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Anna Maria Mauricia von Österreich wurde am 22. September 1601 in Valladolid geboren und starb am 20. Januar 1666 in Paris. Sie war eine spanisch-portugiesische Infantin und Erzherzogin von Österreich aus dem Hause Habsburg. Durch ihre Ehe war sie vom 24. November 1615 bis 14. Mai 1643 Königin von Frankreich und Navarra sowie vom 14. Mai 1643 bis 7. September 1651 als Mutter des noch minderjährigen Königs Ludwig XIV. Regentin von Frankreich. Glaubt man den Hofklatsch der damaligen Zeit, soll sie mehrere Affären gehabt haben. Natürlich erst mal mit den ungeliebten Ehemann, König Ludwig XIII., den englischen Premierminister Herzog von Buckingham, den Kriegshelden Herzog von Montmorency und den Kardinälen Richelieu und Mazarin. Nach Durchsicht der zeitgenössischen Quellen gibt es nur Beweise für Liebesbeziehungen mit Kardinal Mazarin und natürlich mit dem König im Ehebett, wobei letztere allerdings lieblos erfolgte.
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Seitenzahl: 195
Walter Brendel
Rund um das Bett der Anna von Österreich
Texte: © Copyright by Walter Brendel
Umschlag: © Copyright by Gunter Pirntke
Verlag:
Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag
Gunter Pirntke
Mühlsdorfer Weg 25
01257 Dresden
Inhalt
Impressum
Einleitung
Die Ehe mit Ludwig
Der englische Gentlemen
Eine Hassliebe
Der Herzog von Montmorency
Kardinalrot im Königinbett
Abgesang
Quellen
Es war der 22. September 1601, als in der ehemaligen Hauptstadt von Spanien, Valladolid, Anna Maria Mauricia von Spanien, genannt von Österreich gemäß ihrem spanischen Namen Ana de Austria geboren wurde.
Die Stadt liegt südlich der Montes de Torozos und der Hochebene Tierra de Campos am Nordufer des Duero im Zentrum Spaniens. Im Südwesten der Stadt liegt die Mündung des Pisuerga in den Duero.
Im Herzen Nordspaniens, feiert ein klarer Septembertag seinen kurzen, pathetischen Abschied.
Die Sonne, die zwölf lange Stunden in unbarmherziger, wolkenloser Alleinherrschaft auf die sich ins Unabsehbare verlierende, karge Landschaft herniederbrannte, will sich für heute senken. Ihr feuriger Ball beginnt rot zu glühen und lässt das bisher erschreckend einförmige, ja, unheimlich wirkende Graubraun der baumlosen Ebene plötzlich in überraschenden roten Lichtern spielen, zwischen die lang gestreckte, tief-violette Schatten fallen. Selbst die graue, staubige Alameda1, eben noch Sinnbild eines in den nichts führenden Weg, wird nun farbig überstrahlt und lockt zu abenteuerlicher Pilgerfahrt. Bald wird die Sonne verschwinden, beginnt sich messerscharf von der makellosen Reinheit des dahinterliegenden Abendhimmels abzuzeichnen. Hehr und hell, unermesslich, wölbt sich die Himmelsglocke - nur im Westen rötlichgelb, sonst von zartestem Blau - über allem, was durch die scheidende Sonne vorübergehend aus staubiger Nichtigkeit zu feierlicher Schönheit emporgehoben wird. Und nun tritt gar le-bendiges Menschenwesen ins Blickfeld. Estanzieros2 mit ihren Schafen, Caballeros3 und Chicas4 sind zu sehen. Niemand ahnt, dass hinter einem der vielen Fenster des Schlosses die künftige Königin von Frankreich das Licht der Welt erblickt.
