Die Skelett-Krieger griffen an. Von drei Seiten zugleich kamen
sie und schwangen ihre todbringenden Waffen. Rüstungsteile
schepperten gegeneinander. Stahl blitzte im rötlichen Licht
auf.
Der Mann, den sie angriffen, war unbewaffnet. Mit
unnatürlicher Ruhe wartete er ab, bis die knöcherne Horde nahe
genug herangekommen war, daß die Skelett-Krieger ihn mit ihren
Schwertern und Streitäxten erreichen konnten.
Dann explodierte er förmlich.
Er wurde zu einem rasenden Wirbel, der unter den
Skelett-Kriegern aufräumte. Binnen Augenblicken hatte er drei
zertrümmert, zwei weitere entwaffnet und drehte sich jetzt
unglaublich schnell im Kreis, während die erbeuteten Waffen die
Totenschädel spalteten. Die Auseinandersetzung mit den fast zwei
Dutzend Gegnern hatte nicht einmal eine halbe Minute gedauert, da
lagen sie reglos am Boden und zerfielen allmählich zu moderig
riechendem Staub.
Der einzelne Kämpfer mit der punkteförmigen Tätowierung auf
der kahlen Kopfhaut atmete nur unmerklich tiefer durch. Seine Augen
wurden schmal, als er den Mann sah, der jetzt die Szene
betrat.
»Nicht schlecht«, sagte Leonardo deAranaque und deutete auf
die zerfallenden Skelette. »Du steigerst dich von Woche zu Woche.
Gibt es überhaupt noch etwas oder jemanden, der sich dir
erfolgreich in den Weg stellen könnte?«
»Ihr, Herr, könnt es«, sagte der Kämpfer und verneigte sich
gerade so weit, wie sein Stolz es zuließ.
Der Fürst der Finsternis nickte. »Wahrscheinlich. Du solltest
mir deine Kunst noch einmal beweisen. Tritt gegen mich an, ich will
sehen, wie stark du wirklich bist. Die Skelett-Krieger sind tumbe
Idioten, die keinen Überlebenswillen kennen. Gegen mich zu kämpfen,
dürfte eine größere Herausforderung für dich sein, Chan.«
Wang Lee Chan lächelte mit der Unverbindlichkeit des Asiaten.
Der Mongole trat einige Schritte zurück. Es war ihm nicht
anzusehen, ob diese Herausforderung ihm gefiel.
Seit Leonardo Fürst der Finsternis geworden war, diente ihm
Wang Lee Chan, der aus der Zeit des Dschinghis Khan stammte, als
Leibwächter und Schlagetot. Zugleich hatte er ebenso wie Magnus
Friedensreich Eysenbeiß Beraterfunktion. Diese beiden Männer waren
als Menschen innerhalb der sieben Kreise der Hölle in einer
Ausnahmestellung. Leonardo verzichtete darauf, sich von anderen
Dämonen Ratschläge zuflüstern zu lassen, sondern griff auf diese
beiden Menschen zurück. Das machte ihn bei den anderen Dämonen der
Schwarzen Familie nicht gerade beliebter. Aber er fühlte sich stark
genug, allen Anfeindungen und Intrigen zu begegnen. Im Gegensatz zu
seinem Vorgänger Asmodis begann er Erfolge vorzuweisen, und das
machte ihn stark. Sanguinus und Belial, die zwischen Asmodis und
ihm Fürsten gewesen waren, zählten nicht.
Sie hatten sich nur Tage auf dem Herrscherthron halten können.
Belial war im Kampf gegen Moronthor erschlagen worden, und
Sanguinus war Amun-Res Opfer geworden.
Leonardo taktierte da vorsichtiger. Es mochte auch daran
liegen, daß er seinen stärksten Gegner, Moronthor, besser kannte
als alle anderen Dämonen der Hölle.
Wang Lee Chan, der ehemalige Mongolenfürst, war ein Kämpfer
besonderer Art. Er war schnell und stark, er beherrschte fast alle
Kampftechniken mit und ohne Waffe, und er war mit dem Blut eines
Dämons gegen Verletzungen gefeit worden. Wenn Wang Lee es wollte,
war er unverwundbar - es war nur eine Sache der Konzentration.
