Ronco - Die Tagebücher 19: Höllenpoker - Dietmar Kuegler - E-Book

Ronco - Die Tagebücher 19: Höllenpoker E-Book

Dietmar Kuegler

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Beschreibung

Sie glauben, mich aufs Kreuz legen zu können. Weil ich jung bin. Das sollen sie bitter bereuen. In Arkansas hat mich ein Gauner um mein Geld gebracht. Ich bin ihm bis in den Süden von Texas gefolgt und konnte seine schmutzigen Geschäfte mit Indianern an der mexikanischen Grenze aufdecken.In Louisiana versuche ich, Ruhe zu finden. Der Süden ist jedoch noch immer von den Folgen des blutigen Bürgerkrieges aufgewühlt. Jeder versucht, an Geld zu kommen. Egal wie, notfalls mit schmutzigen Tricks. Aber ich habe meine Lektion gelernt. Mein Leben war bisher ein einziger Kampf. Doch jetzt stehe ich dem Teufel gegenüber.Dieser Band enthält die folgenden Romane:Ein Drecknest in Texas (37)Entscheidung am Mississippi (38)

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RONCO

In dieser Reihe bisher erschienen

2701 Dietmar Kuegler Ich werde gejagt

2702 Dietmar Kuegler Der weiße Apache

2703 Dietmar Kuegler Tausend Gräber

2704 Dietmar Kuegler Apachenkrieg

2705 Dietmar Kuegler Das große Sterben

2706 Dietmar Kuegler Todesserenade

2707 Dietmar Kuegler Die Sonne des Todes

2708 Dietmar Kuegler Blutrache

2709 Dietmar Kuegler Zum Sterben verdammt

2710 Dietmar Kuegler Sklavenjagd

2711 Dietmar Kuegler Pony Express

2712 Dietmar Kuegler Todgeweiht

2713 Dietmar Kuegler Revolvermarshal

2714 Dietmar Kuegler Goldrausch

2715 Dietmar Kuegler Himmelfahrtskommando

2716 Dietmar Kuegler Im Fegefeuer

2717 Dietmar Kuegler Die Ratten von Savannah

2718 Dietmar Kuegler Missouri-Guerillas

2719 Dietmar Kuegler Höllenpoker

2720 Dietmar Kuegler Das Totenschiff

2721 Dietmar Kuegler Der eiserne Colonel

2722 Dietmar Kuegler Der Feuerreiter

Dietmar Kuegler

Höllenpoker

Diese Reihe erscheint als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2021 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-168-7Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Ein Drecknest in Texas

von Ken Conagher

29. April 1881.

Ich habe einen Unterschlupf bei Franco Allonso gefunden. Noch weiß ich nicht, was die nächsten Tage bringen werden – Gutes bestimmt nicht. Ich habe erfahren, dass ein Gringo gesucht wird, der für den Gouverneur Suarez gearbeitet haben soll. Dieser Gringo bin ich.

Es ist wieder so, wie es in meinen Jahren als Geächteter war: Ich werde gejagt und jage selbst einen anderen – Andrew Hilton, der meinen Sohn Jellico entführen ließ. Diesen Mann scheint mir mein Schicksal zum ewigen Feind ausgesucht zu haben. Solange er lebt, werde ich keine Ruhe finden. Manchmal frage ich mich, warum das Schicksal des Menschen Hilton auf derart teuflische Weise mit dem Schicksal des Menschen Ronco verflochten wurde. Noch unbegreiflicher wird diese Frage, wenn ich an Jellico denke, dessen Schicksal – jedenfalls zurzeit – nun auch von dem Menschen Hilton beeinflusst wird.

Es hätte alles ausgewogen und gut sein können, aber dann wurde Jellico geraubt, und damit dürfte Hilton, was mich betrifft, seinen größten Fehler begangen haben. Nichts und niemand nimmt mir meinen Sohn – nur der Tod. Aber Hilton ist nicht der Tod, Hilton ist ein Mensch aus Fleisch und Blut, ein Mensch mit einem denkenden Gehirn, einem Gehirn allerdings, das zu viel Böses ausgebrütet hat.

Soll dieses Böse weiter bestehen und auf diesem Teil der Erde ungestraft ein Unheil nach dem anderen vollbringen dürfen?

Das ist es, was mich nicht ruhen lässt und mir die Kraft gibt, Widerstand zu leisten, damit die Hiltons auf dieser Erde nicht beherrschend werden.

Ein Mensch dieser Art war der Händler Louis Granger, von dem ich in meinem Tagebuch weiter berichten möchte ...

1.

Die alte Feldscheune im Buschland des Brushy Creek eignete sich vorzüglich als heimlicher Treffpunkt. Längst diente sie nicht mehr ihrem eigentlichen Zweck, und sollten in ihrer Umgebung jemals Felder angelegt gewesen sein, so war davon nichts mehr zu sehen. Das Land hatte sich in den Kriegsjahren zur Wildnis zurückentwickelt.

Die Scheune wirkte wie ein Relikt aus einer Zeit, in der gesät und geerntet und der Wohlstand vermehrt wurde. Das war jene Zeit gewesen, in der die weißen Farmer und Rancher das ausgenutzt hatten, was ihnen billig angeboten worden war; die Arbeitskraft der Negersklaven.