Auf der baumlosen Straße von Valladolid, gerade erst wieder Hauptstadt geworden, nachdem die königliche Familie vorher in die neuerrichtete Klosterresidenz Real Sitio de San Lorenzo de El Escorial bei Madrid gelebt hat, bewegt sich von Süden her ein Zug von Reitern und Karren langsam vorwärts, an der Spitze und am Ende Bewaffnete. Ein hochadliger Herr scheint mit seinem Gefolge und vielem Gepäck unterwegs zu sein. Es ist seine Majestät Philipp III. von Spanien höchstpersönlich. Er will rechtzeitig zur Geburt eines Sohnes in seiner Residenz anwesend sein.
Zum gleichen Zeitpunkt lag Margarete von Österreich in der halb dunklen Geburtsstube und erwartete die Niederkunft. In der Stube befand ein Wasserbottich, einem Füllkrug, einer Flasche aus Ton, einem Kupferbecken mit Kamm und Pinsel und einer Nähkassette. Auch der Gebärstuhl stand bereit. Er sollte jedoch nicht zum Einsatz kommen.
Die 17jährige bekam zum Überstehen ihrer Wehen eine kräftige Suppe, auch wurde sie gebadet. Zwei Hebammen standen bereit, um der Gebärenden im Bett zur Seite stehen. Dann war es schon so weit. Die eine Hebamme zieht das Kind aus dem Leib der Königin; die zweite kniet daneben auf einer Bank, zieht das Laken zurecht und hält die linke Hand von Margarete.
Nun kam es fast anderthalb Stunden lang zu Wehen, deren Heftigkeit unaufhörlich zunahm. Die inneren Kontraktionen hatten aufgehört, jetzt presste sie selbst mit allen Muskeln des Bauches und der Lenden, weil sie das Bedürfnis hatte, sich von der unerträglichen Bürde, die auf ihrem Schoß lastete, zu befreien. Bei jeder neuen Anstrengung schüttelte sie ein Zittern, ihr Gesicht wurde brennendheiß, ihr Hals war schweißgebadet, während sie in die Betttücher biss, um ihre Klage zu ersticken, das furchtbare und unwillkürliche Stöhnen eines Holzfällers, der eine Eiche spaltet. Die Kehle nach hinten gebogen, die Beine weit gespreizt, so klammerte sie sich mit bei-den Händen an die eiserne Bettstelle, die sie mit ihren Stößen erschütterte. Glücklicherweise war es eine prächtige Niederkunft, eine reine Schädellage. Mitunter schien der herausdringende Kopf wieder zurücktreten zu wollen, durch die Elastizität der zum Zerreißen gespannten Gewebe zurückgedrängt; und bei jedem neuen Einsetzen der Geburtsarbeit schnürten ihn grässliche Krämpfe zusammen, umschnallten ihn die heftigen Wehen mit einem eisernen Gürtel. Endlich knirschten die Knochen, alles in ihr schien zu zerbrechen, sie hatte das entsetzliche Empfinden, als würde sie hinten und vorn bersten, als sei da nur ein einziges Loch, durch das ihr Leben ausströmte; und das Kind rollte aufs Bett zwischen ihre Schenkel, mitten in eine Lache von Kot und blutigem Schleim.
