Mein Blutsbruder: Die Rache der Both Shatters - Tomos Forrest - E-Book

Mein Blutsbruder: Die Rache der Both Shatters E-Book

Tomos Forrest

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Beschreibung

Josias Parker, genannt Old Hatchet, lebt mit seiner Frau Ha-o-zinne, einer Verwandten Intschu-tschunas, und seinen drei Söhnen glücklich und zufrieden auf einer kleinen Farm im Indianergebiet.
Eines Tages wird die Farm, während er mit einem seiner Söhne auf der Jagd ist, überfallen und Ha-o-zinne sowie die beiden anwesenden Söhne getötet. Für Josias steht fest, dass Indianer für dieses Verbrechen verantwortlich sind. Gemeinsam mit seinem überlebenden Sohn Isaak beginnt Josias Parker einen Rachefeldzug unter den Indianern, der ihnen bald den Namen ›The both shatters‹ einbringt, denn beide beherrschen ihre kleinen, indianischen Äxte im Kampf perfekt.
Und auch die Apachen mit dem Häuptling Intschu-tschuna sowie dem jungen Apachen-Krieger Haadi'a, der vor nicht allzu langer Zeit durch eine Heldentat den Krieger-Namen Winnetou erhält, spielen bei diesem Rachefeldzug keine unerhebliche Rolle …

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Tomos Forrest

 

 

Mein Blutsbruder

 

Die Rache der

Both-Shatters

 

 

 

 

Aus der Reihe

»Sohn des Apachen-Häuptlings«

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Kathrin Peschel nach einem Motiv von Klaus Dill, 2023

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Alle Rechte vorbehalten

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

15. Kapitel 

16. Kapitel 

17. Kapitel 

18. Kapitel 

19. Kapitel 

20. Kapitel 

21. Kapitel 

22. Kapitel 

23. Kapitel 

24. Kapitel 

Aus der Feder von Tomos Forrest sind weiterhin erhältlich oder befinden sich in Vorbereitung: 

 

Das Buch

 

 

 

Josias Parker, genannt Old Hatchet, lebt mit seiner Frau Ha-o-zinne, einer Verwandten Intschu-tschunas, und seinen drei Söhnen glücklich und zufrieden auf einer kleinen Farm im Indianergebiet.

Eines Tages wird die Farm, während er mit einem seiner Söhne auf der Jagd ist, überfallen und Ha-o-zinne sowie die beiden anwesenden Söhne getötet. Für Josias steht fest, dass Indianer für dieses Verbrechen verantwortlich sind. Gemeinsam mit seinem überlebenden Sohn Isaak beginnt Josias Parker einen Rachefeldzug unter den Indianern, der ihnen bald den Namen ›The both shatters‹ einbringt, denn beide beherrschen ihre kleinen, indianischen Äxte im Kampf perfekt.

Und auch die Apachen mit dem Häuptling Intschu-tschuna sowie dem jungen Apachen-Krieger Haadi'a, der vor nicht allzu langer Zeit durch eine Heldentat den Krieger-Namen Winnetou erhält, spielen bei diesem Rachefeldzug keine unerhebliche Rolle …

 

 

***

 

 

1. Kapitel

 

Unbarmherzig brannte die Sonne vom wolkenlos blauen Himmel auf die Felsen herunter, die das Pueblo der Mescalero am Rio Pecos umgaben. Oriole lag im Schatten eines Felsenvorsprungs und beobachtete drei winzige Punkte unter ihm, die sich zwischen den Agaven langsam bewegten. Die Luft um den jungen Krieger flimmerte vor Hitze, und der Kieselstein, den er gelegentlich mit der Zunge von der einen auf die andere Seite des Mundes schob, förderte die Speichelbildung.

Oriole wie sein Freund Winnetou hatten sich, zusammen mit anderen Jungen, lange Zeit darin geübt, Hitze und Durst zu ertragen, wenn sie auf ihrem Posten waren. Die Sicherheit des Dorfes hing davon ab, dass die Wächter zuverlässig ausharrten und jede noch so verdächtige Bewegung auf der Ebene sofort weitermeldeten. Jeder der Jungen hatte als besondere Probe einen langen Lauf absolviert, bei denen sie den Mund voll Wasser hatten, das sie nicht schlucken durften. Am Ende ihres mühseligen Weges spuckten sie das Wasser wieder aus und fanden damit die Anerkennung der Älteren.

