Lobo - Der Einzelgänger 10: Trail des Todes - Dietmar Kuegler - E-Book

Lobo - Der Einzelgänger 10: Trail des Todes E-Book

Dietmar Kuegler

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Beschreibung

Man nennt ihn den Galgenrichter. Moses Haldeman und seine Banditen terrorisieren eine Minenstadt mit willkürlichen Steuern. Den Bewohnern bleibt nichts anderes übrig, als zu bezahlen, wenn sie am Leben bleiben wollen.Der Texas Ranger Cal Winters bittet Lobo, Haldemans Gewaltherrschaft zu beenden. Lobo ist Winters noch einen Gefallen schuldig, er reitet los. Hinein in eine mörderische Mission.

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In dieser Reihe bisher erschienen

4201 Dietmar Kuegler Ausgestoßen4202 Alfred Wallon Caleb Murphys Gesetz4203 Dietmar Kuegler Todesfährte4204 Alfred Wallon Victorios Krieg4205 Alex Mann Schwarze Pferde4206 Dietmar Kuegler Der Galgenbruder4207 Alfred Wallon Ein Strick für Johnny Concho4208 Alfred Wallon Jagd auf Black Horse4209 Alfred Wallon Terror im Johnson County4210 Dietmar Kuegler Trail des Todes4211 Alfred Wallon Kampf um Adobe Walls4212 Will Thompson Das Geheimnis der Broken Bow4213 Lee Roy Jordan Die Nacht des Bastards

Trail des Todes

Lobo - Der Einzelgänger

Buch 10

Dietmar Kuegler

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

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Copyright © 2024 BLITZ-Verlag  

Hurster Straße 2a,  51570 Windeck

Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Logo: Mario Heyer

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten

www.Blitz-Verlag.de

ISBN: 978-3-7579-8559-2

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Inhalt

Trail des Todes

Vier Wochen später

Trail des Todes

Die geöffnete Schlinge baumelte von dem einfach gezimmerten Galgengerüst. Als der junge Mann gebracht wurde, der an diesem Morgen sterben sollte, war es still. Die Zuschauer standen dicht gedrängt. Ihre Gesichter waren unbewegt. Der Unglückliche wehrte sich nicht, bis er die längliche Kiste unter dem Galgen sah, auf die er steigen sollte; es sollte sein Sarg sein.

Im Osten ging gerade die Sonne auf. Der nahe Rio Frio glitzerte silbrig. Das Galgengerüst warf einen langen Schatten in den jungen, frischen Morgen.

Der Schritt des jungen Mannes stockte jäh. Er begann sich zu sträuben. Zwei Männer hielten ihn mit eisernem Griff an den Oberarmen. Er versuchte, sich loszureißen, kämpfte schweigend. Vor Anstrengung verzerrte sich sein Gesicht, seine Augen quollen aus den Höhlen. Er stemmte die Füße fest gegen den Boden und bewegte den Oberkörper ruckartig hin und her.

Mit einem heftigen Stoß seines Kopfes traf er den Kerl zu seiner Rechten unter dem Kinn. Der Mann ließ ihn los und taumelte gurgelnd gegen den Sarg. Er verlor den Halt und stürzte.

Der junge Mann wirbelte herum, riss sein Knie hoch und rammte es dem zweiten Wächter in den Unterleib. Jetzt war er frei und stürmte auf die Zuschauer zu, die ihm mit starren Mienen entgegenblickten.

„Helft mir!“, schrie er. „Ihr wisst, dass ich unschuldig bin!“

Niemand antwortete. Keiner rührte eine Hand. Sie schienen ihn nicht einmal zu sehen. Sie starrten über ihn hinweg auf das flache, lang gestreckte Saloongebäude seitlich des Galgens.

Auf dem überdachten Vorbau stand der Richter.

Eine hochaufgerichtete, düstere Gestalt in einem schwarzen Gehrock mit blütenweißem Hemdkragen und einem sorgfältig gebürsteten Zylinder.

Er hatte ein kantiges, faltenzerfurchtes Gesicht, das von eisgrauen Bartkoteletten eingerahmt wurde, die bis fast zu den Kinnwinkeln reichten. Er hielt den Kopf hocherhoben und verfolgte den Jungen mit Blicken aus seinen wässrig schimmernden Augen. Die Daumen seiner bemerkenswert feingliedrigen Hände hatte er hinter die Aufschläge seines Rocks gehakt.

Neben ihm hatten einige Männer mit tiefgeschnallten Revolvern gestanden. Sie hasteten nun hinter dem Flüchtenden her.

Der Junge hatte keine Chance. Seine Hände waren auf den Rücken gefesselt, und er trug keine Stiefel. Als er mit den bloßen Füßen gegen einen Stein stieß, strauchelte er und krümmte sich vor Schmerzen. Sekunden später holten sie ihn ein.

Ein Gewehrkolben traf den Jungen ins Kreuz. Er brüllte laut und stürzte aufs Gesicht. Sie bückten sich über ihn und zerrten ihn hoch. Als ihn ein Fausthieb auf die Stirn traf, schrie er nicht mehr. Er sackte nach vorn.

Halb benommen hing er zwischen den Männern, die ihn zum Galgen schleiften.

