„Man kann sich damit auch verrückt machen. Sie haben entweder einen Penis oder eine Vagina, sie haben männliche oder weibliche Hormone – und nur der Kopf denkt sich da irgendwas aus...“

„Warum auch nicht? Jeder Mensch hat beide Arten von Hormonen, in dem Sinne gibt es gar nicht ,männliche’ und ,weibliche’ Hormone, es gibt nur unterschiedliche Mengenverhältnisse – und die sind dann eben sogar individuell völlig verschieden, und ja, vielleicht wirklich in jeder Minute.“

„Schön, dann gibt es bald für jedes Mischungsverhältnis ein eigenes Kästchen zum Ankreuzen – und man ist überhaupt nur noch den ganzen Tag mit Ankreuzen beschäftigt.“

„Oder man akzeptiert es einfach, dass Menschen sich nicht mehr einordnen lassen.“

„Dann werden es aber die ,Eindeutigen’, die sich auch ,eindeutig’ verlieben wollen, sehr schwer haben. Wenn ich als eindeutiger Mann mich in eine eindeutige Frau verlieben will – und die mir aber sagt: ,O, tut mir leid, ich bin aber nur siebzig-dreißig, reicht dir das?’ Ich finde das absurd, Sandra!“

„Kannst du ja, aber du wirst dich damit abfinden müssen. Beim weltweiten – ich wiederhole: weltweiten – ,Gender Census’ 2021 wählte fast ein Viertel der Befragten für sich die Kategorie ,genderfluid’.“

„O Gott – ich geb mir die Kugel...“

„Das würde ich nicht machen – das wäre dann ein ,Eindeutiger’ weniger...“

*

Auch solche Diskussionen musste sie immer wieder ,durchleiden’, und sie führten einfach nie zu einer Lösung. Das wäre auch zu schön gewesen, um wahr zu sein.

Aber sie versöhnten sich regelmäßig wieder – entweder schon vor dem Fernseher, oder, wenn sie stattdessen ein Buch las, später im Bett... Henri war als Mann zumindest so weit fortgeschritten, dass er die weibliche Klitoris kannte und dass er sie nicht nur dazu ,benutzte’, um ,die Frau ein bisschen in Stimmung zu bringen’, sondern dass er mit seinen Zauberfingern ihr regelmäßig eine solche Erregung brachte – übrigens nicht nur dort! –, dass sie in Feuchtigkeit schwamm, wenn er dann in sie eindrang und sie dann sehr oft zusammen kamen – wenn sie es nicht bereits vorher tat...

Sie hatte ihn einmal gefragt, ob ihn das nicht ,störte’ – aber er fand es ganz in Ordnung, wenn er noch so lange ,weitermachen’ konnte, bis auch er kam. Manchmal hatte sie darüber nachgedacht. Einige behaupteten, die männliche und weibliche Sexualität sei, was den Orgasmus anging, sehr gleich. Aber was bedeutete schon der Orgasmus, wenn das Drumherum so unterschiedlich war? Manchmal, wenn es bei ihm noch eine halbe Minute oder länger dauerte, bis auch er kam, hatte sie sich hinterher gefragt, ob es beim Mann wirklich nur auf dieses eine kleine Organ und dessen ,Stoßen’ ankam, während es bei der Frau trotz der Klitoris so unendlich viel mehr war – in jeder Hinsicht.

Und auch da war sie ,sexualfluid’ – manchmal wollte sie es sehr erotisch, vielleicht sogar fast pornografisch, manchmal sehr zärtlich, und es gab auch alles dazwischen. Aber sie spürte, dass Henri das nicht wirklich mitmachte. Im Grunde wollte er immer nur einen engen ,Variantenkorridor’: schon durchaus erotisch, aber nichts Wildes, schon durchaus zärtlich, aber nicht wirklich zart und kuschelig. Er hatte eben seinen ,Standard’ – und das blieb es. Und am Ende brauchte das Glied seine Stöße, um zu kommen. Irgendwo war ein Mann sehr einfach gestrickt...

Sie fuhr in Hochstimmung zur Arbeit. Sie hatte mit ihrer Story eine Meisterleistung vollbracht – mehr als handwerklich hervorragend. Es war ein Glanzstück in jeder Hinsicht, und jetzt würde sie die Früchte ernten können.

Als sie in der Redaktion angekommen war, machte sie sich erst einmal einen großen Kaffee. Dann ging sie ihre E-Mails durch. Dann rief der Chef sie.

„Setzen Sie sich erstmal Frau Fischer.“

Sie tat es.

„Wieso, was gibt’s denn?“

„Ähm, ja, wir ... werden die Story nicht bringen.“

„Wie? Wieso das denn nicht?“

„Das ist eben so.“

„Was heißt das? Sie standen doch hinter der Story!“

„Ich habe eben anders entschieden.“

„Aber –“

„Hören Sie, das ist ein großer Arbeitgeber. Es ist einfach einer der Hoffnungsträger der ganzen Region. Ich habe mir die Sache in letzter Minute noch mal durch den Kopf gehen lassen...“

„Oder haben Sie in letzter Minute einen Anruf bekommen? Irgendein Gespräch gehabt?“

„Wie auch immer. Wir bringen die Story nicht. Das war es eigentlich schon, Frau Fischer.“

„Wenn wir sie nicht bringen, bringen sie andere!“, erwiderte sie fassungslos.

„Das ist egal – wir bringen sie nicht.“

Ihr Chef betonte jedes Wort.

Sie war so fassungslos, dass sie nichts erwidern konnte – sie sah ihrem Chef nur ins Gesicht, und der erwiderte ihren Blick, kalt, männlich, selbstsicher.

„Sie unterschlagen einfach“, stammelte sie fast, „in einer so großen Sache die Wahrheit?“

Ihr Chef lächelte abgeklärt.

„Was ist Wahrheit, Frau Fischer? Die Wahrheit ändert sich täglich – oder nicht? So wie die Genderidentität mancher Leute...“

Konsterniert stand sie auf. Sie hatte das Thema überhaupt nie forciert, und es war bereits Wochen her, seit sie einmal einen winzigen Bericht gebracht hatte – selbst wissend, dass das in der sehr kleinstädtischen Region noch auf viel Widerstand stieß.

Wie vor den Kopf geschlagen, fast zu keinem klaren Gedanken fähig, fand sie irgendwie wieder an ihren Platz. Als sie mit dem Becher Kaffee in der Hand wieder halbwegs zu sich kam, spürte sie Blicke von Kollegen. Möglicherweise wussten die es bereits. Es war ihr egal. Es war eben ein Haifischbecken. Möglicherweise hätte sich ein männlicher Journalist mehr gewehrt, hätte dafür zumindest männliche Anerkennung erfahren und wäre als in gewisser Weise ,gleichberechtigt’ mehr geschätzt worden. Diese geheimen Vorgänge unter Männern waren ihr verwehrt. Niemand wollte einer Frau nur ,ebenbürtig’ sein.

Wie sie den Tag überstand, wusste sie nicht. Sie ging früher als sonst.

*

Als sie in die Bahn stieg, wünschte sie sich, sie hätte heute das Auto genommen. Sie wollte keinen Menschen mehr sehen. Aber es war diese ewige Entscheidung – und wie man sich auch entschied, es war immer ,die falsche Schlange’. In der Bahn traf man auf lauter Menschen – und im Auto stand man meist irgendwo im Stau, gerade war auf ihrer Strecke wieder eine Baustelle für mehrere Monate.

