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Das Verhältnis in der Gesellschaft zu Alkohol darf durchaus ambivalent gesehen werden. Einerseits ist es ein beliebtes Genussmittel. Wein wird erzeugt und getrunken seit es Menschen gibt. Andererseits ist es ein allgemein toleriertes Suchtmittel, in dessen Folge schon unendlich viel Leid und menschliche Tragödien entstanden sind. Wie Alkohol genutzt wird, liegt wohl in der persönlichen Verantwortung des Einzelnen. Oft sind es aber die kleinen oder großen Verführer, die sehr verlockend zu einem Gläschen einladen - und wer labil ist, landet schnell in den Fängen der Unselbständigkeit und wird zum bedauernswerten Opfer.
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Seitenzahl: 263
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Das Verhältnis der Gesellschaft zum Alkoholkonsum darf durchaus ambivalent bezeichnet werden. Einerseits ist Alkohol in den verschiedensten Formen ein beliebtes Genussmittel. Wein wird erzeugt und getrunken seit es Menschen gibt. Wir wissen außerdem von Tieren, die einmal Erfahrung mit gärendem Obst machten und danach regelmäßig instinktiv die berauschende Quelle aufsuchten. Andererseits ist es ein von der Gesellschaft toleriertes Suchtmittel, in deren Folge schon unendlich viel Leid entstanden ist und menschliche Tragödien geboren wurden.
Sicher, wie Alkohol genutzt wird, liegt wohl alleine in der Verantwortung des Einzelnen, oft sind es aber die kleinen und großen Verführer, die sehr verlockend zu einem Gläschen einladen – und wer labil ist, landet schnell in den Fängen von Unselbständigkeit und wird zu einem bedauernswerten Opfer der Abhängigkeit.
Das Rauschtrinken, auch „Komasaufen“ genannt, bleibt unter den heranwachsenden Jugendlichen zwar eher die Ausnahme und ist erfreulich gesehen rückläufig – trotzdem gibt es immer noch Tausende von Opfer. In 2015 wurden in Deutschland noch 22.000 Kinder und Jugendliche gezählt, die wegen zu viel Alkoholkonsum in Kliniken behandelt werden mussten.
Die Statistik besagt, dass von 100.000 Mädchen und Jungen zwischen 10 und 19 Jahren durchschnittlich 277 betroffen sind. Mit ein Grund oder die eigentliche Ursache dürfte sein, dass am Beispiel der Erwachsenen gerne für ein bevorstehendes geselliges Treffen „vorgeglüht“ wird und es dann aus dem Ruder läuft. Vom Spaß zum Ernst ist es nur ein kleiner Schritt.
Walter W. Braun
Bühl, Februar 2017
Überarbeitet November 2021
Vorwort
Alkohol im biblischen Kontext und in der Antike
Alkohol zu hygienischen und anderen Zwecken
Eigene Erfahrungen im Umgang mit Alkohol
Wieder im Zivilleben zurück
Alkoholkonsum, ein gesellschaftliches Übel?
Alkohol am Arbeitsplatz
Menschliche Tragödien infolge Alkoholsucht
Ein tragisches Ende
Begegnung mit skurrilen Individuen
Ein Massenphänomen
Ultimative Nachbetrachtung
Die Bezeichnung „Alkohol“ entstammt der arabischen Sprache und bedeutet so viel wie: „das Edelste, das Feinste“. Trifft das den Kern der Sache oder ist es Übertreibung? Die Antwort wird wohl in der persönlichen Sichtweise und Bewertung des Einzelnen liegen müssen und ist zudem eine Frage des Geschmacks. Und ein tief religiöser Mensch sieht das vermutlich völlig anders als ein Lebemann oder ein Genussmensch, ein Genießer.
„Am Anfang war der Rausch. War das Staunen über die Wandlung von Traubensaft in ein gärendes Getränk, dessen Genuss die Sinne benebelte und enthemmte. Der ägyptische Dichter Nonnos besingt in seinem Epos Dionysiaka, wie Dionysos, der Sohn des Zeus, begleitet von Tigern und erregten Mänaden, von trunkenen Silenen und bocksfüßigen Satyrn gen Indien und dann gen Westen zog, um die Menschheit mit dem orgiastischen Trunk zu beglücken – und zu verführen.
Dieses narkotisierende Potenzial überraschte bereits den Kyklopen Polyphem in Homers Odyssee. Der einäugige Hirtenriese hatte Odysseus samt Gefährten in seiner Grotte am Fuße des Ätna eingesperrt und begann, die ersten Gefangenen zu verspeisen. Erst als Odysseus listig das Monstrum aus einem mitgebrachten Weinschlauch tränkte, konnte der weinunkundige Kannibale geblendet werden.
Symbol des Abendlandes
Als den ersten Betrunkenen oder sagen wir besser, dem ersten Opfer des Alkohols in der biblischen Geschichte, dürfte der biblische Patriarch Noah zu sehen sein und den Erfinder des Weinbaus. Dieser soll nach dem Verebben der Sintflut die ersten Reben gepflanzt und sich ahnungslos an seinem Eigenbau derart berauscht haben, dass er im Weinberg mit entblößtem Geschlechtsteil einschlief. Byzantinische Ikonen zeigen die Szene, wie die Söhne ihren Vater wieder schicklich bedecken.