Er hob den Kopf erst wieder, als er auf dem Sargdeckel stand. Jemand legte ihm mit einer blitzschnellen Bewegung das raue Hanfseil um, zog die Schlinge zu und rückte den Knoten mit den dreizehn Windungen unter seinen linken Kinnwinkel.

Verzweifelt versuchte der Junge, sich zu drehen, den Richter anzuschauen.

„Ich habe nichts getan!“, schrie er.

Ein Stoß in den Rücken ließ ihn nach vorn taumeln. Er verlor den Halt und kippte von dem Sarg. Das kurze Seil über ihm straffte sich mit jähem Ruck. Der Schrei des Jungen brach ab. Der Körper blieb in der Luft hängen. Seine Füße baumelten nur wenige Zoll über dem Boden.

Viele Zuschauer schlossen die Augen. Aus ihrer Mitte rief einer: „Wo ist Dudleys Silber, Richter Haldeman?“

„Wer war das?“ Einer der Gehilfen des Richters schritt mit dem Gewehr in den Fäusten an der Reihe der Zuschauer entlang. Niemand verzog auch nur eine Miene.

Der Richter auf dem Vorbau des flachen Saloons wirkte unbeeindruckt. Er nahm den Zylinder ab und sagte mit durchdringender, rauer Stimme: „Dem Gesetz ist Genüge getan!“

Er drehte sich langsam um und trat durch die Schwingtür in einen karg eingerichteten Schankraum. Ein athletischer Mann mit schwarzem Kinnbart, der die ganze Zeit neben dem Richter gestanden hatte, folgte.

Durch ein Fenster sah der Richter, wie der Tote vom Galgen geschnitten und in den Sarg aus hellen Fichtenbrettern gelegt wurde. Die Zuschauer entfernten sich langsam.

„Eine Hinrichtung im Monat muss sein“, sagte der Richter. „Niemand in diesem Nest darf vergessen, wer hier den Ton angibt.“ Er wandte sich dem anderen Mann zu. „Hat es sich gelohnt, den Kerl zu hängen?“

„Ich denke schon“, antwortete der andere. „Dudley hatte einen der besten Claims in Sabinal. Er hatte für mindestens 20.000 Dollar Silber zusammengerafft. Es gibt auch schon jemanden, der bereit ist, tausend Dollar für die Übertragung der Claimrechte zu zahlen.“

„Er soll noch 500 zulegen“, erklärte der Richter. Er blickte wieder nachdenklich hinaus. „Der Junge hatte keinen Mord begangen. Aber unschuldig lebt niemand auf dieser Welt. Wer hat den alten Taylor wirklich erstochen, Sam?“

„Einer von meinen Leuten.“ Der Mann grinste böse. „Taylor war nur ein dummer alter Säufer. Niemand wird ihn vermissen. Wir haben Dudleys Messer neben die Leiche gelegt.“

Der Richter sagte: „Oft können wir so etwas nicht machen.“

„Wir können alles machen, Moses. Du bist der Richter, du bist das Gesetz.“

Der Richter nickte. Er schaute den Leuten nach, die zwischen den schäbigen Hütten verschwanden.

„Solange sie mich fürchten, ist alles in Ordnung.“

„Sie fürchten dich wie die Pest. Und sie fürchten mich und meine Männer. Sie verlassen sogar die Gehsteige, wenn wir vorbeigehen, und einige ziehen vor uns den Hut. Keiner will Ärger mit uns, deshalb krümmt auch niemand einen Finger, um einem anderen zu helfen. Wen immer wir uns vornehmen, die anderen sind immer nur froh, dass es sie selbst nicht erwischt hat. Mehr interessiert sie nicht. Solange sie ihr Silber aus dem Boden kratzen dürfen, ist ihnen alles egal.“

„Dann soll es auch so bleiben.“ Der Richter lächelte kalt. „Was liegt für die nächste Verhandlung vor?“

„Ein paar Diebstähle und eine Prügelei. Der Besitz der Kerle ist schon beschlagnahmt.“

Der Richter ging zur Theke und schenkte sich Bourbon in ein dickwandiges Glas ein. Draußen war es ruhig geworden. Der Rest des durchtrennten Hanfseils am Galgengerüst bewegte sich sacht im Wind.

* * *

Sein schwarzes Fell ließ ihn mit der Nacht verschmelzen. Er war eins mit der Dunkelheit, als er nahezu geräuschlos dahinjagte. Das hohe Präriegras streifte ihn so sacht wie ein Windhauch. Seine Pfoten berührten kaum den Boden.

Seit einiger Zeit witterte er die Nähe des Wassers. Der Geruch war frisch und verlockend und zog ihn wie magisch an.

Als die Sichel des Mondes unvermittelt hinter einer Wolkenwand auftauchte und das weite Land am Fuß der Mesa mit milchigem Licht überflutete, hob sich sein geschmeidiger Körper kaum aus dem hohen Gras ab. Auf einer Anhöhe verharrte der riesige Wolf. Er warf den Kopf in den Nacken und stieß ein lang gezogenes Geheul aus. In seinen dunklen Augen spiegelte sich das Mondlicht.

