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Wie weit gehen Menschen im Kampf um die alleinige Macht oder um andere zu beherrschen? Horty Lonestar kennt die Antwort – VIEL zu weit!
Auf seinem Weg quer durch Sioux-Land, mit einem besonderen Auftrag versehen und auf der Suche nach den Mördern seines Halbbruders, stößt Lonestar auf drei völlig erschöpfte Männer – deren Ziel, Hortys Pferd und vor allem sein Proviant … Doch er zeigt sich allen dreien gewachsen, kann sie bezwingen, erfährt deren Grund für diese Verzweiflungstat und nimmt sich ihrer an, macht sie zu Partnern und letztlich zu seinen Freunden.
Ihr Weg nach Fort Eagle ist äußerst gefährlich. Überall lauert Unheil – nicht nur von den Sioux – und nur wenige, die auf dem Bomeranzweg unterwegs sind, erreichen das Fort.
Dort, nach einem ereignisreichen Ritt, angekommen machen sie eine erschreckende Entdeckung – nicht nur Korruption und Machtgier überschatten das Leben. Die Ereignisse überschlagen sich, treiben sie weiter ins Goldgräbercamp der Adlerschlucht womit ihr Ritt durch die Hölle beginnt …
Kommen sie dort noch rechtzeitig an, bevor weiteres Unrecht geschieht oder scheitern auch sie an den Gefahren, die ihnen auf diesem schwierigen Weg begegnen? Die Zeit drängt, denn auch der Winter naht …
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Larry Lash
Ritt durch die Hölle
Westernroman
Neuausgabe
Copyright © by Author/Edition Bärenklau
Cover: © Steve Mayer nach Motiven, 2023
Korrektorat: Bärenklau Exklusiv
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Ritt durch die Hölle
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
Der Autor Larry Lash
Eine kleine Auswahl der Western-Romane des Autors Larry Lash
Wie weit gehen Menschen im Kampf um die alleinige Macht oder um andere zu beherrschen? Horty Lonestar kennt die Antwort – VIEL zu weit!
Auf seinem Weg quer durch Sioux-Land, mit einem besonderen Auftrag versehen und auf der Suche nach den Mördern seines Halbbruders, stößt Lonestar auf drei völlig erschöpfte Männer – deren Ziel, Hortys Pferd und vor allem sein Proviant … Doch er zeigt sich allen dreien gewachsen, kann sie bezwingen, erfährt deren Grund für diese Verzweiflungstat und nimmt sich ihrer an, macht sie zu Partnern und letztlich zu seinen Freunden.
Ihr Weg nach Fort Eagle ist äußerst gefährlich. Überall lauert Unheil – nicht nur von den Sioux – und nur wenige, die auf dem Bomeranzweg unterwegs sind, erreichen das Fort.
Dort, nach einem ereignisreichen Ritt, angekommen machen sie eine erschreckende Entdeckung – nicht nur Korruption und Machtgier überschatten das Leben. Die Ereignisse überschlagen sich, treiben sie weiter ins Goldgräbercamp der Adlerschlucht womit ihr Ritt durch die Hölle beginnt …
Kommen sie dort noch rechtzeitig an, bevor weiteres Unrecht geschieht oder scheitern auch sie an den Gefahren, die ihnen auf diesem schwierigen Weg begegnen? Die Zeit drängt, denn auch der Winter naht …
***
Die Zeit hatte für Horty Lonestar alle Bedeutung verloren. Er war zum Roboter geworden, der sich immer wieder selbst antrieb und sich kaum Rast und Ruhe gönnte. Er war ein Mann, der sich und seinem Pferd das Letzte abverlangte. Er rastete nur, wenn die Bedürfnisse seines Pferdes es verlangten und die Müdigkeit ihn dazu zwang, in einem einsamen Camp zu schlafen. Doch dann folgte er wieder der einsamen Fährte, die sich durch das Präriegras nach Norden zog. Er folgte dieser Fährte seit Tagen und verlor sie nicht ein einziges Mal. Seinen scharfen grauen Augen entging nichts.