Das alles hatte sich mit dem Sieg der Nordstaaten gewandelt. Jetzt waren die Schwarzen selbst Farmer – und wurden von den Weißen gehasst.

Am Spätnachmittag dieses Junitages 1865 stießen Big Hank Calhoun und ich auf die Scheune, in der sich das weiße Gesindel zu treffen pflegte, bevor es die weißen Kapuzen überzog, um unter dieser Tarnung mit Mord, Brand und Schändung über die schwarzen Farmer und ihre Familien herzufallen.

Big Hank Calhouns Familie war auf diese Weise ausgelöscht worden, vor ein paar Nächten erst, und ich selbst hatte einen Teil dieser viehischen Untat miterlebt, aber nicht mehr verhindern können.

Den heimlichen Treffpunkt der Kapuzenreiter hatte Josh Calhoun entdeckt, der jüngere Bruder Big Hanks. Aber er hatte seine Entdeckung mit dem Leben bezahlt. Die Kerle hatten ihn erwischt und ihm eine Kugel in den Rücken geschossen. Josh hatte noch in das Versteck Big Hanks fliehen und ihm alles berichten können. Vorgestern war er an seiner schweren Verwundung gestorben.

Eine der übelsten Rollen im Zusammenhang mit den Kapuzenreitern hatte der Trader Louis Granger gespielt. In der Öffentlichkeit war er als der große Freund und Helfer der schwarzen Farmer und ihrer Familien aufgetreten. Tatsächlich aber gehörte er zu dem Kreis der Kapuzenmänner, denen er aufgrund seiner Kontakte mit den verschiedenen schwarzen Farmern Informationen lieferte, wo es auf den Farmen etwas zu plündern gab. Von der Beute der Kapuzenmänner hatte der saubere Mister Granger jeweils dreißig Prozent erhalten.

Das war ein einträgliches Geschäft für Mister Granger gewesen – die Negerfarmer, die ihm vertrauten, hatten seine gelieferten Waren meist bar bezahlt, und von den Kapuzenreitern hatte er für die Informationen seine Prozente kassiert.

Aber dann hatte eine Eskalation stattgefunden. Die Kapuzenreiter hatten sich nicht mehr damit begnügt, die Farmer auszunehmen, sondern sie waren dazu übergegangen, die Farmen der Schwarzen niederzubrennen, die Männer zu massakrieren und die Frauen zu vergewaltigen.

Das hatte Mister Granger gewaltig gestunken – schließlich schlachtet man ja keine Kuh, die gute, fette Milch gibt. Außerdem war er realistisch genug, zu wissen, dass die Unionsbehörden, die sich ja für die ehemaligen Sklaven einsetzten, bald Wind von den Terrorakten kriegen und dann gegen die Urheber vorgehen würden.

Und dann hatte Josh Calhoun, Big Hanks Bruder, herausgefunden, dass der so beliebte Mister Granger zu den Kapuzenmännern gehörte. Das hatte den Ausschlag gegeben: Louis Granger war getürmt, er hatte den Boden, der ihm zu heiß geworden war, fluchtartig verlassen.

Und mich hatte er dabei nach allen Regeln der Kunst aufs Kreuz gelegt. Er hatte mich großartig zu seinem Geschäftspartner gemacht, mir 350 Dollar Geschäfts­einlage abgeluchst – und war verduftet. In Mount Ida hatte er seine Handelsniederlassung an einen Fettwanst verscherbelt, mit notarieller Beglaubigung, versteht sich, und damit war mein kurzer Traum, Geschäftsmann zu werden, ausgeträumt.

Ich hatte eine Stinkwut auf den Kerl. Und darum hatte ich mich Big Hank angeschlossen, dem der sterbende Josh noch mitgeteilt hatte, dass sich heute Abend die Kapuzenmänner wieder in der Feldscheune treffen würden.

Denen wollten wir das Fürchten beibringen, und vielleicht, so hoffte ich, wussten diese Kerle etwas darüber, wohin sich ihr Informant Granger abgesetzt hatte.

Als die Scheune vor uns auftauchte, zügelte ich meinen Schecken. Auch Big Hank verhielt sein Pferd, eine braune, sanfte Stute. Den Wallach seines toten Bruders führte er hinter sich her – er war das Letzte, was ihn mit dem Toten verband, mit dem Toten und seiner Familie, die nun auch unter der Erde lag. Die Stute und der Wallach – mehr war ihm von der Farm der Calhouns nicht geblieben.

„Ist was?“, flüsterte Big Hank.

Ich deutete schweigend auf die Hufspuren, die vor uns verliefen und zu der Scheune führten. Shita, mein treuer Hund, saß im Gras und kratzte sich mit der rechten Hinterpfote hingebungsvoll den Nacken, wobei er den Kopf schräg nach oben reckte und den Körper schlangengleich verdrehte. Wenn Shita sich kratzte, war keine Gefahr im Verzug. Aus dem Sattel sah ich auch, dass die Spuren nicht frisch waren.

Dennoch blieb ich wachsam und umkreiste erst einmal die gesamte Feldscheune. Überall kreuzte ich Hufspuren. Sie führten aus allen Himmelsrichtungen auf die Scheune zu. Ich winkte Big Hank und ritt abseits der Scheune zu einer Mulde, die von Buschwerk umgeben war.