Und noch einmal spielt der Wein im Alten Testament eine anstößige Rolle. Loths Töchter verführen nach der Vernichtung von Sodom und Gomorrha ihren durch Rebensaft enthemmten Vater zum Inzest, auf dass die Wurzel Jesse weiterblühe.
Es mögen neben pragmatischen Motiven auch solche anzüglichen Bibeltexte gewesen sein, die das Alkoholverdikt des Islam auslösten. Heute erzeugen dionysische Stammlande wie Persien (die Shiraz-Rebe stammt aus dem Iran) nur noch Rosinen. Im Judentum hingegen etablierte sich der Wein als fester Bestandteil des Kultus. Der gemeinsame Trank aus dem mit koscherem Rotwein gefülltem Kidduschbecher leitet symbolisch von der Arbeitswoche zum Feiertag des Sabbat über. Und aktuell zählen israelische Weißweine von den Golanhöhen zu den besten des asiatischen Raums.
Zu einem zentralen theologischen Symbol wertete das Christentum das Rebenblut auf. Das Standardmotiv der Girlanden mit Winzerputti in frühchristlichen Mosaiken römischer Basiliken (und Kirchenfußböden Syriens und Jordaniens) bezeugt, dass die chemische Gärung von Traubensaft zu Alkohol (Spiritus) als Symbol der Wiederauferstehung gedeutet wurde. Mystisch wird es bei der katholischen Lehre von der Transsubstantiation, der Wandlung von Wein in Christusblut im Moment der Eucharistie. Die Gleichnisse vom Weinberg des Herrn und der Weinvermehrung Christi bei der Hochzeit von Kanaa stehen für positive Gewichtung – auch wenn protestantische Theologen an dem „Luxuswunder“ herummäkeln. Schließlich war der Christuswein wohlschmeckender als der, der ursprünglich den Gästen eingeschenkt wurde. War Jesus etwa ein Gourmet oder ein vom Himmel gesandter Sommelier?
Ein rituelles gemeinsames Mahl mit Weingenuss gilt als Bekräftigung des christlichen Glaubens. Vielleicht auch deswegen, weil Keltern früher ein archaisches dörfliches Gemeinschaftserlebnis war, an das Religion anknüpfen konnte? Die riesigen Torkeln und Pressen (wie sie noch heute in einigen Bodenseedörfern stehen) ließen sich nur im Kollektiv bedienen. Das gemeinsame Stampfen der Reben, wie man es mit Glück in abgelegenen griechischen Inseldörfern auf Lefkada erleben kann, erinnert von fern an die wilden Erntedankfeste der archaischen Gesellschaft, die mit ihren berauschten Chören die Entwicklung des europäischen Theaters, der Tragödie und Komödie auslösten.
So haftete dem Weingenuss a priori etwas Göttliches, Kosmisches, Ekstatisch-Entrücktes an. Sicher, die antiken Griechen hatten die Abgründe des Alkoholismus geahnt, stritten sich, ob Dichter fantasiereicher seien, wenn sie Wasser oder Wein tränken. Hellenen mischten den Wein im Krater mit Honig, Kräutern und Wasser zum wermutartigen Mix. Vasenbilder von Symposien mit ihren ausgelassen Weintropfen umherschnippenden Zechern zeigen ebenso wie archäologische Grabungen: Wein wurde in der Antike zum mediterranen Alltagsgetränk, nicht nur zum Gegenstand horazischer Oden. Den römischen Legionären stand ihre tägliche Ration zu.
Trinkfreuden im Alltag
Durch das önologische Erbe der Antike, durch die christliche Pflicht, Messwein zu produzieren, wurde Weinbau zum identitätsstiftenden Symbol des Abendlandes. Zu den Provinzen des einstigen Imperiums Romanum, wo er klimatisch möglich war, zählten nun auch Frankreich und Germanien. Im Mittelalter müssen die hierzulande bestellten Flächen enorm, der Konsum gewaltig gewesen sein. Wer es sich leisten konnte, trank aus hygienischen Gründen täglich literweise Wein. Dem Brunnenwasser misstrauten die meisten – ähnlich wie heute indischem Leitungswasser. „Hübsche Frauen gestehen, dass ihre Kinder mit der Mutterbrust zugleich Wein genießen“, notiert noch Goethe beim Bingener Rochusfest. Doch der Wein der Vergangenheit dürfte ein leichteres Getränk gewesen sein als die hochgezüchteten Prädikatstropfen der Gegenwart. Dünn, alkoholarm wie portugiesischer Vinho Verde, oft gefürchtet sauer, nicht selten zu Essig kippend. Es geht das Gerücht, dass im 15. Jh. der Mörtel für den Turm des Wiener Stephansdoms mit überschüssigem Wein angerührt wurde. In Shakespeares Richard III. wird der Herzog von Clarence stilecht in einem Weinfass voll süßen Malmsey aus der Ägäis ersäuft.
Der Herrgott hat dich nicht zum Weinschlauch geschaffen, wetterte der durchaus trinkfreudige Luther. Doch Trinken hatte in der vorindustriellen Gesellschaft einen anderen Charakter als heute. Wein war Alltagsbegleiter, der Rhythmus des Rausches wechselte mit dem Takt der Arbeit. Seit einigen Jahren haben italienische Werbestrategen den Terminus Vino da meditazione für hochprozentige Barrique-Rotweine geprägt. Umgekehrt könnte man traditionelle leichte Alltagsweine wie Elbling oder immer rareren hellroten Südtiroler Grauvernatsch als Vino da lavoro bezeichnen: Wein, den man auch vormittags zur Arbeit schon verträgt. Oder vertrug, als diese noch hauptsächlich manuell war.
