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Den legendären und fast 300 Kilometer langen Westweg im Alter von 78 Jahren laufen und dabei zahlreiche Höhenmeter im Auf und Ab überwinden, geht das überhaupt? Aber natürlich ja, wenn man körperlich noch fit, gut durchtrainiert ist und ausreichend Kondition besitzt. Das trifft bei mir als Autor und Akteur dieser Wegschilderung zu. Natürlich kommt das nicht von ungefähr. Ich bin im Schwarzwald aufgewachsen und war es von Kindheit an gewohnt, bergauf und bergab zu Fuß unterwegs zu sein. Außer einer kurzen Phase in der Jugendzeit, dann beim Wehrdienst in der Marine, mit einer außergewöhnlich harten Ausbildung, danach ein Jahrzehnt, in der es mich mehr ans Meer als in die Berge zog, war ich körperlich immer sehr aktiv. Besonders so ab Vierzig, nachdem ich mehrmals im Jahr auf größere Touren in die Berge ging und mit Bergführern auf hohe und höchste Berge gestiegen bin und in vielen, teils ungemein anspruchsvollen Klettersteigen unterwegs war, tat ich sehr viel für die Fitness und je älter ich wurde, desto mehr kommt mir das heute zugute. Ohne Übertreibung kann ich noch sehr gut mit weitaus Jüngeren mithalten und dafür bin ich dankbar. Es ist ein Geschenk Gottes. Vielleicht habe ich als Schwarzwälder von meinen Vorfahren auch noch besondere Gene in die Wiege gelegt bekommen, denn die sind von Natur aus zäh und ausdauernd und seit Generationen an raue Bedingungen angepasst.
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Seitenzahl: 227
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Einleitung
Von Pforzheim bis nach Dobel
Die Etappe von Dobel bis Forbach
Vom Murgtal bis zum Ochsenstall
Über die Hornisgrinde zur Alexanderschanze
Vom Kniebis über Hark nach Hausach
Von Hausach zum Fahrenkopf und Wilhelmshöhe
Zum Blindsee, Donauquelle, Brend und zur „Kalten Herberge“
Zum Titisee und nach Hinterzarten
Der wilde Feldsee und über Feldberg, Stübenwasen und Notschrei
Vom Wiedemer Eck zum Belchen und Blauen
Die letzte Etappe von Kandern nach Basel
Hinweis zu öffentlichen Verkehrsmittel
Allgemeine Tipps und Hinweise
Dreizehn praktische Tipps zum genussvollen Wandern
Epilog
Den legendären und fast 300 Kilometer langen Westweg im Alter von 78 Jahren zu laufen und dabei knapp 8000 Höhenmeter im Auf und Ab überwinden, geht das überhaupt noch? Aber natürlich geht das, wenn man körperlich topfit, gut durchtrainiert ist und über eine ausreichende Kondition verfügt. Das trifft bei mir zu.
Sicher kommt das nicht von ungefähr. Ich bin im Schwarzwald aufgewachsen und war es schon von Kindheit an gewohnt, sehr viel bergauf und bergauf zu Fuß unterwegs sein zu müssen. Ich wuchs noch in einer Zeit auf, in der Kinder im Haushalt aushelfen und in Feld und Flur oder auf dem Bauernhof mitarbeiten mussten. Die Freizeit spielte sich überwiegend draußen ab, unabhängig von Jahreszeit und Wetter. Dieses ungebundene Leben war mit Erfahrungen, Erlebnissen und tollen Abenteuern verbunden, das prägte, war kurzweilig und wir waren gesund. Die Fahrrädern fuhren wir auf allen Wegen noch ohne Gangschaltung und wo es zu steil wurde, wo das nicht mehr ging, haben wir sie geschoben und wir freuten uns, wenn es dann bergab von alleine rollte. Unser „Fernsehen“ war analog, das heißt wir waren in der Natur und rannten wieselflink über die Höhen links und rechts des engen Nordrachtal, dabei sahen wir Rehe und Igel und weit in die freien Landschaften. Jeder Winkel im engeren Umfeld war uns bekannt, im Bach fingen wir die flinken Forellen noch mit der Hand, täglich fütterten die Hasen im Stall, gingen Pferden und Ochsen beim Pflügen voraus, kletterten behände auf die Bäume und waren zu allerhand Schabernack bereit.
Damals gab es im Mittleren Schwarzwald noch richtige Winter und da waren wir, wenn Schnee lag, täglich mit dem Schlitten oder auf Skiern an den verschneiten Hängen auf der Piste. Unser Leben spielte draußen und wir gingen erst nach Hause, wenn uns die Dunkelheit umgab und dazu zwang.