Dort glitt ich aus dem Sattel und pflockte den Schecken an. Der Platz war gut, abgesehen davon, dass ich hier keine Hufspuren entdeckte.

Auch Big Hank kletterte aus dem Sattel und hobbelte seine beiden Pferde an.

Er blickte sich um und nickte mir zu.

„Ein gutes Versteck. Von der Scheune her kann uns niemand sehen, vor allem nicht, wenn es dunkel ist.“

Ich lockerte den Sattelgurt, goss Wasser aus meiner Armeefeldflasche in meinen Hut und ließ den Schecken saufen. Als er den Hut leer hatte, beschäftigte er sich mit der Krempe und war beleidigt, dass ich sie ihn nicht fressen ließ.

„Sei ja friedlich“, sagte ich zu ihm und stülpte den Hut über. „Die Krempe brauche ich noch als Sonnen- und Regenschutz.“

Der Schecke zeigte mir sein herrliches Gebiss, fletschte also gewissermaßen die Zähne – na, ich kannte das. Jetzt war er scharf darauf, mich selbst zu verspeisen, obwohl wir uns sonst sehr gut verstanden.

Ich verzog mich, um die Scheune zu erkunden. Big Hank folgte mir grinsend. Der Schecke schielte hinter mir her und entließ eine Blähung. Manieren hatte der, da konnte man nur den Kopf schütteln.

Die Scheune war leer bis auf ein Sammelsurium von Zigarettenstummeln und eine Anzahl von Flaschen, die einmal Brandy enthalten hatten. Den verkonsumierten die Kerle wohl, bevor sie zu ihren Raubzügen auf­brachen. Die Schweine mussten sich Mut ansaufen, aus dem Alkohol bezogen sie ihre Legitimation für die fürchterlichen Untaten.

Das entsetzliche Bild der beiden geschändeten und viehisch massakrierten Schwestern Big Hanks stand plötzlich vor meinem geistigen Auge. Ich versetzte einer Flasche einen Tritt, bückte mich dann aber und hob sie auf.

Ein paar Stalllaternen hingen an einem Pfosten. Ich nahm eine herunter und entleerte das Petroleum in die Flasche. Sie wurde etwas mehr als halb voll. Ich verkorkte die Flasche und hängte die Laterne an den Pfosten zurück.

Big Hank starrte mich an. „Was soll das denn?“

„Sie haben eure Farm verbrannt“, sagte ich, „und mit dem Feuer gespielt. Ich werde ihnen zeigen, dass ich das auch kann.“

In Big Hanks Augen blitzte es auf. Aber er sagte nichts weiter. Ich untersuchte den Zugang zur Scheune und stellte fest, dass das Tor mit einem Balken von außen zu verrammeln war.

Sehr gut, dachte ich grimmig, heute Abend würde das Spiel einmal andersherum verlaufen.

Die Sonne neigte sich dem Westen zu, und wir zogen uns zu der Mulde zurück. Mein Schecke äugte mich schläfrig an. Er war wieder in friedlicher Stimmung. Shita hatte sich zusammengekringelt, blinzelte zu mir hoch, schnaufte und döste dann weiter.

Das Warten begann.

*

Der erste der Kerle ritt von Süden heran. Die Sonne hatte ihre Tageskreisbahn beendet und war hinter einem Erlenwald verschwunden. Die Abenddämmerung setzte ein.

Der Mann ritt im Schritt und saß krummrückig im Sattel. Nach seiner Haltung zu urteilen, strotzte er nicht gerade vor Energie. Sein Pferd schien davon angesteckt zu sein. Es setzte die Hufe, als wate es durch Sirup.

Sehr viel Wachsamkeit verriet der Mann auch nicht. Er drehte den Kopf weder nach links noch nach rechts, zurück blickte er schon gar nicht. Er stierte auf den Pferde­kopf vor sich, der sich in dem Sirupschritt nickend bewegte, und der Mann nickte mit.

Wenn ich jetzt Buh! gerufen hätte, wäre der Kerl wahrscheinlich vor Schreck vom Pferd gefallen.

Er ritt in etwa zwanzig Schritten Abstand an uns vorbei. Sein Gesicht war knochig und mager, ein dünner ­Sichelbart umrahmte im Halbkreis ein Spitzkinn und verlieh diesem Gesicht einen Ausdruck von Grämlichkeit.

Sieht so ein Mörder aus?, fragte ich mich. Ich verneinte diese Frage. Aber unter der Anonymität der Kapuze würde sich dieses Gesicht verändern, Hass, Gier und Mordlust würden es verzerren. So absurd es klang – unter der Kapuze ließen sie die Masken ihrer Alltagsgesichter fallen. Die Kapuze war gleichsam die Tarnung für ihre Fratzen.

Wenn ich etwas hasste – und daran hat sich bis heute nichts geändert –, dann war es dieser Typ eines Menschen, der sich feige unter einer Verkleidung verkroch, wenn er Gewalt ausüben wollte.