Leonardo wußte, daß Wang Lee täglich fast zwölf Stunden trainierte
oder sich in Meditation übte, um sich zu perfektionieren.
Jetzt wollte er wissen, wie gut Wang geworden war. Leonardo
verzichtete auf das Tragen einer Rüstung. Er winkte einem
Skelett-Krieger, von denen er über unzählige verfügte, und ließ
sich eine Waffe reichen, die in Drachenfeuer gehärtet worden war.
Das Schwert war ein Bihänder, eine über eineinhalb Meter lange
Klinge, die der Fürst der Finsternis allerdings zur Not auch mit
einer Hand schwingen konnte. Der schwere, gut ausbalancierte Griff
sorgte dafür.
Leonardo nahm Aufstellung und hob sein Schwert grüßend
an.
Er zwang Wang Lee damit, ebenfalls anzutreten, auch wenn der
seine Waffe vielleicht nicht gegen seinen Herrn erheben
wollte.
Wang nickte wieder und zog sein Schwert. Die schwarze
seelenfressende Klinge, die aus den Gebeinen eines Dämons geformt
worden war, warf er beiseite und ließ sich ebenfalls ein normales
Schwert geben. Leonardo legte die Stirn in ärgerliche Falten.
»Warum nimmst du nicht das Schwert, das ich dir gab?«
Wang Lee verneigte sich.
»Herr, sollte ich Euch verletzten, so möchte ich vermeiden,
daß das Schwert Eure Seele frißt.«
»Du fühlst dich ja ganz schön sicher«, murmelte Leonardo
erbost. Es gefiel ihm nicht, daß Wang Lee zu glauben schien, er
könne gegen Leonardo bestehen. Leonardo deAranaque hatte noch in
seiner Zeit als Mensch mit den Kreuzfahrern unter Gottfried von
Bouillon Jerusalem erobert und stets an vorderster Stelle gegen die
Muselmanen gefochten. Er war nie verwundet worden. Und jetzt
stärkte ihn seine dämonische Kraft und Schnelligkeit, die um ein
Vielfaches höher sein konnte als die eines jeden Menschen, wenn er
es wollte. Und Wang war immerhin nur ein Mensch!
Leonardo riß seine Waffe hoch und drang ohne Vorwarnung auf
den Mongolen ein. Jeder andere wäre von diesem ungestümen Angriff
überrascht worden. Aber Wang gelang es, den wilden Schlag mit der
Klinge abzuwehren. Leonardo kannte da keine Skrupel. Wenn er Wang
tötete, war das dessen Problem - schließlich konnte er für seine
Unverwundbarkeit sorgen.
Die ersten fünf, sechs Schlagabtäusche war Wang in der
Defensive. Er ließ sich zurückdrängen. Leonardo erkannte, daß das
nur gespielt war. Wang versuchte zu erkennen, wie Leonardo kämpfte,
seine Stärke einzuschätzen. Dann schlug er zurück. Mit einem Wirbel
rasend schneller, kaum sichtbarer Schläge wob er ein tödliches Netz
um sich und trieb nun seinerseits den Fürsten der Finsternis
zurück. Erstaunt registrierte Leonardo, daß er trotz mit Magie
gesteigerter Kraft und Reaktionsschnelligkeit einige Mühe hatte,
Wangs rasend vorgetragenen Angriff abzuwehren und zu stoppen.
Mehrmals flog die gegnerische Klinge nur haarscharf an Leonardos
Kopf oder seinen Armen vorbei.
Wang Lee zielte nur auf den Oberkörper. Schläge nach den
Beinen unterließ er. Vielleicht gehörte es zu seinem Ehrenkodex,
den dieser Narr einfach nicht ablegen wollte, vielleicht war es
aber nur ein Täuschungsmanöver, das Leonardo dazu bringen sollte,
seine Deckung dort zu vernachlässigen. Aber Leonardo fiel nicht
darauf herein. Er blieb wachsam, parierte die Schläge und brachte
jetzt seinerseits Wang in arge Verlegenheit.
Es ging hin und her. Die Schwerter schmetterten gegeneinander.
Funken sprühten. Ringsum standen Skelett-Krieger, die ansonsten
Wang Lees Trainingspartner waren, und verfolgten den Kampf in
stoischer Ruhe. Leonardo verstärkte seine Kraft noch weiter. Er
wunderte sich, daß es ihm Wang so schwer machte, ihn zu
besiegen.