Außer einer kurzen Phase in der Jugendzeit und danach während dem Militärdienst bei der Marine, was noch mit unglaublichem militärischem Drill, mit übler Schikane und härtester körperlicher Ausbildung verbunden war, dann auch noch ein Jahrzehnt danach, in der es mich mehr ans Meer als in die Berge zog, war ich sportlich und immer körperlich aktiv. Das steigerte sich noch im mittleren Alter, so ab die Vierzig. Damals beteiligte ich mehrmals im Jahr bei Mehrtages-Touren des DAV (Deutscher Alpenverein), Sektion Baden-Baden und ich ging in die Berge. Dabei habe ich, von Bergführern begleitet, zahlreiche Gipfel über 3000 und 4000 Meter besteigen können, oder ich war in teils ungemein anspruchsvollen Klettersteigen im Alpenraum unterwegs. Um da mithalten zu können, gehörte monatlich mindestens eine Konditionstour, in der Regel über 40 Kilometer, zum festen Freizeitprogramm. Da war ich fast gezwungen, ständig für eine Fitness zu sorgen, und je älter ich wurde, desto mehr. Das kommt mir heute sicherlich noch zugute.
Ohne Übertreibung kann ich ohne größere Mühe noch gut mit weitaus Jüngeren mithalten und dafür bin ich sehr dankbar. Es ist ein Geschenk Gottes. Vielleicht habe ich auch als Schwarzwälder von meinen Vorfahren besondere Gene mit in die Wiege gelegt bekommen. Ich behaupte jedenfalls zu den „jungen, agilen Alten“ zu gehören, neuerdings „Best-Ager“ genannt, und die werden immer mehr. Und jung bleiben ist ganz so einfach. Regelmäßige Bewegung beugt Altersbeschwerden vor, stärkt das Herz, den Kreislauf und stabilisiert den Gleichgewichtssinn. Dafür tue ich etwas, ich bin ich täglich unterwegs, sowohl im heißen Sommer, als auch im kalten Winter. Das summiert sich wöchentlich auf über 100 Kilometer oder es sind mehr als 5000 Kilometer im Jahr, eigentlich mehr als ich noch mit dem Auto fahre. Ein nicht unerwünschter Nebeneffekt ist, dass ich seit Jahren weder ernsthafte Erkrankungen hatte und kaum einmal eine Erkältung oder einen Schnupfen bekam, und wenn, dann war das immer nur leicht. Eine Grippe kenne ich nicht und von Corona bin ich bisher auch verschont geblieben.
Davon einmal abgesehen, sind körperliche Aktivitäten in den Bergen, den Kreislauf anregendes Wandern, allgemein schon für uns Erholung pur. Da werden Körper und Geist in jedem Augenblick gefordert, nicht nur während eines steilen Aufstiegs oder den beschwerlichen Wegen bergab und den damit verbundenen Mühen, sondern nebenbei auch bei der Verarbeitung vielfältigster Eindrücke, die in jeder Sekunde auf unsere Sinne einströmen und die es zu verinnerlichen gilt.
Das wird oft in dieser schnelllebigen Zeit vergessen oder man hat es selbst noch nicht bewusst erlebt. Jeder von uns hat in seinem Leben sein inneres Päckchen mit sich herumzutragen – manchmal bewusst, manchmal wird man sich aber auch erst im Laufe einer überwundenen Krise über die Dinge klar. Legen wir gedanklich doch einmal alle Lasten einfach ab und nehmen stattdessen einen Wanderrucksack auf und erfreuen uns an der uns umgebenden Natur. Es müssen wirklich nicht immer die Malediven oder Mallorca sein. Ein weißer Spruch unserer Altvorderen lautet: „Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah. Lerne nur das Glück ergreifen. Denn das Glück ist immer da.“ (Goethe aus „Erinnerung“)
Konrad Kintscher schreibt in seinem Reiseführer: „Das Land am Oberrhein“. Wenige Landschaften der Welt wurden so vielfältig gepriesen wie das vom Schwarzwald und den Vogesen so schön und mächtig eingerahmte Gebiet am Oberrhein. Obwohl drei Länder am Strom zusammentreffen, wirkt ihre Sprache, die alemannische Mundart, über die Ufer des Rheins, über die Höhen der Gebirge und tief ins Land der Eidgenossen und der Franzosen. Auch ist die geologische Verwandtschaft so wenig zu übersehen, wie der Gleichklang der Sprache unüberhörbar ist.“
Der Westweg, über den ich hier schreibe, ist ein Mythos und einer von den bundesweit 16 „Top Trails of Germany“. Der berühmte Höhenweg wurde als erster Fernwanderweg im Jahre 1900 vom „Badischen Schwarzwaldverein“ angelegt und bekannt gemacht. Er hat durchaus Höhenweg-Charakter. Die Wege sind oft anspruchsvoll und viele kraftraubende Höhenmeter sind zu bewältigen. Er führt von Pforzheim von Nord nach Süd längs über den Schwarzwald bis nach Basel und war der erste große Fernwanderweg überhaupt. Heute gehört der Westweg sicher zu den Schönsten in Deutschland, auch wenn fast wöchentlich immer neue Themenwege hinzukommen. Der Westweg ist gleichzeitig ein Teil des berühmten Europäischen Fernwanderwegs E11), der vom Nordkap bis nach Sizilien verläuft und sowohl gut ausgeschildert, als auch in der Literatur ausführlich beschrieben ist.