Der Mann rutschte aus dem Sattel, band sein Pferd an einen Strauch rechts vom Eingangstor, kratzte sich am Bauch, fummelte an der Satteltasche herum und zog eine Flasche hervor. Da war bestimmt keine Limonade drin. Die Bestätigung erfolgte prompt. Kaum hatte er getrunken, krümmte er sich zusammen und hustete wie ein Schwindsüchtiger. Das musste Fusel der billigsten Sorte sein, Sprit, wie man ihn zusammenpanschte und an die Indianer verhökerte.

Ich warf Big Hank einen Blick zu. Er lag neben mir unter dem Buschwerk und starrte zu der Scheune hinüber. Sein Gesicht war kantig und hart. Ich ahnte, was in seinem Kopf vorging. Wahrscheinlich hatte er ähnliche Gedanken wie ich.

Woher nur nahmen sich solche miesen Bastarde wie dieser Kerl dort drüben das Recht, Menschen anderer Hautfarbe abzuschlachten?

Ich sah, wie sich Big Hanks mächtige Pranken um Schafthals und Lauf der Sharps krampften, die er dicht vor sich liegen hatte.

Ich stieß ihn an und schüttelte den Kopf.

„Dieses Schwein!“, flüsterte er. „Ich sollte ...“

„Nichts da!“, flüsterte ich scharf zurück. „Erst sollen sie alle da sein, dann werden wir weitersehen.“

Er presste die Lippen zusammen, dann nickte er.

Der Kerl soff, hustete wieder und verstaute die Flasche in der Satteltasche. Er fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund, rülpste, zog seine Hosen hoch und stiefelte in die Scheune. Ich hörte, wie er mit den Stall­laternen hantierte. Kurz darauf schimmerte Licht durch die rissigen Spalten der Scheune. Inzwischen war es dunkler geworden.

Etwa zehn Minuten später klang Hufschlag von Westen her auf und wurde lauter. Das mussten mehrere Reiter sein. Der Kerl mit dem Sichelbart erschien wieder vor der Scheune und zog ein Gewehr aus dem Sattelschuh.

Er duckte sich hinter ein Gebüsch und tauchte erst wieder auf, als er wohl die Reiter erkannt hatte.

„Hallo, Dave!“, rief er und trat mit dem Gewehr unter dem Arm hinter dem Gebüsch hervor.

„Dave O’Conners, der Hundesohn!“, flüsterte Big Hank grimmig. „Er führt jetzt die Bande, seit du den Colonel erschossen hast.“

Der mittlere der fünf Reiter hob die Hand. „Hallo, Creg! Schon da? Du bist wohl wieder scharf auf Niggerweiber, he?“

„Du nicht?“, fragte der Kerl mit dem Sichelbart zurück und meckerte wie ein Ziegenbock.

Ich hörte, wie Big Hank mit den Zähnen knirschte.

„Hank!“, flüsterte ich mahnend.

„Schon gut“, flüsterte er zurück.

Die Kerle kletterten aus den Sätteln, lachten und benahmen sich, als sollten ein Fest gefeiert und ein Stier am Spieß gebraten werden.

Nach und nach trafen auch die weiteren Mitglieder der Mordbrennerbande ein. Ich zählte mit. Vierzehn Kerle versammelten sich in der Scheune. Einer von ihnen blieb als Posten draußen und begann, die Scheune zu umrunden. Drinnen begann das Palaver.

Ich bedeutete Shita, in der Kuhle zu bleiben, und wandte mich Big Hank zu, der mich erwartungsvoll ansah.

„Ich schalte den Posten aus“, sagte ich. „Dann besuchen wir die Kerle da drinnen.“ Ich nickte zur Scheune. „Vielleicht weiß einer, wohin Louis Granger verschwunden sein könnte.“

„Bist du verrückt?“

Ich ignorierte die Frage und fuhr fort: „Wenn wir die Scheune verlassen, sorge dafür, dass du den Balken sofort vorlegst. Dann werde ich den Kerlen ein Feuerchen unter dem Hintern anzünden. In dieser Zeit wirst du dich um ihre Pferde kümmern. Sieh zu, dass du so viele wie möglich zusammenhältst. Wir nehmen sie mit. Die anderen verjagen wir, damit sie uns nicht verfolgen können. Pass aber auf, ob einer von den Kerlen aus dem Bereich der Scheune, den du überblicken kannst, auszubrechen versuchst. Wenn ja, schieß sofort. Alles klar?“

Er nickte, und seine Augen glänzten.

Ich steckte mir die Petroleumflasche zwischen den Gürtel und zog meinen Colt. Die Zündhölzer hatte ich griffbereit in einer Tasche. Ich blickte zur Scheune. Der Posten schlenderte gerade am Tor vorbei nach links und verschwand hinter der Scheunenecke.

Ich nickte Big Hank zu, sprang aus der Mulde und huschte nach rechts, umrundete die vordere Ecke, lief an der Längsfront der Scheune entlang, und drückte mich an die hintere Ecke.

Ich war hellwach. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Wenn der Posten aus einer Laune des Zufalls heraus plötzlich entgegengesetzt die Scheune umrundete, würde er hinter mir auftauchen, mich sehen und Krach schlagen. Wenn er scharfe Augen hatte, musste er mich trotz der Dunkelheit entdecken. Ich warf einen Blick zurück. Aber da war nichts zu erkennen.

Dafür hörte ich die Schritte an der Rückfront der Scheune. Ich atmete auf. Es lief so, wie ich es geplant hatte.