Dieser Wandel lässt sich an der Gefäßkultur ablesen. Die überdimensionierten Kannen und Humpen, die man in Schatzkammern und als Ratssilber bewundern kann, scheinen einer vergangenen Epoche zu entstammen. Die Halbliterweingläser auf Pfälzer Volksfesten gelten allmählich ebenso als Exoten wie österreichische Dopplerflaschen oder Maßkrüge im Alltagswirtshaus. Glasmanufakturen und Spitzenwinzer verdanken ihr Geschäft nebenbei den Punktesammlern von der Flensburger Verkehrssünderkartei. Der führerscheinerhaltende Zehntelliter im Degustationsglas hat fast vollständig den Viertel-Schoppen im Römer verdrängt. Angesagt ist Null-Eins im schlanken Riedelglas.
Der sorgenlösende Wein, das Geschenk des Dionysos, ist in der Moderne angekommen. Nicht mehr dörflicher Erntedankrhythmus, sondern die Bedürfnisse der städtischen Arbeitswelt und das Ideal permanenter Fitness bestimmen seinen Konsum. Sommeliers, die Geschmacksnuancen deskriptiv herausfiltern; Etiketten, die Alkoholgehalt, Abfüllungsjahr und Rebsorten beschreiben, führen zur ampelografischen Intellektualisierung, ja partiellen Informationsüberfrachtung beim Weingenuss. Das ganze Outfit der Weinwelt zielt immer mehr auf den apollinischen Ästheten als den dionysischen Zecher.
Unbestritten: Wein ist edler, feiner, raffinierter geworden, aber auch gentrifiziert und gesitteter. Am ehesten schwingt beim Anstoßen mit seinem feudaleren Spross, dem Champagner aus der korkenknallenden Bouteille, noch etwas vom anarchisch-erotischen Urpotenzial des Göttertrankes mit. 1)
Unbestritten ist, alkoholische Getränke kennt die Menschheit seit Ackerbau betrieben wird. Funde, wie eine 8000 Jahre alte Weinkelter aus Assyrien zeugen davon, ebenso über 6000 Jahre alte Bildnisse der Ägypter.
Die Ägypter kannten fundierten Überlieferungen zufolge neben dem Weinbau auch Bier als Getränk. Es wurde unter Verwendung von Hopfen, Gerste und dem Urgetreide Emmer hergestellt. Das Gebräu wird zwar eher mit Malzbier vergleichbar gewesen sein und dürfte geschmacklich wenig mit den uns heute bekannten Bieren zu tun gehabt haben. Für die Bevölkerung war es ein Grundnahrungsmittel und es stand sogar den Sklaven zu. Natürlich bekamen auch Kinder eine bestimmte Menge Bier zu trinken, was wiederum hygienische Gründe gehabt haben dürfte.
Der ständig forschende und suchende Mensch mag ursprünglich rein zufällig auf die berauschende Wirkung bestimmter Stoffe gekommen sein. Es erging ihm nicht anders als bestimmten Tierarten, von denen wir heute wissen, sie futtern gärende Früchte und sind hinterher berauscht.
Das Erlebnis schreckte die Tiere keinesfalls ab, im Gegenteil. Aus Afrika sind Elefanten- und Affenherden beobachtet worden, die regelmäßig zu bestimmten Bäumen pilgerten, deren hochreife Früchte zu Boden gefallen und durch den hohen Zucker- und Wassergehalt in Vergärung übergegangen sind. Die gemachte Erfahrung, die daraus gewonnene Information, wurde flugs den eigenen Nachkommen weitervermittelt, und so suchten die Tiere seither bewusst das ihnen offensichtlich Vergnügen bereitende berauschende Mahl.
Denkbar ist, so war es bestimmt einst auch beim Homo sapiens oder dessen noch älteren Vorfahren der Gattung Homo, dass sie nach dem Verzehr bestimmter Früchte eine nicht unangenehme Veränderung feststellten und dann fortan gezielt den berauschenden Zustand suchten.
Daraus entwickelten sich mit der Zeit immer mehr verbesserte Verfahren zur Herstellung eines Getränks, das sie in Zusammenkünften und bei Siegesfeiern stimmungsfördernd oder in der Trauer tröstend begleitete. Die Gründe für den bewussten Alkoholgenuss mögen vielfältig gewesen sein, er hat sich dann kultiviert, und so ist es bis zum heutigen Tag geblieben.
Alleine die Bibel nennt das Substantiv Wein in vielen Textstellen. Forscher, die es genau wissen wollten, zählten einmal nach und kamen auf 176 Hinweise. Ergänzt mit weiterem, was irgendwie im Zusammenhang mit Wein erwähnt wird, finden sich sogar 513 Stellen, bei denen das Sinnbild Wein oder der Weinstock Erwähnung fand. Nicht unerwähnt bleibt da und dort die Erzählung von unerwünschten Folgen, die der Genuss von Wein oder allgemein Alkohol so mit sich brachte.
