​Satans tödliche Brut - Art Norman - E-Book

​Satans tödliche Brut E-Book

Art Norman

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Beschreibung

Die Skelett-Krieger griffen an. Von drei Seiten zugleich kamen sie und schwangen ihre todbringenden Waffen. Rüstungsteile schepperten gegeneinander. Stahl blitzte im rötlichen Licht auf. Der Mann, den sie angriffen, war unbewaffnet. Mit unnatürlicher Ruhe wartete er ab, bis die knöcherne Horde nahe genug herangekommen war, daß die Skelett-Krieger ihn mit ihren Schwertern und Streitäxten erreichen konnten. Dann explodierte er förmlich. Er wurde zu einem rasenden Wirbel, der unter den Skelett-Kriegern aufräumte. Binnen Augenblicken hatte er drei zertrümmert, zwei weitere entwaffnet und drehte sich jetzt unglaublich schnell im Kreis, während die erbeuteten Waffen die Totenschädel spalteten. Die Auseinandersetzung mit den fast zwei Dutzend Gegnern hatte nicht einmal eine halbe Minute gedauert, da lagen sie reglos am Boden und zerfielen allmählich zu moderig riechendem Staub. Der einzelne Kämpfer mit der punkteförmigen Tätowierung auf der kahlen Kopfhaut atmete nur unmerklich tiefer durch. Seine Augen wurden schmal, als er den Mann sah, der jetzt die Szene betrat. Der Fürst der Hölle selbst erschien…

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Inhaltsverzeichnis

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​Satans tödliche Brut

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER STEVE MAYER nach Motiven

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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​Satans tödliche Brut