Ich duckte mich und lauerte. Den Colt hatte ich am Lauf gepackt. Der Posten schnaufte. Seine Nase schien verstopft zu sein. Er war völlig ahnungslos, als er die Ecke umrundete.

Ich sprang ihn an und hieb ihm den Coltgriff mit aller Kraft auf den Hut. Er brach ächzend zusammen. In der Scheune ertönte lautes Gelächter. Das war die richtige Begleitmusik. Ich entlud die Schrotflinte, die der Wächter bei sich gehabt hatte, und warf die Patronen auf das Dach der Scheune. Dann fesselte ich den Kerl, stopfte ihm einen Knebel in den Mund und band sein Halstuch darüber.

Ein paar Sekunden später stand ich an der Vorderfront der Scheune und winkte zur Mulde hinüber.

Big Hank war mit ein paar Sätzen bei mir, einen Navy-Colt in der Faust. Diese Waffe stammte aus den Beständen von Louis Granger, genauso wie die Sharps und eine doppelläufige Schrotflinte. Big Hank war das reinste wandelnde Waffenarsenal. Außerdem war er mit den Fäusten ein Kämpfer, wie ich es bisher selten erlebt hatte – flink, hart, geschmeidig und unerhört reaktionsschnell.

Ich grinste ihn an, drückte das Tor auf und schlüpfte in die Scheune. An den Pfosten hingen zwei Stalllaternen. Eine stand am Boden. Um sie herum hockten die Kerle. Drei hatten Flaschen in den Händen. Über die Scheunenwände zuckten Lichter und Schatten.

Ich blieb außerhalb des Lichtscheins. Seitlich links hinter mir spürte ich Big Hank.

Sie saßen da wie die Ölgötzen, mit Augen, die nichts begriffen, und halb offenen Mündern.

Ich bewegte den Colt von links nach rechts, sehr langsam und sehr bedächtig, und sagte: „Wer sich bewegt, fängt ein Stück Blei ein. Es wird das Letzte sein, was er zu sich nimmt, bevor ihn die Hölle begrüßt.“

Ein paar ächzten. Einer von den dreien, die gerade hatten trinken wollen, drehte sich etwas, und ich sah, wie er den Arm, dessen Hand die Flasche hielt, langsam nach hinten bewegte. Er wollte mir die Flasche an den Kopf werfen.

Ich schoss aus der Hüfte. Die Flasche zerplatzte und verspritzte Fusel und Splitter. Seine Hand war plötzlich blutig, und auf seiner Stirn sprang ein blutiger Schnitt auf.

„Na los doch!“, sagte ich scharf. „Noch jemand, der es versuchen möchte? Aber dann zerschieße ich Köpfe und keine Flaschen!“

Der Kerl, der jetzt eine zerschnittene Hand hatte und dem das Blut über die Augen lief, schluchzte laut auf, wurde käseweiß und kippte im Sitzen um, einfach so. Wahrscheinlich konnte er sein eigenes Blut nicht sehen.

Ich bewegte mich nach rechts und nahm mit der Linken eine der beiden Stalllaternen von dem Nagel im Pfosten. Ich richtete den Schein auf den Kreis der Kerle. Sie starrten wie hypnotisiert zu mir hoch. Einige blinzelten, weil das Licht sie blendete.

„Der Trader Louis Granger ist abgehauen und hat seine Handelsstation verlassen“, sagte ich. „Weiß jemand, wohin?“

Einer der Kerle – er hockte links von mir – kriegte ­bibbernde Lippen und stotterte: „N-nach Rockwall, Te-Texas ... Er er-erzählte m-mir mal, d-dort sei ein Geschäftsfreund, m-mit dem er sich zu-zusammentun wolle. Ehr-ehrlich, Mister.“

Ich sah mir den Kerl genauer an. Log er, oder sprach er die Wahrheit? Aber er hatte Angst, hündische Angst. Er starrte in die Laterne, die ich auf ihn zu schwenkte, und ich glaubte an dem Ausdruck seines Gesichts erkennen zu können, dass er die Wahrheit sagte.

„Warum meinen Sie, dass er sich nach dorthin abgesetzt hat?“, fragte ich.

Der Kerl brachte ein schiefes Grinsen zustande. „Er sagte, die Injuns dort seien noch besser zu betrügen als die Nigger!“

Er sagte die Wahrheit. Das genau war der Stil des Traders Louis Granger. Granger kannte nur eines: Geld! Geld war der Gott, den er anbetete, nichts sonst. Skrupel kannte er nicht. Rücksicht auch nicht. Menschlichkeit war ihm fremd. Ihm ging es immer nur um sich selbst. Dafür würde er einen Handel mit dem Teufel eingehen. Oder mit Mördern – so wie hier.

Ich blickte zu Big Hank hinüber. Er nickte mir zu.