Hinter Horty Lonestar lagen schon mehr als ein Dutzend Stationen, die er passiert hatte, darunter Flussübergänge und Furten, Hügel und Ebenen. Er war langsam ziehenden Büffelherden begegnet. Er hatte alles getan, um nicht von einsam streifenden Reitern gesichtet zu werden. Er ritt wie ein Schatten durch das Land.
Horty Lonestar war hager, hochgewachsen, dazu breitschultrig, ein Mann, dessen Haar, von der Sonne gebleicht, fast weiß wirkte. Seine Augen standen in einem herb-geschnittenen Gesicht, das von harten Strapazen und von einer kürzlich überwundenen Krankheit gezeichnet war. Lassonarben an seinen Händen verrieten, dass er lange hinter Rindern her geritten war und den Beruf eines Cowboys ausgeübt hatte.
Wenn man seine Bewaffnung sah, kam einem der Gedanke, ob er nicht zu jener Sorte von rauen Lassoschwingern gehörte, die ihr Brandeisen fremden Rindern ins Fell drückten, ob er nicht zu den Maverikjägern gehörte, die weit im Süden, den großen Ranchern zum Trotz, ungebrannte Rinder jagten.
Horty Lonestar trug zwei Eisen. Die Läufe der Waffen ragten aus den offenen Holstern heraus. Drohend dunkel wirkten die Mündungen. Die Kolben waren glatt und aus schlichtem braunem Walnussholz.
Die Art seiner Bewaffnung unterschied ihn von den Weidereitern, denn sie glich fast einer Herausforderung, in einem Land, in dem ein Mann danach eingeschätzt wurde, wie er seine Colts trug.
Sicherlich trug er eine zweite Waffe nicht als Gewichtsausgleich. Seine rauchgrauen Augen verrieten in ihrem düsteren Glanz, dass er aus einem bestimmten Grund den alten Gurt mit den 45er Colts aus der Truhe geholt hatte.
Sein Blick glitt an dem im Sattelschuh steckenden Springfield-Karabiner vorbei und schweifte über die wellige Prärie, die jetzt in eine bewaldete Hügellandschaft überging. Für einen Moment verlor der Reiter seine lässige Haltung, und es schien, als wolle er nicht weiterreiten, sondern sein Reittier, einen hochgebauten rostroten Wallach, mit den Schenkeln von der Fährte fortlenken. In diesem Augenblick stellten sich die Ohren des Pferdes nach vorn. Der geaderte, ausdrucksvolle Kopf des Tieres ruckte hoch, die Nüstern blähten sich auf. Der rostrote Wallach blieb unaufgefordert stehen, doch er prustete, schnaubte und wieherte nicht. Trotz zuckender Muskeln schien er unbeweglich zu sein.
Horty Lonestar glich in diesem Augenblick einem Wolf, der eine ganz bestimmte Witterung wahrnahm. Es war, als ob Pferd und Reiter zur gleichen Zeit von einem Warnsignal getroffen wären. Horty Lonestars Hände hatten die Zügel fallen lassen, und sie schwebten dicht über den Revolverkolben. Sie waren gespreizt und glichen den Krallen eines zustoßenden großen Raubvogels.
Nur fünfzehn Schritte vor dem Reiter ging die Prärie in eine parkähnliche, baumbestandene Hügellandschaft über und zeigte das Ende eines gewaltigen Büffellandes an, durch das Lonestar geritten war.
Ponderosa- und Douglasfichten reckten sich wie Lanzen gen Himmel. Weiter hinten hob sich das Terrain zur Hügelflanke, und auf diesem Gelände sah man Birken und Eichen, deren Laubkronen sich berührten. Unter den geheimnisvoll dunklen Blattbaldachinen hoben sich nur vereinzelt Stämme von Bäumen ab, denn viele wurden überwuchert von den im Vordergrund stehenden Buschgruppen.