In einem Abteil saßen nur ein Mann und eine Frau – getrennt gegenüber, beide mit Maske. Corona kam zu allem einfach noch dazu. Sie grüßte knapp, als sie die Tür öffnete, und setzte sich gegenüber der Frau ans Fenster. Sie schloss die Augen und wollte einfach niemanden mehr sehen, bis sie zu Hause war...

Kurze Zeit später ging die Abteiltür noch einmal. Ein Mädchen kam herein, grüßte verstohlen, und setzte sich gegenüber von dem Mann. Sie schloss wieder die Augen. Kurz fand sie es dem Mädchen gegenüber unhöflich, dann dachte sie nicht weiter darüber nach und versuchte, völlig abzuschalten.

Die nächste Störung war der Schaffner. Geübt zeigte sie als letzte ihre Dauerkarte. Als der Mann die Tür wieder schloss, blieb ihr Blick fast zwangsläufig kurz an dem Mädchen hängen. Obwohl es seine Fahrkarte als erste gezeigt hatte, war es noch damit beschäftigt, sie wieder zu verstauen. Das Mädchen mochte etwa dreizehn oder vierzehn sein, es hatte blondes Haar und strahlte gerade eine gewisse Unbeholfenheit aus, und Sandra ertappte sich dabei, dass sie fast spöttisch beobachtete, wie das Mädchen mit seiner Karte endlich fertig wurde.

Als sich ihre Blicke kurz trafen, blickte sie weg, um das Mädchen nicht unnötig zu beschämen, aber als das Mädchen dann geradezu brav wieder vor sich hin blickte, schweifte ihr Blick zu ihm zurück, und nun hatte sie ziemlich ausführlich Gelegenheit, es unauffällig zu mustern. Man sah hinter den FFP2-Masken fast nur die Augen, und jetzt sogar kaum diese. Dafür sah sie ihr schönes Profil, die langen Haare, die bis über die Schulter hinabfielen, jetzt ein wenig auf der Schulter lagen, ein wenig dahinter. ,Der Inbegriff eines braven Mädchens’, ging ihr gleichsam wortlos durch den Kopf. Verstärkt wurde dieser Eindruck dadurch, dass das Mädchen sich gar nicht anlehnte – es saß da, ohne sich anzulehnen! Aufrecht und einen Geigenkasten zwischen ihren Beinen, brav auch dies, obwohl sie ihn neben sich hätte abstellen können, da in der Corona-Zeit sowieso garantiert nicht noch jemand ins Abteil gekommen wäre.

Aber sie saß da, wie wenn jede Bewegung verboten wäre – nun, das war vielleicht etwas ungerecht, denn sie und die beiden anderen Erwachsenen bewegten sich ja auch nicht, aber sie hatten es sich zumindest bequem gemacht, und das Mädchen? Brav und aufrecht, ohne sich anzulehnen...

In einem kurzen Augenblick äugte das Mädchen noch einmal zu ihr, und wieder blickte sie blitzschnell weg, so als wäre gar nichts gewesen, wie es ein Erwachsener eben kann. Während ein Mädchen, so ein Mädchen, sich gar nicht verbergen konnte. Es hatte fast unsicher einmal herübergeblickt, so als hätte es gespürt, dass es irgendwie beobachtet wurde – aber es musste sich getäuscht haben, denn da war nichts... Und wie es jetzt wieder brav und still vor sich hinblickte! Es war geradezu rührend, wenn es nicht so erschütternd gewesen wäre. Gab es so etwas heute noch? Mädchen wie aus dem Bilderbuch? Wahrscheinlich strenger Vater, die Mutter reine Hausfrau ,wie es sich gehörte’, den Gatten umsorgend, das Mädchen kontinuierlich und ohne viele Worte in seine zukünftigen Pflichten einweisend, stets bestärkend, was der Vater sagte – der allein schon durch seine Erwartungshaltung dafür sorgte, dass das Mädchen stets beste Zensuren nach Hause brachte und eben auch sein Musikinstrument lernte. Zusätzlich lernte, dass man nie jemandem zur Last fiel, sein Instrument auf keinen Sitz stellte und andere Dinge mehr.

Sie ertappte sich dabei, dass sie das Mädchen irgendwo zu verachten begann – denn wie konnte man sich so entwickeln ... oder besser gesagt, gerade nicht entwickeln? Wie konnte man so brav und angepasst und, ja, im schlechtesten Sinne mädchenhaft dasitzen!? Sie ärgerte sich regelrecht über das Mädchen. Und dann ärgerte sie sich wieder über sich selbst – denn das Mädchen konnte dafür doch am allerwenigsten. Irgendetwas an dem Mädchen rührte sie geradezu... Und so war sie von ihren eigenen Gefühlen hin und her geworfen und sogar überwältigt – bis das Mädchen plötzlich an der übernächsten Station ausstieg. Es erhob sich sehr weich, äugte noch einmal kurz zu ihr hinüber, verabschiedete sich dann keineswegs direkt an sie gerichtet – und war weg...

Eine schöne Stimme hatte es gehabt... Irgendwie so lieb... Aber auch das war nur diese furchtbare Anpassung. Das Mädchen war wie ein Bäumchen, das von allen Seiten gestutzt wurde. Eigentlich absolut bemitleidenswert... Sie schloss wieder die Augen – und den Rest der Fahrt störte sie niemand mehr...

*

Henri begrüßte sie freudig.

„Na, wie ist es gelaufen – ist die große Story im Druck?“

„Ach – es ist eine einzige Scheiße! Becker wollte sie auf einmal nicht mehr – hat sich angeblich in letzter Minute umentschieden. ,Großer Arbeitgeber in der Region’, blabla... Natürlich war da in letzter Minute irgendein Telefonat im Spiel. Da ist ganz mies noch etwas gedreht worden.“

„Aber das kann doch nicht sein! Und was hast du gesagt?“

„Genau das! Dass das doch nicht sein könne und was das solle – und dass es dann ja auf andere Weise rauskommen würde...“

„Und dann?“

„Nichts und dann! Es wird jedenfalls nicht gedruckt. Dem Herrn Chef geht es nicht um Wahrheit – sondern um andere Dinge. Die Wahrheit würde sich sowieso täglich ändern – hat er mir ins Gesicht gesagt!“

„Und du?“

„Nichts und ich! Was soll ich denn machen!? Wenn er eine Story kippt, kann man nichts mehr machen!“

„Aber –“

„Nein, nichts aber, Henri! Man kann es nicht. Es ist einfach seine bescheuerte Scheiß-Entscheidung. Das ist so. Und ich als Frau – ja, genau, ich als Frau. Das kommt noch dazu! Es ist alles so eine absolute Scheiße!“

Sie ging erst einmal ins Wohnzimmer und warf sich auf die Couch. Dann brütete sie grollend in sich hinein, bis Henri aus der Küche rief:

„Dann komm wenigstens zum Essen...“

Schuldbewusst setzte sie sich vor den dampfenden Auflauf.

„Es tut mir leid...“, sagte sie zerknirscht. „Du solltest es ja gar nicht abkriegen...“

„Das tue ich ja doch immer...“

„Ja, ich weiß ... es ist aber nicht richtig...“

Henri schwieg, und sie fühlte sich noch immer schuldig.