In diesem Moment sagte Dave O’Conners, der Anführer dieser Bande von Mordbrennern: „Du Scheiß-Yankee, du dreckiger Sohn einer verlausten Hure, du verderbtes Miststück eines weißen Hurenbocks!“ Seine Stimme zitterte vor Wut. „Dir drehe ich das Genick um, und wenn es knirscht, werde ich Hosianna! singen ...“

Auch in mir kochte die Wut hoch. „Wie in jener Nacht, als du und deine Drecksbande zwei Mädchen vergewaltigten und viehisch massakrierten, wie? Nur zu, O’Conners! Singe dein Hosianna! Na los, sing doch, du erbärmlicher Feigling! Steh auf! Du hast einen Colt. Die Chance gebe ich dir. Hier, auf der Stelle!“

Ich stieß meinen Colt ins Holster zurück und schleuderte die Stalllaterne hinter mich. Sie zerbarst, Flammenschein zuckte auf.

Dave O’Conners fuhr hoch. Sein Gesicht war eine Fratze aus Wut und Hass. Als er seine Waffe herausriss und den Abzug durchzog, warf ich mich nach links und feuerte selbst.

Etwas Heißes raste über meinen Kopf. O’Conners taumelte zurück. Sein Mund war wie zu einem Schrei weit aufgerissen,

Das alles geschah in Bruchteilen von Sekunden. Als ich auf den Boden prallte, warf ich mich herum und feuerte auf die Stalllaterne in der Mitte der Kerle. Der Zylinder zerbarst und regnete Splitter.

Ich sprang auf und feuerte auf die dritte Stalllaterne am Pfosten. Aus der schoss eine Stichflamme hoch, dann explodierte etwas und warf einen Funkenregen in die Scheune.

Die Kerle lagen am Boden und schützten ihre Köpfe.

Ich hetzte zum Tor. Vor mir huschte ein Schatten heraus – Big Hank. Hinter mir flog das Tor zu, der Querbalken krachte in die Halterung.

„Kümmere dich um die Pferde!“, schrie ich Big Hank zu.

Er rannte los. In der Scheune brüllten die Kapuzenmänner. Durch die Spalten und Ritzen zuckte Feuerschein. Ich riss die Petroleumflasche aus dem Gürtel, fetzte den Korken mit den Zähnen heraus, beschüttete die rechte Längsfront der Scheune mit dem Petroleum, entzündete es, lief auf die andere Seite, wiederholte das gleiche und lauerte.

Der Brand war vollkommen – innen und außen. Das morsche und trockene Holz der Scheune brannte wie Zunder. Auf dem Dach zerplatzten die beiden Schrot­patronen, die ich kurz zuvor hinaufgeschleudert hatte, und in der Scheune ertönten schrille Schreie.

Fast innerhalb von Sekunden war die Scheune eine riesige Fackel. Ich wich vor der Hitze zurück.

Rechts hinter mir hörte ich schrilles Wiehern. Die Pferde der Kapuzenmänner wurden wild. Vor mir zerbarsten Bretter der Längswand. Zwei Kerle taumelten hinaus. Ich schoss. Einer griff mit beiden Händen in die Luft und brach zusammen. Der andere kippte brüllend vornüber zu Boden. Mein Hammer schlug auf leere Patro­nen.

„Ronco!“, brüllte Big Hank.

Ich warf mich herum und lief zu der Mulde. Shita kläffte mich an. Big Hank saß bereits im Sattel seiner Stute. An einem Leitseil hatte er ein Rudel von Pferden. Wie schnell er sie zusammengekoppelt hatte, war mir schleierhaft. Mein Schecke trabte auf mich zu und schnaubte wild.

Ich schwang mich in den Sattel und gab meinem Pferd die Hacken. Vor mir jagte Big Hank mit dem Rudel los. Aus seiner Hüfte stachen zwei Feuerblitze – die Schrotflinte! Ihre Ladung raste in das Tor. Dort torkelten vier, fünf Männer herum, brennende Fackeln. Sie wurden von den beiden Schrotladungen getroffen. Ich sah, wie sie zu Boden gingen, dann war ich vorbei.

Wir galoppierten in die Nacht. Hinter uns lohte eine Feuersäule in den dunklen Himmel. Ich hoffte, dass die Mörder und Schänder dort für die Hölle gegart wurden.

2.

Zwölf Pferde hatte Big Hank abgezweigt, und das war nicht mehr als recht und billig angesichts seiner dahin­gemordeten Familie und des Verlustes der Calhoun-Farm.

Wir ritten die Nacht durch und einen Teil davon südwärts im Flussbett des Brushy Creek, um keine Spuren zu hinterlassen. Ich bezweifelte, dass man uns verfolgen würde, aber das war keine Garantie für unsere Sicherheit.

Am Morgen durchfurteten wir den Brushy Creek westwärts und rasteten in einem ausgetrockneten Bachbett, das von verfilztem Buschwerk eingesäumt war. Hier wollten wir den Tag über bleiben und erst bei Dunkelheit weiterreiten.

Ich entzündete ein rauchloses Feuer, über dem wir Speckscheiben brieten und einen Kaffee aufsetzten. Big Hank untersuchte die Satteltaschen der Pferde. Wie erwartet enthielten sie die verdammten Kapuzen der Kerle, weiterhin Munition, die wir unter uns aufteilten, etwas Tabak sowie Proviant, zwei Messer, den ­Warenkatalog eines Kaufhauses aus Little Rock, Verbandszeug, Zündhölzer und anderen Kleinkram, aber kein Geld.

Was wir nicht brauchten, vergruben wir in dem Bachbett. Auch die Sättel samt Satteldecken verschwanden unter der Erde.