Das alles lag lange Zeit zurück, und Oriole hatte am heutigen Tag auch gar keinen Grund, hier auf den Felsen zu liegen. Er war weder als Wächter noch als Kundschafter eingeteilt. Es ging ihm vielmehr um die drei jungen Frauen, die zur Ernte von Mezcal-Herzen unterwegs waren. Oriole hatte mitbekommen, wie sich Nah-de-yole, Lozen und Nscho-tschi miteinander besprachen und sofort angenommen, dass es um die große Zeremonie für Nah-de-yole gehen musste. Sowohl Nscho-tschi wie Lozen gehörten bereits zu den erwachsenen Frauen. Die Familie von Nah-de-yole war seit ein paar Tagen bereits verstärkt mit den Vorbereitungen für das große Fest ihrer Tochter beschäftigt, insgesamt jedoch schon seit gut einem Jahr.

Lozen, die Schwester von Bidu-ya, den die Weißen Victorio nannten, war wieder einmal zu Besuch bei den Mescalero-Apachen. Ihr Volk, die Chihenne, lebte derzeit drei Tagesritte von diesem Pueblo entfernt. Aber nichts würde die junge Kriegerin davon abhalten, ihre Freunde am Rio Pecos zu besuchen.

Oriole musste sich eingestehen, dass die junge Frau, die sich gern hart und verwegen gab und trotz ihrer Jugend bereits als Kriegerin und gute Ratgeberin bei Kriegszügen geachtet wurde, sehr schön war. Aber in seinen Augen wurde sie noch von der Lieblichkeit Nah-de-yole übertroffen, die längst das Herz Orioles erobert hatte. Doch davon konnte sie nur ahnen, denn Oriole war zu schüchtern, sie zu umwerben, und wurde doch immer wieder von Winnetou dazu ermuntert. Heute war er den drei jungen Frauen gefolgt, immer in sicherem Abstand, und natürlich hatte er sein Gewehr mitgenommen.

Jetzt wurde seine Aufmerksamkeit von zwei winzigen Punkten am Himmel abgelenkt. Der Apache zog unwillkürlich die Augen zusammen, um noch besser sehen zu können. Kein Zweifel, dort waren zwei Geier aufgestiegen und schwebten jetzt hoch über einem anderen Punkt, den Oriole suchte. Sein Blick schweifte über die endlose Ebene vor dem Seitental, das zu ihrem Pueblodorf führte. Gegen Osten wusste er den Rio Pecos, dessen Wasser aber zu dieser Zeit tief gefallen und selbst von seinem erhöhten Standort aus nicht zu erkennen war.

Jetzt bestand kein Zweifel mehr für Oriole.

Dort näherte sich ein einzelner Reiter.

Die Richtung, die er verfolgte, führte direkt in das Tal mit dem Pueblo.

Unwillkürlich griff Oriole zu seinem Gewehr, das im Schatten der Felsen lehnte.

Es war eine ungewöhnliche Waffe mit kurzem Lauf, ausgearbeiteter Backe am Schaft und einem Steinschloss. Er hatte sie von Josias Parker erhalten, der sie wiederum den Mördern Rodriguez und Garcia abgenommen hatte. Josias, den die Mescalero Piishii, Nachtfalke, nannten, war mit einer Verwandten Winnetous verheiratet.

Oriole beobachtete den einzelnen Reiter noch eine Weile, dann entschloss er sich, ein Signal zu geben.

Ein winziger Splitter eines zerbrochenen Spiegels genügte, um die Sonne zu reflektieren und das Signal hinüber zu dem Posten zu geben, der den Eingang des Seitentales zusammen mit anderen Kriegern überwachte.