„Bist du mir noch böse...?“

„Nein...“

Jetzt ärgerte sie sich wieder über sich selbst. Wofür musste sie sich eigentlich entschuldigen – nach so einem Scheißtag? Hatte sie etwa etwas an ihm ausgelassen? Hatte sie doch eigentlich gar nicht! Sie hatte einfach nur etwas Ruhe gebraucht... War das denn schon zu viel? Hatte man als Frau eigentlich überhaupt nie Ruhe...?

Sie aßen schweigend, bis Henri schließlich sagte:

„Vergiss es einfach...“

Das regte sie auch schon wieder auf. Es war eine wirklich große Story gewesen – eine echte Chance. Stattdessen – einfach vergessen! Wie einfach das für Männer anscheinend war!

„Würdest du es auch einfach vergessen können, wenn du fast schon eine Beförderung versprochen gekriegt hast – und dein Chef dann sagt: Ich habe es mir doch anders überlegt...?“

„Das ist doch nicht – – es war doch keine Beförderung, Sandra!“

„Aber eine große Story!“, platzte es aus ihr fast ungewollt heraus. Sie hatte gar keinen Streit gewollt, aber nun gingen die Pferde mit ihr durch, der gesammelte Frust musste sich nun Bahn brechen.

„Es war eine große Story! Es war die Story. Endlich einmal. Endlich einmal die Story! Und ich hatte sie. Ich hatte sie von Anfang bis Ende, von vorne bis hinten, sie war perfekt, sie war gründlich recherchiert, sie war wasserdicht. Ich hatte sie! Ich hatte sie, Henri! So was wirst du nie verstehen. Du bist kein Journalist – und du bist keine Frau in einem Männermetier. Du verstehst nicht, wie das ist. Du hast keine Ahnung! Es war nicht nur eine Story. Es war mehr! Und dieser Scheißkerl von Becker ist einfach eingeknickt. Keinen Schwanz und kein Rückgrat – aber so tun! Wie ich diese Welt hasse! Ich hasse sie einfach!“

Sie sprang auf. Sie zitterte innerlich am ganzen Leib.

„Ich muss jetzt einfach mal allein sein, Henri – tut mir leid, ist nicht gegen dich... Ich muss einfach ein bisschen frische Luft schnappen...“

Sie hatte das Gefühl zu ersticken. Sie schnappte sich ihre Jacke, die sie gerade erst ausgezogen hatte, und konnte erst wieder durchatmen, als sie draußen war.

Hier ging sie dann ziellos einmal um den Block, selbst ratlos, wie das passieren konnte. Henri hatte doch nun wirklich keine Schuld. Alles, was er gesagt hatte, war richtig gewesen, korrekt, kein Affront, nichts. Und doch hatte es sie tief verletzt, hatte sie sich unendlich nicht verstanden gefühlt. Sie erwartete von ihm einfach eine tiefe Parteilichkeit – und er war viel zu unparteiisch, viel zu ,objektiv’, diese unglaublich unerträgliche männliche Eigenschaft, die schon so oft zu ihrer Frage geführt hatte, auf welcher Seite er eigentlich stand. Natürlich stand er trotzdem auf ihrer Seite – aber tat er das wirklich immer?

Viel zu schnell ging sie wieder die Treppen hoch, hätte gerne noch endlose Runden gedreht, wusste aber nicht, wie sie das rechtfertigen sollte – und entschuldigte sich ein weiteres Mal, als sie wieder in der Wohnung stand. Und fühlte sich noch schuldiger, als er erwiderte, er verstehe sie ja, und es müsse wirklich schlimm gewesen sein – und immer noch. Da war sie fast den Tränen nahe und hätte sich am liebsten an ihn gekuschelt, aber in diesem Moment wollte sie dennoch stark sein und nicht dieser ,Anlehnungstyp’ und überhaupt nur eine schwache Frau, das alles eben nicht, und so ,ermannte’ sie sich wieder, weinte nicht – und die Situation war vorüber...

Und dann schauten sie später nur Fernsehen, hier kuschelte sie sich dann doch ein wenig an ihn, aber es war nicht mehr dasselbe. Und später schliefen sie dann miteinander, aber auch das war nicht zärtlicher als sonst...

Am nächsten Morgen kam der Chef jovial an ihren Schreibtisch.

„Na, Frau Fischer – sind Sie noch böse?“

„Was denken Sie denn!?“, erwiderte sie wütend.

„Manchmal kann man es sich eben nicht ganz aussuchen. Das ist in unserem Beruf nun mal so. Wenn sie sich abreagieren müssen, dann schreiben sie gerne mal über den Komiker hier...“

Ihr Chef warf ihr ein Konkurrenzblatt hin, aufgefaltet auf eine ganz bestimmte Seite.

Er war schon wieder gegangen, als sie den Artikel überflog. Es ging um Joseph Beuys. Sie stellte fest, dass es um ein JahrhundertJubiläum seines Geburtstags ging. Der Artikel stellte auf seine verharmloste Vergangenheit in der Nazi-Zeit ab und dass er immer umstritten gewesen sei. – Als wenn das Herumhacken auf irgend so einem Künstler ein Ersatz für die entgangene Story wäre! Außerdem wäre das sowieso Sache des Kultur-Kollegen gewesen. Oder hatte der etwa schon abgewunken?

In der Mittagspause fragte sie ihren Chef, nur um sicherzugehen, ob das nicht wieder nur ein Witz sein sollte. Sie hatte gar nicht vor, irgendetwas zu schreiben, wollte sich aber auch nicht ,verarscht’ vorkommen. Ihr Chef aber erwiderte:

„Quatsch – warum sollten wir was über den schreiben? Andere rühmen den Deppen zu Tode, aber Sie sehen ja, wie es sich verhält. Hätten Sie was schreiben wollen, um sich irgendwie Luft zu machen, hätte ich gesagt: Okay, dann ja. Aber wie gesagt – es war nur ein Angebot.“

Also ein Kuhhandel – Beuys als Knautschkissen für frustrierte Journalistinnen, was für ein fürsorglicher Chef! Mit lauter belanglosen Routinearbeiten brachte sie sich über den Tag.

*

Sie wusste rein gar nichts über Beuys – nichts außer die Sache mit den ,Fettecken’. Und selbst das war mehr ein stehender Begriff, als dass sie etwas darüber wusste. Rein interessehalber – gewissermaßen als eine Art ,Berufskrankheit’ – setzte sie sich am Abend vor ihren Laptop und suchte Primärquellen. Dabei stieß sie auf eine Diskussion mit dem noch recht jungen Beuys aus dem Jahre 1970 über Kunst und Anti-Kunst. Die Aufzüge der meisten Leute aus dieser Zeit wirkten heute regelrecht lächerlich – auch die Einleitung tat dies. Aber dann begann eine Debatte, die geradezu hitzig war.

