Wie von der Faust eines Riesen getroffen, krümmte Moronthor
sich zusammen.
Der Zauberspruch hallte ihm noch in den Ohren, als grelles
Licht um ihn und die anderen herum aufflammte. Er sah, wie sie
durchsichtig wurden, sah, wie er selbst an Substanz verlor. Und
dann verschwanden sie, einer nach dem anderen.
Er hörte die anderen schreien, und er schrie selbst. Schmerz
durchraste seinen Körper. Das grelle Licht verlor an Helligkeit,
verwandelte sich in ein sattes Violett. Moronthor fühlte sich
schwerelos. Er taumelte, trieb haltlos in einem absoluten Nichts.
Übelkeit breitete sich in ihm aus. Er kämpfte gegen die
Bewußtlosigkeit an. Und dann war es plötzlich vorbei.
Er hatte wieder festen Boden unter den Füßen. Er konnte sich
und die anderen wieder sehen. Aber sie befanden sich nicht mehr in
Merlins Burg. Um sie herum breitete sich eine Landschaft aus, wie
Moronthor sie noch nie zuvor gesehen hatte…
Sid Amos stand mit hängenden Schultern da. Er starrte
fassungslos die Stelle an, an der sich gerade eben noch vier… nein,
fünf Menschen befunden hatten. Sie waren fort. Einfach
verschwunden.
Und Merlins Gesicht, das äußerstes Entsetzen zeigte…
Amos preßte die Lippen zusammen. Es war fehlgeschlagen.
Restlos.
»Murphys Gesetz«, murmelte Amos. »Wenn es etwas gibt, das auch
nur theoretisch die Möglichkeit hat, schiefzugehen, wird es
schiefgehen, und die Marmeladenschnitte fällt immer mit der
Butterseite nach unten auf den Perserteppich.«
Dabei hatte es vielversprechend begonnen.
Professor Moronthor hatte eine Idee entwickelt. »Versuchen wir
es mit Merlins Machtspruch«, hatte er vorgeschlagen. »Das hatten
wir noch nicht, und wenn es auch nicht funktioniert, können wir uns
immer noch etwas anderes überlegen!«
Wie Moronthor selbst, hatte sich auch Amos gefragt, warum
keiner von ihnen schon früher auf diese Idee gekommen war. Sie
hatten nahezu alles ausprobiert, Merlin aus dem Eiskokon gefrorener
Zeit zu befreien, in den ihn die Zeitlose kurz vor ihrem Tod
eingesponnen hatte. Mit normaler Magie, mit Reek Norrs
Sauroiden-Zauber aus der Parallelwelt mit dem höheren Magie-Niveau,
mit der Kraft Sara Blakmoons, die die Tochter der Zeitlosen und
Merlins war und die Magie der Zeitlosen geerbt haben mochte – alles
war fehlgeschlagen. Das Gefängnis aus gefrorener Zeit blieb
unzerstörbar.
Nur auf die Idee, es mit dem Machtspruch zu versuchen, waren
sie ganz zuletzt gekommen.
Moronthor, seine Gefährtin Nicandra Darrell und die beiden
Druiden Gryf und Teri hatten sich geistig zusammengeschlossen, um
ihre magischen Fähigkeiten gegenseitig so weit wie nur eben möglich
zu steigern. Sid Amos schloß sich diesem Verbund nicht an; er wußte
nur zu gut, daß die beiden Druiden ihn ablehnten und das zu einem
Störfaktor werden würde, der den Erfolg des Experimentes zunichte
machen mußte. Statt dessen hatte sich Amos als »Überwacher«
zurückgehalten, der im Notfall eingreifen sollte. Und er hatte
eines seiner Amulette zur Verfügung gestellt, um das von Moronthor
zusätzlich zu unterstützen.
Es hatte eine Weile gedauert, bis sich die Kraft aufbaute, die
nötig war.
Und Merlins Machtspruch sollte nun die entscheidende Wende
einleiten.
Analh natrac’h – ut vas bethat – doc’h nyell yen vvé!
Und es hatte funktioniert!
Der Zeitkokon um Merlin war geschmolzen. Der Magier von Avalon
war endlich, nach so langer Zeit, wieder freigekommen. Nach einer
Zeit, die für ihn selbst nicht verflossen war. Für ihn hatte sie
stillgestanden, solange er sich in seinem Eisgefängnis befand. Für
sein Empfinden mußte in der gleichen Sekunde, in der er dem Zauber
der Zeitlosen unterlag, auch die Befreiung gekommen sein.