Zugegeben, welche Eindrücke so ein Weg hinterlässt, hängt vornehmlich einerseits vom Wetter ab, und andererseits noch mehr von der Kondition und Fitness des Einzelnen. Nur wer den Anforderungen gut gewachsen ist, wird Freude daran empfinden.
Wir treffen auf durchaus sehr herausfordernde Abschnitte, sowohl was die Kondition angeht, als auch Balance und Trittsicherheit erfordert. Dafür entschädigt das unnachahmliche Flair des sagenhaften Schwarzwaldes, die Vielfältigkeit einer abwechslungsreichen und beindruckenden Kulturlandschaft. Hier wird dem bewusst und aufmerksam gehenden Wanderer (beiderlei Geschlechts) noch intakte Natur und eine beispiellose Vielfältigkeit, die in Jahrhunderten gewachsen ist, gezeigt, wie dies so konzentriert auf ein begrenztes Gebiet in Deutschland kaum mehr zu finden ist. Mein Rat ist an alle Interessierten, nehmen sie sich die Zeit, einmal diese einmalige Region und Naturkulisse in Ruhe zu durchwandern. Der Westweg wird garantiert ein in der Erinnerung bleibendes Erlebnis hinterlassen, wenn er mit allen seinen Facetten bewusst gegangen und wahrgenommen wurde.
Die durchgängige Markierung mit dem Zeichen der „Rote Raute auf weißem Grund“ führt den Wanderer über bewaldete und freie Höhen des Schwarzwaldes und in tief liegende Täler hinein. Gut, manchmal muss man suchen, die Hinweisschilder sind oft etwas verdeckt oder gar abhandengekommen, die Wegführung ist da und dort diffus. Da tut man gut daran, öfters einmal die Karte – auch die digitale – zur Hand zu nehmen. Der Weg ist wirklich für alle gedacht, die die Natur genießen und sich an der Fauna und Flora erfreuen wollen, die Erholung vom tristen Alltag suchen und „waldbaden“ möchten, wie die vor rund zwanzig Jahren aus Japan zu uns herüber geschwappte Modeerscheinung genannt wird.
„Unter den passionierten Wandertouristen ist der Westweg inzwischen längst zum Kultweg avanciert. Er zählt zu jener Hand voll Wanderwegen auf der Welt, die man als ambitionierter Fernwanderer unbedingt einmal gegangen sein muss. Er ist nicht nur Kult, weil es ihn schon seit über 100 Jahren gibt und er dennoch den Ansprüchen und Bedürfnissen der heutigen Wanderer mehr denn je gerecht wird. Er ist es deshalb, weil er von Nord nach Süd alle typischen Landschaftsformen des Schwarzwalds erschließt. 2) In Hausach wird mit 237 m der niedrigste Punkt der Strecke erreicht und auf dem Feldberg stehen wir bei 1495 auf dem höchsten Punkt.
Der Westweg ist neben dem Mittelweg und dem Ostweg der älteste von drei Nord-Süd-Fernwanderstrecken über den Schwarzwald. Der nach neueren Angaben 290,8 Kilometer lange Höhenwanderweg, mit 7889 Höhenmeter im Aufstieg und 7854 Höhenmeter im Abstieg, wurde im Jahre 1900 als erster Fernwanderweg in Deutschland angelegt und wird seither von vielen Helfern des Schwarzwaldvereins gepflegt und betreut.
Im Jahr 2000 feierte der Schwarzwaldverein mit einer Wanderausstellung und zahlreichen Veranstaltungen das 100-jährige Jubiläum des inzwischen bei Wanderfreunden berühmt gewordenen Westweges. Im Jahr 2004 riefen der Schwarzwaldverein, mit dem Verein „Schwarzwaldtourismus“ und zahlreiche Anrainergemeinden, die „Qualitätsoffensive Westweg“ ins Leben. Wichtigstes Etappenziel war die Auszeichnung mit dem Prädikat „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“ 3), die der Höhenweg im Jahr 2006 als erste baden-württembergische Wanderroute bekommen hat.