Mein Gott, konnte man damals noch debattieren! Da trafen absolute Gegensätze frontal aufeinander und verbargen sich nicht hinter ,wohlklingender’ Nichtssagerei. Beuys rauchte auf dem Podium Zigarette, der Mann neben ihm, Max Bense, Pfeife. Beuys trug keinen Hut, seine schon damals wenigen Haare waren fast peinlich wirkend nach vorne gekämmt. Es musste heiß gewesen sein, denn die Diskutanten schwitzten. Und er äußerte sich gleich am Anfang umfassend – in einer Weise, die sie erst einmal gar nicht verstehen konnte. Beuys sprach von dem ,erweiterten Kunstbegriff’, von dem sie, wie sie sich jetzt erinnerte, doch auch bereits einmal gehört hatte. Er sprach von der Freiheit. Jeder Mensch sei ein Künstler. Er sprach von Spiritualität, von Raum und Gegen-Raum, und ihr schwirrte schon gleich am Anfang der Kopf.

Er sprach von neuen Bewusstseinsebenen, vor denen die Menschen stünden. Und er wollte bis in die Morgenstunden diskutieren, sonst habe das gar keinen Sinn. Dem trat dann aber sofort Bense entgegen, der Beuys vorwarf, er verwässere den Kunstbegriff völlig. Dieser Angriff erschien ihr ungerecht. Sie hatte zwar nicht wirklich verstanden, wovon Beuys redete, aber dass er meinte, was er sagte; dass er es ernst meinte, das hatte sie sehr wohl empfunden und gesehen. Bense jedoch sprach von ,Phrasen’ und ,Quatsch’, wenn Beuys nicht präzisiere, was er eigentlich meine. Welche Bewusstseinsveränderung würden und sollten seine Werke hervorrufen? Und schon ging es in eine hitzige Debatte. Beuys äußerte, er könne hier sehr wohl sehr deutlich werden, er sei zum Beispiel nicht der Meinung, man würde in einer Demokratie leben oder man würde zu freien Menschen erzogen.

Während Bense noch hitziger sprach als Beuys, um ihn irgendwie ,festzunageln’, war Arnold Gehlen im Vergleich dazu eine Schlaftablette. Allerdings kritisierte er berechtigt, dass seit Marcel Duchamp alles ,Kunst’ genannt werden dürfe. Auch er warf Beuys Phrasendrescherei vor und fragte ihn nach Kriterien guter und nicht guter Kunst. Beuys setzte Ästhetik daraufhin mit ,Mensch’ gleich und äußerte, er halte den alten Kunstbegriff nicht mehr wirklich für relevant. Immer wieder sprach er von dem Menschen – und von der Aufgabe der Kunst, etwas für das Leben zu bewirken und auch politisch relevant zu sein. Entscheidend für Beuys war der Punkt der Freiheit – sich als schöpferisches Wesen zu erleben. Es gehe nicht um Provokation, sondern um Produktion, und es bleibe sehr wohl die Frage nach deren Qualität.

Beuys wurde dann nach der Konkretisierung des von ihm erwähnten Begriffes der ,Revolution’ gefragt, und er sprach von direkter Demokratie, Gleichberechtigung und einem Ende aller Privilegien. Jede Kunst sei auch politisch. Die Fettecke mit dem ungeformten Fett, der geformten Ecke und dem Prozess der Bewegung entspreche dem Menschen – seinem ungeformten Willen, der geformten Ratio und dem bewegten Gefühl, dazu komme noch die Freiheit. Beuys sprach von der Kunst als einer ,Nährsubstanz’ für den Menschen, ohne die dieser als Mensch völlig verkümmern würde.

Immer wieder kam er auf den Menschen zurück – und kritisierte zum Beispiel, es gebe kein freies Schulwesen, weil die Politiker der Meinung seien, zu wissen, was Kinder lernen müssten. Es dürfe gar keine Regierung mehr geben, es gelte das Prinzip der Selbstverwaltung. Der Schweizer Max Bill entgegnete darauf, das Gebiet der Freiheit sei eben die Kunst. Beuys vertrat dagegen die Bedeutung des kreativen Individuums für die ganze Gesellschaft – das Neue könne überhaupt nur aus dem Individuellen kommen, und der Mensch müsse endlich sich selbst bestimmen.

Ihr schwirrte ein wenig der Kopf, als Henri zu ihr kam, der den Krimi im ,Ersten’ allein geschaut hatte. Als er sie am Laptop sah statt mit einem Buch in der Hand, fragte er:

„Musstest du etwa noch arbeiten?“

„Nicht direkt, nein – eher so ein Zwischending. Becker war sich doch tatsächlich nicht zu blöd, mir heute zu sagen, wenn ich mich wegen der ,gecancelten’ Story ,abreagieren’ müsse, könne ich ja über Beuys schreiben.“

„Über Beuys? Wieso denn das? War das nicht der ... mit den Fettecken?“

„Ja, genau der.“

„Und was hat das mit der gecancelten Story zu tun?“

„Beuys hat dieses Jahr hundertjährigen Geburtstag – und man kann entweder darüber schreiben oder es auch lassen. Meinte er.“

„Und du schreibst jetzt über ihn?“

„Ich wollte ihn erstmal kennenlernen – ich weiß ja überhaupt nichts.“

Sie war schon wieder genervt darüber, dass Henri im Grunde gar nichts verstand.

„Die Konkurrenz hat schon auf ihm herumgehackt, er hat angeblich seine Jahre in der Nazi-Zeit verharmlost und war ja sowieso immer umstritten etcetera. Und Becker meinte, ich könne diesen ,Komiker’ ja auch noch einmal niedermachen, dann wäre die frustrierte Mitarbeiterin vielleicht nicht mehr ganz so frustriert...“

„Hat er das so gesagt?“

„Nein, aber gemeint, zum Teufel noch mal!“

„Entschuldigung – wieso bist du denn wieder so geladen?“

„Weil ich noch immer geladen bin, noch immer, verstehst du? Nicht schon wieder – oder meinetwegen: schon wieder. Ich weiß es auch nicht!“

„Sorry, ich bin schon weg!“, erwiderte Henri – und verschwand. Sie hatte auch seinen Ärger deutlich gehört. Aber wieso musste eigentlich sie sich immer entschuldigen? Wieso verstand er nie, wie es ihr ging? War es dieses typische ,Frau-emotional-Mann-sachlich’-Ding? Und trotzdem hatte sie schon wieder den Impuls, zu ihm zu gehen und sich zu entschuldigen. Sie war ja emotional gewesen – und hatte es an ihm ausgelassen. Er rannte sozusagen immer in ihr offenes Messer. Aber gleichzeitig begriff er einfach nicht, dass sie noch immer wie eine offene Wunde war! Er begriff eigentlich überhaupt viel zu wenig – oder ging einfach darüber hinweg. Typisch Mann. Sie nahm sich vor, sich nicht zu entschuldigen – und musste sich doch regelrecht dazu zwingen. Sie schaltete den Laptop aus und nahm sich noch ein Buch.

Später kam Henri, und irgendwie ging es dann wieder. Sowohl er als auch sie hatten sich beruhigt...

Am nächsten Vormittag fragte ihr Chef sie nur ganz nebenbei:

„Und – schreiben Sie was über Beuys?“

Im Grunde hatte er es abgehakt – sie hatte den ihr vorgeworfenen Fleischklumpen nehmen können oder auch nicht, verloren hatte sie so oder so. Die andere Sache war ,geklärt’ – für ihn.

„Ich hab doch noch Zeit, oder?“, fragte sie kühl zurück.

„Klar!“, meinte ihr Chef kurz. „Alle Zeit der Welt. Beuys-Jahr hin oder her. Und wie gesagt, Sie können’s auch lassen, war nur ein Angebot.“

Am liebsten hätte sie spöttisch gesagt: ,Wie gnädig!’