Die Bibel berichtet in 1. Moses 9.20. ff. auch erstmals vom übermäßigen Alkoholgenuss und dessen dramatischen, nachhaltigen Folgen, wie oben schon erwähnt. Da lesen wir: „Noah aber, der Ackermann, pflanzte als Erster einen Weinberg. Und da er von dem Wein trank, ward er trunken und lag im Zelt aufgedeckt. Als nun Ham – Kanaans Vater – seines Vaters Blöße sah, sagte er’s seinen beiden Brüdern draußen. Da nahm Sem und Jafet ein Kleid und legten es auf ihrer beiden Schultern und gingen rückwärts hinzu und deckten ihres Vaters Blöße zu; und ihr Angesicht war abgewandt, damit sie ihres Vaters Blöße nicht sähen.“
Infolge dieses Ereignisses fluchte Noah seinen Enkel Kanaan, den Sohn Hams und Stammvater eines Volkes südlich Ägypten: „Er sollte fortan seinen Brüdern ein Knecht aller Knechte sein.“ Bemerkenswert ist, die Strafe traf im Kontext damaliger Ehr- oder Moralauffassung nicht den eigentlichen Übeltäter Ham, sondern dessen Sohn und Enkel Noahs.
Das erwähnte Ereignis soll später zur christlichen Rechtfertigung für eine Versklavung der afrikanischen Bevölkerung durch die Europäer und Amerikaner geführt und gegolten haben. Im farbigen oder dunkelhäutigen Menschen sah man eine mindere Rasse, die es zu verfolgen und zu versklaven galt. Somit erfüllte sich, mit weitreichenden Folgen für Millionen Menschen, der Fluch über das frevelhafte Verhalten eines der Söhne von Noah.
Gewissermaßen zu einem Mahnruf wurde „das Menetekel“. Gemeint ist eine Schrift, die der Prophet Daniel einst dem König Belsazar deuten musste. Dieser mächtige König hatte an der Wand eine geheimnisvolle Schrift gesehen und las die Worte: „Mene mene tekel u-pharsin“, verstand dessen Sinn aber nicht. Der seherische Prophet offenbarte sie ihm – auf seinen Befehl hin – sinngemäß so: „Gewogen und zu leicht befunden“, und „Gott hat die Tage deiner Herrschaft gezählt.“
Diesem biblisch geschilderten Ereignis ging eine – im Sinne jüdischer Gesetze – gotteslästerliche Tat voraus: Der König hatte im Rausch die silbernen und goldenen Kultgefäße entweiht, die einst sein Vater König Nebudkadnezar hatte aus dem Tempel in Jerusalem rauben lassen. Auslöser für Belsazars unheilvolle Tat war ein großes Gelage mit rund 1000 Gästen. Dazu ließ der König die gestohlenen Gefäße herbeischaffen und spottend trank er daraus Wein, um seinen Frauen und Nebenfrauen damit zu imponieren.
Die Erfüllung der göttlichen Botschaft ließ nicht lange auf sich warten. Unmittelbar darauf starb der Schänder. Sein Reich wurde bald danach geteilt und zerfiel.
Daniel lebte dagegen konsequent nach seinem von den Vätern überlieferten Glauben und folgte den damit verbundenen strengen Gesetzen und Ritualen. Er und seine Freunde weigerten sich in der Jugendzeit und Gefangenschaft am Königshof in Babylon, die fremden Speisen zu essen und vom Wein zu trinken. Die Weigerung hätte sowohl für die jungen Männer, als auch für den Speisemeister, den Tod bedeuten können. Dagegen wurde Daniel für seine Standhaftigkeit von Gott mit besonderen Fähigkeiten gesegnet und errang später eine herausragende Stellung im Königreich.
Allgemein bekannt ist in der Christenheit auch der biblische Bericht über den Auszug der Israeliten aus der ägyptischen Gefangenschaft. Zwölf Botschafter des Volkes hatten auf Weisung Moses das verheißene Land Kanaan erkundet. Nach der Rückkehr berichteten zehn von ihnen mit Furcht erfüllt von Riesen in diesem Land, aber auch von großer Fruchtbarkeit der Felder. Zum Beweis hatten sie ungewöhnlich große Trauben mitgebracht.
Das war ein eindeutiger Beleg dafür, dass die Bewohner des fruchtbaren Landes Kanaan, in dem nach der göttlichen Verheißung Milch und Honig fließen soll, den Weinbau schon kannten und erfolgreich für sich genützt hatten.
Zunächst noch wird der Wein, der praktisch überall im Lande gedieh, als Gottesgabe verstanden. Der biblische Stammvater Isaak lässt sich, bevor er seinen Sohn Jakob segnete, mit Wein bewirten, und in seinem Segenswunsch wird der Wein ausdrücklich erwähnt. „Gott gebe dir vom Tau des Himmels und von der Fettigkeit der Erde und Korn und Wein die Fülle“ (1. Mose 27.28).
Alkoholische Getränke spielten im Alltag für die Israeliten somit eine bedeutende Rolle. Vornehmlich war es Wein, mit dem sich die Bevölkerung ausreichend Flüssigkeit zuführte. Dies war in einem Land mit großer Hitze überlebenswichtig. Der Wein als Getränk hatte somit nicht nur liturgische Gründe und war fester Bestandteil des kulturellen Lebens, er war vornehmlich ein wichtiges und aus hygienischen Gründen unentbehrliches, unbedenkliches Lebensmittel. Wein wurde zu jeder Mahlzeit gereicht und selbstverständlich jedem Gast dargeboten.