Anschließend umschloss Oriole den Lauf der Büchse fest mit der linken Hand, um sich mit der rechten gelegentlich auf dem schmalen Pfad abstützen zu können. Dieser Pfad, kaum breit genug für zwei nebeneinander stehende Füße, führte steil hinab in die Ebene und erforderte einige Geschicklichkeit, um ohne Sturz nach unten zu gelangen. Zudem war es für den jungen Krieger wichtig, keinen der losen Steine anzustoßen. Sehr leicht bildeten sich dadurch kleine Gerölllawinen, die zwar für Menschen unschädlich ins Tal rollten, aber doch seine Anwesenheit verraten konnten.

Nach einiger Zeit erreichte Oriole die Mezcal-Agaven, in denen die jungen Frauen beschäftigt waren. Die Pflanzen blühen nur einmal nach einem Wachstum von sechs bis zehn Jahren, und dann wird das sogenannte Herz herausgeschnitten. Besonders für die Pubertätszeremonie wird es bei den Mescalero geröstet und bei dem Fest dann gegessen. Oriole sah die bereits geöffneten Pflanzen, aber von den jungen Frauen war weit und breit nichts mehr zu entdecken.

Nachdenklich betrachtete der Krieger den Boden, suchte ihn sorgfältig nach Spuren ab und musste schließlich erkennen, dass es ihm auf dem harten Untergrund nicht möglich war. Als er sich aufrichtete, gelang es ihm, einen Überraschungslaut zu unterdrücken. Er blickte direkt in die Mündung eines Gewehres, das ihm Lozen entgegenhielt.

»Oriole spielt wohl ein wenig gah (Hase) und hoppelt zwischen den Agaven auf der Suche nach einem Gefährten?«, spottete Lozen, ohne den Gewehrlauf zu senken.

»Von Osten kommt ein einzelner Reiter auf uns zu«, antwortete Oriole mit tonloser Stimme.

»Ja, Oriole, und er ist ein Racurroh-Comanche.«

Oriole sah Lozen erstaunt in die Augen. Er erkannte den Spott, ließ sich aber seine Verwunderung nicht weiter anmerken und tat, als wäre ihm das selbst längst bekannt. Insgeheim aber fragte er sich, wie diese junge Kriegerin nicht nur den Reiter bemerkt haben konnte, sondern sofort wusste, dass es sich um einen Feind, noch dazu einen Racurroh-Comanche, handelte. Aber kühl musterte er sie, und es war nun Nah-de-yole, die ihm mit den Augen ein Zeichen gab.

Jetzt erkannte er zwischen den Pflanzen Winnetous Schwester, die auf dem Boden lag, eine gefällte Agave vor sich, über die sie ein Gewehr gelegt hatte. Die drei Frauen hatten nicht nur Waffen mitgenommen, sondern waren bei ihrer Arbeit durchaus auf der Hut. Oriole schämte sich, dass er angenommen hatte, dass sie die Mezcal-Herzen ernten würden, ohne entsprechende Vorsorge zu treffen. Um die Situation zu retten, spottete er nun über sich selbst:

»Dann wird gah ein wenig weiterhoppeln und dort drüben von dem Mezcal probieren!«

Inzwischen hatte sich der Comanche so weit genähert, dass man den Reiter gut ausmachen konnte. Wortlos verschwand Lozen seitwärts, und gleich darauf war auch Nah-de-yole zwischen den Pflanzen wieder verschwunden. Oriole hockte sich einfach auf den Boden, wo er stand, das Gewehr in der Armbeuge schussbereit.

Der Comanche musste längst wissen, dass er sich auf dem Gebiet seiner Todfeinde befand, aber das schien ihn nicht weiter zu stören. Jetzt waren die Hufe seines Mustangs auf dem harten, getrockneten Untergrund deutlich zu vernehmen. Oriole verzichtete darauf, sich zu erheben und dem Mann entgegenzutreten. Das war jetzt Sache der drei Frauen, und er wollte auf keinen Fall riskieren, Lozen dabei in die Quere zu kommen. Sollte sie ihn rufen, war es immer noch Zeit genug, einzugreifen. Irgendwie ahnte der junge Krieger jedoch, dass dieser Fall nicht eintreten würde.