Margarete von Österreich, Königin von Spanien, Portugal, Neapel und Sizilien, die Mutter Annas
Ehrfurchtsvoll trägt man den Königssprossen in ein nachbarliches Kabinett, um ihn zu baden nachdem die Nabelschnur mit einem Faden abgebunden und ein in Olivenöl getauchter Verband aus Leinenstreifen um seinen Körper angelegt worden war. Das Bad war notwendig um ihm den Übergang vom Mutterleib zur Außenwelt zu vereinfachen. Anschließend wurde das Mädchen in lange Windeln gewickelt, dieses einwickeln hielt sollte das Kind nicht nur warmhalten, es diente auch zum geraden Wachsen der Gliedmaßen; und dann sofort der Obhut der Gouvernante zu übergeben; von Stolz bewegt folgt der König, um die späte Leistung seiner Lenden zu bewundern, hinter ihm drängt neugierig wie immer der ganze Hof – da plötzlich tönt ein geller Befehl des Geburtshelfers: „Luft und heißes Wasser! Ein Aderlass ist notwendig.“
Der Königin ist plötzlich das Blut zu Kopf gestiegen; in Ohnmacht gefallen, halb erstickt von der verpesteten Luft und vielleicht auch von der Anstrengung, angesichts der fünfzig neugierigen Zuschauer ihre Schmerzen zu unterdrücken, liegt sie regungslos und röchelnd in den Kissen. Ein allgemeiner Schreck entsteht, der König reißt eigenhändig die Fenster auf, alles läuft entsetzt durcheinander. Aber das heiße Wasser kommt und kommt nicht: an sämtliche mittelalterlichen Zeremonien haben die Schranzen bei dieser Geburt gedacht, nur nicht an die natürlichste Maßnahme in solchem Falle: heißes Wasser bereit zu halten. So wagt der Chirurg den Aderlass ohne jede weitere Vorbereitung. Ein Blutstrahl spritzt aus der angeschlagenen Ader des Fußes und siehe: die Königin schlägt die Augen auf, sie ist gerettet. Jetzt erst bricht ungehemmt der Jubel los, man umarmt sich, man beglückwünscht sich, man weint vor Freude, und die Glocken dröhnen die frohe Botschaft ins Land.
König Philipp III. von Spanien und Portugal, der Vater Annas
Der König hatte nichts Besseres zu tun, als die Heiligen um Schutz und Hilfe für Frau und Kind anzuflehen und für die Geburt eines Sohnes zu beten. Auch wenn es sich nicht so anhört war dies eine wichtige Aufgabe und im Hofprotokoll vorgeschrieben. Dann wurde dem 22jährigen die Nachricht von der Geburt des Kindes überbracht. Mittlerweile wissen wir allen, dass das Erstgeborne Kind ein Mädchen war. Zwei Jahre später folgte mit Maria ein weiteres Mädchen und erst am 8. April 1605 wurde der Sohn geboren, der als Philipp IV. von Spanien die die Geschichtsbücher eingehen sollte.
Margarete von Innenösterreich, dem früheren Namen der Steiermark, starb, als Anna erst zehn Jahre alt war. Wenig später verlobte man die spanische Prinzessin habsburgischen Blutes mit dem gleichaltrigen Ludwig IVX. dessen Vater Heinrich IV. aus dem Hause Bourbon war. Bereits am 25.11.1615, fand die Trauung Annas mit ihrem leiblichen Neffen in der Kathedrale Saint-André in Bordeaux statt. Hochzeiten dieser Art waren in der damaligen Zeit keine Rarität.
Maria de’ Medici5, Ludwigs Mutter, hatte diese Verbindung auf Anregung ihres Beraters Concino Concini6 arrangiert.
Maria von Medici um 1595
Anna und Ludwig XIII. waren ein Paar, das unterschiedlicher nicht sein konnte: Er bevorzugte die Jagd, sie war dem Theater, dem Tanz und der leichten Muse zugetan.
Das zeigte sich schon in der Kindheit. Ludwig XIII. wurde am 27. September 1601 in Fontainebleau geboren und war der zweite französische König aus dem Haus Bourbon. Er war der älteste Sohn von Heinrich IV. von Frankreich und dessen zweiter Gemahlin Maria de’ Medici. Nach der Ermordung seines Vaters im Jahr 1610 folgte er diesem im Alter von neun Jahren auf den Thron.
Ludwig wuchs fern vom Hof unter der Obhut der Madame de Mouglat und des Leibarztes Jean Héroard (1551–1628) auf. Letzterer führte ein genaues Tagebuch über die gesundheitliche Verfassung, Psyche, Neigungen und Beschäftigungen des jungen Thronerben und hinterließ damit ein einzigartiges Dokument über die Prinzenerziehung aus einer Zeit, die kaum schriftliche Quellen über Kinder kennt. Das empfindsame Kind litt unter der strengen, durch Schläge geprägten Erziehung und der Trennung vom vergötterten Vater.