Wang war schon viel stärker, als Leonardo angenommen
hatte…
Du wirst mir zu gefährlich, Freundchen. Ich werde deine
Trainingsstunden kürzen müssen, dachte der Fürst der Finsternis
grimmig und drang noch wilder auf seinen Leibwächter ein.
Da durchbrach dessen Schwert Leonardos Deckung. Der Fürst
spürte einen rasenden Schmerz an der Wange. Schwarzes Dämonenblut
schoß hervor.
Sofort sprang Wang Lee zurück. Er stand jetzt starr da und sah
seinen Herrn an.
Der atmete tief durch. Das Schwert entfiel seiner Hand. Er
faßte sich an die Wunde und wußte sofort, daß eine Narbe
Zurückbleiben würde. Die höllischen Klingen, im Drachenfeuer
gestählt, schlugen Wunden, die nie ganz verschwanden. Der Fürst der
Finsternis würde sie rasch schließen können, aber es blieb eine
Spur zurück.
Die Spur einer Niederlage…
Zorn flammte in ihm auf. Dieser Narr hatte es gewagt, seinen
Herrn im Trainingskampf zu verletzen? Und er fiel jetzt nicht
einmal in den Staub, sondern schien gar ein Lob für seine
Geschicklichkeit und Schnelligkeit zu erwarten?
Leonardo hob beide Hände. Zwischen ihnen entstand ein rasender
Feuerball, geschürt durch den Zorn des Höllenfürsten, und mit Wucht
schleuderte er die Flammenwolke gegen Wang Lee, der entsetzt
aufschrie und auszuweichen versuchte.
Er schaffte es nicht ganz.
Die Flammen jagten auf ihn zu, hüllten ihn ein und
schleuderten ihn weit durch die Felsenhalle, deren Wände rötlich
glühten. Wang Lee wurde mehrmals hin und her geworfen, schlitterte
über unebenen Boden mit Steinzacken und landete schließlich vor der
glühenden Rückwand. Das Feuer dehnte sich explosionsartig aus und
setzte auch einige der Skelett-Krieger in Brand. Sie zerpulverten
zu Asche.
Leonardo starrte Wang Lee finster an, als der Mongole sich
wieder erhob. Seine Konzentration, seine ungeheure
Willensanstrengung in diesen Momenten, hatte ihn unverletzt bleiben
lassen, aber was er am Leib trug, fiel zu Asche verbrannt zu
Boden.
Leonardo spürte immer noch beißenden Zorn.
»Hund!« brüllte er. »Du hast es gewagt, mich zu verletzen!
Fühlst du dich etwa mir überlegen? Bedenke stets, daß ich dir
trotzdem in allem überlegen bin!«
Wangs Asiatenlächeln war verloschen. Er neigte den Kopf.
»Verzeiht, Herr«, bat er unterwürfig. »Ich war unaufmerksam.
Ich hätte meine Kraft besser kontrollieren müssen. Ich hätte Sorge
tragen müssen, Euch nicht zu verletzen…«
Leonardo glaubte ihm nicht. Er meinte im Moment der Verletzung
ein triumphierendes Aufblitzen in Wangs Augen gesehen zu
haben.
»In den Staub mit dir«, donnerte er. »Du wirst zu mir kriechen
und mir die Füße küssen, du Wurm! Damit du stets weißt, wer der
Herr ist!«
Wang wurde fahl. »Herr… Ihr seht es falsch. Ich bin…«
Leonardo schleuderte eine neue Feuerkugel, die Wang abermals
gegen den Felsen schmetterte und in Flammenzungen badete.
»In den Staub! Ich verlange es kein drittes Mal! Ich habe die
Macht, auch dich wieder verwundbar zu machen, vergiß das nie! Was
du bist, bist du nur durch mich!«
Bleich sank Wang auf die Knie. Er kroch tatsächlich zu seinem
Herrn und erfüllte dessen Willen. Leonardo stellte ihm einen Fuß
auf den Rücken.