Um ihn war nichts als die weite Prärie, und er genoss die Einsamkeit. Sein Geheul verklang. Er sog die vielen Gerüche, die der Nachtwind mit sich trug, tief in sich ein und sah in der Ferne das schmale Band des Flusses vor sich glitzern. Geduckt rannte er los. Unweit von ihm flatterte ein Vogel hoch, er beobachtete es kaum. Mit heraushängender Zunge sprang er die Böschung hinunter und verharrte am Wasser.

Sein Fell war gesträubt. Sichernd blickte er sich um, bevor er den Kopf senkte und soff. Das Wasser war kühl und von köstlicher Frische. Er konnte nicht genug davon kriegen, aber er war klug genug, nicht mehr zu trinken, als nötig war, seinen Durst zu stillen. Unmäßigkeit zahlte sich nicht aus, sie betäubte Instinkt und Sinne, und das konnte in der Wildnis tödlich sein.

Buck hob den Kopf. Vom Fell rechts und links seiner Lefzen tropfte es. Langsam wandte er den Kopf. Unwillkürlich spannten sich seine Muskeln. Er nahm ein Geräusch wahr, drehte sich blitzschnell und hetzte die Böschung hoch. Oben duckte er sich hinter einen Weidenstrauch und lauschte mit wachsender Aufmerksamkeit dem dumpfen Pochen und Hämmern von Pferdehufen, das sich stetig näherte.

Er sah die Reiter von Westen aus der Nacht auftauchen. Es waren drei Männer, die sich in raschem Trab dem Fluss näherten.

Buck duckte sich tiefer. Er ließ die Reiter nicht aus den Augen. Sie lenkten ihre Pferde gerade von der gewundenen Wagenstraße und ritten ganz in seiner Nähe vorbei. Buck nahm ihre Witterung auf – ein Geruch, der ihm nicht gefiel. Er blickte ihnen nach. In einiger Entfernung lag oberhalb des Flussufers eine kleine Farm. Auch dort war der Hufschlag gehört worden. Hinter einem Fenster wurde es hell.

Buck schaute aufmerksam hinüber. Er sah, wie die Reiter ihre Pferde auf dem Hof zügelten und abstiegen. Ein Schuss fiel.

Buck zuckte zusammen. Er hasste dieses peitschende, knallende Geräusch. Es ging ihm durch Mark und Bein und ließ es in seinen Ohren dröhnen. Er begann zu knurren und richtete sich langsam auf. Er hörte Schreie. Jemand rief um Hilfe.

Buck setzte sich in Bewegung. Er trottete auf der Uferböschung entlang nach Osten und sah, wie mehrere Gestalten aus dem Farmhaus gezerrt wurden. Eine Frau war dabei. Sie schrie am lautesten.

Buck begann zu rennen. Geduckt schoss er dahin. Schattengleich glitt er auf die Farm zu. Er sah, dass sich ein Mann gegen die Fremden wehrte. Er schlug mit wuchtigen Hieben um sich und wurde dennoch niedergeschlagen. Ein anderer riss der Frau die Kleider herunter.

Buck erreichte den Farmhof. Ein furchterregendes Knurren entwich seiner breiten Brust. Seine Augen glühten, die nadelscharfen Zähne in seinem weitaufgerissenen Maul glitzerten im Mondlicht.

Er rammte den Mann, der die Frau misshandelte, mit seinem ganzen Gewicht, glitt über ihn hinweg, überschlug sich und wirbelte herum, sowie er wieder Boden unter den Pfoten verspürte.

Der Mann, den er angesprungen hatte, wurde zu Boden gerissen. Er stemmte sich benommen hoch und schien gar nicht zu wissen, was geschehen war.

Die Frau schrie noch immer. Sie hatte sich losgezerrt und rannte auf das Haus zu. Buck fuhr wie der Blitz vom Boden hoch und riss einen zweiten Mann nieder.

Der Kerl brüllte wie am Spieß, als er den mächtigen Kopf des schwarzen Wolfshundes unmittelbar vor seinem Gesicht sah. Nacktes Entsetzen spiegelte sich in seinen Augen.

Er stürzte hart auf den Rücken, ließ seine Waffe los und schlug beide Hände vor das Gesicht.

Buck wandte sich dem dritten Mann zu, der sein Gewehr gehoben hatte und auf ihn zielte.

Er drückte ab, als Buck ihn ansprang.

Die Kugel strich dicht über den Rücken des Wolfshundes hinweg. Buck spürte den heißen Luftzug. Er prallte gegen die Brust des Mannes, der jetzt taumelte. Dennoch hielt er sein Gewehr fest gepackt und versuchte, Buck damit auf den Rücken zu schlagen. Seinen Hieben fehlte die Wucht. Er stürzte und wälzte sich auf die Seite.

Mit furchterregendem Knurren war Buck über ihm und stemmte ihm die Vorderpfoten auf die Schultern. Als sein heißer Atem den Nacken des Mannes traf, begann er zu schreien.

Er bäumte sich auf. Buck verlor den Halt und tat einen Satz zur Seite. Er sah, dass der Farmer und sein Sohn der Frau zum Haus folgten. Die beiden anderen Männer flüchteten zu ihren Pferden, die vor dem knurrenden Wolfshund scheuten.

Buck stieß ein wütendes Kläffen aus. Er setzte zum Sprung an.