Im Jahre 2019 gedachte der Schwarzwaldverein auf der Badener Höhe des 100. Todestages von Phillip Bussemer, einem der beiden Westwegpioniere. Auch heute noch wird der Westweg fortlaufend gepflegt, geplant und durch ehrenamtlichen Wegewarte des Schwarzwaldvereins optimiert. Die Koordinierung erfolgt durch die Hauptwegewarte und das Wegereferat des Hauptvereins in Freiburg 4). Die bleibende Qualität der Infrastruktur ist das erklärte Ziel.
Den Westweg beginnt man im Stadtgebiet von Pforzheim am Zusammenfluss der Flüsse Würm und Enz. Die Industriestadt wäre aber wegen der Goldschmiede- und Schmuckkunst alleine schon eine Reise wert. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die Allgemeine Gold- und Silberscheideanstalt AG, eine Institution in Fachkreisen des Edelmetalls.
Kurz nach der Stadtgrenze von Pforzheim trennen sich im Enztal schon die Wege und der Wanderer kann wählen, ob er entweder dem Tal aufwärts folgen und über das Schloss nach Neuenbürg gehen will oder stattdessen gleich hinaus nach Birkenfeld schreitet und die Höhenvariante wählt. So oder so führt er zunächst durch das Enztal nach Dobel und danach durch endlos weite Wälder und viel Hochwald, vorbei an für das Klima wichtigen Hochmooren zum Hohloh. Nach dem steilen und anstrengenden Abstieg ins Murgtal, steigt der Weg auf der anderen Talseite wieder genauso steil an, im stetigen Auf und Ab bis zum höchsten Berg des Nordschwarzwalds, der Hornisgrinde, einer der Hochflächen mehrerer Grinden 5).
Die Herkunft des seit 1605 nachweisbaren Namens „Grinde“ ist unsicher. Eine Deutung leitet ihn aus Horn, mis und grinde ab, was so viel wie Bergrücken bedeutet. Andere schreiben die „Grinde“ dem Schwäbisch-alemannischen zu, wo es nichts anderes als „kahler Kopf“ oder „Glatzkopf“ bedeutet. Die Grinden entstanden im Mittelalter durch „Waldbrennen“, dabei wurde der vorhandene Bewuchs abgebrannt, um auf diese Weise Weideflächen für das Vieh zu gewinnen. Heute werden wieder Schafe, Ziegen und spezielle Rinderrassen eingesetzt, die den aufkommenden Baumbewuchs niederhalten und verhindern. Zusätzlich sind periodisch Pflegemaßnahmen durch Rückschnitt von Latschenkiefern und Birken erforderlich. Dadurch sollen die Flächen für das Auerhuhn offen bleiben und die im Schwarzwald seltenen Pflanzenarten, wie das Heidekraut, Wollgräser und Pfeifengras gute Lebensbedingungen vorfinden.
Die weitere Strecke vom Mummelsee verläuft bis zur Alexanderschanze mit wechselnden Distanzen weitgehend entlang der Schwarzwaldhochstraße. Das Röhren der Motorräder und der nervige Sound hochdrehender Autos sind leider nicht überall zu überhören.
Es scheint, als ob man immer auf der Höhe läuft, trotzdem summieren sich die Höhenmeter im ständigen auf und ab erheblich. Dafür ist es durch die Weitläufigkeit und gute Fernsicht in alle Richtungen immer kurzweilig und abwechslungsreich.
Vom Kreuzungspunkt an der Alexanderschanze folgt man dann wieder den verschlungenen Pfaden und breiten Wirtschaftswegen über die Höhen und dichte Wälder hinunter ins Kinzigtal nach Hausach, „die Stadt unter der Burg“. Bis dahin hat der Wanderer in etwa die Hälfte der Gesamtstrecke schon hinter sich gebracht und darf ein wenig stolz auf die erbrachte Leistung sein.
Das Städtchen am Zusammenfluss von Gutach und Kinzig liegt auf 237 Meter über Meereshöhe. Von dort geht es auf der anderen Talseite wieder knackig-steil die schmalen Pfade und Wege bis über die Tausendermarke hinaus bergauf, zur Hochfläche auf der Wilhelmshöhe. Hat man das hinter sich, wird der Westweg wieder etwas bequemer, der Schritt leichter. Bald ist man an der Martinskapelle angekommen und bei der Elzquelle, sowie in der Nähe auch noch bei der Breg, eine von zwei Donauquellflüsse, bis schließlich über den Brend die Kalte Herberge erreicht ist. Dabei folgen wir dem sanft gewellten Kammverlauf zwischen Rohrhardsberg und Brend und schreiten zugleich auf der europäischen Wasserscheide zwischen Rhein und Donau, was durchaus Eindruck machen darf und unserem Schritt Gewicht verschafft.