Er vernahm ein seltsames Geräusch, das er nicht einordnen konnte, gefolgt von einem dumpfen Aufprall. Kein Zweifel, die Frauen hatten den Comanchen nahezu lautlos überwältigt – jedenfalls konnte er keinen Ruf mehr ausstoßen. Oriole erhob sich und schlenderte in die Richtung am Rand der Agaven, in der er alle vermutete. Tatsächlich empfing Lozen ihn erneut mit einem spöttischen Lächeln. Der Comanche lag betäubt und gefesselt quer über dem Hals seines Pferdes. Wortlos brachen die drei Frauen auf, um ihn in das Pueblo zu bringen.

Auf halber Strecke kamen ihnen von dort ein Dutzend Reiter entgegen, die natürlich längst von den Wachen verständigt waren. Mit lauten, schrillen Schreien umritt die Gruppe der Krieger die Frauen mit ihrem Gefangenen, während Oriole hoch erhobenen Hauptes folgte. Er gab sich gegenüber den Kriegern so unbefangen, als wäre es selbstverständlich für ihn gewesen, die drei Frauen zu begleiten. Als sie beim Pueblo eintrafen, bemerkte er seinen Freund Winnetou auf der ersten Plattform, während weiter oben dessen Vater Intschu-tschuna mit einigen der Ältesten stand und ihnen erwartungsvoll entgegensah.

Winnetou schenkte ihm nur einen raschen Blick und nickte ihm leicht zu.

Sein Freund hatte sofort verstanden, weshalb Oriole in Begleitung der drei jungen Frauen zurückkehrte. Und schließlich bewies der gefangene Comanche allen jetzt zusammenlaufenden Apachen, dass es immer ein Risiko blieb, in diesen Zeiten das Pueblo zu verlassen.

Es war eine seltsame Situation eingetreten, denn nach den schrillen Kriegsschreien, mit denen man die rückkehrende Gruppe mit dem Gefangenen begrüßt hatte, trat jetzt völlige Stille ein.

Lozen blickte erwartungsvoll hinauf zu Intschu-tschuna, dem großen Häuptling der Mescalero. Als er ihr ein Zeichen mit der Hand gab, eilte sie behände über die erste Leiter auf die untere Plattform, und gleich darauf weiter auf dem eingekerbten Balken, bis sie vor ihm stand.

»Ihr habt mehr mitgebracht als nur Mezcal-Herzen!«, bemerkte der Häuptling, und Lozen wählte die Höflichkeitsform, die man ihr schon seit längerer Zeit gewährte. Sie sprach den Häuptling mit t’aah – Vater – an, was nicht so ohne Weiteres einer Stammesfremden zugestanden wurde. Aber Lozen war für Intschu-tschuna wie eine zweite Tochter, die er früher auch einmal gehabt hatte.

»Ya´at´eeh, t’aah – ich grüße dich, Vater! Haastį' naa naghaa – dieser Mann störte mich. Deshalb habe ich ihn eingeladen, mit uns ins Pueblo zu kommen, wo wir seine Zunge leichter lösen können als draußen bei den Agaven.« 

Intschu-tschuna verkniff sich bei dieser Wortwahl ein Lächeln, nickte Lozen nur zu und gab anschließend den Befehl, den Comanchen unter Bewachung zu stellen, bis er sich um ihn kümmern konnte. Danach lud er Lozen zu sich ein, aber die junge Kriegerin deutete auf ihre Gefährten.

»Wenn du erlaubst, t’aah, gehe ich zurück zu meinen Schwestern. Wir haben nicht nur diese tł'iish (Schlange) mitgebracht, sondern auch viele Mezcal-Herzen, die wir für die große Feier rösten wollen.«

»Oh ja, und wenn ich so hinüber zu Nah-de-yole sehe, scheint sie es vor Ungeduld kaum noch aushalten zu können.« Damit drehte sich der Häuptling schon wieder um, bemerkte aber noch kurz über die Schulter: »Schön, dass Oriole euch begleiten durfte!«

Während Lozen wie eine Wildkatze den Stamm hinunterkletterte, sich schließlich nur an den Außenholmen der Leiter festklammerte und, die Stufen vermeidend, daran hinunterrutschte, kehrte der Ältestenrat mit ihrem Häuptling in den Beratungsraum zurück, um zu beschließen, was mit dem Gefangenen geschehen sollte.