Wie wir wissen, wurde Heinrich IV. wurde - kurz nach der Krönung der Maria de’ Medici und kurz vor seinem Aufbruch in den Krieg gegen Habsburg - am 14. Mai 1610 von dem religiösen Fanatiker François Ravaillac ermordet. Ludwig XIII. wurde am 17. Oktober 1610 in der Kathedrale von Reims zum König gekrönt.
Über sein Verhältnis zur Mutter lesen wir nach:
„die Königin ist ihren Kindern eben nicht zugetan, außer vielleicht dem kleinen Gaston. Schwanger sein, ja, das findet sie schön, aber sobald die Frucht vom Baum fällt, löst sie sich als erste von ihr. Mein armer seliger Cousin (denn so nannte Madame de Guise unseren verstorbenen König) hat es ihr oft genug vorgeworfen. Was scherte es sie, wenn eines der Kinder krank war. ›Man soll es zur Ader lassen!‹ sagte sie mit an-gewiderter Miene, ohne ihren erhabenen Arsch auch nur von der Stelle zu rühren, um nach ihm zu sehen.“7
Nach seiner Krönung übernahm für den Minderjährigen die Mutter die Regentschaft. Sie betrieb im Gegensatz zu ihrem Mann und Vorgänger unter der Leitung zweier Günstlinge aus dem italienischen Gefolge, Leonora Dori Galigaï und Concino Concini, eine spanienfreundliche Politik. Sichtbarstes Zeichen war 1615 die Doppelhochzeit ihrer beiden ältesten Kinder: Ludwig mit der spanischen Prinzessin Anna von Österreich und Elisabeth mit dem spanischen Thronfolger, dem späteren Philipp IV. von Spanien.
Anlässlich der Erklärung der Volljährigkeit des Dauphin und auf Druck von Heinrich II. von Bourbon, Prince de Condé, dem nächsten Anwärter auf den französischen Thron, wurden 1614 - zum letzten Mal vor 1788/89 - die Generalstände einberufen. Der junge König wurde gleichwohl als „das kindischste Kind“ von der Regierung und dem Rat ferngehalten. Die Generalstände wurden die erste öffentliche Plattform für Jean Armand du Plessis, den ehrgeizigen Bischof von Luçon und späteren Kardinal Richelieu.
Am Hof hielt man Ludwig XIII. für einen unfähigen Idioten. Umso größer war die Überraschung, als der kaum sechzehnjährige König am 24. April 1617 Concino Concini ermorden ließ und die Macht an sich riss.
Maria von Medici mit Leonora Galigaï und Concino Concini
Fünf Kugeln feuerten die Verschworenen auf den Schurken Concini ab, als er am 24. April 1617 den Louvre über die ›schlafende Brücke‹ betrat. Die zwei ersten verfehlten ihn, die dritte traf ihn zwischen den Augen, die vierte unterm rechten Auge, die fünfte zerriss ihm die Kehle. So konnte man – leicht übertrieben – sagen, er wurde dreimal getötet, zu Frankreichs Ruhe und Erlösung hätte schon einmal genügt. „Jetzt bin ich König“, war alles, was Ludwig danach sagte.
Zehn Tage später, einen Tag vor Himmelfahrt, am 3. Mai um halb drei Uhr nachmittags ging die schluchzende Maria von Medici nach Schloss Blois in die Verbannung. Mit undurchdringlichem Gesicht sah Ludwig von einem Fenster des Louvre die Karosse seiner lieblosen Mutter davonrollen. Der vormalige Falkner des Königs, Charles d’Albert de Luynes8 übernahm Titel, Besitz und Position des Ermordeten und wurde bald ebenso unbeliebt.
Kommen wir zur Darstellung des schwierigen, ja dramatischen Verhältnisses zwischen Anna von Österreich und Ludwig.