»Knecht«, sagte er grimmig. »Wurm, den ich zertreten kann,
wenn ich will. Schwöre mir ewige Treue.«
»Herr, ich schwor Euch…«
»Schwöre eben noch einmal! Bei deinem Blut, das zu Feuer
werden und dich langsam verbrennen soll, wenn du dich jemals gegen
mich wenden solltest!« schrie Leonardo. Irgendwie glaubte er
plötzlich einen Grund zu haben, Wang zu mißtrauen.
Hatte Eysenbeiß vielleicht doch recht, der schon seit einiger
Zeit argwöhnte, Wang führe Übles im Schilde wider seinen Herrn?
Oder lag dieses Argwöhnen nur daran, daß Wang Eysenbeiß nicht für
voll nahm und ihn schikanierte, wo es ihm eben möglich war?
Die Hölle steckt voller Intrigen und läßt keinen Spielraum für
Ehrlichkeit…
Wang Lee erhob sich und leistete den Treueschwur.
»Vergiß es nie«, ermahnte Leonardo ihn noch einmal. Dann
verließ er die Felsenhalle mit den glühenden Wänden. Wang Lee blieb
allein zurück.
***
Der Mongole starrte seinem Herrn haßerfüllt hinterher. Nein,
diese Demütigung würde er ihm nicht so rasch vergessen.
In der Tat hatte er für den Bruchteil einer Sekunde Triumph
verspürt, als er die Deckung seines Herrn durchbrach - einmal so
gut zu sein, davon hatte er wochenlang geträumt. Immerhin wußte er,
welch starker Gegner Leonardo sein konnte. Es war eine
Selbstbestätigung seines eigenen Wertgefühls gewesen.
Eigentlich hatte er diesen Übungskampf nicht einmal gewollt.
Er wollte seine Klinge nicht offen gegen seinen Herrn heben. Aber
der Fürst der Finsternis hatte ihn dazu gezwungen.
Es gab Rituale, denen Wang folgte, und denen er zwangsläufig
unterlag. Leonardo wußte das. Wußte er aber wirklich, wie sehr Wang
seinem Ehrenkodex unterlag?
Wang war kein Killer.
Er war eine Kampfmaschine, aber kein Meuchelmörder. Er kämpfte
fair und offen, wenn auch unter Einsatz aller Mittel. Und er war
gewillt, sich auch hier in der Tiefe der Hölle nicht beugen zu
lassen.
Aber er sah sich auch noch nicht am Ende seiner Karriere.
Einst war er ein Herrscher gewesen, bis die Horden des Dschinghis
Khan seine Stadt niederbrannten. Er war dem Dschinghis gefolgt, um
ihn zu töten. Aber Leonardo hatte ihn in die Zukunft gerissen und
zu seinem Diener gemacht, zu seinem Leibwächter und Berater. Wang
Lee verdankte ihm das seelenfressende, namenlose schwarze Schwert,
und er verdankte ihm die Unverletzbarkeit, die aber auch nicht
absolut war. Deshalb diente er ihm nun. Aber er wollte mehr
erreichen. Denn er sah, wie Leonardo sich emporgearbeitet hatte und
noch weiter aufsteigen wollte. Wang Lee arbeitete ebenfalls still
an seinem eigenen Aufstieg. Wahrscheinlich würde es Leonardo gar
nicht gefallen, deshalb vérhielt sich Wang still.
Aber die Demütigung, die er heute hinnehmen mußte, brachte ihn
in innerlichen Aufruhr. Zum ersten Mal haßte er seinen Herrn
wirklich und wünschte ihm den Untergang.
Er hatte ihm zum zweiten Mal die Treue geschworen. Aber er
hatte diesen Schwur abgeleitet. Er galt nicht. Und an den ersten
fühlte er sich nach dieser Behandlung nicht mehr gebunden. Leonardo
deAranaque selbst hatte den Bruch herbeigeführt durch die Art, mit
der er seinen Kämpfer behandelte. Selbstherrlich und arrogant, wie
er war, dachte er nicht daran, den Fehler bei sich selbst zu
suchen, sondern unterstellte Wang Machtsucht.
Das, dachte Wang, kannst du haben, Herr. Von nun an bin ich
dein Feind.
Doch er würde vorsichtig agieren müssen. Er mußte weiterhin
dienen. Denn Leonardo war mächtig. Und er war mißtrauisch. Er würde
selbst seinen besten Freund eher töten, als zulassen, daß dieser
möglicherweise eigene Gedanken verwirklichte, gleich welcher
Art.