Es war selbstverständlich, dass es einen besonderen Grund für seine Anwesenheit geben musste. Selbst, wenn er ein Häuptling war, war es eine Provokation der Apachen, dass er es allein auf das Gebiet seiner Todfeinde gewagt hatte. Man versagte dem Comanchen gewiss nicht den Respekt, denn jeder Krieger schätzte den Mut des anderen, auch wenn er davon überzeugt war, dass er ihn töten müsste, um selbst in Sicherheit leben zu können.

Sollte sich herausstellen, dass der Gefangene die drei jungen Frauen entführen wollte, dann stand das Urteil über ihn bereits jetzt fest. Doch bis dahin würde man ihn unter scharfer Bewachung auch mit Essen und Trinken versorgen.

Winnetou war zu Oriole gegangen, den er bei den Pferden entdeckt hatte.

Eine Weile schwiegen sie und widmeten sich ganz der Pflege ihrer Pferde, bis Oriole plötzlich in die Stille, die nur gelegentlich von einem Schnauben der Tiere unterbrochen wurde, herausplatzte: »Ich muss es ihr sagen, Winnetou. Aber ich weiß nicht, wie.«

Sein Freund verstand sofort, was Oriole meinte.

»Du hast doch die Gelegenheit bei ihrer Zeremonie, Oriole!«

»Das sagst du so leicht dahin. Wenn es einfach wäre, zu ihr zu gehen, ihren Eltern ein paar schöne Geschenke zu überreichen und zu sagen: Sheth she~n zho~n. Glaubst du, sie steht auf und folgt mir, um meine Frau zu werden?«

Winnetou sah dem Freund fest ins Gesicht und antwortete:

»Ja, Oriole, genau das glaube ich!«

»Was? Du meinst …«

»Ich sehe euch beide und eure Blicke. Sie holt meine Schwester ab und weiß, dass du mit mir auf die Jagd gehen wirst. Dann kommen sie uns zufällig entgegen, wenn wir das Dorf verlassen oder gerade zurückkehren.«

»Aber das sind Zufälle!«

»Glaubst du das wirklich? Und vor einer Woche, als wir im See gebadet haben? Wir waren auf dem Rückweg, als uns erneut beide entgegenkamen.«

Oriole schwieg und ließ den Kopf sinken.

Er wusste nicht, was er davon halten sollte, und die Gefühle kämpften in seiner Brust um eine Lösung.

»Was sagen ihre Eltern, hast du schon einmal ein wenig in diese Richtung gedacht, mein Freund?«

Jetzt hob Oriole lächelnd den Blick.

»Oh ja, das habe ich. Und ich weiß, dass ihre Mutter nichts dagegen hätte!«

»Aha, und Tai' Haastį', ihr Vater, was sagt er zu dir?« Der Name des Vaters bedeutete schlicht »Drei Männer«, weil er sich einst als junger Krieger in einem Kampf mit den Comanchen gegen drei Krieger zugleich warf und zwar von ihnen verwundet wurde, aber alle drei tötete.

»Tai' Haastį' ist sehr freundlich zu mir. Er hat mich zu sich eingeladen, wir haben gesprochen und die Pfeife geraucht!«

Jetzt schlug Winnetou dem Freund lachend auf den Rücken.

»Oriole, du bist ein guter Mann! Gehst hin und rauchst mit dem Vater deiner Angebeteten die Pfeife! Und dann überlegst du noch, wie du bei der großen Zeremonie vor Nah-de-yole treten sollst und ihr sagst: ›Sheth she~n zho~n‹.«

Als Winnetou gar nicht aufhören wollte zu lachen, stimmte schließlich auch Oriole ein und fasste wieder Mut.

»Ja, du hast ja recht, Winnetou. Ich werde sie also fragen.«

»Abgemacht, und Oriole – du bist ein Krieger und hast es mehrfach bewiesen. Du bist ein guter Fährtenleser und geschickter Jäger. Also wird auch Tai' Haastį' froh sein, einen solchen Mann für seine Tochter gefunden zu haben. Sein Haar wird weiß, und er ist nicht mehr so schnell wie früher. Das ist alles gut und soll so sein, und du wirst in dieser Familie dafür Sorge tragen, dass alle genügend zu essen bekommen!«

»Kommst du jetzt mit zum See?«, erkundigte sich Oriole plötzlich.