Aber sie hatte keine Wahl. Sie konnte nicht offen feindselig werden. Sie musste mit den Wölfen heulen.

Sie ging ihre Mails weiter durch. Danach arbeitete sie an zwei belanglosen Artikeln. Die nächste echte Story würde auf sich warten lassen – wenn überhaupt wieder eine käme. Die meiste Zeit einer Lokaljournalistin war übliche Routine und manchmal geradezu nervtötend. Zwar lieferte man täglich die neuesten Nachrichten – aber man kam sich oft regelrecht wie hinter einer Maske vor, in einer Scheinwelt. Jeder wusste, dass es bei einer Zeitung um Neuigkeiten ging – aber die Neuigkeiten wurden selbst zur Routine, zur erstarrten Pflicht, zum jeden Tag wieder neuen, gleichen Standardprogramm: Infos, Verarbeiten, Meldungen, Druck – Infos, Verarbeiten, Meldungen, Druck...

Ob es relevant war, was sie auf diese Weise schrieb, das spielte gar keine Rolle mehr, das fragte sie sich selbst nicht einmal mehr – sie hätte es auch im Schlaf machen können: Infos, Artikel schreiben, geht in Druck... Warum lasen Leute überhaupt noch? Interessierte es die Menschen wirklich, was in der Umgebung passierte? Für sie war es teilweise ein so ermüdendes Einerlei, dass sie sich manchmal nach einem Paradies sehnte, in dem es keinerlei Meldungen, keinerlei Zeitungen und keinerlei Termindruck, Druckerschwärze und Zeilen und Spalten gab.

*

Als sie ziemlich müde wieder nach Hause fuhr, bekam sie aus den Augenwinkeln mit, wie ein Geigenkasten an ihrer Abteiltür vorbeiging. Im letzten Moment sah sie noch das blonde Haar des Mädchens. Sie hatte gleich das erste Abteil genommen, und inzwischen war auch der vierte Platz bereits besetzt.

Das Mädchen würde im nächsten oder übernächsten Abteil einen Platz finden – oder im Großraumabteil.

Aber seltsamerweise gingen ihre Gedanken dem Mädchen hinterher – oder vielmehr blieben bei ihm, beschäftigten sich weiter mit dem Mädchen. Sie erinnerte sich wieder an ihr Gesicht – vielleicht schüchtern, was schwer zu beurteilen war, wenn man sowieso kaum mehr als die Augen sah. Schöne Augen jedenfalls, schönes Haar, weich über die Schultern... Sie erinnerte sich, dass sie das Mädchen für gewisse Augenblicke fast verachtet hatte – und erinnerte sich auch wieder, wie sie dagesessen hatte, mit ihrer Geigentasche zwischen den Beinen ... und dann so plötzlich ausgestiegen.

Eigentlich hätte sie sich gefreut, wenn das Mädchen wieder in ihr Abteil gekommen wäre. Was tat sie eigentlich mit diesen ganzen anderen Leuten hier, diesen dreien? Zwei Männer und eine alte Frau. Sie besetzten einfach nur die Plätze, die das Mädchen hätte haben können – wenigstens einen davon. Stattessen musste es weitergehen und weitersuchen. Vielleicht hatte es sie ja auch erkannt. Und wenn nicht – auch egal. Aber sie wollte das Mädchen weiter sehen, es wieder sehen, beobachten, anschauen. Irgendetwas fesselte sie an diesem Mädchen.

In einem spontanen Entschluss stand sie auf, war über sich selbst überrascht, murmelte verlegen dem einen Herrn zu ,bin gleich wieder da’ – und stand bereits draußen auf dem Gang. Was tat sie hier eigentlich? Aber sie ging nun ebenfalls weiter, blickte in das nächste Abteil, das übernächste – da saß es! Es hatte sie im Abteil doch sicher nicht erkannt – dafür war es zu schnell vorbeigegangen. Ansonsten würde sie sich ja völlig blamieren... Denn gegenüber von dem Mädchen, der andere Türplatz, war noch frei. Es war ihr jetzt egal – sie öffnete einfach die Abteiltür und setzte sich.

Das Mädchen warf ihr einen Blick zu – sie lächelte freundlich, natürlich auch hinter ihrer Maske, und das Mädchen schien kurz zurückzulächeln. Jetzt hatte es sie vielleicht erkannt, von vorgestern. Aber es schaute schon wieder vor sich hin, und sie hatte, sehr heimlich, auch diesmal die Gelegenheit, es zu beobachten. Sie tat so, als schaue sie gelangweilt-routiniert auf den Gang und aus dem dortigen Fenster, aber in Wirklichkeit schielte sie zu dem Mädchen.

Es war vielleicht doch eher vierzehn, von der Größe her. Unter der Jacke konnte man in keiner Weise sehen, wie es sonst vielleicht schon körperlich entwickelt war, aber daran hätte man auch kein Alter erkennen können. Das Mädchen hatte ein ungewöhnlich schönes Gesicht, unglaublich schöne Augen, die so ... ja, so unschuldig waren, dass man sich fragte, wie das in dieser Zeit überhaupt möglich war. Sie hatte noch kein Mädchen mit so einem Blick gesehen. Jetzt blickte es kurz her, und sie musste schnell wirklich auf den Gang blicken. Aber das Mädchen hatte nur kurz geschaut, wie man es eben stets machte, wenn man von anderen Menschen umgeben war – man musste immer irgendwie gucken, was der andere machte.

Jetzt, wo sie das Mädchen beobachtete, fiel ihr dies erst auf – und es war etwas, was sie tief rührte... Jeder Mensch versuchte, mit seinem Blick niemanden zu stören. Man blickte möglichst unbeteiligt irgendwohin. Das Mädchen blickte seltsamerweise nicht nach draußen, sondern vor sich hin auf seinen Geigenkasten, aber dann eben auch kurz zu ihr, vielleicht um sich zu vergewissern, ob sie nicht vielleicht fortwährend beobachtet wurde. Und dieser kurze Blick, der sie gar nicht getroffen hatte, weil der ihre schon längst weg gewesen war, hatte sie tief berührt. Konnte es sein, dass ein Mädchen in allem unschuldig war? Sogar in der Art, wie es blickte, wie sein Blick wanderte, fast scheu, jedenfalls genau dies: absolut unschuldig?

Wieder fühlte sie sich versucht, das Mädchen zu verachten. Sich auszumalen, wie angepasst es war, wie gehorsam, wie brav, wie – ja, wie nichtssagend. Und doch war es gerade dieses Mädchen gewesen, das sie dazu gebracht hatte, aus ihrem Abteilsitz aufzustehen, ihr hinterherzugehen und sich fast zu blamieren – ein Glück nur, dass sie sie nicht schon auf dem ersten Platz erkannt hatte. Nein, dieses Mädchen war garantiert nicht nichtssagend – es war von irgendeinem Geheimnis umgeben, nur welches genau, das war ihr schlicht absolut schleierhaft. Sie beobachtete dieses wunderschöne Gesicht so lange, bis das Mädchen wieder aussteigen musste. Kurz traf sie dessen Blick, und zugleich murmelte das Mädchen ein ,Auf Wiedersehen’, das sie erwiderte, und dann war es auch schon weg, mit seinem hellbraunen Geigenkasten...