Wang mußte sich zunächst eine Machtposition schaffen.
Es half nämlich auch nichts, wenn er den Fürsten der
Finsternis erschlagen konnte. Denn er selbst war hier ebensowenig
geliebt wie sein Herr. Die anderen Dämonen, die sich des
Fürstenthrones bemächtigen würden, würden auf Eysenbeiß ebensowenig
Rücksicht nehmen wie auf ihn, Wang. Sie waren beide Menschen, sie
gehörten nicht hierher. Sie würden Opfer sein. Wenn Leonardo fiel,
fielen auch sie. Wang wußte das nur zu gut. Er mußte sich erst
gründlich absichern.
Bis dahin war er Leonardos treuer Diener, wie er es geschworen
hatte…
Aber er fühlte sich ungerecht behandelt, und sein Zorn und
sein Haß waren stark und brannten wie die lodernden Flammen des
Höllenfeuers.
***
»Komm zu mir und höre den Auftrag, den ich dir erteile«,
befahl Leonardo einige Stunden später.
Wang Lee Chan trat vor seinen Thron und neigte das
kahlgeschorene, tätowierte Haupt. »Ich höre und gehorche,
Herr.«
Leonardo wechselte einen schnellen Blick mit Eysenbeiß, der
links neben dem Höllenfürsten stand.
»Du wirst zur Erde reisen«, sagte Leonardo. »Nach Italien. Ich
habe erfahren, daß Moronthor dort meine Kreise stören will.
Versuche ihn unschädlich zu machen oder zumindest ihn zu schwächen.
Er wird einen gewissen Bjern Grym aufsuchen.«
»Was will er von ihm?«
Leonardo verzog das Gesicht zu einem spöttischen
Grinsen.
»Er will ihn überreden, nicht mit mir zu paktieren«, sagte
Leonardo. »Aber Bjern Grym ist an mich gebunden.«
»Herr, so ganz begreife ich nicht, was ich dort soll. Sich mit
Moronthor anzulegen, ist gefährlich, das wißt Ihr selbst…«
»Mir zu widerspechen ist noch gefährlicher«, sagte Leonardo
kalt. »Hast du deinen Schwur schon wieder vergessen?« Und
unwillkürlich tastete er nach seiner linken Wange. Die Wunde war
verschlossen und verheilt, aber die Narbe war geblieben.
»Es gibt zwei Möglichkeiten«, sagte Leonardo. »Denn Moronthor
ist fest entschlossen, herauszufinden, was mit Bjern Grym ist, und
ihn von meinem Einfluß zu befreien. Du wirst entweder Moronthor
daran hindern und ihn verwunden, noch besser töten - aber allein
wenn du ihn behinderst und ihn in seine Schranken verweist, ist es
ein Erfolg. Die andere Möglichkeit: es gelingt ihm, Bjern Grym von
meinem Einfluß zu befreien - dann tötest du Bjern Grym, der dann
für mich nutzlos ist. Auch das ist ein Erfolg. Du kannst also nur
Erfolg haben, so oder so. Ist das nichts?«
»Da ist doch ein Pferdefuß dran«, murmelte Wang. »So einfach
kann es doch nicht sein, Herr.«
»Deshalb wirst du auch nicht allein gehen«, sagte Leonardo.
»Eysenbeiß wird dich begleiten und… äh… dir helfen, wenn es nötig
ist.«
So konnte man überwachen auch formulieren, dachte Wang
erzürnt. Noch eine Demütigung mehr, unter der Aufsicht dieses
Versagers und Narren arbeiten zu müssen!
Wenn Leonardo etwas tat, dann mit äußerster Konsequenz. Er
wollte Wang zeigen, wer der Herr war - auch wenn das eigentlich
überflüssig gewesen wäre -, und das tat er auch. Wang sollte sich
vor ihm wie ein Wurm fühlen.
Leonardo mochte ein kluger, gerissener Denker und ein guter
Psychologe sein. Aber im Falle Wang versagte er. Er rief durch sein
Handeln erst das hervor, was er unterdrücken wollte.
Wang Lee Chan verbarg seinen Haß geschickt. Er verneigte sich
vor dem Fürsten der Finsternis.
»Ich höre und gehorche…«
***