Aber es war noch mehr gekommen.
Amos begriff immer noch nicht, was eigentlich geschehen war.
Er wußte nur, daß eine unsichtbare Faust aus dem Nichts heraus
zuschlug. Er sah, wie Merlins Gesicht sich verzerrte. Angst,
Entsetzen zeigte. »Zu spät«, hatte Merlin noch tonlos geflüstert,
dann kam das grelle Aufleuchten, und mit ihm verschwanden sie alle
fünf – Merlin und seine vier Befreier!
Amos hatte noch versucht, das Unheil aufzuhalten. Aber er war
nicht schnell genug gewesen. Er hatte gar nicht schnell genug sein
können, denn das Unheil hatte ohne jede Vorwarnung
zugeschlagen.
Jetzt waren sie fort.
Tot… ?
Oder nur irgendwohin geschleudert?
Amos brauchte eine Weile, um wieder zu sich selbst zu finden.
Er begann mit seinen magischen Mitteln zu suchen. Wenn sich die
Verschollenen noch irgendwo auf der Welt befanden, mußte er sie
finden.
Doch er fand sie nicht, auch nach vielen Stunden nicht. Das
bedeutete: Sie waren entweder tot, oder sie waren in eine andere
Welt versetzt worden.
Doch er konnte ihre Spur nicht mehr aufnehmen. Es gab keine,
die ihn in eine andere Dimension führen konnte.
Er mußte sich damit abfinden. So lange hatte er, der durch
Merlins Vermächtnis zum unfreiwilligen Stellvertreter oder auch
Nachfolger des weisen Magiers bestimmt worden war, gehofft, daß es
eine Möglichkeit gab, Merlin wieder zu wecken. So lange hatte er
darauf gewartet, daß Merlin sein Amt wieder antrat und er, Amos,
seiner ungeliebten Verpflichtung ledig sein würde.
Aber nun, nachdem Merlin erwacht war, war alles noch viel
schlimmer.
Er war fort oder tot… und Amos war immer noch an Caermardhin
und an Merlins Aufgabe gebunden! Und – mit Merlin hatte es auch
seine besten Mitstreiter und Helfer erwischt. Ausgerechnet
Moronthor und die Druiden…
Es war der schwerste Schlag, der den Kräften des Lichtes
jemals versetzt worden war. Damals, als Amos noch Fürst der
Finsternis gewesen war und auf der anderen Seite kämpfte, hätte er
ein solches Ereignis begrüßt, hätte es doch seine Macht gestärkt.
Aber nun…
Nun empfand er nur Bedauern, Trauer – und eine verzweifelte
Wut.
Wenn es jemanden gab, der für dieses Fiasko verantwortlich war
– wer immer es auch sein mochte: Amos schwor ihm Rache und einen
furchtbaren Tod…
***
Moronthor richtete sich auf. Er warf einen Blick zum Himmel
hinauf. Dort flammte eine helle, große Sonne. Aber das war nicht
alles. Ein gigantisches Etwas funkelte dort, zur Sonne hin von der
Sichel eines Lichtkranzes umgeben. Es schwebte am Himmel, als würde
es jeden Moment herunterstürzen. Eine gewaltige, unermeßlich große
Kugel!
Und… auf der anderen Seite, fast am Horizont, schwebte über
den Bergen eine weitere Kugel, nur halbwegs zu sehen, von dem
Gebirge teilweise verdeckt.
»Was, zum Teufel, ist das?« murmelte Moronthor.
In blauem Gras hatte er auch noch nie gestanden. Die Sträucher
wiesen eine eigenartige Formgebung auf, ihre Blätter waren
sichelförmig, und am Himmel zogen Vögel ihre Bahn, deren Schreie in
einer Tonlage erfolgten, die absolut fremdartig war.
»Wo sind wir?« stieß auch Nicandra hervor. Sie kam zu
Moronthor. Ihre Hand umschloß noch das Amulett, das Sid Amos ihr
ausgehändigt hatte.
Sie starrte es an, dann hängte sie es sich mit einem
entschlossenen Ruck mit der silbernen Kette um den Hals. Moronthor
folgte mit seinem eigenen Amulett ihrem Beispiel. Die beiden
handtellergroßen, kreisförmigen Scheiben unterschieden sich
äußerlich nicht voneinander. Nur ihre innere Qualität wich
voneinander ab…
»Das muß der Silbermond sein«, sagte Gryf.