Der Anblick der Büsche war es, der Reiter und Pferd missfiel. Die grüne, verfilzte Buschmauer gewährte nicht den geringsten Einblick. Horty Lonestar erkannte, dass er durch die Präriebodenwelle zu nahe an das Hindernis herangekommen war, dass man ihn aus diesem Gestrüpp heraus, ohne selbst gesehen zu werden, gut beobachten konnte.
Lonestar war sofort klar, dass es zu spät war, den rostroten Wallach herumzureißen und davonzupreschen, um in der Bodenwelle, durch die er gerade geritten war, unterzutauchen. Der eiskalte Hauch der Gefahr drang von den Büschen zu ihm herüber. Lonestar hatte das verteufelte Gefühl, dass hundert Augenpaare aus der dunklen Mauer auf ihn gerichtet waren.
Selbst für einen Mann wie Horty Lonestar war das Gefühl, gestellt zu sein, etwas erregend Schreckliches, das ins Mark ging und die Nerven vibrieren ließ. So sehr er seine Augen auch anstrengte, er bemerkte nicht die geringste Bewegung hinter dem Gestrüpp. In der geheimnisvollen Dunkelheit des Blattgewirrs schien die Gefahr zu lauern.
Die unter den Stämmen herrschende Dunkelheit hatte nichts mit der Dunkelheit gemein, die sich in der Wildnis ausbreitete und in der Gottes heiliger Odem eingefangen war. Für jeden anderen Reiter hätte sie keine Bedeutung gehabt, doch Lonestar befand sich auf einer heißen Fährte. Er sah die Spuren deutlich ins Gehölz einmünden. Die Pferde der Verfolgten hatten dort Zweige geknickt und losgerissen. Äste lagen mit frischem Baumlaub am Boden. Vor einer Stunde etwa mussten drei Reiter die Prärie verlassen haben und in den Busch eingedrungen sein.
Seit Tagen war Lonestar hinter diesen Reitern her, und jetzt, da er sie fast eingeholt hatte, schlug die eiskalte Witterung der Gefahr gegen ihn. Es konnte kein Fehlschluss sein. Der rostrote Wallach hatte mit dem untrüglichen Instinkt der Tiere, die Gefahr zuerst empfunden.
Das Pferd bewegte sich nicht. Es hielt den Kopf vorgestreckt und schien wie der Reiter auf seinem Rücken zu den Chapperal- und Tamariskenbüschen zu blicken, deren Blattbaldachine vom Sonnenlicht angestrahlt, im Wind leicht hin und her bewegt wurden, sodass die Blätter leise raunten und rauschten. Der Wind bewegte die Halmspitzen der Gräser leicht.
»So ist es recht!«, sagte eine heiser krächzende Stimme. Dabei knackte es metallisch.
Horty Lonestar, dessen Hände noch über den Kolben schwebten, bewegte sich nicht. Zu seiner Linken vernahm er jetzt ebenfalls ein Geräusch. Dann hörte man die hohnvolle Stimme eines Mannes:
»Schaut euch das an! Der Revolvermann versucht es erst gar nicht bei diesem Abstand, mit dem Karabiner zu arbeiten. Er hätte es wahrhaftig mit den Colts versucht, wenn wir uns nicht bemerkbar gemacht hätten. Dein Glück, dass du die Hände von den Kolben gelassen hast. Heb sie hoch und bleibe ruhig im Sattel! Wir haben dich im Visier!«
Drei Mann waren es, also genau so viel, wie Lonestar erwartet hatte. Vielleicht hatte er nur darum einen Bruchteil gezögert, das tödliche Blei aus den Läufen zu jagen. Vielleicht war die Einsicht, das eigene Leben zu retten, größer als das heiße Drängen in ihm, sich einen Weg freizuschießen. Es war ihm klar, dass er bei diesen Burschen keine Chancen gehabt hätte. Sie hatten seiner Sorglosigkeit ein jähes Ende bereitet. Es hatte keinen Sinn, sich schießend den Weg aufzubrechen, denn drei Mann, die sich weit auseinandergezogen versteckt hatten und ihn mit ihren Waffen bedrohten, waren nicht aus dem Wege zu bringen. Er hätte sicherlich einen von ihnen ausschalten können, nicht aber alle drei!