Die beiden Männer warfen sich in die Sättel. Der dritte sprang ebenfalls auf und hastete an Buck vorbei. Buck jagte ihm nach und erwischte ihn am rechten Bein. Der Stoff der Hose krachte und riss, der Mann rannte weiter.

Die beiden anderen lenkten ihre Pferde vom Hof, hielten in einigem Abstand an und hoben ihre Gewehre.

Buck hatte die Gefahr erkannt. Er hatte von dem dritten Mann abgelassen und war den beiden anderen gefolgt. Doch sie hatten genügend Raum zwischen sich und ihn gebracht und konnten ihn jetzt gefahrlos ins Visier nehmen.

Er warf sich herum und stürmte auf das Farmhaus zu. Hier waren alle Lichter ausgegangen.

Mehrere Schüsse fielen in kurzem Abstand. Buck zog den Kopf ein. Sein geschmeidiger Leib streckte sich. Die Kugeln pfiffen ihm um die Ohren. Er kümmerte sich nicht darum. Er wusste, dass er gegen die Gewehre der Fremden nichts ausrichten konnte. Er kannte die Gefahr der menschlichen Waffen, die Feuer und Rauch ausspien, auch wenn er sie nicht verstand.

Er hörte die Männer hinter sich fluchen, während sie auf ihn schossen. Er erreichte mit wenigen Sätzen das Farmhaus und tauchte hinter einer Ecke unter. Drei Kugeln schlugen gleichzeitig unmittelbar hinter ihm in das Holz des Gebäudes. Buck sog noch den Pulverdampfgestank ein, dann preschte er über die Böschung und jagte zum Fluss hinunter.

Jetzt schützte ihn wieder die Dunkelheit, er wurde wieder ein Teil der Nacht. Er rannte dicht am Wasser entlang und hielt nach einer kurzen Strecke im Schutz einiger Pecan-Büsche an.

Der kurze Kampf hatte ihn erregt. Sein Herz schlug schneller, und er fuhr sich immer wieder mit der heißen feuchten Zunge über die Nase.

Er hatte den Kampf nicht gewonnen, weil die Männer die besseren Waffen hatten. Er hatte ihnen Angst eingejagt, aber es hätte ihm gelingen müssen, sie von ihren Pferden zu vertreiben.

Buck sah, wie die Reiter zur Farm zurückkehrten. Einer überquerte die Flussböschung und suchte nach ihm. Er hielt sein Gewehr schussbereit in den Fäusten, und Buck schätzte seine Chance ab, den Mann anzuspringen und aus dem Sattel zu reißen.

Er konnte es schaffen. Doch was nützte es? Er musste sie alle drei erwischen, und das war unmöglich.

Die beiden anderen waren auf dem Farmhof abgestiegen. Sie schossen auf die Tür des Hauses. Buck zuckte zusammen. Das helle Knallen erzeugte Wut in ihm. Seine Hilflosigkeit wurde ihm deutlicher denn je bewusst.

Er konnte nicht mehr helfen. Jetzt konnte nur einer helfen, der dieselben Waffen hatte wie die Fremden.

Buck sprang aus dem Gebüsch. Der dritte Reiter befand sich dicht vor ihm. Das Pferd des Mannes scheute, stieß ein schrilles Schnauben aus und bäumte sich auf, als Buck auf es zu jagte.

Der Reiter hatte damit nicht gerechnet. Er verlor den Halt und stürzte rücklings aus dem Sattel. Klatschend tauchte er in das seichte Uferwasser des Flusses ein, während sein Pferd davontänzelte.

Der Mann wälzte sich fluchend herum und kam triefend hoch. Da war Buck bereits in die Nacht hinausgestürmt. Er flog geradezu dahin. Ein Schuss fiel, aber er achtete nicht darauf. Er hörte noch immer Schüsse hinter sich, schaute aber nicht mehr zurück. Er musste sich beeilen. Er musste jemanden holen, der mehr Macht besaß als er.

Buck streckte seine Pfoten. Um ihn dehnte sich das weite Grasland, in dem es weder Anfang noch Ende zu geben schien. Doch das galt nicht für ihn. Er kannte die Geheimnisse des nächtlichen Landes, und er wusste genau, wohin er sich bewegen musste, um ans Ziel zu gelangen. Wege, die kein Mensch sehen konnte, fand er auch in tiefster Dunkelheit.

* * *

Östlich der Oak Hills graute der Morgen. Der dichte Frühdunst erstickte den Hufschlag der beiden Reiter, die den ausgefahrenen Hangweg von Osten herunterkamen und ihre Tiere nach Westen in die Prärie lenkten.

Der eine der Männer war hochgewachsen und von sehniger, athletischer Statur. Er trug schwarze Stiefel, dunkle Hosen, ein Lederhemd und einen breitrandigen schwarzen Stetson, unter dem ein paar Strähnen blauschwarzen Haares hervorquollen. Seine Gesichtszüge waren markant, und man konnte ihm ansehen, dass er ein Halbblut war. Er saß im Sattel eines herrlichen Blauschimmels, dessen Bewegungen von Kraft, Ausdauer und kaum zu überbietender Eleganz zeugten.