Ludwig wurde durch seinen Beichtvater, Pater Cotton, regelrecht entmannt, indem er ihm von früh bis spät eintrichterte, das Fleisch sei der Satan, und das Fleisch heiße Weib. Tatsächlich fiel diese Saat in einen unbedingten, gewissenhaften Charakter und entfaltete eine Sittenstrenge, von der Ludwig sein Leben lang Beweise ablegte. Jedenfalls flößte sie ihm besonders eine unbesiegliche Abscheu vor dem Ehebruch ein, ob er von anderen betrieben wurde oder ob er ihn für sich selbst als Versuchung fürchtete.
Dabei versuchte Ludwig nur seine Aufregung und Angst zu überspielen und das mit flegelhaften Manieren. Bei der ersten Begegnung mit Anna passierte folgende.
In spanischer Strenge wurde sie von Dona Maddalena de Gusman aufgezogen, der Marquesa del Valle, Gräfin von Altamira, der Schwester des Herzogs von Lerma, des Günstlings von Philipp III. Rücksichtslos wird die vierzehnjährige Infantin nach Frankreich verpflanzt, sie bebt vor Angst und Bereitwilligkeit. Damit sie sich nicht zu fremd fühlt, umgibt man sie mit einer Handvoll Heimaterde, einem ganzen spanischen „Hofstaat“, der sie nach Paris begleitet und dort bleibt.
Sie hat Ludwig XIII., ihren Verlobten, zum ersten Mal am 21. November 1615 gesehen, zwei Meilen vor Bordeaux, auf der Straße, durch die Scheiben ihrer Karosse hindurch. Der König saß in der seinen. Die beiden riesigen Kutschen rollten nebeneinander her. Der Junge zeigte mit dem Finger auf sich und schrie dem Mädchen zu: „Io son incognito! Io son incognito!“ Er mustert sie, und während sie erhobenen Hauptes auf die Karosse zugeht, muss sie sich die ungenierten Bemerkungen anhören, die da ohne den Versuch, die Stimme zu dämpfen, von den Begleitern des Königs fallen. Was hab ich denn jetzt zu tun? Verlangt die Sitte, dass ich sie irgendwie abschlecke? Den Umlegen soll ich sie ja wohl erst in der Brautnacht, oder? Anna ist stehengeblieben. Das höfische Lächeln erstarrt vor Empörung auf ihrem Gesicht zur Grimasse. Der Gedanke, dass dieser frühreife rüpelhafte Vierzehnjährige morgen ihr Mann sein soll, versetzt sie in Zorn. Neben ihr steht ihr Bruder, sie hat ihre Hand auf der seinen, und sie packt zu und presst krampfhaft seinen Handschuh. Er ist der Beschützer ihrer Ehre. Müsste er bei diesen Bemerkungen nicht längst die Klinge in der Scheide lockern?
Aber in seinem Gesicht zuckt kein Muskel, seine Augen bleiben völlig unbeteiligt. Alfonso hat nichts gehört, und er wird auch nichts hören. Der Handel ist getätigt. Warum soll er so töricht sein und irgendwelchen Ärger aufkommen lassen. Sie ist das Unwichtigste bei dieser Sache.
Die Braut ist klein und zierlich. Ihr eng am Körper anliegendes Kleid in Grün und Rosa lässt ihren festen, gutgebauten Leib erscheinen wie die alten Standbilder, die überall im Gebüsch herumstehen. Sie trägt ihre große Schleppe mit abgespreizten Fingern, was ihren Bräutigam amüsiert, aber wie sie mit ihren dünnen Seidenschuhchen unverdrossen durch den Morast stiefelt, das gefällt ihm. Ihr Profil, mit kleinem Kinn und kleinem Mund, runder Stirn und einer lustigen Nase, die sich an der Spitze ein bisschen verdickt, erinnert ihn an nichts Vergleichbares, seine Tänzerinnen sehen alle ganz anders aus. Ihre Brauen sind mit dem Stift gezeichnet.
Ludwig betrachtet sie abschätzend, ihren schmalen Nacken und die weißen Schultern, die aus dem weit ausgeschnittenen Kleid hervorschauen. Keine alte Schachtel. Ein Püppchen. Aber was steckt dahinter?