»Ich gebe mich geschlagen«, antwortete er, wobei er langsam beide Hände in Schulterhöhe hob. »Kommt nur, damit ich mich bedanken kann!«
»Hoh, bedanken will er sich, habt ihr das gehört? Ein eigenartiger Vogel flog uns zu!«
»Er wird diese Späße unterlassen!«, entgegnete ein anderer im Busch versteckt liegender Mann grimmig. »Mit uns kann er so nicht reden! Der arme Narr weiß nicht, wen er vor sich hat. Er ahnt nicht, wie wenig uns seine zwei Eisen imponieren. Wir sahen schon kriegerischere Gestalten als ihn und jagten ihnen die Furcht Gottes ins Mark. Nur keine falsche Bewegung, Stranger, du bist sonst eher in den ewigen Jagdgründen als ein Sioux. Von drei Seiten bist du gestellt, einer von uns erwischt dich bestimmt!«
Horty Lonestar blickte ruhig drein. »Ich sehe es ein«, sagte er trocken.
»Kein Wunder, er sieht aus, als wäre er dem Tod von der Schaufel gesprungen«, meldete sich der dritte Mann jetzt. Sicher waren dem Burschen die Spuren von der überstandenen Krankheit in Hortys Gesicht aufgefallen, und er deutete sie richtig. Seine Äußerung ließ seine beiden Partner unvorsichtig werden, denn ein kranker Mann konnte nicht so gefährlich werden, auch wenn er zwei Eisen trug. Es lockte sie aus den Deckungen heraus.
Sie traten mit angeschlagenen Revolvern aus dem Gebüsch. Jetzt erst sah Horty Lonestar seine Gegner. Es trieb ihn fast in den Steigbügeln hoch, denn es waren nicht jene, die er suchte. Es waren drei Männer, die er nie im Leben zuvor gesehen hatte. Nur ein verrückter Zufall hatte die Fährten ineinanderlaufen lassen können, denen Horty seit Tagen folgte. Es war ein Hohn, dass ausgerechnet diese Kerle ihn am Weiterritt hindern wollten.
Alle drei trugen sie Stoppelbärte. Seit Tagen hatten sie sich nicht mehr rasiert und gewaschen. Ihre Kleidung war sehr abgerissen, dazu trugen sie schäbige Stiefel, an deren hohen Absätzen die Sporen fehlten. In jeder zivilisierten Gegend wären die Kinder vor diesen Gestalten schreiend davongelaufen. Jeder Sheriff hätte sie davongejagt und jeder Rancher sie vor die Tür geschickt.
Horty betrachtete alle drei eindringlich. Bis auf den Schmutz an Körper und Kleidung hatten sie miteinander keine Ähnlichkeit, denn im Gegensatz zu dem Riesen wirkte der nebenstehende Mann wie ein Zwerg und jener, der in der Nähe des Zwerges stand, wie ein Jüngling dem kleinen Kerlchen gegenüber. Das kleine Kerlchen hatte dünne, blutleere Lippen und eine große Habichtsnase. Der zweite Mann, der sich Horty vorsichtig näherte, war trotz seiner Stoppeln im Gesicht schön zu nennen. Er hielt sich wie der dritte Mann zurück. Der Hüne kam barhaupt daher. Sein feuerrotes Haar wirkte wie der Kamm eines Hahnes.