Wein durfte bei keiner Feier fehlen, und sollte er dem Gastgeber einmal bei den ausschweifenden, manchmal mehrere Tage andauernden Veranstaltungen ausgehen, kratzte das sehr an seinem Ansehen. Nicht ohne Grund hat deshalb Jesus Christus in seinem ersten bekannten, öffentlichen Wunder – während der Hochzeit zu Kana – aus Wasser Wein gemacht. Und wie der verantwortliche Speisemeister dann verwundert bestätigte, nicht den schlechtesten. Er drückte das sinngemäß so aus. Normalerweise bietet man den Gästen anfangs den guten Wein und wenn alle schon etwas berauscht sind, dann den qualitativ schlechteren. Bei diesem Wunder war es offensichtlich umgekehrt.
Einen oder mehrere Weinberge zu besitzen bedeutete im Altertum hohes Ansehen und großen Reichtum. Das Getränk Wein war wertvoll, weil er das ganze Jahr über besonderer, intensiver Bearbeitung und Pflege bedurfte.
„Der Wein erfreut des Menschen Herz“ lesen wir in den Psalmen 104.15. Wein war überdies nicht nur eine Freudenquelle, er wurde gezielt als Medizin empfohlen, wie es Paulus seinem Freund und Schüler Timotheus riet: „Trink nicht nur Wasser, nimm ein wenig Wein um deines Magens willen!" (1. Timotheus 5.23)
Dieser fürsorgliche Rat des Paulus erstaunt umso mehr, da er eigentlich ein strikter Gegner von Alkohol war. Vielfach werden sinngemäß seine Warnungen zitiert: „Sich besser vom Geist Gottes berauschen zu lassen, als vom Wein.“ Gerade Paulus gilt als Vorbild in der christlichen Enthaltsamkeit. Wie ein griechischer Wettkämpfer beherrschte er vollkommen Körper und Geist.
Jesus Christus machte Brot und Wein zur unabdingbaren Voraussetzung für das von ihm eingesetzte Abendmahl, der Eucharistie als sakrale Handlung. Nach Matthäus kündigte er in der Abschiedsrede seinen Tod mit den Worten an: „Non bibam a modo de hoc genimine vitis, usque in diem illum cum illud bibam vobiscum novum in regno patris mei“ (Matthäus 26. 29). In der Lutherbibel von 1984 ist das so übersetzt: „Ich werde von nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken bis an den Tag, an dem ich von neuem davon trinken werde mit euch in meines Vaters Reich.“
Strittig – oder zumindest nicht eindeutig geklärt – ist allerdings, das muss in diesem Kontext erwähnt werden, ob es sich bei dem Wein um ein alkoholisches Getränk handelte oder nur um den Saft der Trauben, also harmloser, unvergorener Traubensaft.
Wiederum andere Bibelstellen warnen deutlich vor dem Weingenuss: „Der Wein macht Spötter und starkes Getränk macht wild; wer davon taumelt, wird niemals weise", können wir in Sprüche 20.1 lesen oder: „Hurerei, Wein und Most nehmen den Verstand weg", in Hosea 4.11.
In Sprüche 23.20-35 finden wir den Zustand eines Betrunkenen und die Folgen von Sauferei drastisch geschildert. So folgern konservative Christen daraus, dass Alkohol zu verbieten sei und beziehen sich auf Galater 5.21, wo es wiederum Paulus ist, der warnt: „Neid, Saufen und Fressen und dergleichen, davon habe ich euch vorausgesagt und sage es noch einmal voraus: Die solches tun werden das Reich Gottes nicht erben.“ Für Paulus ist solches Tun schlichtweg „Satanswerk“ oder anders bezeichnet: „das Werk des alten Adam (Menschen).“
Geradezu lasziv liest sich die Geschichte nach 1. Mose 19.30.ff. nachdem Lots Töchter in Sodom und Gomorrha ihren Vater bewusst betrunken gemacht haben, um ihn dann enthemmt zum Inzest zu verführen: „auf dass die Wurzel Jesse weiter blühe.“ Durch ihre listige Verführung und weibliche Initiative wurden sie tatsächlich schwanger und Lot so zum Stammvater der Moabiter und Ammoniter.
Bei näherer Betrachtung muss man sich aber bewusst machen, Ehen unter Geschwistern waren seit Adam und Eva gang und gäbe, ja zur Entwicklung der Menschheit geradezu unabdingbar.
Oft wird beim Lesen der Schöpfungsgeschichte und der Betrachtung von Kain und Abel nach 1. Mose 4.1-16 übersehen, dass Kain der Ältere und Abel der Zweitgeborene jeweils eine ihrer Schwestern zur Frau nahmen und so für Nachkommenschaft sorgten. Denn zu Urmutter Eva gibt es nur den kurzen Hinweis: „Sie gebar Söhne und Töchter“. Frauen wurden aber in der archaischen Welt nicht explizit, oder wenn, dann nur am Rande erwähnt.
Erst unter der Ägide Moses gab Gott dem Volke Israel ein Gebot, nachdem eine Vermählung unter Geschwistern in direkter Linie nicht mehr sein durfte. Dies war vermutlich einerseits zur Bevölkerungsentwicklung nicht mehr nötig, andererseits ging inzwischen der Nachteil für die menschliche Entwicklung in eine negative Richtung und führte durch die enge Vermischung eher zu erblichen Schäden.