Die Augen des Druiden weiteten sich, als er begriff, was er da
gesagt hatte. »Der Silbermond!« stieß er hervor. »Aber – das ist
unmöglich! Wir können uns nicht hier befinden!«
»Weshalb nicht?« fragte Nicandra.
Teri Rheken, die Druidin mit dem hüftlangen goldenen Haar,
lachte bitter auf.
»Der Silbermond ist vor einigen Jahren zerstört worden«, sagte
sie.
»Er wurde in seine Sonne gesteuert, nachdem man ihn magisch
auflud. Das gesamte System der Wunderwelten wurde
vernichtet.«
Moronthor schluckte. Er erinnerte sich wieder. Gryf hatte ihm
einmal andeutungsweise davon erzählt. Aber keine Details. Daß der
Silbermond magisch aufgeladen in seine Sonne gesteuert worden war,
hörte Moronthor heute zum ersten Mal.
»Aber offenbar sind wir hier«, sagte er. »Oder gibt es ein
Duplikat des Silbermondes?«
»Das war einmalig«, keuchte Gryf. »Aber, Moronthor, verdammt,
es ist nicht möglich! Wir können einfach nicht hier sein. Es gibt
diesen Mond nicht mehr. Es gibt ihn nicht mehr, seit Sara Blakmoon
und Warren Clymer ihn vernichteten…«
Moronthors Hand schoß vor. Er packte den Druiden an der
ausgewaschenen Jeansjacke, riß ihn herum und zwang ihn, ihm ins
Gesicht zu sehen.
»Sara Blakmoon?«
»Ja«, murmelte Gryf. »Es mußte sein. Damals… damals stand sie
noch nicht auf der Seite der Höllenmächte, war sie noch nicht
entartet. Im Gegenteil…«
»Du hast damals nur ein paar Worte gesagt. Wie wäre es, wenn
du jetzt endlich mal mit der ganzen Geschichte herausrücken
würdest?« fragte Moronthor. »Wenn es den Silbermond nicht mehr
gibt, können wir zwangsläufig nicht auf ihm sein. Aber es gibt noch
eine andere Lösung.«
»Und die wäre?« fragte Gryf.
»Wir sind in die Vergangenheit geschleudert worden. Zusammen
mit unserem Freund und Meister Merlin.«
Gryf schluckte.
»Das wäre möglich«, sagte er heiser. »Aber ich verstehe es
trotzdem nicht. Es gibt doch keinen Bezugspunkt für uns, der uns
zum Silbermond geschleudert haben kann. Was ist überhaupt
geschehen?«
»Das werden wir herauszufinden versuchen«, sagte Moronthor.
»Wir müssen es herausfinden, denn nur so können wir den Weg zurück
finden. Aber vielleicht kann uns Merlin dabei helfen.«
Er sah den weißhaarigen Uralten an, der im Schneidersitz auf
dem Boden hockte, von einem zum anderen sah und aufmerksam
lauschte. Er hatte bis jetzt geschwiegen, und er schwieg immer
noch.
Ein seltsames Gefühl nahenden Unheils beschlich ihn. Er hockte
sich vor dem Weißhaarigen nieder. Was war mit Merlin geschehen?
Warum sagte er nichts? Hatte er die Sprache verloren? Das fehlt uns
gerade noch, dachte Moronthor erschrocken, daß Merlin etwas
zugestoßen sein könnte!
»Merlin…«
Der Uralte sah ihn fragend an. Er öffnete den Mund.
Unwillkürlich hielt Moronthor den Atem an.
Und dann glaubte er in einen bodenlosen Abgrund zu stürzen,
als er den Alten fragen hörte:
»Wer ist Merlin… ?«
***
In jenen Gefilden, die man mangels einer besseren Bezeichnung
»Hölle« nennt, wog Lucifuge Rofocale nachdenklich sein Amulett in
den Händen.
Es war eines aus dem legendären Siebengestirn von
Myrrian-ey-Llyrana.
Nacheinander hatte Merlin sieben Amulette geschaffen, eines
stärker und perfekter als das andere, aber erst mit dem siebten war
er wirklich zufrieden gewesen. Es war das Haupt des Siebengestirns,
geschaffen aus der Kraft einer entarteten Sonne. Es war das
Amulett, das Moronthor trug.