Weder der riesenhafte Kerl noch der Junge waren die Wortführer. Das kleine Kerlchen mit dem faltigen Gesicht gab einzig und allein den Ton an. Es zeigte sich, dass dieses Kerlchen seine Partner beherrschte. Er drängte sich als Erster vor und blieb etwa neun Schritte vor Lonestar stehen und kniff die Augenlider zusammen.
Lonestar sah ihn aufmerksam an. Es störte ihn nicht, dass der Riese und der Junge ebenfalls stehengeblieben waren und ihre Waffen weiter auf Horty gerichtet hielten.
»Ihr macht sehr enttäuschte Gesichter«, begann Lonestar das Gespräch nach einer Weile. »Ihr seid lange unterwegs und braucht sicherlich Pferde, Proviant und einiges mehr.«
»Wir werden uns mit einem Pferd vorerst begnügen«, unterbrach ihn das kleine Kerlchen höhnisch. »Tut uns leid, Stranger, dass du dich von deinem Tier und deinem Gepäck trennen musst. Drew Wells hat bereits Blasen an den Füßen.« Er zeigte bei diesen Worten auf den Jungen. »Auch Dave Scott ist nicht mehr wacker auf den Beinen, und ich selbst, Leward Shark, bin des Wanderns müde, also …«
»Ein einziges Pferd würde euch nicht viel nützen«, unterbrach ihn Lonestar.
»Das lass unsere Sorge sein!«
»Wenn ihr verfolgt werdet, seid ihr das Tier bald wieder los, und dann …«
»Er scheint Gedanken lesen zu können, Leward«, meldete sich staunend der Riese Scott. »Woher weiß er, dass wir verfolgt werden? Heh, sag es uns! Gehörst du vielleicht selbst zu den Halunken, die …« Er brach ab. Der warnende Blick des Kleinen stoppte ihn rechtzeitig.
»Es ist uns gleichgültig, ob er Gedanken lesen kann oder mit hellseherischen Gaben ausgestattet ist«, stieß der Kleine böse hervor. »Viel wichtiger ist, dass wir ein Pferd und Proviant bekommen und nicht mehr durch die Büsche kriechen müssen. Wir drei ersticken bald im Dreck. Es ist ein Wunder, dass die Sioux uns bisher noch nicht erwischten, aber sie sind in der Nähe.« Er brach ab, wischte sich über das dreckverschmierte Gesicht und lachte rau auf. »Die Roten umkreisten wie Habichte Fort Eagle«, fuhr er fort. »Wir hatten nicht das Glück, im Fort bleiben zu können. Wir drei, Stranger, waren dort nicht willkommen und setzten uns ab. Keiner von uns wollte Soldat werden. Aber wozu erzähle ich das alles. – Du hast eine Chance! Dich nimmt man bestimmt im Fort auf. Vielleicht kommst du durch die Siouxrudel hindurch, und Luta Wambli, den man auch Roter Adler nennt und der einer der ersten Kriegshäuptlinge der Siouxnation ist, lässt dir den Skalp.«
»Dann wird er sich in eine Mücke verwandeln müssen«, grinste der schöne Wells, dabei sein prächtiges, schneeweißes Gebiss entblößend. »Die Siouxkrieger haben es besonders auf hellblonde und rote Skalps abgesehen. Der Siouxkrieger, der solche Skalps besitzt, genießt besonderes Ansehen.«
»Halte den Mund, Drew!«, unterbrach ihn der Kleine scharf. Sich an Horty Lonestar dabei wendend: »Was, zum Teufel, willst du in Fort Eagle?«
»Ich suche einige Männer, das ist alles.«
»In Fort Eagle wimmelt es von Männern«, unterbrach ihn der Kleine bitter. »Uns gefiel es dort nicht. Unsere Maultiere und Gespanne wurden beschlagnahmt, und uns selbst wollte man zu Soldaten machen. Wir sollten das Fort verteidigen helfen. Aber das kennen wir! Wir wären nie wieder aus den Blauröcken der Pferdesoldaten herausgekommen. Außer den Siedlern, die mit ihren Familien ins Fort kommen, werden alle in Uniformen gesteckt. Wir sind jedoch freie Männer und gedenken es auch zu bleiben. Wir werden es schon schaffen, aus dem Land der sieben Siouxstämme herauszukommen. Wir werden Fort Laramie erreichen und dann …«
Obwohl der Kleine abbrach, wusste Horty genau, was er sagen wollte, denn er selbst war ja den Bozemanweg entlanggezogen. Doch zu der Zeit, als er das sichere Fort Laramie verließ, um einer Fährte zu folgen, ahnte wohl noch niemand, dass der Bozemanweg einmal in die Geschichte eingehen würde.