Seine schöne Stimme, die etwas Weiches, wiederum fast Scheues hatte, klang ihr noch eine ganze Zeitlang weiter im Ohr. Nein, sie hatte nicht ,gemurmelt’, sie hatte zwar leise gesprochen, aber ihre Aussprache war sehr klar gewesen, geradezu rein... Wieso kamen ihr diese ganzen Vokabeln? ,Rein’, ,unschuldig’... Sie ärgerte sich über sich selbst und wusste nicht einmal genau, worüber sie sich ärgerte – denn es war die Wahrheit. Sie konnte es nicht ändern – es war die Wahrheit...

Das Mädchen verließ sie auch nicht, als es längst ausgestiegen war. Sie hoffte, dass es entgegen der Fahrtrichtung noch einmal an ihrem Fenster auftauchen würde – aber das tat es nicht. Als der Zug schon wieder weiterfuhr, versuchte sie, sich über ihre Gedanken klarzuwerden. Wieso beschäftigte das Mädchen sie so? Wieso faszinierte es sie so? Weil es so aus der Zeit gefallen war? Schien? Es war im Grunde nahezu unmöglich, dass so ein Mädchen existierte – dass es aufwuchs und so sein konnte, noch mit vierzehn, sicherlich vierzehn, trotz dieser ganzen Unschuld, die schlicht nicht zu verstehen war. Die sogar Ärgernis auslöste. Wie konnte ein Mädchen nur so ... so dumm sein? Ja, dumm. Weil sie sich absolut manipulierbar machte. Sie war doch völlig wehrlos! Eine naive Gans, wenn man so wollte. Hatte keine Chance – gegen nichts und niemanden. Jeder würde ihr etwas anhaben können – und sie würde blind vertrauen. Das sah man einfach. Sie würde jedem in die Fänge fallen. Man bräuchte nur etwas Kreide zu fressen...

*

„Hallo, Liebling – wie war dein Tag heute?“

Sie wurde von Henris Begrüßung fast erschlagen.

„Ja...“, stotterte sie beinahe. „Ging so, ganz gut... Du bist ja heute so lieb...?“

„Bin ich das nicht immer?“, lächelte Henri.

Er zog sie an sich und küsste sie.

Sie erwiderte es und fühlte sich sehr wohl.

„Immer nicht, nein“, erwiderte sie dann. „Aber heute...“

Später beim Essen fragte sie:

„Was ist denn heute los – dass du so besonders lieb bist?“

„Ach, ich hatte heute selbst einen sehr guten Tag, einen guten Projektabschluss einfach – und ich dachte mir: Vielleicht habe ich dich in den letzten Tagen doch ein bisschen zu sehr hängen lassen...“

Sie sah ihn ernst an, irgendwie sehr glücklich.

„Danke, dass du das sagst, Henri...“

„Geht’s denn jetzt inzwischen wieder etwas besser?“

„Ja... Vor allem jetzt, in diesem Augenblick, geht es wieder viel besser...“

„Na – das ist doch prima...“

*

An diesem Abend verzichtete sie auf alle Bücher oder Recherchen und schaute sich mit Henri den Spielfilm auf SAT.1 an. Und danach liebten sie sich, für Henris Verhältnisse, ziemlich leidenschaftlich.

Am Wochenende musste Henri einiges für ein nächstes Projekt vorbereiten – was ihr ganz recht war, denn sie wollte noch ein wenig mehr über Beuys in Erfahrung bringen. Nicht, dass sie vorhatte, über ihn zu schreiben – aber sie hatte einfach ein gewisses Interesse gewonnen und wollte mehr wissen.

Sie recherchierte zu seiner Vergangenheit und stieß natürlich auf die Tatsache, dass Beuys sich 1941 freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hatte, 1944 dann als Bordfunker über der Krim abstürzte und einen Tag später mit einer Gehirnerschütterung in einem Feldlazarett lag – statt zwei Wochen lang von Tartaren gepflegt worden zu sein.

Vor allem aber fand sie den Aufsatz eines Schweizers, der 2008 in der Kunstzeitschrift ,Monopol’ Beuys schon im Titel zu einem ,ewigen Hitlerjungen’ machen wollte. Beuys habe sich, mit einer Rezeptur ,aus blanker Anthroposophie’, als Schamane an die Acht- undsechziger-Generation gewandt, die in ihrer Autoritätshörigkeit – gegenüber zum Beispiel auch Mao und Dutschke – Beuys hinterhergelaufen sei und unbewusst doch nur die vorletzte Generation der Hitler-Jugend nachgeahmt hätte. Schon die Nazis nämlich hätten die bildsamere Jugend gegen die Eltern in Stellung gebracht – und in derselben Weise hätten dann auch die Achtundsechziger einen ,antiautoritären Autoritarismus’ verwirklicht.

Auch Beuys hätten die Nazis gegen den humanistischen Kanon geimpft und ihn stattdessen für nordische Heldensagen begeistert, was sich etwa in Kunstaktionen wie ,Celtic’ widergespiegelt hätte. Im Gegensatz zu heute, so Beuys, sei die Situation für die Jugend damals geradezu ideal gewesen – außer, dass man eben uniformiert in Reih und Glied stehen musste, aber manipuliert sei man nicht worden. Der später von Beuys gepredigte ,Dritte Weg’ sei bereits ein ,Gemeinplatz völkischer Nationalrevolutionäre im Klima der Lebensrefom’ gewesen, und das von Beuys mitbegründete Internationale Kulturzentrum Achberg sei Ende der siebziger Jahre ,als brauner Rand’ in der Partei der ,Grünen’ aufgegangen.

In seiner Installation ,Honigpumpe am Arbeitsplatz’ erhebe Beuys den Bienenstaat zum Gesellschaftsideal, der Einzelne habe hier nur ,Gliedmaßenfunktion’ – und die anthroposophische Entsprechung, Rudolf Steiners gesellschaftliche ,Dreigliederung’, sei wiederum an Platons Dreiseelenlehre angelehnt: begehrende, mutige und denkende Seele in Unterleib, Brust und Kopf entsprächen den arbeitenden ,underdogs’, dem heldischen Krieger und den Herrschenden. Beuys Vorstellung der ,sozialen Plastik’ sei ,patriarchal bis ins Mark’. Gesellschaftliche Prozesse wie Mehrwert, Kommunikation etc. reduziere er auf eine ,Materialsemantik’ mit Fett, Filz, Kupfer, Honig, was ebenfalls alles ,fatal’ an Bienenvolk und Ständesstaat erinnere.

Nach diesem Artikel grauste es ihr regelrecht. ,Patriarchal bis ins Mark’ hatte sie ,getriggert’, wie man heute so sagte – sie entschloss sich, sehr wohl einen Artikel zu schreiben. Wenn ein derart patriarchal-reaktionärer Künstler heute noch gefeiert wurde, war das allemal einen Artikel wert – vielleicht würde das ja ihre große Story werden. Zumindest aber war es tatsächlich ein Feld, um sich abzureagieren – auch für all das, was sie sonst so tagtäglich erlebte, unterschwellig und ganz offen.