Am 25. November vermählt der Bischof von Saintes in der Kathedrale Saint-Andre in Bordeaux die beiden Unbekannten. Anna bricht fast zusammen unter dem Königsmantel aus rot-violettem Samt, mit goldenen Lilien bestickt, mit Hermelin verbrämt und mehr als acht Meter lang.
Sie sieht zu ihm auf, fragt etwas. Ihre Augen unter den gepinselten Brauen sind braun und freundlich.
So musste bereits die Hochzeitsnacht vom fünfundzwanzigsten November 1615 zum Desaster werden. Fast noch ein Kind für damalige Verhältnisse mit vierzehn Jahren und mit einem gleichaltrigen Mädchen, das ebenso unerfahren ist wie der Gemahl und obendrein höchstwahrscheinlich voller Ängste war. Vier lange Jahre hing von dem, was zwischen Ludwig und Anna geschah oder eben nicht geschah, das Schicksal Frankreichs ab.
Louis XIII., gemalt von Frans Pourbus der Jüngere (1611), (Palazzo Pitti).
Da also im königlichen Bett nichts geschah, musste man Ursachenforschung betreiben. Und da gibt es eine ganze Reihe.
Als erstes wäre Ludwigs große Abneigung gegen alles Spanische zu sehen. Ludwig wusste genau, dass von dorther alle Dornen und Prüfungen rührten, unter denen Frankreich zu Lebzeiten seines Vaters und auch schon früher zu leiden hatte. Bekannt war Ludwig auch, dass sein Vater ihn niemals mit einer Infantin vermählt hätte, und allein schon, dass seine Mutter diese Wahl traf, galt ihm als Verrat.
Zweitens kam ein sehr unglücklicher Umstand hinzu, dass Anna von Österreich in Ludwigs Leben im selben Moment trat, als seine Schwester Elisabeth ihn auf immer verließ, um Königin von Spanien zu werden. Dieser Verlust, der ihm lange Wochen Appetit und Schlaf raubte, musste die Ankunft von Anna für ihn zwangsläufig in düstere Farben tauchen. Spanien verwundete Ludwig gleich zweimal: Es nahm ihm seine geliebte Schwester und gab ihm dafür eine Frau, die er gar nicht wollte.
Drittens war zu verzeichnen, wenn die Königinmutter diesem wenig geliebten Sohn die Zeit gelassen hätte, sich mit der Fremden anzufreunden und sich von seiner brüderlichen Trauer zu erholen! Aber wie hätte ihr diese zartsinnige Idee auch nur einfallen sollen, hatte die Trennung von ihrer ältesten Tochter sie ja selbst kaum berührt. Stattdessen führte sie das Ganze trommelschlagend mit ihrer üblichen Rohheit in einem Zuge durch bis zur Hochzeitsnacht. Der kleinen Königin blieb kaum Zeit, sich von der langen, holprigen Reise auszuruhen, da befahl die Regentin auch schon, die zu Burgos in Stellvertretung geschlossene Ehe durch eine große Messe in Saint-André zu bestätigen. Nie schien eine Messe länger zu dauern, denn Ludwig war morgens mit schweren Kopfschmerzen aufgewacht, die ihn seit dem Abschied von seiner liebsten Schwester quälten. So ahnte man, wie übel er sich bei dieser Zeremonie fühlen musste, die traditionsgemäß die Liturgie endlos dehnte und die Vermählten erschöpfte.
Kaum war sie zu Ende, eilte Ludwig mit großen Schritten in seine Gemächer, wo er zu Héroard sagte, er gehe ohne Essen zu Bett. Sofort legte er sich mit einem großen Seufzer nieder. Kaum eine Viertelstunde später erschien mit großem Getöse der Großkämmerer wie ein Unglücksvogel und sagte zum König, auf Befehl der Regentin müsse er aufstehen, sich ankleiden, soupieren und nach dem Souper seine Ehe vollziehen.