Er führte von Fort Laramie bis zur Adlerschlucht in Montana hinauf, dorthin, wo das Gold lockte und rief. In der Adlerschlucht wurde nach Gold gegraben. Es verlockte viele dazu, den Weg durch die Hölle, durch das Siouxland, zu wagen. Für viele führte dieser Weg in den Tod. Viele Meilen vor der Adlerschlucht, mitten im Siouxland, hatte man ein Fort errichtet, Fort Eagle. Man hatte es aufgebaut, ohne vorher mit den Siouxstämmen zu verhandeln.
Nun stand es auf verlorenem Posten.
Jeder Kenner der Lage wusste, dass es auf die Dauer gegen den Druck der Siouxkrieger nicht zu halten sein würde. Die roten Krieger sperrten das Land, blockierten den Nachschub. Dass es schlimm um das Fort stand, ging schon aus den Worten des Kleinen hervor, dass man nämlich Frachtwagenfahrer zu Soldaten machte, ohne lange nach ihrem Einverständnis zu fragen. Sicherlich dachten die drei daran, an dem Fort vorbeizukommen und in die Adlerschlucht zu gelangen, wo die Erde von Tausenden von Männern umgewühlt wurde.
Horty Lonestar hatte ebenfalls wenig Lust, Fort Eagle zu erreichen. Das würde ihn nur von seinem Weg abbringen. Noch wusste er nicht, wie diese Sioux operierten, wie diese Hochprärieindianer kämpfen konnten. Er stammte aus dem Süden, wo er es bis jetzt nur mit Apachen zu tun gehabt hatte. Sicherlich konnten die Sioux nicht schlimmer sein als die Apachen, gegen die er oft gekämpft hatte.
Jetzt konnte es nur um eins gehen, nämlich die drei Kerle, die er schon lange verfolgte, vor seine Colts zu bekommen. Er würde sie unter Tausenden von Diggern und Abenteurern in der wilden Adler-Schlucht finden und stellen. Das konnte er aber nur, wenn er sein Pferd, seinen Proviant, kurzum sein Eigentum, behielt. Dazu musste er allerdings die drei Gestalten ab schütteln, die ihm den Weg versperrten.
Er dachte nicht daran, sich nach Fort Eagle durchzuschlagen, nach einem Fort hin, von dem man in Fort Laramie prophezeite, dass es innerhalb weniger Monate von den Sioux überrannt und dem Erdboden gleichgemacht würde. Es war Wahnwitz gewesen, dass man es überhaupt zum Schutz der Männer, die in die Adlerschlucht wollten, errichtete und damit Verträge brach.
»Tut mir leid«, sagte er ungewöhnlich ruhig und beherrscht zu den Männern gewandt, die ihn mit ihren Waffen bedrohten, »aber ich möchte weder meinen Skalp noch mein Eigentum verlieren. Ich werde weiter der Fährte folgen. Die Fährte wird sicherlich in der Adlerschlucht enden, wo einige Tausend Männer mitten in der Wildnis leben und die Erde umwühlen und dabei ein entbehrungsreiches Leben ohne Recht und Gesetz führen. Ihr hättet mit euren Frachtwagen dorthin und nicht nach Fort Eagle fahren sollen.«
»Zum Teufel!«, unterbrach ihn der Kleine kreischend, »das war auch unsere Absicht! Doch dann kamen die üblen Blauröcke und stellten sich uns in den Weg. Sie zwangen uns, zum Fort zu fahren, mit der Begründung, dass die dorthin geflüchteten Frauen und Kinder auf unsere Wagenladung, die aus Lebensmitteln bestand, ein größeres Anrecht hätten; dass wir uns den Weg zur Adlerschlucht ersparen könnten. Die Männer in der Adlerschlucht könnten sich gut gegen die Sioux behaupten.