In der Ortsmitte von Titisee-Neustadt gabelt sich der Westweg dann in eine westliche und eine östliche Variante. Die westliche Route verläuft über die kahlen Gipfel des Feldbergs und Belchen, dann auch noch über den Blauen, bis man erneut steil dem Tal zu abwärts schreiten muss und nach Kandern im Markgräflerland gelangt. Von der Stadt im Dreiländereck Deutschland, Schweiz und Frankreich verläuft der Westweg durch die Wolfsschlucht, wir kommen wieder höher, ein weiteres Mal talwärts an den Rand von Lörrach, bis der Aufstieg zur Tüllinger Höhe uns noch einmal fordert. Schließlich ist der Grenzübertritt in die Schweiz erreicht und nach dem endlosen Gang entlang der Wiese der Endpunkt in Basel.
Die östliche Strecke Variante zweigt südwärts zum zweithöchsten Schwarzwaldberg ab, dem Herzogenhorn, und verläuft über die Höhen zwischen Wehra- und Wiesental, führt nach der Hohen Möhr zum Dinkelberg, um schließlich bei Rheinfelden hinunter in das Rheintal, um ebenfalls in Basel zu enden.
Am 15. Dezember 2006 erhielt der Westweg vom Deutschen Wanderverband das vorerwähnte Gütesiegel „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“. Um dessen Kriterien zu entsprechen, dürfen unter anderem höchstens 20 Prozent der Strecke asphaltiert oder gepflastert sein. Damit dies erreicht wurde, mussten im Vorfeld einige Teilstrecken des Westweges verlegt oder naturnah zurückgebaut werden. Aus diesem Grunde gibt es zu früheren Beschreibungen der Wegverläufe da und dort gewisse Abweichungen. Da sollte man sich besser an Beschreibungen neueren Datums halten. Es wurde auch der Trennungspunkt zwischen der östlichen und der westlichen Variante von Bärental nach Titisee verlegt. Die alle drei Jahre notwendige Nachzertifizierung als Prädikatswanderweg erfolgte zuletzt am 31. Dezember 2015. (Stand: März 2018) 6)
„Nur wo man zu Fuß war, war man wirklich“, so lautet ein sinniger Spruch, den ich an einer Bank am Weg geschrieben fand und der ein Körnchen Weisheit enthält. Wer als echter Schwarzwälder durch seine Heimat wandern darf, fühlt sich glücklich, erlebt intensiv seine unverwechselbare Heimat und atmet tief die noch fast intakte Natur ein. Das macht Geist und Körper frei und gibt neue Kräfte zurück. Es braucht allerdings meist etwas Zeit, sich auf das Gehen einzulassen und erst den richtigen Rhythmus zu finden, den man im Alltag vielleicht verloren hatte. Erst wenn man sich „leer“ gelaufen hat, ist man offen für neue Sinneseindrücke aus dem Umfeld, aber auch für eigene Gefühle und Gedanken. Dabei darf man den Alltag Schritt für Schritt hinter sich zu lassen. Bewegung bedeutet „ganzheitlich unterwegs sein“ oder „bei-sich-selbst-ankommen.“ „Das Zurücklegen einer Strecke kann unglaublich befriedigend sein“, sagte einmal der Pilgerbeauftragte Rist, und dem will ich nicht widersprechen. Ich wünsche jedem, der diese Möglichkeit für sich entdeckt hat, Erholung pur – oder Entschleunigung – wie es heute auf neudeutsch heißt.
Wichtig ist, die Sinne für das Einfache zu schärfen, das Schlichte wieder zu norden, sich auf das zu fokussieren, was wirklich im zeitlich begrenzten Lebenszeitraum zählt. Wie wohltuend ist es, wenn die Nase noch natürliche Gerüche aufzunehmen vermag, das Auge uneingeschränkt in die Ferne schweifen darf oder man dem bunten „fliegenden Edelstein“, den Eisvogel begegnet, einem flatternden Zitronenfalter ein paar Augenblicke zusieht oder anderen zarten Schmetterlingen, eine smaragdgrünen Eidechse, den grazil dahin schwebenden Libellen. Das sind die kleinen, aber wirklichen Wunder in der geschundenen Schöpfung, die wieder ein wenig mehr in den Fokus der eigenen Wahrnehmung rücken sollten.
Tauchen wir also bewusst ein in den kühleren und noch vorhandenen Wald mit allen seinen spezifischen Gerüchen. Lauschen wir den dezenten, so ungemein vielschichtigen Hintergrundgeräuschen, dem unverwechselbaren Rauschen der Wälder, dem vielstimmigen Gezwitscher der Vögel, dem Rascheln des Laubes, in dem sich vielleicht gerade eine Haselmaus bewegt. Das ist Musik für die Ohren.