»Natürlich, es ist schließlich heiß genug, um etwas zu schwimmen! Jetzt dürften auch die Frauen dort nicht mehr zum Waschen sein. Also los – wer der Letzte ist, hat verloren!«

Damit spurtete Winnetou schon los, und lachend folgte Oriole ihm.

Es gab einen kleinen Seitenarm, der Wasser vom Rio Pecos zum Pueblo führte. Schon vor Jahren hatten die Männer den Graben vertieft und das Wasser in eine natürliche Mulde geleitet. Hier konnten nun die Frauen problemlos Wäsche waschen, die Kinder lernten schwimmen und die Erwachsenen nutzen den kleinen See, der sich hier nach und nach gebildet hatte, zum Baden. Das Wasser war seicht, nur an manchen Stellen reichte es bis zur Schulter. Dadurch erwärmte es sich auch schnell und hatte in den Sommermonaten eine angenehme Temperatur.

Fast gleichzeitig stürzten sich die jungen Männer in die Fluten, alberten herum wie Kinder und lagen schließlich im Uferbereich noch eine ganze Weile im Wasser, um das Baden zu genießen.

Als sie sich endlich entschlossen, mit Einbruch der Dämmerung zurück ins Pueblodorf zu laufen, sagte Oriole so laut er konnte:

»Ich tue es, mein Bruder! Am Tag ihrer Ritualfeier!«

Lachend liefen die beiden jungen Krieger Seite an Seite zurück in ihr Dorf.

 

 

2. Kapitel

 

Als man den Gefangenen schließlich vor den Rat brachte, hatte Intschu-tschuna den erfahrenen Na'iłtsóh (Eichhörnchen) gebeten, das Gespräch zu führen. Er selbst verstand zwar einiges von dem Shoshoni, das dem Comanche ähnlich ist, aber für eine fließende Unterhaltung besann er sich auf die Fähigkeiten des alten Mannes, der in früheren Jahren mehr Kontakte zu den Racurroh-Comanchen hatte und ihre Sprache beherrschte.

Wie immer, hatte Intschu-tschuna seine schwarzen Haare zu einem helmartigen Schopf gebunden, in dem eine Adlerfeder als einziges Zeichen seiner Häuptlingswürde steckte. Dazu trug er seine Alltagskleidung, den ledernen Jagdrock, die Leggins und zierlich bestickte Mokassins in der Art, wie sie von den Indianern der Plains bevorzugt wurden – also Mokassins, die er überwiegend im Pueblo trug. Neben ihm lag die mit silbernen Nägeln beschlagene Büchse, auf der anderen Seite das Kalumet mit dem aus dem weichen, roten Ton der heiligen Pfeifenbrüche geschnittenen Kopf, der wie der eines Adlers geformt war. Die Ältesten waren um ihn versammelt und empfingen den Gefangenen mit starren Gesichtern, aus denen sich keine Regung erkennen ließ.

Der gefangene Krieger stand hoch aufgerichtet vor der Ratsversammlung.

Er war ein hünenhafter Mann, breitschultrig, mit einem sehr muskulösen Oberkörper, den er nur mit einem weit offenstehenden Jagdhemd aus Hirschleder bekleidet hatte. Neben dem Lendenschurz trug er ein paar weiche Mokassins, keine Leggins. Sein Aussehen zeigte den erfahrenen Kriegern, dass er nicht sehr weit geritten war, bevor Lozen ihn überwältigte. Kein Apache wäre auch nur eine Meile ohne Leggins und Mokassins ohne harte Sohle durch die unwegsame Ebene mit ihren zahlreichen Kakteen geritten. Das Fehlen von Leggins bewies zudem, dass der Comanche den größten Teil des Weges auf einem Pferd zurückgelegt hatte. Lozen war ihm mit einem kühnen Sprung auf den Rücken gehechtet und hatte den Comanchen niedergeschlagen.

Vor dem Krieger lagen jetzt seine Waffen ausgebreitet, allerdings in sicherer Entfernung.

Dabei handelte es sich um eine alte Longrifle mit Steinschloss, ein Messer, Tomahawk, Kugelbeutel und Pulverhorn.