Andere Völker und Religionen der Antike verehrten keinesfalls weniger alkoholische Getränke. An erster Stelle sei Met genannt, aus Wasser und Honig hergestellt. Met ist ein Name, der aus dem indogermanischen Sprachraum entstammt. Mit Kirschen vergoren oder mit Kirschensaft gemischt, wurde Met Wikingerblut, Odinsblut oder Drachenblut genannt.
Der Honigwein wurde bei Feiern nicht nur in großen Mengen getrunken, sondern er diente vornehmlich als Trank der Götter zu kultischen Handlungen. Es wird vermutet, die Met-Gewinnung hat sogar noch eine ältere Tradition wie der Weinbau. Bekannt ist außerdem, dass Karl der Große ein großer Förderer der Met-Herstellung war.
Doch die Gewinnung von Bier im Norden und Wein im Süden drängte später Met zunehmend zurück, zumal das Naturprodukt Honig zum Zweck der Konservierung von Lebensmitteln und als Nahrungsmittel viel wichtiger und wertvoller war, als nur ein süffiges Getränk.
Die Genussmittel Met, Wein und Bier kannte man also schon seit Jahrtausenden. Der nächste Schritt in der Entwicklung des Alkohols folgte zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert. Durch arabische Alchimisten entwickelte sich die Destillation. Die Herstellung war jedoch sehr kompliziert und erforderte reichlich Fachwissen und Erfahrung. Dafür war das gewonnene Erzeugnis hochprozentig und dadurch in erster Linie sehr lange haltbar. Noch war es aber zu teuer für den allgemeinen Gebrauch. Das „aqua vitae“ (Lebenswasser) diente eher noch zu medizinischen Zwecken.
Außerhalb den biblischen Überlieferungen kannten und beherrschten die Ägypter schon seit etwa 3500 vor Christus die Weinherstellung. Eines der frühesten bekannten Beispiele für einen Fall von exzessivem Alkoholkonsum wird um 3000 vor Christus aus Ägypten berichtet. An den Wänden eines der Gräber der Könige von Memphis steht geschrieben: „Seine irdische Wohnstätte war von Wein und Bier gepachtet und zerschlagen worden und sein Geist flüchtete, bevor er gerufen wurde.“ 2)
Alexander der Große hatte den Ruf weg: „Der größte Säufer aller Zeiten zu sein“. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage wird jedoch heute kontrovers diskutiert.
Alle Völker hatten so ihre geliebten und liebgewonnenen Spezialitäten. Sie sollten dem Menschen den beschwerlichen Tag ein wenig erleichtern und verschönern. Die Griechen verehrten unter ihren vielen Göttern explizit einen Weingott. Nach Vorstellungen der Griechen hatte „Dionysos“ den Weinbau erfunden. Die Römer kannten den gleichen Gott, nannten ihn aber „Bacchus“. Dionysos vs. Bacchus war in der Zeit um Christi Geburt nicht ohne Grund der wohl populärste Gott im griechisch-römischen Raum.
Und noch eine Sage aus der Antike soll in diesem Zusammenhang erwähnt werden: „Der einäugige Hirtenriese hatte Odysseus samt Gefährten in seiner Grotte am Fuße des Ätna eingesperrt und begann die ersten Gefangenen zu verspeisen. Erst nachdem es Odysseus listig gelungen war, das Monstrum aus einem mitgebrachten Weinschlauch trinken zu lassen, konnte der, der Wirkung des Weins unkundige Kannibale außer Gefecht gesetzt und zum Schluss geblendet werden.“
Selbst dem sagenhaften Volk der Inkas in Bolivien war Alkohol nicht unbekannt und sie pflegten damit eine lange Tradition. Die Inkas stellten mit Chicha ein erfrischendes Alkoholgetränk aus Mais her. Sie gaben dem Getränk einen schlichten Namen, denn in ihrer Sprache bedeutet es nicht anderes wie: „Flüssigkeit“.
Und schließlich, der Bönnigheimer „Schnaps-Guru" Sartorius erwähnte in einem spannenden Vortrag einmal Empedokles, einen griechischen Philosophen. Dieser habe im 5. vorchristlichen Jahrhundert gelebt und die Lehre von den vier Urstoffen des Lebens – Erde, Feuer, Luft und Wasser – begründet. Seine Lehre sei für das naturwissenschaftliche Weltbild der Antike maßgeblich geworden und hat die Medizin nachhaltig beeinflusst.
Durch die Alkoholgewinnung und Herstellung eines brennbaren Wassers sei es plötzlich gelungen, eines der Elemente, nämlich das Wasser, in ein anderes, das Feuer, zu überführen. Das war revolutionär und bedeutete einen deutlichen Fortschritt in der bis dahin bekannten Wissenschaft.
Tatsächlich hat es das damalige Weltbild ganz schön durcheinander gebracht. Die ersten Rezepte der Alkoholgewinnung waren noch mit einem Schleier des Geheimnisses umgeben, wohl auch deshalb, weil Alkohol zunächst nur als Heilmittel Anwendung fand. Ursprünglich – so der Referent weiter – sei Branntwein, wie schon der Name sagt, nur aus Wein hergestellt worden. Erst viel später habe man erkannt, dass auch andere zuckerhaltige Stoffe, wie Obst, zur Alkoholgewinnung taugten. 3)
Seit dem 13. Jahrhundert verbreitete sich dann die Destillation in ganz Europa. Aber erst im 16. Jahrhundert begann der Siegeszug des auf diese Weise gewonnenen Branntweins als Genussmittel. Der Ausbau von Handels- und Verkehrswegen beschleunigte die Verbreitung. Später bekamen Soldaten einen Teil ihres Soldes in Form von Alkoholrationen vergütet. Das hatte zur Folge, dass während des 30-jährigen Krieges von durch Europa ziehenden Soldatenheeren der Alkohol in Form von Branntwein schnell in vielen Ländern bekannt wurde.