Das Einzige, was sie an dem Aufsatz irritierte, war, dass Wyss, der Autor, die Achtundsechziger mit der Hitlerjugend verglich. Dass beide Jugendgenerationen aufsässig waren, hieß doch nicht, dass man sie vergleichen konnte! Die Achtundsechziger waren doch eben gerade auch gegen das Totschweigen der Nazi-Vergangenheit aufsässig gewesen – gegen das stillschweigende ,Einfach-Weitermachen’ Und wenn die Hitlerjugend eben Hitler hinterherlief, liefen die Achtundsechziger doch keineswegs nur kommunistischen Ideologien hinterher – sie kritisierten die bisherigen ,Autoritäten’ doch auch zu Recht! Es schien ihr, als habe der Autor versucht, die Achtundsechziger umfassend und durchgreifend zu diskreditieren – mit völlig unredlichen Mitteln. Das aber bedeutete, dass der Autor letztlich selbst tief reaktionär war, zumindest in dieser Hinsicht...

Die Achtundsechziger waren ihr seit jeher insgesamt sympathisch gewesen. Ja, auch sie waren teilweise noch Sexisten gewesen, die als Männer politisch debattierten, während die Frauen die Kinder versorgen sollten – daraus hatte sich ja der moderne Feminismus auch in Deutschland entwickelt –, aber sie kippten die Autoritäten vom Thron, und das galt dann auch für das Patriarchat insgesamt. Die Achtundsechziger führten ganz notwendig auch in den Feminismus und die Gleichberechtigung, das konnte gar nicht anders sein. Und hatte nicht auch Beuys von Gleichberechtigung und einem Ende aller Privilegien gesprochen? Also auch von solchen, die Männer gegenüber Frauen hatten? Aber mit einem Künstler, der die Welt zu einem Bienenstaat machen wollte und sich an Platons Sklavenhaltergesellschaft orientierte, wollte sie lieber nicht das Geringste zu tun haben. Andererseits hatte sich der junge Beuys 1970 überhaupt nicht so angehört. Nicht einmal ansatzweise...

Sie wusste noch immer nichts über Beuys... Jede Recherche war immer nur ein Anfang, und wie weit das Feld war, das vor einem lag, zeigte sich immer erst, wenn man zu graben angefangen hatte. Sie kannte das schon.

Sie bestellte sich für den Anfang erst einmal zwei Bücher über Beuys im Internet – ihr anderer Lesestoff würde jetzt wohl zunächst eine Weile warten müssen.

*

Am Sonntag fiel ihr auf, dass Henri die Toilette anscheinend noch nicht geputzt hatte – jedenfalls hatte er keinen WC-Reiniger benutzt, den sie extra seit langem gut sichtbar neben der Toilette zu stehen hatten. Sie hatten vereinbart, sich wöchentlich abzuwechseln.

„Du machst die Toilette dieses Wochenende schon noch, oder?“, fragte sie beiläufig beim Abendessen.

„Muss das Zeug da immer rein? Ist doch sauber.“

„Es soll auch sauber bleiben. Außerdem geht es nicht nur um das ,Zeug’, sondern auch um das wirkliche Saubermachen. Hast du das wenigstens gemacht?“

„Ich hab geguckt, es ist alles noch sauber.“

„Auch das sieht man mit einem Blick nicht wirklich – ich würde mir wirklich wünschen, dass es einmal pro Woche tatsächlich gereinigt wird.“

„Herrje...!“, stöhnte Henri. „Ich war ja schon lange dafür, dass wir vielleicht für eine Stunde pro Woche eine Putzfr–, also ,Putzkraft’ beschäftigen.“

„Wie – meinst du das jetzt wirklich ernst? Ist es dir wirklich zu viel, einmal alle zwei Wochen dran zu sein und für fünf, nein drei Minuten die Klobrille zu putzen und den Reiniger reinzuschütten?“

„Ja, ist es! Das kann doch jemand machen. Warum bist du denn dagegen?“

Sie musste ihr Besteck aus der Hand legen, so perplex war sie.

„Ich fasse es nicht – also ... das heißt, du hast dich schon wochenlang darum herumgedrückt ... hast du es überhaupt mal gemacht?“

„Ja ... klar ... meistens...“, erwiderte Henri etwas gedehnt, und sie wusste, dass es gelogen war.

„Das heißt“, fuhr sie fort, „es ist ... sagen wir mal ganz deutlich: Es ist unter deiner Würde? Du empfindest es als unter deiner Würde?“ „Jetzt mach doch nicht wieder so ein Fass auf, Sandra! Das ist manchmal wirklich schlimm bei dir! Ich habe gesagt, ich möchte, dass das jemand macht. Jemand, der extra dafür kommt. Warum ist das so ein Problem? Warum können wir das nicht veranlassen?“

„Veranlassen?“, wiederholte sie betont. „Weil das auch Menschen sind, Henri? Und weißt du, was für Menschen? In der Regel weibliche Menschen – also Frauen. Du willst also veranlassen, dass irgendeine Frau unser Klo putzt, ja? Weil du dein und mein Klo nicht selber putzen kannst und willst – ist es das? Sind wir jetzt wieder mitten in einer sexistischen Diskussion? Ja? Sind wir das? Wir sind es, Henri! Wir sind wieder mitten in einer verdammten, sexistischen Diskussion!“

„Es ist mir völlig egal, wer unser Klo putzt!“, sagte Henri laut und aufgebracht. „Nein, es muss keine Frau sein! Ich will nur, dass es jemand macht, Punkt. Es gibt Leute, die so etwas machen, Sandra – man nennt sie ,Putzkräfte’, und sie haben kein Problem damit. Sie bekommen dafür Geld, und das ist in Ordnung, und es ist ihr Beruf und ihr Job. Da ist nichts Sexistisches!“

„Vielleicht habe ich ja ein Problem damit, irgendjemanden dafür zu bezahlen, dass er zu einem Scheißlohn unser Klo putzt!“

„Dann hast du zwei Möglichkeiten: Entweder du bezahlst ihn fürstlicher – oder du machst es selbst.“

Jetzt war sie wie vor den Kopf geschlagen. Fassungslos sagte sie:

„Du möchtest also wirklich die Zwei-Klassen-Gesellschaft...“

Henri sah sie fast feindselig an.

„Du bist ja verrückt, Sandra! Was redest du da für eine Scheiße!? Welche Zwei-Klassen-Gesellschaft denn? Es gibt in unserer Gesellschaft tausend Klassen! Denkst du, der Kassierer ist in unserer Gesellschaft gleichviel wert wie der Anwalt? Der Busfahrer wie der Studienrat? Der Müllmann wie der Optiker? Die Arzthelferin wie der Arzt? Wie der Oberarzt? Wie der Chefarzt? Wieso darf jemand nicht mit Putzarbeiten gutes Geld verdienen? Es gibt Menschen, die damit keine Probleme haben – warum soll ich ihnen dafür nicht Geld geben? Vielleicht wären sie sonst arbeitslos!“

„Ja!“, erwiderte sie sarkastisch. „So kann man es natürlich auch drehen!“

„Es ist so, Sandra! Deine heile Welt gibt es nicht. Für mich ist eine Putzkraft etwas Normales – sogar Prostituierte kämpfen heute darum, dass man sie anerkennt. Mit ihrem Job. Warum sollte ich eine Putzkraft nicht anerkennen? Ich tue es! Es ist einfach nur ein Job, Sandra. Ein Job, den ich nicht machen will – und mit dem die Putzkraft keine Probleme hat. Es gibt professionelle Putzkräfte. Das sind ihre Jobs, Sandra. Tausende machen das.“

Sie grollte in sich hinein und wusste, dass sie diese Runde verloren hatte. Gegen diese Art von männlicher ,Ratio’ hatte sie keine Chance. Leider nur erinnerte sie fatal an die ihres Chefs. Irgendetwas stimmte nicht – und sie wusste auch genau was, aber das konnte man jemandem wie Henri nicht begreiflich machen.