Eine Errungenschaft war ein Spencer-Karabiner mit dem Kolbenmagazin für sieben Patronen und dem Unterhebelverschluss. Diese Waffe übernahm ich samt dem Scabbard. Die anderen Waffen, darunter zwei Schrotflinten und drei Vorderlader, vergruben wir ebenfalls.

Big Hank betrachtete nachdenklich die Pferde, nachdem wir das hinter uns hatten.

„Verkaufen wir sie?“, fragte er.

„Klar“, erwiderte ich.

Er runzelte die Stirn. „Meinst du nicht, dass man uns daraus einen Strick drehen könnte? Tatsächlich haben wir sie ja geklaut. Wir sind Pferdediebe.“

„Mann“, sagte ich, „hör bloß auf, dir einen solchen Quatsch einzureden. Diese Strolche haben euch bestohlen und ausgeplündert – und du hast Skrupel wegen der Pferde! Schlag dir das bloß aus dem Kopf.“

„Aber es ist nicht rechtens“, beharrte er.

„Hank Calhoun“, sagte ich ein bisschen wütend, „ich habe keine Lust, mit dir darüber zu diskutieren, was rechtens oder nicht ist. Mir jedenfalls hat der verdammte Granger 350 Dollar abgeknöpft oder anders ausgedrückt, er hat mich betrogen. Und so etwas lasse ich mir nicht gefallen. Da Granger der Informant dieser Mord- und Räuberbande war, halte ich mich an dem schadlos, was wir wiederum diesen Kerlen abnehmen konnten – an den Pferden. Wenn du deswegen Bedenken hast, dann handele das mit deinem Gewissen aus. Ich habe diese ­Bedenken nicht, ich bin doch nicht verrückt. Die Pferde werden verkauft, und zwar zu Höchstpreisen. Wir verkaufen den Besitz von Verbrechern, von Mördern und Frauenschändern, von Strolchen und Banditen, und ich wüsste nicht, was daran schlecht sein sollte.“

Er kaute immer noch auf seinen Skrupeln herum.

„Aber wenn man fragt oder Nachforschungen anstellt, von wem oder woher wir die Pferde haben?“

„Wer ist man?“, fragte ich.

„Na, derjenige, der die Pferde kauft.“

„Soll er doch. Wer viel fragt, kriegt viel Antwort. Im Übrigen werden die Pferde in Texas verkauft, nicht hier in Arkansas. In Texas kräht kein Hahn danach, ob wir geklaute Pferde anbieten. Und dann erzähl mir mal, woher der Käufer wissen soll, dass die Pferde aus Arkansas stammen!“

„Vielleicht kennt er die Brandzeichen.“

Ich starrte den riesigen Schwarzen wie einen Verrückten an. Dieser Hank Calhoun raubte mir den letzten Nerv.

„So“, sagte ich, „er kennt die Brandzeichen. Nach vier Jahren Krieg kennt der Käufer in Texas die Brandzeichen aus Arkansas.“ Ich tippte an die Stirn. „Spinnst du?“

Ich hatte am Feuer gekocht. Jetzt stand ich auf, ging zu den Pferden und untersuchte sie. Zwei von den zwölf Tieren waren gebrandet worden. Das eine hatte einen Kreis auf der rechten Schulter, das andere einen Balken auf der linken Hüfte. Beides waren Brandzeichen, die auf gar nichts hindeuteten. Die gab’s in Montana genauso wie in Kansas oder Virginia.

Ich drehte mich zu Big Hank um. „Zwei sind gebrandet. Wenn es dich beruhigt, jag ich sie zum Teufel.“

„Vielleicht besser, wie?“ Er grinste verlegen.

Ich sonderte die beiden Pferde aus, führte sie aus unserem Versteck und schlug ihnen meinen Hut über die Kruppen. Sie stoben davon. Vielleicht schlossen sie sich einer Herde an oder fanden zu ihren Farmern zurück. Der Hufschlag wurde leiser und verklang.

„Danke“, sagte Big Hank, als ich ans Feuer trat.

„Schon gut, du alter Pferdedieb!“ Ich legte mich in den Schatten und zog mir den Hut über die Augen. „Weck mich in vier Stunden. Dann übernehme ich die Wache.“

„Geht klar“, sagte Big Hank.

*

Eine Woche später lag Arkansas hinter uns. Wir hatten den Red River überquert und schlichen nicht mehr wie die Diebe durch die Nacht, sondern trieben unsere kleine Herde bei Tageslicht und gelangten schneller vorwärts.

Eins hatte ich inzwischen kapiert und ich gab Big Hank im Stillen recht. Welchen Ort wir auch passierten oder wem wir begegneten, wir stießen auf Misstrauen, wenn nicht sogar auf schroffe Ablehnung. Zum Teil hing das aber auch damit zusammen, dass ein Weißer an der Seite eines Schwarzen ritt.

Südlich von Jacksonville stießen wir am zehnten Tag auf dem Trail westwärts auf drei Reiter, die keineswegs so aussahen, als gehörten sie zu der frommen Sorte der Milchtrinker.

Ich verhielt meinen Schecken und blieb vor der Herde stehen. Die drei Männer zügelten ebenfalls ihre Pferde, musterten mich, dann die Herde, dann Big Hank.