Der Mann war Lobo Gates. Er war diesmal nicht allein, sondern hatte sogar einen offiziellen Auftrag zu erledigen. Ein Freund von ihm, ein Texas Ranger namens Cal Winters, war bei seinem letzten Auftrag verwundet worden, und Lobo war zu diesem Zeitpunkt in der Nähe gewesen. Als Winters davon erfahren hatte, hatte er jemanden losgeschickt, der Lobo bitten sollte, zu ihm zu kommen. Er hatte Lobo gefragt, ob dieser an seiner Stelle für ihn einen Auftrag erledigen könne. Es ging um einen Mann namens Moses Haldeman, der das Gesetz auf sehr eigenwillige Weise auslegte, und der musste gestoppt werden. Lobo war Winters noch einen Gefallen schuldig und hatte deshalb zugestimmt, obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst hatte, auf welch dünnes Eis er sich damit begab. Winters hatte ihm nur noch gesagt, dass Lobo bei diesem Job Hilfe bekommen würde, sehr verlässliche Hilfe sogar. Wer das war, wusste Lobo mittlerweile. Es waren ein schwarzer Timberwolf und ein alter Mann.

Der alte Mann war nur von mittlerer Größe, ein ergrauter, bärtiger, lederhäutiger Oldtimer mit breiten Schultern und hellen, energisch funkelnden Augen. Er ritt ein Maultier von unbeschreiblicher Hässlichkeit, das trotz seines fleckigen Fells, seines verkrüppelten rechten Ohrs und seines schiefen Mauls selbstbewusst und neben dem prächtigen Hengst her trabte.

Sie waren erst eine Stunde zuvor aufgebrochen und wirkten noch etwas übermüdet. Trotzdem beobachteten sie wachsam das Land beiderseits der Wagenstraße. Als das hässliche Maultier unvermittelt mit den Ohren zu wackeln begann, reagierte sein Reiter sofort. Der Oldtimer zog die Zügel zurück, und Lobo wandte überrascht den Kopf und brachte seinen Hengst zum Stehen.

In diesem Moment warf das Maultier den Kopf hoch und stieß ein trompetendes Geräusch aus.

Lobo legte die Rechte auf den Griff seines Revolvers, der aus einem Holster an der rechten Hüfte ragte. Mit Blicken versuchte er, den Frühdunst zu durchdringen. Da tauchte ein Schatten vor ihm auf. Das Maultier schnaubte sichtlich erfreut, und auch Lobos Haltung entspannte sich, als er ein helles Kläffen hörte.

„Buck!“

Der riesige Schwarztimber sauste wie ein Blitz heran und sprang mit einem Satz auf den Rücken des Pferdes. Lobo schwankte im Sattel, und Buck drückte seinen großen Kopf gegen seine Brust und winselte leise. Er hatte sich mit Lobo verblüffend schnell angefreundet, und für den Oldtimer war das immer noch ein unerklärliches Wunder.

Lobos Rechte fuhr durch das dichte Fell des Wolfshundes und kraulte ihn hinter den Ohren. Buck schüttelte unwillig den Kopf und stieß seine Hand mit der Schnauze weg.

„Was ist los?“ Lobo war überrascht.

Buck knurrte dunkel und sprang vom Pferderücken. Breitbeinig blieb er mitten auf dem Pfad vor den beiden Männern stehen und warf auffordernd den Kopf in den Nacken. Seine Augen glitzerten, und die Zunge hing ihm aus dem Rachen.

„Was ist los?“, fragte Stoker.

„Er will etwas von uns.“ Lobo blickte Buck aufmerksam an. „Was willst du, Buck?“

Buck winselte und drehte sich halb. Unvermittelt sprang er ein Stück den Weg hinunter, kehrte zurück und kläffte.

„Er will, dass wir hinter ihm her reiten.“

Honey schnaubte und setzte sich einfach in Bewegung. Stoker, der nicht damit gerechnet hatte, kippte nach hinten. Seine Beine schwenkten hoch. Er krallte sich verzweifelt an den Zügeln fest und schnaufte erschrocken. Honey trabte unbeeindruckt hinter Buck her, der den Wagenweg verlassen hatte und ab und zu den Kopf drehte, um sich davon zu überzeugen, dass die Reiter ihm folgten.

Stoker hielt sich mit Mühe im Sattel. Er zerquetschte einen Fluch zwischen den Zähnen und rückte seinen zerbeulten Kavalleriehut gerade.

„Dieses Vieh bringt mich eines Tages um“, keuchte er. Honey hatte die gelben Zähne gefletscht und schien zu grinsen. Sie beschleunigte ihre Gangart und hielt mit dem Hengst Cloud Schritt.

Buck dagegen hastete immer schneller voraus. Wäre nicht das Grau des Morgens vor den Männern aufgerissen, hätten sie den Wolfshund aus den Augen verloren. In einem Abstand von fast hundert Yards stürmte Buck vor Lobo und Stoker her. Noch immer aber schaute er sich ab und zu um und forderte sie mit wütendem Kläffen auf, ihm schneller zu folgen.

„Der Fluss!“, rief Stoker plötzlich. Er streckte die Rechte aus. Lobo Gates sah den schmalen Lauf des Rio Frio in der Morgensonne blinken.

Buck schwenkte am Fluss schnurgerade nach Westen. Die Männer folgten. Das hohe, von der Sonne verbrannte Präriegras strich um die Läufe der Tiere.