Art Norman

Die Skelett-Krieger griffen an. Von drei Seiten zugleich kamen sie und schwangen ihre todbringenden Waffen. Rüstungsteile schepperten gegeneinander. Stahl blitzte im rötlichen Licht auf.
Der Mann, den sie angriffen, war unbewaffnet. Mit unnatürlicher Ruhe wartete er ab, bis die knöcherne Horde nahe genug herangekommen war, daß die Skelett-Krieger ihn mit ihren Schwertern und Streitäxten erreichen konnten.
Dann explodierte er förmlich.
Er wurde zu einem rasenden Wirbel, der unter den Skelett-Kriegern aufräumte. Binnen Augenblicken hatte er drei zertrümmert, zwei weitere entwaffnet und drehte sich jetzt unglaublich schnell im Kreis, während die erbeuteten Waffen die Totenschädel spalteten. Die Auseinandersetzung mit den fast zwei Dutzend Gegnern hatte nicht einmal eine halbe Minute gedauert, da lagen sie reglos am Boden und zerfielen allmählich zu moderig riechendem Staub.
Der einzelne Kämpfer mit der punkteförmigen Tätowierung auf der kahlen Kopfhaut atmete nur unmerklich tiefer durch. Seine Augen wurden schmal, als er den Mann sah, der jetzt die Szene betrat.
Der Fürst der Hölle selbst erschien…
***
»Nicht schlecht«, sagte Leonardo deAranaque und deutete auf die zerfallenden Skelette. »Du steigerst dich von Woche zu Woche. Gibt es überhaupt noch etwas oder jemanden, der sich dir erfolgreich in den Weg stellen könnte?«
»Ihr, Herr, könnt es«, sagte der Kämpfer und verneigte sich gerade so weit, wie sein Stolz es zuließ.
Der Fürst der Finsternis nickte. »Wahrscheinlich. Du solltest mir deine Kunst noch einmal beweisen. Tritt gegen mich an, ich will sehen, wie stark du wirklich bist. Die Skelett-Krieger sind tumbe Idioten, die keinen Überlebenswillen kennen. Gegen mich zu kämpfen, dürfte eine größere Herausforderung für dich sein, Chan.«
Wang Lee Chan lächelte mit der Unverbindlichkeit des Asiaten. Der Mongole trat einige Schritte zurück. Es war ihm nicht anzusehen, ob diese Herausforderung ihm gefiel.
Seit Leonardo Fürst der Finsternis geworden war, diente ihm Wang Lee Chan, der aus der Zeit des Dschinghis Khan stammte, als Leibwächter und Schlagetot. Zugleich hatte er ebenso wie Magnus Friedensreich Eysenbeiß Beraterfunktion. Diese beiden Männer waren als Menschen innerhalb der sieben Kreise der Hölle in einer Ausnahmestellung. Leonardo verzichtete darauf, sich von anderen Dämonen Ratschläge zuflüstern zu lassen, sondern griff auf diese beiden Menschen zurück. Das machte ihn bei den anderen Dämonen der Schwarzen Familie nicht gerade beliebter. Aber er fühlte sich stark genug, allen Anfeindungen und Intrigen zu begegnen. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Asmodis begann er Erfolge vorzuweisen, und das machte ihn stark. Sanguinus und Belial, die zwischen Asmodis und ihm Fürsten gewesen waren, zählten nicht.
Sie hatten sich nur Tage auf dem Herrscherthron halten können. Belial war im Kampf gegen Moronthor erschlagen worden, und Sanguinus war Amun-Res Opfer geworden.
Leonardo taktierte da vorsichtiger. Es mochte auch daran liegen, daß er seinen stärksten Gegner, Moronthor, besser kannte als alle anderen Dämonen der Hölle.
Wang Lee Chan, der ehemalige Mongolenfürst, war ein Kämpfer besonderer Art. Er war schnell und stark, er beherrschte fast alle Kampftechniken mit und ohne Waffe, und er war mit dem Blut eines Dämons gegen Verletzungen gefeit worden. Wenn Wang Lee es wollte, war er unverwundbar - es war nur eine Sache der Konzentration. Leonardo wußte, daß Wang Lee täglich fast zwölf Stunden trainierte oder sich in Meditation übte, um sich zu perfektionieren.
Jetzt wollte er wissen, wie gut Wang geworden war. Leonardo verzichtete auf das Tragen einer Rüstung. Er winkte einem Skelett-Krieger, von denen er über unzählige verfügte, und ließ sich eine Waffe reichen, die in Drachenfeuer gehärtet worden war. Das Schwert war ein Bihänder, eine über eineinhalb Meter lange Klinge, die der Fürst der Finsternis allerdings zur Not auch mit einer Hand schwingen konnte. Der schwere, gut ausbalancierte Griff sorgte dafür.
Leonardo nahm Aufstellung und hob sein Schwert grüßend an.
Er zwang Wang Lee damit, ebenfalls anzutreten, auch wenn der seine Waffe vielleicht nicht gegen seinen Herrn erheben wollte.