Der mittlere der drei Reiter, ein grobschlächtiger Mann mit einem Schnauzbart und kalten grauen Augen, stützte sich auf das Sattelhorn und zeigte ein Grinsen, das Ähnlichkeit mit einer zähnefletschenden Bulldogge hatte.

„Hallo, Kleiner!“, sagte er. „Woher – wohin?“

Ich schaute mich um und schüttelte verwundert den Kopf. Zu Big Hank sagte ich sehr laut und deutlich: „Hast du hier einen Kleinen gesehen, Hank?“

Er grinste, blickte sich ebenfalls um und sagte: „Kein Stück, nichts, hier ist kein Kleiner. Vielleicht ist der Mister kurzsichtig.“

„Sind Sie kurzsichtig, Mister?“, fragte ich höflich.

Der Schnauzbart fletschte nicht mehr die Zähne, dafür war seine Stirnader geschwollen, was darauf hindeutete, dass sein Blutdruck gestiegen war.

„Hier stelle ich die Fragen!“, fauchte er mich an. „Verstanden?“

Shita rechts von meinem Schecken begann zu knurren. Ihm passte die Tonart des Schnauzbärtigen genauso wenig wie mir.

„Halt die Schnauze, du Scheißköter!“, stieß der Schnauzbart hervor.

„Jetzt reicht’s“, sagte ich scharf. „Ziehen Sie weiter, Mister Schnauzbart, oder ich hetze Ihnen den Hund auf den Hals. Ihr Ton gefällt meinem Hund nicht – und mir schon gar nicht.“

Mit einem Griff hebelte ich die Spencer durch, die ich quer vor mir im Sattel hatte, und richtete sie auf ihn.

„Bist du verrückt, Junge?“

Jetzt wurde er plötzlich manierlicher.

„Ich habe mit Ihnen noch keinen Whiskey getrunken, Mister“, sagte ich eisig. „Und als ich noch ein Junge war, habe ich Typen wie Ihnen, die mir dumm kamen, die Kehle aufgeschlitzt. Jetzt tut’s auch ein Stück Blei, klar?“

Er schwitzte. „Mann, Mann, du – Sie sind wohl mächtig scharf, wie?“

„Richtig“, sagte ich.

„Was – was ist mit der Herde?“, fragte er.

„Was soll mit der sein?“, fragte ich zurück.

Er räusperte sich. „Gehört sie – äh – Ihnen?“

„Ja, geklaut, und zwar den Yankees, oben in Arkansas.“

Er starrte mich verwirrt an, dann huschte sein Blick zu Big Hank hinüber. Ich sah, dass sein Verstand Purzelbäume schlug.

Ich sagte: „Der schwarze Mister dort ist mein Hausboy. Mein Vater, der eine Plantage in Virginia hatte, kaufte ihn mir, als ich sechs Jahre alt war. Die Plantage ist im Eimer, aber meinen Hausboy habe ich noch. Die Plantage wurde von den Yankees zerstört. Und darum klaue ich ihnen die Pferde – Armeepferde, ungebrandet.“

Erst dachte ich, er kriegt einen Schlaganfall, aber dann brüllte er lachend los, klatschte sich auf die Schenkel und schrie: „Hausboy – den verdammten Yankees geklaut – Armeepferde – ich lach mich tot! Habt ihr so was schon gehört?“

Seine beiden Begleiter lachten und wieherten. Der Schnauzbart kriegte einen Hustenanfall und reckte die Arme in die Höhe, während einer der beiden ihm den Rücken abklopfte. Dem Schnauzbart liefen die Tränen aus den Augen. Er keuchte, ächzte, schnaufte, zwischendurch kicherte er.

Als er sich beruhigt hatte, sagte er: „Wissen Sie, was ich bin, Mister?“

„Na?“

„Pferdehändler.“

Da war ich doch total geschafft. Pferdehändler!

Ich drehte mich zu Big Hank um. Der war auch geschafft. Er sah aus, als sei er mit dem Kopf gegen eine Mauer gerannt. Wahrscheinlich sah ich genauso aus.

Ich blickte wieder den Schnauzbart an. Das Zähne­fletschen war verschwunden. Jetzt ähnelte der Schnauzbart eher einem Kater, der dabei war, eine Schale mit Sahne aufzuschlecken.

„Wollen Sie die Herde verkaufen, Mister?“, fragte er zuckersüß.

„Vielleicht“, antwortete ich vorsichtig.

„Darf ich mir die Tiere mal ansehen?“

„Natürlich.“

Er rutschte aus dem Sattel, übergab sein Pferd einem seiner Begleiter und ging zu der Herde. Ich musterte die beiden Männer. Es waren harte Burschen. Wahrscheinlich sollten sie seine Brieftasche bewachen und später die Pferde, die er kaufte.

Der Schnauzbart stiefelte um die Pferde herum, sagte: „Hm, hm“, studierte einzelne Hufe, untersuchte die Gebisse, kniff ein Auge zu, während er zurücktrat und den Bau betrachtete, murmelte: „So, so“, und wieder: „Hm, hm“, tätschelte ein Pferd, klopfte dem anderen auf die Kruppe und schien in Gedanken bereits zu rechnen. Er brauchte etwa zehn Minuten. Dann ging der Handel los.