Es gäbe noch unendlich viele Beispiele zur Geschichte und dem Thema Alkohol anzuführen. Lassen wir es dabei bewenden. Wer sich mehr dafür interessiert, für den könnte folgende Internetadresse eine ergiebige Quelle sein: 4)
Wohl nicht ohne Grund gibt es zu allem rund um das Thema Alkohol eine Unzahl humorvoller Witze und noch mehr Sinnsprüche. Ich will nur ein paar wenige zitieren:
Einer der bekanntesten Sprüche geht so: „Das Wasser gibt dem Ochsen Kraft, dem Menschen Bier und Rebensaft. Drum danke Gott als guter Christ, dass du kein Ochs geworden bist.“
Ein anderer besagt: „Wird einer früh vom Tod betroffen, heißt's gleich, der hat sich tot gesoffen. Ist's einer von den guten Alten, dann heißt's, den hat der Wein erhalten.“ (Volksmund)
Aber auch: „Der Wein, der gilt als Sorgenbrecher, doch lediglich für frohe Zecher. Denn wer ihn baut und will verkaufen, kann öfter sich die Haare raufen.“
Von Wilhelm Busch (1832-1908) stammen die Sprüche: „Es ist ein Brauch von Alters her, wer Sorgen hat, hat auch Likör.“
Ich halte mich aber mehr an den Spruch, der ebenfalls Wilhelm Busch zugeschrieben wird: „Rotwein ist für alte Knaben eine von den besten Gaben.“
Und noch einer aus mir unbekannter Quelle: „Der größte Feind des Menschen wohl, das ist und bleibt der Alkohol. Doch in der Bibel steht geschrieben: Du sollst auch deine Feinde lieben."
Bacchus…
Dionysos, der Gott des Weines.
Beide Skulpturen stehen in Offenburg und sind Stiftungen von Senator Dr. Franz Burda
1 ) Rotary Magazin 12.2012 - Die Zähmung des Dionysos - Peter Peter 14.09.2012
2 ) aus: Ist Sucht eine Erfindung der Moderne? Zur Geschichte von Opium und Alkohol
3 ) aus Bietigheimer Zeitung
4) www.geschichte-lernen.net/geschichte-des-alkohols-antike-bis- weima rer-republik/vielfältige wissenschaftliche und andere Literatur.
In der Bevölkerung ist Alkohol als Genussmittel seit alters in allen Schichten anzutreffen, geschätzt und höchst willkommen. Die Erzeugnisse dienten und dienen vornehmlich dazu sich zu berauschen und sie sollen der Geselligkeit, den Festen und Feiern einen gewissen leichten Rahmen verleihen oder sie einfach verschönern. Ein Gläschen soll für Stimmung sorgen oder eine solche nachhaltig auflockern und dem Fest einen gewissen Glanz geben.
Natürlich gab es durchaus auch noch viele andere Gründe. Da wäre in erster Linie der Zwang zu nennen, die nachvollziehbare Notwendigkeit, dem Körper eine hygienisch unbedenkliche Flüssigkeit in ausreichender Menge zuzuführen.
Die meisten misstrauten aus gutem Grunde allgemein dem Brunnenwasser, das durchweg ähnlich bedenklich dem heutigen indischen Leitungswasser war, und das somit zu Recht. „Hübsche Frauen gestehen, dass ihre Kinder mit der Mutterbrust zugleich Wein genießen“, notiert noch Goethe beim Bingener Rochusfest.
Doch der Wein der Vergangenheit dürfte ein leichteres Getränk gewesen sein als die hochgezüchteten Prädikats-Tropfen in unserer Gegenwart. Dünn, alkoholarm wie portugiesischer Vinho Verde, oft gefürchtet sauer, nicht selten zu Essig kippend. Es gibt das Gerücht, dass im 15. Jahrhundert der Mörtel für den Turm des Wiener Stephansdoms mit überschüssigem Wein angerührt wurde. In Shakespeares Richard III. wird der Herzog von Clarence stilecht in einem Weinfass voll süßem Malmsey aus der Ägäis ersäuft. 5)
Fakt ist, viele Brunnen, Bäche, Flüsse und Seen waren in alter Zeit nicht so sauber, wie wir uns das heute in der allgegenwärtigen Diskussion zur Umweltverschmutzung vorstellen. Nicht nur die Abwässer verschmutzten in einer unglaublichen Weise die Städte, Dörfer und Bäche, sondern zusätzlich noch die Kadaver oder Fäkalien durch Wild und Tiere in der bäuerlichen Viehhaltung. Hinzu kam, die gängigen Aufbewahrungsbehältnisse aus Fell, Holzfässer, Ton und Glas wurden selten ausreichend und penibel genug gereinigt. So entstanden die verheerenden Krankheiten durch verunreinigtes Trinkwasser, wie die Cholera und andere Seuchen.