Ehrlich, wer hält da nicht gerne einen Augenblick inne, wenn im Frühjahr zum ersten Mal das Rufen des Kuckucks zu hören ist? Früher sagte man: „Wenn der Kuckuck das erste Mal im Wald ruft, dann muss man eine Münze im Geldbeutel bewegen. Das Geld wird dann nie alle.“ Das ist „Waldbaden“, ein Kunstwort, das heutzutage immer mehr an Bedeutung gewinnt. Diese Modewelle kam einst aus dem fernen Japan und wurde zum Synonym für den stressgeplagten und von Sinnes-überfrachteten Eindrücken überbelasteten Europäer. Dagegen kennt man den Begriff „eintauchen“ bei uns schon länger oder nennen wir es lieber schlicht und einfach: „Sich auf den Weg machen.“
Ein pragmatischer Sinnspruch von mir lautet – man darf das durchaus ein Aphorismus nennen: „Es kommt nicht darauf an, wie lange man lebt, sondern, dass man gelebt hat.“ Und noch so ein schlichter Rat von mir: „Atmen sie beim Wandern immer wieder einmal sehr tief und bewusst ein und stoßweise wieder aus. Alles was belastet und bedrückt muss raus. Wer sensible Antennen für Energien besitzt, darf ruhig auch einmal einen uralten, knorrigen und dicken, moosbewachsenen Baum umarmen, mit ihm sprechen und alles um sich herum für einen Augenblick vergessen. Das tut Geist und Seele gleichermaßen gut. Oder knabbern sie doch einmal an einem Stückchen Borke, riechen sie an einem taufrischen Mooskissen. Das bringt neue und längst verlorene Geruchserlebnisse zurück und kann sehr erbaulich sein.
Heute bedarf es für die Zivilisationsgeschädigten schon eine Anleitung zum „waldbaden“, so gesehen auf dem Maisacher Grat bei Oppenau
„Wenn den Europäer das Fernweh plagt, setzt er sich in den Jet und geht aus Reisejagd.“
„Immerzu sitzen und liegen ist nicht angebracht, der menschliche Körper ist ein Bewegungsapparat.“
Und noch ein Spruch von Hermann Hesse (1877-1962), deutscher Dichter aus dem benachbarten Calw. Er erhielt 1946 den Nobelpreis für Literatur:
„Geduld ist das Schwerste und das Einzige, was zu lernen sich lohnt. Alle Natur, alles Wachstum, aller Friede, alles Gedeihen und Schöne in der Welt beruht auf Geduld, braucht Zeit, braucht Stille, braucht Vertrauen“.
Hoch geht es meistens leicht, groß ist die Fantasie. Ob man das Ziel erreicht, weiß man vor dem Gipfel nie. Der Abstieg ist oft schlimmer, doch runter kommt man immer. Rei©Men
Manchmal muss man auch den Mut haben, die Richtung zu ändern, um den richtigen Weg zu finden.
Rei©Men 2022
„Wandern ist eine Tätigkeit der Beine und ein Zustand der Seele.“ Josef Hofmiller, Schriftsteller und Lehrer
Und noch ein schlauer Spruch von Mark Twain: „Das Geheimnis des Vorwärtskommens besteht darin, den ersten Schritt zu tun.“
1) https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ischer_Fernwanderweg_E1
2) https://www.wildganz.com/fernwanderweg/westweg
3) https://www.wanderbares-deutschland.de/service/qualitaetsinitiativen/qualitaetswege
4) https://www.schwarzwaldverein.de/schwarzwald/wanderwege/fernwanderwege/westweg
5) https://de.wikipedia.org/wiki/Grinde
6) https://de.wikipedia.org/wiki/Westweg
Der sommerliche Morgen war noch angenehm frisch, der Himmel zeigte sich wolkenlos und der Wetterbericht verhieß einen sonnigen, aber nicht zu heißen Tag. So gesehen begann ich sehr zuversichtlich mein schon lange gehegtes Vorhaben, genau, wie ich mir das vorgestellt und geplant hatte. Seit Jahren hatte ich die Absicht, ich will im Rest meines Lebens noch mindestens einmal alle Etappen des Westweges gelaufen sein. Bei der Kondition und Fitness, die ich noch habe, bestanden dazu keine Bedenken. Nach dem sorgfältigen Studium der Wegbeschreibungen setzte ich schließlich dem Vorhaben ein Datum: Ich will das im Sommer 2020 machen. So weit, so gut.
Doch dann kam Corona dazwischen und die Hotels und Gaststätten allgemein und natürlich auch alle sonstigen Übernachtungsmöglichkeiten an der Strecke mussten für Wochen die Pforten schließen. Das war das eine Hindernis. Das andere lag im familiären Bereich. Ich konnte und wollte meine gesundheitlich angeschlagene Frau nachts nicht mehr alleine zuhause lassen.