Von den sechs anderen wurde behauptet, sie seien, zusammen
eingesetzt, dem siebten gleichwertig. Andere raunten, die sechs
würden das siebte bezwingen können. Ausprobiert hatte es noch
niemand. Nur ein einziges Mal waren alle sieben Amulette an einem
Ort versammelt gewesen, und da hatte es die Gelegenheit nicht
gegeben, es zu erproben.
Danach waren sie wieder in Raum und Zeit verstreut
worden.
Eines davon besaß Lucifuge Rofocale. Ein anderes Leonardo
deAranaque, der Fürst der Finsternis. Ein weiteres besaß Sid Amos
offiziell – in Wirklichkeit lagen noch zwei weitere in seinem
geheimen Tresor. Wer im Besitz des letzten war, war unbekannt.
Jeder der Amulett-Besitzer und heimlichen Sammler hoffte, es in
seinen Besitz bringen zu können. Jeder hätte auch liebend gern den
anderen die Amulette abgenommen, um seine eigene Macht damit zu
stärken. Nur: die wenigsten wußten, wer im Besitz eines solchen
silbernen Gegenstandes war. Von Amos war ein Amulett bekannt, und
Lucifuge Rofocale wußte, daß der Fürst der Finsternis eines besaß.
Der wiederum wußte nichts von den anderen, und auch Sid Amos war
ahnungslos, was die anderen Amulette anging.
Lucifuge wußte, daß etwas geschehen sein mußte. Sein Amulett
hatte plötzlich ein grelles Leuchten gezeigt. Dabei hatte es keinen
Grund gegeben, auf irgend etwas zu reagieren. Von sich aus war
dieses Leuchten gekommen.
Etwas mußte geschehen sein, das mit dem Siebengestirn von
Myrrianey-Llyrana zu tun hatte. Dieses Aufleuchten war eindeutig
eine Reaktion gewesen.
Worauf?
Hatte jemand versucht, eines der sechs Amulette gegen das
siebte auszuspielen?
»Ich muß es herausfinden«, murmelte Lucifuge Rofocale. »Ich
muß erfahren, was geschehen ist.«
Schon allein aus Gründen seiner eigenen Sicherheit. Wenn es
etwas gab, das aus der Ferne sein Amulett beeinflussen konnte, so
war das gefährlich. Denn beim nächsten Mal mochte es nicht beim
Aufleuchten bleiben. Dann erfolgte vielleicht ein Überfall… oder
eine Zerstörung…
Lucifuge Rofocale hatte nie vergessen, daß Moronthors Amulett
auf jeden Fall stärker als seines war, wenn es allein stand. Sollte
Moronthor einen Angriff getestet haben? Aber er konnte nicht
wissen, daß der Herr der Hölle einen der Sterne besaß. Und Lucifuge
Rofocale traute ihm auch nicht zu, daß er eine Zerstörung eines der
Amulette riskieren würde.
Eine andere Macht mußte dahinter stecken.
Aber wer… ?
***
Entgeistert starrte Moronthor den Magier von Avalon an. »Was –
was hast du gesagt?« stieß er hervor.
Auch die anderen sahen jetzt Merlin an.
»Wovon sprecht ihr?« fragte der Alte. Umständlich erhob er
sich. Jetzt, als er stand, überragte er selbst den nicht gerade
klein gewachsenen Moronthor. Seine dunklen Augen richteten sich auf
den Parapsychologen.
»Wie kommen wir überhaupt hierher? Wo sind wir? Silbermond?
Was bedeutet das?«
Moronthor fuhr sich mit der Zungenspitze über die trocken
werdenden Lippen. »Merlin – das bist du«, sagte er. »Erinnerst du
dich nicht? Die Zeitlose, Morgana, griff dich an. Sie belegte dich
mit einem Bann. Wir konnten dich befreien…«
»Ich verstehe nicht«, sagte Merlin.