Die niedrigen Gebäude einer Farm tauchten auf. Schon vorher aber hatte Lobo eine dünne Rauchfahne gesichtet, die hinter einer Bodenwelle aufstieg.

Buck verharrte auf der Bodenwelle. Er wartete auf die Männer, die ihre Tiere ebenfalls oberhalb des Anwesens zum Stehen brachten.

Buck kläffte, als Lobo Cloud neben ihm zügelte. Er schaute zu dem Halbblut hoch, und Lobo sagte: „Gut gemacht, alter Junge.“

Die Fenster des Wohnhauses waren zerbrochen, die Bretterwände waren von zahlreichen Kugeleinschlägen gezeichnet. Ein Corral unweit des Hofes war eingerissen, die Koppelstangen lagen am Boden.

„Hier muss in der Nacht der Teufel los gewesen sein“, sagte Stoker. Er spähte angestrengt auf die Farm hinunter. „Es waren mindestens drei Reiter.“ Er deutete auf die Spuren, die außerhalb des Hofes im Gras zurückgeblieben waren.

„Buck war hier.“ Lobo trieb Cloud wieder an, während Buck ihm voraustrottete.

In der Tür des Farmhauses erschien eine schmächtige Gestalt. Sie starrte zu den Hügeln hoch und verschwand wieder. Gleich darauf war sie wieder da und hielt eine doppelläufige Schrotflinte in den Fäusten.

„Ein freundlicher Empfang“, knurrte Stoker.

„Verschwindet!“, schrie der junge Bursche in der Tür. Er zielte mit dem Gewehr auf die Reiter. „Haut ab, sonst blase ich euch ein paar Löcher in den Bauch!“

„Immer mit der Rühe!“ Lobo ritt weiter und hielt Cloud erst am Hofrand an. Er beugte sich im Sattel vor. „Nimm das Gewehr weg, Junge. Wenn du abdrückst, wirft dich der Rückschlag von den Beinen.“

Der Junge schaute unsicher zu ihm hoch. Er war höchstens vierzehn und sehr mager. Das verwaschene Hemd hing viel zu weit um seine knochigen Schultern. Er trug keine Schuhe an den Füßen, und seine Hosen waren zu kurz und wurden an den Hüften von einem alten Strick gehalten.

Hinter ihm tauchte eine Frau auf. Ihr verhärmtes Gesicht war bleich, ihre Augen waren entzündet. Sie legte dem Jungen die schwieligen Hände auf die Schultern und drückte den Gewehrlauf nach unten.

Lobo ritt mit Cloud auf den Hof. Buck blieb neben der hölzernen Tränke stehen. Als Lobo aus dem Sattel glitt, zügelte Stoker gerade Honey, die sich aber nicht darum kümmerte, sondern erst anhielt, als sie vor der Tränke stand. Dabei stoppte sie so abrupt, dass Stoker weit nach vorn schwankte.

„Lobo Gates!“ Er tippte an die Hutkrempe. „Keine Angst vor Buck.“ Damit deutete er auf den Schwarztimber.

„Er war in der Nacht hier.“ Der Junge warf einen scheuen Blick auf das riesige Wolfsblut, das sich jetzt dicht neben Lobo hielt.

„Das habe ich mir gedacht. Er hat uns hierhergeführt.“ Lobo schaute sich um. Auf dem Hof waren die Spuren, die auf einen heftigen Kampf hindeuteten, unübersehbar. Unweit der Tränke lagen Stofffetzen.

„Ich bin Helen Tavern“, sagte die Frau. „Das ist Andy, mein Sohn.“

„Sie leben allein hier?“

„Nein.“ Sie schürzte die Lippen. „Mein Mann ... Er ist ... Sie haben ihn mitgenommen.“

„Wer?“

Sie schwieg. Lobo sah Angst in ihren Zügen.

„Die Männer von Richter Haldeman!“, stieß der Junge hervor. Er spuckte den Namen geradezu aus. Die Frau zog ihn mit einer heftigen Bewegung zurück und wollte ihn hinter sich in die Hütte schieben. Der Junge wehrte sich. Er lehnte sich fest gegen den Türrahmen und starrte Gates anklagend an.

„Sind Sie auch ein Mann des Richters?“

„Nein“, sagte Lobo. „Eher das Gegenteil. Wir vertreten das Gesetz.“

„Gesetz!“ Der Junge lachte böse. „Wessen Gesetz?“

Lobo nahm den Hut ab und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Er ging langsam auf das Haus zu.

„Sagen Sie mir, was passiert ist, Mrs. Tavern“, sagte er. „Dann sage ich Ihnen, warum wir hier sind.“

„Andy redet manchmal viel“, stammelte die Frau. „Er ist noch ein Kind ...“

„Ich weiß nicht, warum Sie Angst vor mir haben.“ Lobo schaute der Frau mitten ins Gesicht. Sie schlug ihren Blick nieder.

„Mein Vater hat für unsere Rinder keine Steuern an den Richter zahlen wollen!“, rief der Junge. Er machte sich von seiner Mutter los und trat Lobo einen Schritt entgegen. „Deshalb sind sie gekommen und haben ihn geholt. Dieser Hund tauchte plötzlich auf und hat sie beinahe verjagt, als sie meiner Mutter die Kleider vom Leib gerissen haben!“

Sein Gesicht glühte, seine Stimme zitterte vor Empörung. Er zeigte auf Buck, der leise winselte.