Wang nickte wieder und zog sein Schwert. Die schwarze seelenfressende Klinge, die aus den Gebeinen eines Dämons geformt worden war, warf er beiseite und ließ sich ebenfalls ein normales Schwert geben. Leonardo legte die Stirn in ärgerliche Falten.
»Warum nimmst du nicht das Schwert, das ich dir gab?«
Wang Lee verneigte sich.
»Herr, sollte ich Euch verletzten, so möchte ich vermeiden, daß das Schwert Eure Seele frißt.«
»Du fühlst dich ja ganz schön sicher«, murmelte Leonardo erbost. Es gefiel ihm nicht, daß Wang Lee zu glauben schien, er könne gegen Leonardo bestehen. Leonardo deAranaque hatte noch in seiner Zeit als Mensch mit den Kreuzfahrern unter Gottfried von Bouillon Jerusalem erobert und stets an vorderster Stelle gegen die Muselmanen gefochten. Er war nie verwundet worden. Und jetzt stärkte ihn seine dämonische Kraft und Schnelligkeit, die um ein Vielfaches höher sein konnte als die eines jeden Menschen, wenn er es wollte. Und Wang war immerhin nur ein Mensch!
Leonardo riß seine Waffe hoch und drang ohne Vorwarnung auf den Mongolen ein. Jeder andere wäre von diesem ungestümen Angriff überrascht worden. Aber Wang gelang es, den wilden Schlag mit der Klinge abzuwehren. Leonardo kannte da keine Skrupel. Wenn er Wang tötete, war das dessen Problem - schließlich konnte er für seine Unverwundbarkeit sorgen.
Die ersten fünf, sechs Schlagabtäusche war Wang in der Defensive. Er ließ sich zurückdrängen. Leonardo erkannte, daß das nur gespielt war. Wang versuchte zu erkennen, wie Leonardo kämpfte, seine Stärke einzuschätzen. Dann schlug er zurück. Mit einem Wirbel rasend schneller, kaum sichtbarer Schläge wob er ein tödliches Netz um sich und trieb nun seinerseits den Fürsten der Finsternis zurück. Erstaunt registrierte Leonardo, daß er trotz mit Magie gesteigerter Kraft und Reaktionsschnelligkeit einige Mühe hatte, Wangs rasend vorgetragenen Angriff abzuwehren und zu stoppen. Mehrmals flog die gegnerische Klinge nur haarscharf an Leonardos Kopf oder seinen Armen vorbei.
Wang Lee zielte nur auf den Oberkörper. Schläge nach den Beinen unterließ er. Vielleicht gehörte es zu seinem Ehrenkodex, den dieser Narr einfach nicht ablegen wollte, vielleicht war es aber nur ein Täuschungsmanöver, das Leonardo dazu bringen sollte, seine Deckung dort zu vernachlässigen. Aber Leonardo fiel nicht darauf herein. Er blieb wachsam, parierte die Schläge und brachte jetzt seinerseits Wang in arge Verlegenheit.
Es ging hin und her. Die Schwerter schmetterten gegeneinander. Funken sprühten. Ringsum standen Skelett-Krieger, die ansonsten Wang Lees Trainingspartner waren, und verfolgten den Kampf in stoischer Ruhe. Leonardo verstärkte seine Kraft noch weiter. Er wunderte sich, daß es ihm Wang so schwer machte, ihn zu besiegen.
Wang war schon viel stärker, als Leonardo angenommen hatte…
Du wirst mir zu gefährlich, Freundchen. Ich werde deine Trainingsstunden kürzen müssen, dachte der Fürst der Finsternis grimmig und drang noch wilder auf seinen Leibwächter ein.
Da durchbrach dessen Schwert Leonardos Deckung. Der Fürst spürte einen rasenden Schmerz an der Wange. Schwarzes Dämonenblut schoß hervor.
Sofort sprang Wang Lee zurück. Er stand jetzt starr da und sah seinen Herrn an.
Der atmete tief durch. Das Schwert entfiel seiner Hand. Er faßte sich an die Wunde und wußte sofort, daß eine Narbe Zurückbleiben würde. Die höllischen Klingen, im Drachenfeuer gestählt, schlugen Wunden, die nie ganz verschwanden. Der Fürst der Finsternis würde sie rasch schließen können, aber es blieb eine Spur zurück.
Die Spur einer Niederlage…
Zorn flammte in ihm auf. Dieser Narr hatte es gewagt, seinen Herrn im Trainingskampf zu verletzen? Und er fiel jetzt nicht einmal in den Staub, sondern schien gar ein Lob für seine Geschicklichkeit und Schnelligkeit zu erwarten?
Leonardo hob beide Hände. Zwischen ihnen entstand ein rasender Feuerball, geschürt durch den Zorn des Höllenfürsten, und mit Wucht schleuderte er die Flammenwolke gegen Wang Lee, der entsetzt aufschrie und auszuweichen versuchte.
Er schaffte es nicht ganz.
Die Flammen jagten auf ihn zu, hüllten ihn ein und schleuderten ihn weit durch die Felsenhalle, deren Wände rötlich glühten. Wang Lee wurde mehrmals hin und her geworfen, schlitterte über unebenen Boden mit Steinzacken und landete schließlich vor der glühenden Rückwand. Das Feuer dehnte sich explosionsartig aus und setzte auch einige der Skelett-Krieger in Brand. Sie zerpulverten zu Asche.