Damit waren wir unsere Wagenladung los.
Wir bekamen nicht einen Cent dafür! Wir verloren aber auch unsere Maultiergespanne und unsere Freiheit. Dann sollten wir noch für das Fort kämpfen. – Nun, komm herunter vom Gaul! Im Fort haben wir gelernt, dass das Recht auf der Seite des Stärkeren ist. Es ist nun genug geredet worden.«
Er lachte gequält vor sich hin und hob ruckartig die Mündung seiner Winchester an.
»Es war unser Frachtwagenzug, den man uns in Fort Eagle wegnahm, und dabei waren wir auf den Bozemanweg gegangen, um das Geschäft unseres Lebens zu machen! Wir hatten alle Ersparnisse zusammengetan. Unsere Fracht wäre mit purem Golde aufgewogen worden, wenn wir die Adlerschlucht erreicht hätten. Als reiche Männer wären wir nach Fort Laramie zurückgekommen. Jetzt werden wir froh sein, wenn wir jemals dort ankommen und unsere Haut keine Löcher hat. – Zum letzten Mal, mache keine Schwierigkeiten!«
Jetzt wusste Horty Lonestar genau, was er von den dreien zu halten hatte. Es waren drei Männer, die auf dem rauchigen Bozemanweg hart gebrannt worden waren. Sicherlich wäre es keinem von ihnen unter normalen Bedingungen eingefallen, mit der Waffe in der Hand einen Raub zu begehen.
Der nackte Selbsterhaltungstrieb veranlasste sie zu diesem Vorgehen. Am Bozemanweg fragte niemand nach einem Menschenleben. Die Zeichen des Todes waren überall zu sehen: ausgebrannte Planwagen, Pferde- und Rinderskelette, Grabhügel, die der Wind bald wieder einebnete!
Horty Lonestar erkannte deutlich, dass jeder der drei bereit war zu schießen, wenn er nicht augenblicklich vom Pferd glitt. Seine Augen glitten schnell von einem zum anderen. Der Kleine grinste nicht mehr, er presste die dünnen Lippen fest zusammen. Der Junge neben ihm wirkte bleich, schien aber zu allem entschlossen zu sein. Man sah ihm an, dass er zum ersten Mal auf einen Menschen schießen würde.
Lonestar atmete tief. Vorsichtig legte er die Hände aufs Sattelhorn, so als ob er sich vom Pferderücken gleiten lassen wollte. Dabei ließ er keinen Blick von den Gegnern, die ruhig und abwartend dastanden und ihn scharf beobachteten. In dem Augenblick, als sich Lonestar scheinbar aus dem Sattel heben wollte, geschah es dann. Der rostrote Wallach gehorchte dem Zeichen, das Lonestar ihm gab. Der Wallach ließ sich zur Seite fallen, als hätte ihn ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen. Drew Wells, der Junge, der kaum achtzehn Jahre alt sein mochte, schoss zuerst. Die Kugel raste über Horty hinweg. Sie hätte ihn getroffen, wenn der Wallach nicht so schnell auf das Zeichen reagiert hätte. Die zweite Kugel feuerte der Riese Dave Scott ab. Aber auch sie richtete keinen Schaden an. Sie riss Horty Lonestar lediglich die Kopfbedeckung ab. Die von Leward Shark abgefeuerte Kugel streifte Hortys Oberarm.