Er wirkte wie ein Fremdkörper zwischen den anderen. Moronthor
im weißen Leinenanzug, Gryf in seinen ausgewaschenen Jeans, mit
seinem wirren Blondhaar, das nie einen Kamm kennengelernt zu haben
schien, Nicandra im schwarzen Lederoverall und Teri, die
Goldhaarige, wie meist in etwas freizügigerer Aufmachung – ein aus
winzigen Goldschuppen zusammengefügter Tangaslip und ein goldenes
Stirnband mit dem Symbol des Silbermondes –, und ihnen gegenüber
der Mann in dem bodenlangen, weißen Gewand und dem roten,
goldbestickten Umhang, mit einem goldenen Gürtel, in dem die Sichel
steckte, das zeremonielle Werkzeug der alten Druiden… er paßte
irgendwie nicht zu ihnen. Sein dichtes Haupthaar, die buschigen
Augenbrauen und der lange Bart waren schneeweiß; die Augen wiesen
auf ein sehr hohes Alter hin und ließen zugleich eine unglaubliche
Jugendlichkeit erkennen.
»Er hat das Gedächtnis verloren«, murmelte Gryf verbiestert.
»Das gibt’s doch nicht. Ausgerechnet Merlin!«
»Etwas Schlimmeres kann uns kaum noch passieren«, pflichtete
Teri ihm bei.
»Wart’s ab«, unkte Nicandra, was ihr einen tadelnden Blick
Moronthors eintrug.
Der Professor starrte Merlin an. Der wich seinem Blick nicht
aus, zeigte aber Unsicherheit. Es war das erste Mal, daß Moronthor
ihn so sah.
Es schien, als habe Merlin mit seiner Erinnerung auch sein
Selbstbewußtsein verloren, seine überragende Souveränität. Er
wirkte – hilflos.
»Versuche dich zu erinnern«, drängte Moronthor sanft. »Merlin
von Avalon. Du bist ein Magier, ein Wächter über diesen Teil des
Universums! Ein Zauberer, der seinesgleichen sucht. Caermardhin,
die unsichtbare Burg in Wales… sagt dir das nichts? Der Saal des
Wissens… König Artus… Excalibur… die Druiden vom Silbermond… Gryf
ap Llandrysgryf, Teri Rheken, Nicandra Darrell… ich bin
Moronthor…«
Auf Merlins Stirn hatte sich eine steile Falte gebildet. Der
Magier überlegte.
Aber er ließ nicht erkennen, ob einer der Begriffe und Namen
bei ihm zündete.
»Sid Amos oder Asmodis, dein Dunkler Bruder«, fuhr Moronthor
fort.
»Merlin, der König der Druiden… älter als die Welt… Lucifuge
Rofocale, dein Gegenspieler… immer noch nichts? Das System der
Wunderwelten, der Silbermond…«
»Gib es auf«, sagte Nicandra leise. »Laß ihn in Ruhe. Er
braucht Zeit. So, wie auch wir Zeit brauchen, das hier zu
verarbeiten. Glaubst du wirklich, wir wären in die Vergangenheit
versetzt worden? Das wäre dann das zweite Mal innerhalb kurzer
Zeit…«
»Ich weiß nichts«, sagte Merlin leise. »Ich kann mich an
nichts erinnern. Es ist, als wäre ich hier geboren worden, jetzt
gerade. Aber… das kann nicht sein. Ich verstehe das alles nicht,
vielleicht will ich es auch nicht verstehen. Woher komme ich?
Moronthor… ihr scheint mich gut zu kennen. Helft mir.«
»Wir versuchen es«, sagte Moronthor.
Während er Merlin aufmerksam beobachtete, berichtete er
Merlin, was er über ihn wußte. Seine Herkunft, seine Vergangenheit,
gemeinsame Erlebnisse…
»Es ist mir unbegreiflich«, erwiderte der Weißhaarige
schließlich.
»Aber mir scheint, ich muß es glauben. Ich bin also ein
Magier… ? Aber dann müßte ich ja wirklich Zauberkräfte haben. Aber
ich fühle nichts in mir.«
»So etwas fühlt man nur, wenn man es anwendet«, sagte Gryf.
»Weiß der Himmel… du mußt in Ruhe darüber nachdenken, Merlin.
Vielleicht bedarf es auch eines bestimmten Auslösers, eines
Schlüsselerlebnisses. Daß du in einem Eisblock aus gefrorener Zeit
gefangen warst, weißt du wahrscheinlich auch nicht. Hast du
wenigstens registriert, daß diese gefrorene Zeit um dich herum
wieder schmolz? Das liegt doch erst ein paar Minuten zurück, direkt
vor unserem Auftauchen hier…«
Merlin zuckte mit den Schultern.