„Sie haben ihn fast erschossen, und dann sind sie wieder zu uns ins Haus gekommen und haben alles kurz und klein geschlagen. Sehen Sie nur hinein, Ranger. Meinen Dad haben sie mitgenommen. Der Himmel mag wissen, was Richter Haldeman mit ihm anstellt.“

„Steuern für Rinder?“ Lobo stülpte sich den Hut wieder auf.

„Der Richter hat sie eingeführt“, mischte sich die Frau ein. „Er hat gesagt, dass es sehr schwer sei, in einem Minendistrikt für Recht und Ordnung zu sorgen. Die Kosten seien hoch.“

„Die Silberminen befinden sich doch nur in unmittelbarer Nähe von Sabinal.“

„Aber der Distrikt von Richter Haldeman reicht weiter. Diese Farm gehört dazu.“

„Zahlen die anderen Farmer diese Steuern?“

„Vermutlich.“ Die Frau wirkte resigniert. „Alle haben Angst. Ich habe meinem Mann auch gesagt, dass er zahlen soll. Aber er wollte nicht.“

„Es gibt kein Gesetz, das ihn dazu hätte zwingen können“, sagte Lobo.

„Richter Haldeman hat es so beschlossen.“

Lobo schaute erst die Frau und dann den Jungen an, die Frau wirkte ausgebrannt, der Junge voller Zorn und Feindseligkeit.

„Können wir einen Kaffee haben, Mrs. Tavern?“ Lobo deutete auf Stoker, der sich langsam näherte. „Wir bezahlen dafür.“

„Werden Sie Richter Haldeman sagen, was wir erzählt haben?“

„Nein, Mrs. Tavern.“

Ihr Blick war voller Zweifel. Sie drehte sich um. Andy blieb stehen. Noch immer hielt er das Gewehr in den Fäusten. Die Läufe zeigten auf den Boden.

„Ihr Hund hat uns geholfen“, sagte er. „Sonst hätte ich Sie vorhin aus dem Sattel geschossen.“

Lobo antwortete nicht. Er erwiderte den Blick des Jungen, und Andy senkte den Kopf und verschwand in der Hütte.

„Der Junge sollte ein paar hinter die Löffel kriegen“, sagte Stoker.

„Er ist beleidigt und geschlagen worden“, erwiderte Lobo. „Sein Vater ist weggeschleppt worden. Für ihn ist dieses Abzeichen keinen Schuss Pulver wert. Es sieht ganz so aus, als hätte Cal Winters uns zur rechten Zeit geschickt.“

„Die Geschichte klang ziemlich unwahrscheinlich.“

„Es gibt genügend korrupte Sheriffs und Marshals, und viele Richter haben es faustdick hinter den Ohren. Aber das, was über Moses Haldeman erzählt wird, klingt so, als sei es eine Geschichte von einem anderen Stern.“

„Demnach sind wir dem Himmel ziemlich nahe – oder der Hölle.“ Stoker nahm seinen zerbeulten Kavalleriehut ab und rieb das Schweißband trocken.

„Sie können ins Haus kommen!“, rief die Frau durch die Tür.

„Sagst du ihnen, weshalb wir hier sind?“ Stoker setzte den Hut wieder auf. Sein Gesicht war ernst.

„Ich glaube nicht. Man kann nie wissen.“ Lobo richtete sich auf, und Buck trottete mit hängendem Schwanz ins Haus. „Die Leute mögen Richter Haldeman hassen – sie fürchten ihn aber auch. Ich habe zu oft erlebt, dass Leute in ihrer Angst einem Halunken geholfen haben, nur damit er sie verschont. Im Moment muss niemand außer uns wissen, dass wir Moses Haldeman seines Amtes entheben sollen. Außerdem wissen wir im Moment nicht viel mehr als das, was die Taverns uns erzählt haben. Und die Geschichten, die Cal Winters erfahren hat. Aus diesem Grund werden wir eigenes Material sammeln, bevor wir Haldeman die Haut abziehen“, sagte Lobo.

„Hoffentlich hat er bis dahin nicht uns die Haut abgezogen.“

* * *

Sie traten ein. Die Hütte war klein. Helen Tavern stand an der Kochstelle. Andy hielt einen Rutenbesen in den Händen und kehrte die Trümmer einiger Möbelstücke in eine Ecke. Glasscherben knirschten unter seinen Füßen, als er an den Fenstern vorbeischritt.

„Es ist nicht viel heil geblieben“, sagte Helen Tavern entschuldigend. Sie brachte eine Emaillekanne zum Tisch. Andy stellte Becher vor die Männer hin. Als Lobo einen Dollar aus der Hemdtasche zog, schob die Frau ihn zurück. Unvermittelt setzte sie die Kanne ab und schlug die Hände vor das Gesicht. Sie wandte sich der Kochstelle zu und blieb zusammengekrümmt stehen. Andy betrachtete seine Mutter scheu, ging dann zu einem Schrank und holte einen Knochen heraus, den er Buck reichte. Buck trug den Knochen vorsichtig, als sei er ein rohes Ei, zur Tür, ließ sich auf der Schwelle nieder und begann zufrieden daran zu nagen.