Dann schoss Horty Lonestar, der über das stürzende Pferd gerollt war, tief aus der Hüfte heraus. Es waren Meisterschüsse, rasend schnell abgefeuert. Das geschah so schnell, dass keiner der Gegner erneut zum Schuss kam.
Shark kippte vornüber und lag still, die Hände weit vorgestreckt, als wollten sie sich im Grase einen festen Halt verschaffen. Drew Wells spürte einen heftigen Schlag am Handgelenk, als er gerade den zweiten Schuss abfeuern wollte. Die Kugel zischte zwar aus dem Lauf, ging aber weit fehl. Nur einen Sekundenbruchteil später wurde dem Riesen Scott die Waffe aus der Hand geprellt, ohne dass er selbst verletzt wurde.
Damit war der Kampf zu Ende. Das ungleiche Duell hatte nur Sekunden gedauert. Nach dem Verklingen der Schussdetonationen wirkte die nun einsetzende Stille beängstigend und niederdrückend.
Hochaufgerichtet stand Horty Lonestar, beide 45er Colts tief an den Hüften im Anschlag. Dünner Rauch kam aus den Mündungen seiner Waffen. So stand er völlig umgewandelt, ein Mann, der kämpfen konnte und vor keinem Kampf zurückschreckte.
Er wusste um die Bitternis, die jetzt die Gesichter des Jungen und des Riesen zeichnete. Beide sahen sie ihn mit weit aufgerissenen Augen an, als könnten sie das Geschehene nicht begreifen. Der Schock hielt sie im Bann. Sie schienen nicht einmal zu bemerken, wie der rostrote Wallach sich aufrichtete und zu grasen begann, als wäre nicht das Geringste geschehen.
Der Riese schluckte schwer. Der junge Wells zuckte am ganzen Körper und war leichenblass. Beide schauten sie zu dem kleinen Shark hin, den sie für tot hielten, ausgelöscht aus den Reihen der Lebenden. Doch in diesem Augenblick richtete Shark sich wieder auf. Er blieb in der Hocke sitzen und tastete mit beiden Händen über seinen Schädel. Sicherlich ertastete er die Furche, die die Kugel über seinen Kopf gezogen hatte, und die nur geringfügig die Kopfhaut verletzt hatte.
»Dem Himmel sei Dank«, kam es von seinen Lippen. »Ich lebe, es ist noch nicht zu Ende … Zum Teufel, starrt mich nicht so an, ihr beiden!«
Er brach ab, denn in diesem Augenblick sah er wohl den Gegner, der beide 45er gezogen hatte. Erst jetzt begriff er, dass seine Partner wie er versagt hatten. Er brauchte nur einmal hinzuschauen, um es richtig zu begreifen. Wells’ Handgelenk blutete. Er hatte die Waffe fallen lassen und war so unbewaffnet wie der Riese Scott, dem Lonestars Kugel die Waffe aus der Hand gerissen hatte. Leward Shark begriff, dass die Flucht endgültig zu Ende war. Das ließ ihn den Schmerz vergessen, der durch seinen Kopf tobte.
»Nun los, Revolvermann, mach es glatt und reite weiter! Wir drei haben wohl eine Kugel verdient. Wenn du es tust, bewahrst du uns davor, von den Sioux geschnappt, gemartert und skalpiert zu werden. Zu Fuß, ohne Proviant und Ausrüstung kommen wir nicht mehr weit … Fang an!«
»Nein!«, erwiderte Horty Lonestar ruhig. »Ich sehe ein, dass ich euch nicht zurücklassen kann. Ihr werdet also mit mir kommen.«
»Zurück?«, stieß der junge Wells erschrocken hervor und eine furchtbare Angst schwang in seiner Stimme. »Zurück zum Fort?«
»Es wird dir besser tun, wenn du Soldat wirst«, erwiderte Horty Lonestar kalt. Dann wandte er sich an den kleinen Shark, der sich gerade erhob und wankend auf den Beinen stand.