Am Abend, im erzbischöflichen Palais, führt ihr die Königinmutter, die Rolle der Ma-trone spielend, Anna in ihrem Schlafzimmer ihren kleinen Ehemann zu. Der ist auch mehr tot als lebendig. Monsieur de Guise, Monsieur de Gramont und andere Spaßvögel haben ihm schlüpfrige Geschichten erzählt, um ihn anzustacheln. Die Königinmutter ist begleitet von Souvre, dem Arzt Heroard, dem Marquis von Rambouil-let als Maitre de la garderobe, der Amme des Königs, der Amme der Königin und von Beringhen, dem ersten Kammerdiener, der den Leuchter trägt.
Nachdem Maria von Medici den beiden „Ehegatten“ ein paar Worte gesagt hat, befiehlt sie: „Los, gehen wir alle hinaus!“ Scheinabgang. Keine Intimität zwischen den beiden kleinen Monarchen.- Sie sind nicht zum Vergnügen hier, auch nicht zur Liebe. Wie hätte sie auch entstehen sollen zwischen zwei Geschöpfen, die sich nicht kennen, die nie allein gelassen, die zueinander getrieben werden. Sie gehören einander nicht an. Sie sind zwei Tiere aus dem königlichen Gestüt, die Kinder bekommen sollen. Durch die Augen und Ohren der beiden Ammen, die im Schlafzimmer bleiben, überwachen Frankreich und Spanien den Vorgang. Die Matrone Medici befiehlt den beiden Wächtern in Röcken, die beiden Zuchttiere nur anderthalb oder zwei Stunden zusammenzulassen.
Vollzogen oder nichtvollzogen? Das allein interessiert die Ammen. Diese Ehe hat in der Partei der Prinzen einen solchen Wirbel hervorgerufen, dass Maria von Medici ihre Hand dafür ins Feuer legen möchte, dass sie vollzogen worden ist. Zweimal, wie der König selber und die wachhabenden Ammen sagen. Dann schläft das Männchen ein, wacht auf, ruft nach seiner Amme, zieht seine Hausschuhe und seinen Schlafrock an und geht in sein Zimmer. Anna steht auf und legt sich in ihr aus Spanien mitgebrachtes Jungmädchenbett.
Der Arzt steckt seine Nase in die Bettücher. Heroard fasst seinen Bericht ab.
»Er verlangt seine Pantoffeln, nimmt seinen Schlafrock und geht um acht Uhr ins Schlafzimmer der Königin, wo er neben der Königin, seiner Frau, in Gegenwart der Königin, seiner Mutter, ins Bett gelegt wird. Um ein viertel nach zehn Uhr erscheint er, nachdem er ungefähr eine Stunde geschlafen und es zweimal getan hat, wie er uns sagt. Es hatte den Anschein, denn der P... war rot.«
Die beiden Miniatur-Gatten sind von dieser tierischen Rohheit so abgestoßen, dass sie es während der folgenden vier Jahre nicht wieder versuchen.
Am nächsten Tag gab die Regentin ein Kommuniqué heraus, ohne Scheu davor, wie lächerlich und peinlich dies war. Das Dokument der Schamlosigkeit, Dummheit und Taktlosigkeit –, in welchem triumphierend verkündet wurde, der König habe seine Ehe zweimal vollzogen. Der ganze Hof verstand: Wäre dieses Dokument wahr, hätte es seiner Publikation nicht bedurft … Hinter vorgehaltener Hand oder hinterm Fächer wurde nur gespottet.
Ludwig hüllte sich an den darauffolgenden Tagen in Schweigen und in eine undurchdringliche Miene wie nach allen Abstrafungen und Demütigungen, die er seit dem Tod seines Vaters erlitten hatte.