„Die Privilegien“, hörte sie sich sagen, weil sie sich plötzlich wieder an die Debatte mit Beuys erinnerte. „Es sind diese Scheiß-Privilegien. Solange sich das nicht ändert, werden wir immer diese Klassengesellschaft haben!“

„Mein Gott, Sandra – jetzt mach aber mal einen Punkt! Ich glaube kaum, dass du selbst den Müll entsorgen willst. Dass du selbst Schweine schlachten willst. Dass du selbst eines Tages deine Eltern bestatten willst. Die Kanalisation entschlammen, die Schornsteine reinigen, die Elektrizität verlegen oder reparieren. Aber es muss Menschen geben, die das machen! Das sind immer ,die Dummen’. Manche haben kein Problem damit, manche machen es, weil sie nichts anderes können oder bekommen haben. So ist das nun mal. Ich kann es auch nicht ändern! Und verstehst du – es ist in Ordnung! Es geht nicht anders!“

„Es einfach zu akzeptieren, ist das Schlimmste! Es wäre zumindest immer neu zu diskutieren. Man könnte fragen: Wo stehen wir inzwischen, wie wollen wir das künftig handhaben? Und allein schon die Sache mit der Bezahlung, die du ja angedeutet hast, wäre ein wesentlicher Punkt. Vielleicht könnte man eine Arbeit, je unangenehmer sie ist, desto besser bezahlen?“

„Ja, könnte man machen, einverstanden – aber können wir diesen Punkt dann jetzt abhaken? Reicht das dann für heute?“

„Meinetwegen. Aber du suchst eine Putzkraft, sie muss männlich sein, und du zahlst ihr mindestens fünfundzwanzig Euro pro Stunde.“

„Du bist ja wahnsinnig, was soll das jetzt wieder?“

„Ich nehme dich nur beim Wort und beharre darauf, dass nicht eine Frau deine Arbeit übernimmt. Hast du ein Problem damit, einen Mann für dich arbeiten zu lassen?“

„Nein, Sandra, das werde ich schon noch hinkriegen.“

„Es ist dir aber peinlicher als andersrum.“

„Du bist einfach manchmal echt belastend, Sandra.“

„Du bist noch immer total sexistisch und weißt es sogar selbst.“

„Mann oder Frau – warum kann man nicht einfach bei einer Firma anrufen und die schicken den Erstbesten, warum geht das bei dir nicht?“

„Weil ,der’ Erstbeste wahrscheinlich eine Frau wäre – und das ist nicht in Ordnung! Es ist Symptom einer nach wie vor sexistischen Gesellschaft. Einer Gesellschaft, die nur etwas lernt, wenn man sie immer und immer wieder darauf hinweist. Und wenn man Quoten schafft: Gleich viel männliche Putzkräfte.“

„Hast du dir mal überlegt, dass schon die schweren Kanalisationsarbeiten alles Männer machen? Ich habe da noch nie Frauen gesehen.“

Einen Moment lang war sie aus dem Gleichgewicht gebracht.

„Oder die Müllabfuhr“, legte Henri nach. „Fast noch nie eine Frau gesehen.“

„Das sind selbst in der Summe viel weniger als in den unzähligen Privathaushalten. Das Gleiche gilt für Arzthelferinnen und Oberärzte. Die Gesellschaft ist gespalten, Henri. Noch immer.“

Henri atmete ausführlich hörbar aus.

„Also gut, ich besorge dir eine männliche Putzkraft – bist du jetzt zufrieden?“

„Wenn sie auch noch gut und sexy aussieht...“, grinste Sandra.

In der Mittagspause am Montag musste sie erneut in einem männlichen Haifischbecken zurechtkommen. Sie nahm an den gemeinsamen Montags-Essen in der Regel teil, um nicht ganz außen vor zu sein, aber an diesem Tag kam das Thema auf ein aktuell gesprochenes Gerichtsurteil. Es ging um eine Vergewaltigung, die darin bestand, dass ein Mann und eine Frau sich in einer Bar kennengelernt hatten, es zum Geschlechtsverkehr gekommen war und die Frau diesen an irgendeinem Punkt abbrechen wollte – während der Mann ihn bis zum Ende fortgeführt hatte. Das Gericht hatte ihn daraufhin verurteilt.

„Sag mal ehrlich, Sandra“, meinte Felix, einer ihrer Kollegen, „du als Frau. Findest du das in Ordnung? Die beiden lernen sich kennen – sie wollen Sex miteinander, sie haben Sex miteinander ... und irgendwann sagt die Frau: Ach nein, doch nicht, könntest du bitte rausgehen?“

„Ja?“, erwiderte Sandra lauernd. „Wo ist dein Problem dabei, Felix?“

„Dass so was absurd ist! Ich meine – der Mann hat jetzt wieviel gekriegt? Ein halbes Jahr Gefängnis? Gefängnis! Dessen Leben ist doch zu Ende!“

„Ich glaube, wenn er nach einem halben Jahr wieder rauskommt, macht er das nicht noch mal. Was heißt ,zu Ende’? Neigen wir gerade zu Übertreibung?“

„Die hatten Sex, Sandra! Die waren mittendrin. Und auf einmal gefällt’s der Frau nicht mehr – und Gefängnis!?“

„Er hätte ja aufhören können, Felix. Soweit ich weiß, haben wir Menschen eine Freiheit im Willen. Offenbar wollte er nicht – aber die Frau wollte es. Also – ja, sorry, Gefängnis.“

„Nein, tut mir leid, da hakt’s echt. Mittendrin! Schon mal was von ,blue balls’ gehört? Der Mann hätte die Frau auf Körperverletzung verklagen können, aber nicht umgekehrt!“

„So ein sexistischer Schwachsinn! Du weißt ganz genau, dass das ein Mythos ist. Blue balls – ich glaube es hakt! Da hakt’s, aber so was von...“

„Wie auch immer – beide wollten Sex, und bloß, weil die Frau auf einmal meint, es wäre ,bad sex’, ist es noch lange keine Vergewaltigung. Da wird etwas völlig überzogen – und du kannst mir nicht erzählen, dass ein Mensch nach Gefängnisstrafe sein Leben einfach so weiterführen kann!“

„Erstens leben wir in einem Rechtsstaat, und er kann das, lieber Felix. Erst recht, wenn er ein Mann ist, das sind doch sowieso Alleskönner, oder nicht? Und zweitens ist ,bad sex’ tatsächlich noch keine Vergewaltigung, aber sobald die Frau ,nein’ sagt, oder: ,geh raus’, ist es eine. Er hätte rausgehen können.“

„Meine Frau“, ergänzte ein anderer Kollege süffisant, „sagt immer ,Nein, Nein’, kurz bevor sie kommt – ich glaube kaum, dass ich dann aufhören soll...“

„Wenn du dir das nicht gerade ausdenkst, Peter, war das der unqualifizierteste Beitrag überhaupt