Kurzum, ich musste pragmatisch vorgehen und so ergab es sich, dass ich zum Startpunkt der einzelnen Etappen im ersten Teil, jeweils mit den öffentlichen Verkehrsmitteln an und hinterher wieder nach Hause fuhr. Das war kein Problem, da alle Etappen, wie ich noch aufführen werde, gut mit öffentlichen Verkehrsmittel zu erreichen sind. Und im zweiten Teil weilte unsere Tochter eine Woche bei uns im Haus und leistete ihrer Mutter Gesellschaft. Damit stand dem Vorhaben nichts mehr entgegen, ich konnte meinen Plan umsetzen.
Günstig erwies sich das „9-Euro-Ticket“ im Sommer 2022 bei den Fahrten im ÖPNV, das ich für alle Bahn- und Busfahrten in Anspruch nehmen konnte. Gespannt und mit viel Vorfreude auf das, was mich erwarten wird und wie ich die Gesamtstrecke am Ende bewältigen werde, stieg ich in Bühl in die Regiobahn und kam, nach dem Umstieg in Karlsruhe, frühmorgens im Pforzheimer Hauptbahnhof an. Im Eingangsbereich des Bahnhofs musste ich mich zuerst einmal orientieren und eine Weile nach möglichen Hinweisen oder Zeichen suchen, in welche Richtung ich losgehen muss, denn für mich war es keine Frage, dass ich zum Startpunkt laufen werde und nicht den Bus nehmen will. „Aller Anfang ist schwer“, dachte ich. Dann fand ich aber doch den wichtigen Hinweis und es konnte losgehen oder andersherum: Die ersten Schritte waren getan, ich war auf dem Weg.
Der anspruchsvolle, doch auch sehr abwechslungsreiche und interessante Westweg beginnt in der Goldstadt Pforzheim und er ist identisch mit einem Teilstück des E 1 vom Nordkap nach Sizilien. Das gibt der Gesamtstrecke zusätzlich einen besonderen Reiz oder sagen wir besser: „Internationalen Flair“. Die Großstadt an Nagold und Enz, unmittelbar an der Autobahn A 8, ist mit der Bahn aus allen Richtungen erreichbar.
Zum eigentlichen Startpunkt kann man vom Hauptbahnhof den Stadtbus der Linie 741 nach Huchenfeld nehmen. Für mich kam das aber nicht infrage, deshalb ging ich zügig zu Fuß dorthin.
Der Westweg mit dem Erkennungszeichen einer roten Raute auf weißem Grund beginnt offiziell am Standort „Goldene Pforte Pforzheim“ im Stadtteil Kupferhammer, nahe dem Zusammenfluss der Flüsse Würm und Nagold. Die Informationstafeln vor Ort geben ausführliche Hinweise, die man sich zuvor besser aber in Ruhe im Internet, in Flyer oder Broschüren durchlesen sollte. Gehen wir einmal davon aus, dass niemand unvorbereitet diesen Weg beginnt, zumal es bei den notwendigen Übernachtungen sinnvoll ist, rechtzeitig für sich ein Zimmer reservieren zu lassen.
Wer, so wie ich, schon am Hauptbahnhof losgehen möchte, muss zuerst die Stadt durchqueren. Die Beschilderung ist nicht optimal, das Zeichen der Westweg-Raute findet man kaum oder nur beim konzentrierten Suchen. Besser ist es, sich an den städtischen Infosäulen zu orientieren und dem Hinweis: „Kupferhammer/ Wanderwege“ zu folgen. Das sind rund 2,5 Kilometer, die man zusätzlich zu den offiziellen Streckenangaben in den gängigen Tourenbeschreibungen gehen muss, aber die durchaus kurzweilig sind und gut machbar.
Wenn man durch das Stadtgebiet geht, trifft man auf einige Sehenswürdigkeiten, wenn man sich dafür die Zeit nehmen will. Unter anderem sieht man gleich links die ehemalige Schloss- und Stiftskirche St. Michael mit spätromanischen und spätgotischen Elementen. Danach kommt das Rathaus mit melodischem Glockenspiel. Das Glockenspiel auf dem Dach des Neuen Rathauses zu Pforzheim ist eines der größten seiner Art und eine echte Rarität in Süddeutschland. Zu nennen wäre noch das Bertha-Benz-Denkmal in der Fußgängerzone, um nur einige zu nennen. Es ist vom Pforzheimer Künstlers René Dantes und erinnert an die Pioniertat von Bertha Benz, die im August 1888 zusammen mit ihren Söhnen Eugen und Richard die erste Fernfahrt der Welt mit einem Automobil unternommen hat.