Leonardo starrte Wang Lee finster an, als der Mongole sich wieder erhob. Seine Konzentration, seine ungeheure Willensanstrengung in diesen Momenten, hatte ihn unverletzt bleiben lassen, aber was er am Leib trug, fiel zu Asche verbrannt zu Boden.
Leonardo spürte immer noch beißenden Zorn.
»Hund!« brüllte er. »Du hast es gewagt, mich zu verletzen! Fühlst du dich etwa mir überlegen? Bedenke stets, daß ich dir trotzdem in allem überlegen bin!«
Wangs Asiatenlächeln war verloschen. Er neigte den Kopf.
»Verzeiht, Herr«, bat er unterwürfig. »Ich war unaufmerksam. Ich hätte meine Kraft besser kontrollieren müssen. Ich hätte Sorge tragen müssen, Euch nicht zu verletzen…«
Leonardo glaubte ihm nicht. Er meinte im Moment der Verletzung ein triumphierendes Aufblitzen in Wangs Augen gesehen zu haben.
»In den Staub mit dir«, donnerte er. »Du wirst zu mir kriechen und mir die Füße küssen, du Wurm! Damit du stets weißt, wer der Herr ist!«
Wang wurde fahl. »Herr… Ihr seht es falsch. Ich bin…«
Leonardo schleuderte eine neue Feuerkugel, die Wang abermals gegen den Felsen schmetterte und in Flammenzungen badete.
»In den Staub! Ich verlange es kein drittes Mal! Ich habe die Macht, auch dich wieder verwundbar zu machen, vergiß das nie! Was du bist, bist du nur durch mich!«
Bleich sank Wang auf die Knie. Er kroch tatsächlich zu seinem Herrn und erfüllte dessen Willen. Leonardo stellte ihm einen Fuß auf den Rücken.
»Knecht«, sagte er grimmig. »Wurm, den ich zertreten kann, wenn ich will. Schwöre mir ewige Treue.«
»Herr, ich schwor Euch…«
»Schwöre eben noch einmal! Bei deinem Blut, das zu Feuer werden und dich langsam verbrennen soll, wenn du dich jemals gegen mich wenden solltest!« schrie Leonardo. Irgendwie glaubte er plötzlich einen Grund zu haben, Wang zu mißtrauen.
Hatte Eysenbeiß vielleicht doch recht, der schon seit einiger Zeit argwöhnte, Wang führe Übles im Schilde wider seinen Herrn? Oder lag dieses Argwöhnen nur daran, daß Wang Eysenbeiß nicht für voll nahm und ihn schikanierte, wo es ihm eben möglich war?
Die Hölle steckt voller Intrigen und läßt keinen Spielraum für Ehrlichkeit…
Wang Lee erhob sich und leistete den Treueschwur.
»Vergiß es nie«, ermahnte Leonardo ihn noch einmal. Dann verließ er die Felsenhalle mit den glühenden Wänden. Wang Lee blieb allein zurück.
***
Der Mongole starrte seinem Herrn haßerfüllt hinterher. Nein, diese Demütigung würde er ihm nicht so rasch vergessen.
In der Tat hatte er für den Bruchteil einer Sekunde Triumph verspürt, als er die Deckung seines Herrn durchbrach - einmal so gut zu sein, davon hatte er wochenlang geträumt. Immerhin wußte er, welch starker Gegner Leonardo sein konnte. Es war eine Selbstbestätigung seines eigenen Wertgefühls gewesen.
Eigentlich hatte er diesen Übungskampf nicht einmal gewollt. Er wollte seine Klinge nicht offen gegen seinen Herrn heben. Aber der Fürst der Finsternis hatte ihn dazu gezwungen.
Es gab Rituale, denen Wang folgte, und denen er zwangsläufig unterlag. Leonardo wußte das. Wußte er aber wirklich, wie sehr Wang seinem Ehrenkodex unterlag?
Wang war kein Killer.
Er war eine Kampfmaschine, aber kein Meuchelmörder. Er kämpfte fair und offen, wenn auch unter Einsatz aller Mittel. Und er war gewillt, sich auch hier in der Tiefe der Hölle nicht beugen zu lassen.
Aber er sah sich auch noch nicht am Ende seiner Karriere. Einst war er ein Herrscher gewesen, bis die Horden des Dschinghis Khan seine Stadt niederbrannten. Er war dem Dschinghis gefolgt, um ihn zu töten. Aber Leonardo hatte ihn in die Zukunft gerissen und zu seinem Diener gemacht, zu seinem Leibwächter und Berater. Wang Lee verdankte ihm das seelenfressende, namenlose schwarze Schwert, und er verdankte ihm die Unverletzbarkeit, die aber auch nicht absolut war. Deshalb diente er ihm nun. Aber er wollte mehr erreichen. Denn er sah, wie Leonardo sich emporgearbeitet hatte und noch weiter aufsteigen wollte. Wang Lee arbeitete ebenfalls still an seinem eigenen Aufstieg. Wahrscheinlich würde es Leonardo gar nicht gefallen, deshalb vérhielt sich Wang still.