Und Anna? Hätte ihr, so erschöpft von der langen Zeremonie und dem Gewicht der Prachtkleider und der Krone, nicht auch ein wenig Ruhe nötig getan, bevor sie diese neue Prüfung antrat? Sie weint, sie schluchzt und ist in tausend Ängsten. Vor Verzweiflung hat sie sich an den spanischen Gesandten gewandt, der den Nuntius unterrichtet hat, der wiederum mit allem gebotenen Takt an den Beichtvater des Königs herantrat, Pater Arnoux. Und dieser gewiefte Jesuit hat sie mit dem Wort beruhigt: Versuchung heiße noch nicht Sündenfall.
Es gibt nur eine logische Schlussfolgerung: Die Regentin hatte es sogar abgesehen auf dieses Scheitern. Denn es war für Ludwig wiederum eine Demütigung, die sein Selbstvertrauen erschüttern musste. Damit verhinderte sie von vornherein ein gutes Einvernehmen zwischen Anna und ihm, das ihrer eigenen Macht auf die Dauer bedrohlich werden konnte.
Ludwig war nicht jener Frauenverächter, als den man ihn anhand einiger seiner kindlichen Aussprüche meistens hinstellt. Aber, wie erklärt man sich das: Die Königin ist hübsch, jung und anziehend, das Sakrament der Kirche hat sie ihm zur Frau gegeben, und doch bringt er es nicht über sich, von Anfang an seine Gattenpflicht und seine Pflicht als König zu erfüllen? Müsste seine Tugend hier nicht für den Akt sprechen?
Doch Monat für Monat verrann, auch das ganze Jahr 1618, und er ergriff nach dieser Seite hin nicht die mindeste Initiative. Seiner Königin gestand er einen täglichen Besuch von fünf Minuten zu. Nie lud er sie zum Essen oder zu Reisen ein, und immer mied er ihr Lager.
Vier Jahre später muss der König gezwungen werden, die Prozedur zu wiederholen. Alle Welt treibt ihn dazu, mit den derben Scherzen jener Epoche, in der sich Brautfeste im allgemeinen Trubel abspielen. Am 21. Januar 1619 findet die Verlobung von Christine von Frankreich, der Schwester Ludwigs XIII., mit Viktor Amadeus von Savoyen statt. In einer für heutige Begriffe erstaunlich freizügigen Redeweise, vor al-lem im Mund eines Diplomaten, sagt der Nuntius zum König: „Sire, ich glaube, Sie sollten die Schande nicht hinnehmen, dass Ihre Schwester einen Sohn bekommt, bevor Eure Majestät einen Dauphin hat.“
Diese Predigt wurmt Ludwig XIII. Am 20. Januar heiratet seine natürliche Schwester, Mademoiselle de Vendome, den Herzog von Elboeuf. Am Abend nach dem Souper begibt er sich zu der Jungverheirateten, „um sie von der Sache abzuhalten“, schreibt der Arzt Heroard in seinen Aufzeichnungen. Aber nicht, um ihr, wie bei solchen Gelegenheiten üblich, aus Spaß das Bett durcheinanderzubringen oder Juckpulver hineinzustreuen. Er braucht eine Vorführung. Er wohnt dem Vollzug der Ehe bei. Die junge Frau hat weder die Feinfühligkeit noch die Komplexe ihres Halbbruders. Nach dem Liebesakt gurrt sie wie eine Taube und sagte „Sire, machen Sie dasselbe mit der Königin, und es wird Ihnen gut bekommen.“
Ludwig XIII., gemalt von Philippe de Champaigne
Als im ganzen Jahr 1618 also nichts geschah, herrschte in Paris große Aufregung unter bestimmten ausländischen Gesandten, wenn auch im Flüsterton und mit verdeckten Worten. Philipp III. fühlte sich durch die beunruhigenden Nachrichten aus Paris in seiner königlichen Ehre und seiner väterlichen Liebe empfindlich gekränkt, denn er hing an seiner Tochter weitaus mehr als Maria von Medici an der ihren. Er suchte den Nuntius auf, und im Beisein des Paters Arnoux, des königlichen Beichtvaters, beratschlagte das Trio. Der spanische Gesandte fragte zunächst bei Ludwig nach, ob die Ehe vollzogen wurde. Seine Frage wurde verneint.