„Warum fahren Sie mit Andy nicht nach Sabinal, Mrs. Tavern?“, fragte Lobo. Er schenkte sich und Stoker Kaffee ein.

„Wir dürfen nicht in die Stadt“, antwortete Andy. „Wenn wir uns in Sabinal sehen lassen und Ärger machen, will Richter Haldeman uns aus dem Grundbuch streichen und aus dem County jagen lassen.“

Gates setzte die Tasse ab und schluckte. Er warf Stoker einen raschen Blick zu.

„Hat er so etwas schon mal gemacht?“

„Natürlich. Richter Haldeman hat alles schon gemacht. Er tut immer das, was er sagt.“ Andy trat zu seiner Mutter und umarmte sie. „Der Richter wird Dad nicht aufhängen“, sagte er. Helen Tavern zuckte zusammen.

„Dein Vater hat niemanden ermordet, Junge“, warf Lobo ein. Er trank den heißen Kaffee mit kleinen Schlucken.

„Man muss nicht unbedingt jemanden ermordet haben, um von Richter Haldeman gehängt zu werden“, erwiderte Andy. Noch immer lag Feindseligkeit in seinem Blick, als er Lobo musterte.

„Gibt es ein Gefängnis in Sabinal?“

„Richter Haldeman bringt die Gefangenen in dem Keller unter seinem Saloon unter. Nur bis zum Prozess. Gefängnisstrafen gibt es nicht, dafür ist zu wenig Platz.“

„Wir werden uns um Ihren Mann kümmern, Mrs. Tavern“, sagte Lobo.

„Werden Sie das?“ Die helle Stimme Andys klang herausfordernd. „Was wollen Sie denn tun?“

„Ich werde mit dem Richter reden.“

Andy lachte. Er sagte: „Entweder sind Sie auf seiner Seite oder er wird sich den Teufel um Ihr Abzeichen kümmern. Mein Vater hat immer gesagt, wir leben hier nicht mehr in Texas, sondern in Haldeman-Land.“

„Was weißt du noch von Richter Haldeman?“

„Nicht viel.“ Andy zuckte mit den schmalen Schultern. „Seit in Sabinal Silber gefunden worden ist, ist Dad immer allein in die Stadt gefahren, höchstens zwei- oder dreimal im Jahr. Seit Mister Haldeman Richter ist, finden sehr oft Hinrichtungen statt. Die Silberschürfer nennen ihn den Galgenrichter.“

„Sei still, Andy!“, befahl die Frau.

„In Minenbezirken geht es häufig sehr rau zu“, sagte Lobo. „Es sammelt sich viel Gesindel in solchen Gegenden an.“

„Es wird nicht weniger gestohlen, seit Haldeman im Amt ist“, antwortete der Junge. „Nur sind es jetzt seine eigenen Leute, die die meisten Räubereien auf dem Gewissen haben.“

„Wir wissen nichts!“ Die Stimme der Mutter klang jetzt schrill. „Wir haben schon genug Ärger.“

„Sie haben Dad verschleppt. Was kann uns noch Schlimmeres passieren?“ Andys Augen glänzten plötzlich feucht. Er wandte sich rasch ab.

„Machen Sie sich keine Sorgen.“ Lobo leerte seine Tasse. Er nickte Stoker zu, und auch der trank aus. „Wir sind hier, um Ihnen zu helfen.“

Andy und seine Mutter antworteten nicht. Lobo und Stoker erhoben sich. Buck ließ den Knochen fallen. Er musterte Lobo traurig und leckte sich mehrmals über die Schnauze. Wehmütig stieß er den Knochen zur Seite.

„Der Kaffee war sehr gut, Madam“, sagte Stoker. Sie gingen hinaus. Draußen war es warm geworden. Die Sonne stand hoch über dem Fluss.

„Ich will Moses Haldeman erleben, wie er wirklich ist“, antwortete Lobo. „Wenn er erfährt, dass wir im Auftrag der Texas Ranger hier sind, nimmt er sich womöglich zusammen.“ Er stieg in den Sattel. Buck kläffte und sprang zu ihm hoch. Lobo strich durch das dichte Fell des Schwarztimbers. Dann trieb er Cloud an und ritt als Erster vom Hof. Stoker folgte. Die Taverns ließen sich nicht mehr blicken.

* * *

Die Männer kamen vom Lawman Saloon am Westende der Stadt und schritten die Main Street von Sabinal hinunter. Sie überquerten die staubtrockenen Wagenspuren, die sich tief in den Boden gefressen hatten, und steuerten den einzigen Gehsteig an, den es in Sabinal gab.

Hochbeladene Wagen, die durch die Stadt rollten, hielten an oder wichen den Männern aus, ohne dass diese sich überhaupt darum kümmerten. An der Spitze bewegte sich mit gemessenen, würdevollen Schritten die hohe Gestalt des Richters.

Er trug seinen sorgfältig gebürsteten schwarzen Gehrock. Auf dem Kopf hatte er einen niedrigen, runden Hut mit schmaler Krempe. Unmittelbar neben ihm bewegte sich der athletische Mann mit dem sauber gestutzten Kinnbart. Er hielt eine abgesägte Schrotflinte locker in der rechten Armbeuge. Die anderen Männer, die alle bis an die Zähne bewaffnet waren, folgten mit einigem Abstand.