Aber die Demütigung, die er heute hinnehmen mußte, brachte ihn in innerlichen Aufruhr. Zum ersten Mal haßte er seinen Herrn wirklich und wünschte ihm den Untergang.
Er hatte ihm zum zweiten Mal die Treue geschworen. Aber er hatte diesen Schwur abgeleitet. Er galt nicht. Und an den ersten fühlte er sich nach dieser Behandlung nicht mehr gebunden. Leonardo deAranaque selbst hatte den Bruch herbeigeführt durch die Art, mit der er seinen Kämpfer behandelte. Selbstherrlich und arrogant, wie er war, dachte er nicht daran, den Fehler bei sich selbst zu suchen, sondern unterstellte Wang Machtsucht.
Das, dachte Wang, kannst du haben, Herr. Von nun an bin ich dein Feind.
Doch er würde vorsichtig agieren müssen. Er mußte weiterhin dienen. Denn Leonardo war mächtig. Und er war mißtrauisch. Er würde selbst seinen besten Freund eher töten, als zulassen, daß dieser möglicherweise eigene Gedanken verwirklichte, gleich welcher Art.
Wang mußte sich zunächst eine Machtposition schaffen.
Es half nämlich auch nichts, wenn er den Fürsten der Finsternis erschlagen konnte. Denn er selbst war hier ebensowenig geliebt wie sein Herr. Die anderen Dämonen, die sich des Fürstenthrones bemächtigen würden, würden auf Eysenbeiß ebensowenig Rücksicht nehmen wie auf ihn, Wang. Sie waren beide Menschen, sie gehörten nicht hierher. Sie würden Opfer sein. Wenn Leonardo fiel, fielen auch sie. Wang wußte das nur zu gut. Er mußte sich erst gründlich absichern.
Bis dahin war er Leonardos treuer Diener, wie er es geschworen hatte…
Aber er fühlte sich ungerecht behandelt, und sein Zorn und sein Haß waren stark und brannten wie die lodernden Flammen des Höllenfeuers.
***
»Komm zu mir und höre den Auftrag, den ich dir erteile«, befahl Leonardo einige Stunden später.
Wang Lee Chan trat vor seinen Thron und neigte das kahlgeschorene, tätowierte Haupt. »Ich höre und gehorche, Herr.«
Leonardo wechselte einen schnellen Blick mit Eysenbeiß, der links neben dem Höllenfürsten stand.
»Du wirst zur Erde reisen«, sagte Leonardo. »Nach Italien. Ich habe erfahren, daß Moronthor dort meine Kreise stören will. Versuche ihn unschädlich zu machen oder zumindest ihn zu schwächen. Er wird einen gewissen Bjern Grym aufsuchen.«
»Was will er von ihm?«
Leonardo verzog das Gesicht zu einem spöttischen Grinsen.
»Er will ihn überreden, nicht mit mir zu paktieren«, sagte Leonardo. »Aber Bjern Grym ist an mich gebunden.«
»Herr, so ganz begreife ich nicht, was ich dort soll. Sich mit Moronthor anzulegen, ist gefährlich, das wißt Ihr selbst…«
»Mir zu widerspechen ist noch gefährlicher«, sagte Leonardo kalt. »Hast du deinen Schwur schon wieder vergessen?« Und unwillkürlich tastete er nach seiner linken Wange. Die Wunde war verschlossen und verheilt, aber die Narbe war geblieben.
»Es gibt zwei Möglichkeiten«, sagte Leonardo. »Denn Moronthor ist fest entschlossen, herauszufinden, was mit Bjern Grym ist, und ihn von meinem Einfluß zu befreien. Du wirst entweder Moronthor daran hindern und ihn verwunden, noch besser töten - aber allein wenn du ihn behinderst und ihn in seine Schranken verweist, ist es ein Erfolg. Die andere Möglichkeit: es gelingt ihm, Bjern Grym von meinem Einfluß zu befreien - dann tötest du Bjern Grym, der dann für mich nutzlos ist. Auch das ist ein Erfolg. Du kannst also nur Erfolg haben, so oder so. Ist das nichts?«
»Da ist doch ein Pferdefuß dran«, murmelte Wang. »So einfach kann es doch nicht sein, Herr.«
»Deshalb wirst du auch nicht allein gehen«, sagte Leonardo. »Eysenbeiß wird dich begleiten und… äh… dir helfen, wenn es nötig ist.«
So konnte man überwachen auch formulieren, dachte Wang erzürnt. Noch eine Demütigung mehr, unter der Aufsicht dieses Versagers und Narren arbeiten zu müssen!
Wenn Leonardo etwas tat, dann mit äußerster Konsequenz. Er wollte Wang zeigen, wer der Herr war - auch wenn das eigentlich überflüssig gewesen wäre -, und das tat er auch. Wang sollte sich vor ihm wie ein Wurm fühlen.
Leonardo mochte ein kluger, gerissener Denker und ein guter Psychologe sein. Aber im Falle Wang versagte er. Er rief durch sein Handeln erst das hervor, was er unterdrücken wollte.
Wang Lee Chan verbarg seinen Haß geschickt. Er verneigte sich vor dem Fürsten der Finsternis.
»Ich höre und gehorche…«
***