Erst seit rund 400 Jahren gibt es Wein in Flaschen. Die Römer kannten zwar schon das Glas. Das wäre aber rein zur Weinabfüllung viel zu teuer geworden. Gelagert und transportiert hat man den Wein überwiegend in Fässern oder Amphoren. Heute dienen Flaschen in vielfältigsten Formen und Farben nicht nur einer langen Lagerfähigkeit von Flüssigkeiten, wie Wein, Bier und anderen Spirituosen, sie sind überdies noch mehr ein variables Marketinginstrument, um den Verkauf zu fördern oder dem Produkt eine Exklusivität zu geben, kurzum es vom Wettbewerb abzuheben. Nehmen wir beim Wein nur das Beispiel der Flasche mit einem Affensymbol, das Markenzeichen der Affentaler Winzergenossenschaft in Bühl.
Je teurer die Spirituosen verkauft werden sollen, desto aufwendiger müssen das Glas der Flasche und das individuell gestaltete Etikett sein. Beim Wein kann die Form des Glases auch noch ein Gebietsmerkmal sein, wie zum Beispiel der Bocksbeutel für die Weinbauregion Franken. Diese Flaschenform darf in Baden, aus alter Verbundenheit mit dem Ursprung und aus einer 200-jährigen Tradition, nur noch in Neuweier, Steinbach und Umweg – das sind Stadtteile von Baden-Baden – vermarkten werden.
Das Element Wasser erwies sich aus hygienischen Gründen vielerorts als ungeeignet. Um den täglichen Flüssigkeitsbedarf zu decken, bedurfte es mehrere Liter zu konsumieren. Deshalb tranken die Menschen entweder dünnes Bier oder sie tranken Wein, der sicher eher mit Essig vergleichbar war.
Sowohl im Schwarzwald und auch bei den Schwaben ist bis heute der Most weit verbreitet – oder Französisch Cidre – und wird aus Äpfeln und Birnen gewonnen. Das war und ist eine preisgünstige Alternative. Die Mengen des benötigten Obstes gedeihen seit alters her reichlich auf den eigenen und heute wieder geschätzten und gepflegten Streuobstwiesen. Seit Generationen und über die Jahrzehnte werden die Bäume gehegt und dann an die Nächsten weiter vererbt. Heute weiß man das wieder mehr zu schätzen und besinnt sich im Trend auf die alte Tradition: hin zur Region und ortsnah dieses Schatzes vor der eigenen Haustüre.
Neuzeitliche Obstplantagen in Reih' und Glied mit nur mannshoch wachsenden Turbobäumen waren früher unbekannt. Doch „Gott sei Dank“, man erinnerte sich noch gerade rechtzeitig der alten Sorten, kultiviert und pflegt die Bäume wieder mit viel persönlichem Engagement und hohem zeitlichen Einsatz. Die robusten alten Obstsorten liegen voll im Trend. Vom Biobauern werden sie nicht gespritzt, sie sind länger haltbar und besser lagerfähig, viel aromatischer und deshalb populär, sowie stark im Kommen. Der nicht unwesentliche positive Nebeneffekt: Die alten Apfelsorten beinhalten keine der aggressiven Allergene so wie die neueren Sorten, die vielen Menschen Beschwerden bereiten. Auf der aktuellen Welle: „Zurück und hin zu regionalen Produkten“, geht der Trend inzwischen zunehmend zu den aus Apfelmost veredelten und gewonnenen Spezialitäten, wie Sekt – auch Apfelschaumwein genannt. Der Cidre, wie ihn die Franzosen bezeichnen und schätzen, wurde schon erwähnt.
Eine beliebte Eigentümlichkeit sind in diesem Zusammenhang die Vielzahl an Pralinen-Kreationen, die alkoholisch verfeinert wurden, so wie die sagenhafte „Moospfaffkugel“ der Nordracher Schocolaterie Chocho L, um nur ein Beispiel aus einer Reihe von zahlreichen Spezialitäten und zu nennen. Vermutlich hat so jede Region ihre eigenen Spezialitäten. „Mon Chéri“ und andere süße Verführungen haben eh einen festen Liebhaber-Stamm.
Und wer kennt nicht die edlen Brände aus Steinobst, Apfel, Birne und Getreide. Wieder im Kommen ist die uralte Spezialität Zibärtle, eine schon in der Jungsteinzeit kultivierte Wildpflaumenart, vergleichbar mit der Schlehe. Der Ertrag aus der Frucht ist gering und deshalb der edle Schnaps teuer. Selbst der ordinäre Rossler oder Topinambur – eine mit der Kartoffel verwandte Art – erfährt gegenwärtig eine Renaissance. Diesem Schnaps wird sogar eine positive Wirkung für Diabetiker nachgesagt. Immer vorausgesetzt natürlich, der Genuss hält sich in Grenzen.
Im Mittleren Schwarzwald ist seit alters her die Schnapsbrennerei in der Landwirtschaft eine wichtige zusätzliche Einkommensquelle, und das Brennrecht wird von Generation zu Generation vererbt. Das deutsche Branntweinmonopol sicherte in den letzten 100 Jahren den Kleinbrennern die vollständige Abnahme des gewonnenen Alkohols bis zu 300 Litern, und das zu einem lukrativen Preis, egal wie die Qualität ausgefallen ist. Der Staat selbst vermarktete dieses Quantum als Industriealkohol. Dieser für die Kleinbrenner wichtiger Absatzweg gibt es inzwischen aber zu deren Bedauern nicht mehr. Sie müssen seither selber sehen, wie sie ihre Erzeugnisse zu einem guten Preis auf dem Markt loswerden.