Beim Gang durch die Stadt kommt man in die Fußgängerzone, geht am Stadttheater vorbei, schließlich ist der Enzkanal über einen Steg zu queren und erreicht so die andere Uferseite. Vor uns ist eine auffallende Kirche mit grünem Rundkuppeldach. Danach kommt die Werderstraße und man geht am Schmuckmuseum vorbei, das auf der rechten Seite durch die Bäume hindurch unser Interesse weckt. Ein weiterer Wegabschnitt verläuft durch den Park und man folgt dem Lauf der Nagold bis zum Kreisel der B 463 bei der Abzweigung am Kupferhammer im Stadtteil Würm, am gleichnamigen Flüsschen. Das alte Gasthaus mit dem gleichen Namen auf der gegenüberliegenden Straßenseite ist auch nicht zu übersehen. Und dann war ich da, kein Zweifel, „Die Goldene Pforte“ stand genau vor mir.
Die „Golde Pforte Pforzheim“ am Beginn des Westweges
Direkt am Waldrand, nahe dem angeblich schönsten Biergarten in Pforzheim und am Zusammenfluss der Flüsse Nagold und Würm, da beginnt er, der berühmte Wanderweg. Es war schon auffallend, das erste von weiteren markanten Symbolen für den besonderen Weg, die noch kommen werden, und ich machte mir so meine Gedanken.
Der Westweg ist kein Spazierweg im eigentlichen Sinne, kein Promenadenweg einfach so für den Sonntagnachmittag vor dem Kaffee, sondern mehr eine Herausforderung für sportliche, konditionell gefestigte und sichere Ausdauer-Wanderer. Der Spruch: „Auch der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt“, fiel mir ein. Dieses Zitat wird Laotse zugeschrieben, dem Philosoph, der im 6. Jahrhundert in China lebte.
Na gut, dachte ich nach den kurzen Augenblicken des Sinnierens, ich ging los, stieg die paar Treppen aufwärts und durchschritt andächtig das Tor „Goldene Pforte Pforzheim“. Kurz überflog ich auch die Informationen der schon erwähnten Infotafeln mit detaillierten Beschreibungen über Länge und Verlauf des Westweges. Jetzt konnte mein schon lange geplantes Vorhaben beginnen.
Der Pfad begann gleich mit einem leichten Anstieg im schattigen Laubwald. Schon morgens war es bereits warm, ich konnte in kurzen Hosen gehen und die Fleecejacke blieb im Rucksack. Dann folgte ich der roten Raute, überquert die Alte Huchenfelder Straße und kam mit Verzögerung und einem Umweg bergauf zur Ruine Hoheneck hoch über Dillweißenstein.
Dumm gelaufen ist, schon in diesem Abschnitt hatte ich das erste Mal die Orientierung verloren. Ich geriet mangels sichtbarer Beschilderung zu weit aufwärts und weit oben am Parkplatz Erzkopf raus, nahe dem Ortsteil Huchenfeld. Somit musste ich wieder zurückgehen, vorbei am Schönbuchen Pavillon. Dabei kam ich an der Eppinger Linie 7) vorbei, die hier im Wald verläuft. Erst beim Hoheneck an der Huchenfelder Straße war ich wieder in der richtigen Spur.
Das begann ja gut, da hatte ich mich also schon einmal bös verlaufen und es war betrüblich, weil es länger aufwärts gegangen ist und ich danach wieder bergab und zurück musste. Das waren mindestens zwei Kilometer, die ich umsonst gelaufen bin und die Etappe ist doch auch so schon weit genug. Einem Wanderer aus Kiel, der den Mittelweg laufen wollte, ist es genauso ergangen. Die Beschilderung ist nicht optimal oder eher verwirrend. Zudem sind der Westweg und der Mittelweg anfangs identisch, wobei der Mittelweg durch einen senkrechten weißen Strick markiert ist und ebenfalls hinunter in den Stadtteil Dillweißenstein verläuft. Bei der Ruine trennen sich also die Wege.
Mein Weg ging weiter bergab und am Landgasthof Hoheneck vorbei, auf der „Steinernen Brücke“ über die Nagold, dann scharf links, parallel zum Fluss, wieder nach rechts und weiter am Dillweißensteiner Friedhof vorbei. Zur Rotplatte und in den Stadtteil Sonnenberg musste ich eine Weile bergauf, bis ich die Büchenbronner Straße überqueren konnte. Dort am Waldrand verläuft der Weg ein Stück zurück zu einem Waldparkplatz, von dem mehrere Wege durch das Waldgebiet des Brötzinger Schlags verlaufen. Es ist nicht nur ein Naherholungsgebiet für die Pforzheimer, sondern auch ein wichtiges Vogelschutzgebiet.