Finster blickte der Comanche seine Gegner an, dann straffte sich seine Figur und sein Gesichtsausdruck veränderte sich zu einem überheblichen Lächeln.

»Du bist ein mutiger Mann, und das Volk der Apachen zollt einem mutigen Krieger Achtung. Da niemand von uns einen Comanchen in sein Dorf gebeten hat, wirst du uns erzählen, warum du hierhergekommen bist. Und warum du allein gekommen bist, und deine Krieger einen halben Tagesritt von hier warten lässt«, ergriff Intschu-tschuna das Wort. Bei der Erwähnung der Comanche-Krieger zuckte es kurz im Gesicht des Kriegers. Er mochte sich gewundert haben, dass der Häuptling die richtigen Schlüsse gezogen hatte. Aber gleich darauf hatte er sich wieder vollkommen unter Kontrolle, reckte trotzig das Kinn nach vorn und sprach schnell, was der alte Na'iłtsóh sogleich übersetzte.

»Ich bin Tschu-ga-chat, der Dunkle Rauch, Häuptling der Racurroh-Comanche. Wir haben zwei gefangene Apachen in unseren Händen und bieten sie euch zum Tausch.«

Intschu-tschuna blieb vollkommen ruhig bei diesen Worten, und auch der Rat der Alten ließ sich nichts anmerken. Es konnte sich nur um einen jungen Krieger handeln, denn die erfahrenen Krieger befanden sich alle im Pueblo. Der Häuptling dachte jedoch sofort an Goshe, der unterwegs zu Goyaałé (Geronimo) war, um ihn zur Ratsversammlung einzuladen. Nach den nun schon einige Zeit zurückliegenden Ereignissen am Yusin gah’e, dem See der Geister, den der junge Haadi’a trotz der brennenden Oberfläche durchschwimmen musste und seit dieser Zeit seinen Kriegernamen Winnetou trug, machten die neuesten Ereignisse eine Zusammenkunft aller Häuptlinge erforderlich. Intschu-tschuna, der nun von allen Stämmen als oberster Natan (Anführer) anerkannt wurde, hatte dem jungen Krieger diesen ungefährlichen Ritt zu Goyaałé übertragen.

Goshe hatte nach Oriole und Winnetou seinen Kriegernamen erlangt, die Zeremonie lag erst wenige Monde zurück.

Auf die Ankündigung des Comanchen reagierte niemand im Rat.

Tschu-ga-chat brach als Erster das Schweigen.

»An den Feuern hat man ihre Namen noch nicht gehört. Die jungen Apachen sind unerfahren und den Kriegern der Comanche wie Kinder in die Arme gelaufen.«

Wieder schwieg er und musterte die unbewegten Gesichter des Rates.

»Aufgrund ihrer Jugend und Unerfahrenheit haben wir sie nicht getötet. Ihre Namen haben sie uns gesagt. Sie lauten Goshe und Chuchip.«

Wieder ließ er seine Worte wirken, aber keiner der Apachen hatte bei der Nennung der Namen auch nur mit einem Augenlid gezuckt. Es war, als würde der Comanche gegen eine Wand sprechen. Schließlich hielt Tschu-ga-chat selbst das Schweigen nicht länger aus und sagte nun etwas, das der alte Na'iłtsóh nicht sofort übersetzte. Er starrte vielmehr den Gefangenen erstaunt an, dann übersetzte er das Gesagte:

»Tschu-ga-chat ist ein mächtiger Häuptling. Aber er ist es leid, ständig Krieg mit den Apachen zu führen. Die beiden jungen Krieger werden deshalb gegen zwei Frauen aus eurem Volk ausgetauscht werden. Diese Frauen geben wir zwei unserer besten Krieger. Damit wird wohl endlich Frieden zwischen unseren Völkern herrschen.«

Intschu-tschuna zeigte zum ersten Mal eine Regung.

»Tschu-ga-chat mag bei seinem Stamm ein Häuptling sein. Intschu-tschuna ist der oberste Natan aller Apachen. Was er hier von einem Gefangenen hört, ist wie das Krächzen von gaagé (Krähe) oder das Jaulen von ba'cho (Wolf).

---ENDE DER LESEPROBE---