Der Schädel veränderte sich.
Von einem Moment zum anderen waren die Augenhöhlen nicht mehr
leer. Ein glühendes Augenpaar entstand, zwei Lichtpunkte in der
umgebenden Finsternis. Sie bewegten sich, nahmen Eindrücke auf.
Obgleich es stockfinster war, konnten sie Einzelheiten mühelos
erkennen.
Der Schädel befand sich in einem abgeschlossenen metallischen
Behältnis. Das Material war unangenehm und bedrückend; Silber,
erkannte der Schädel sogleich. Pures Silber. Es behinderte ihn bei
dem, was er sich zum Ziel gesetzt hatte. Da war eine Erinnerung,
aber sie war undeutlich. Der Schädel wußte, daß er sein volles
Wissen zurückerhalten würde, wenn er es benötigte. Zunächst aber
war es noch nicht soweit.
In Stirnhöhe bildeten sich zwei Erhebungen. Sie wuchsen rasch
empor, bis sie handspannenlang waren. Leicht gedreht, waren sie
perfekte Teufelshörner.
Der
Schädel war auch der eines Teufels.
***
Der schwere GMC-Truck donnerte mit etwas überhöhter
Geschwindigkeit über den Highway Nr. 10. Vor einer Viertelstunde
hatte er die Grenze zwischen Arizona und Kalifornien hinter sich
gelassen und kämpfte sich jetzt eine Bergstrecke hinauf. Bis Los
Angeles waren es noch etwas über 200 Meilen. Wenn nichts dazwischen
kam, rechneten die beiden Männer im Führerhaus des GMC-General, daß
sie in viereinhalb bis fünf Stunden am Ziel waren.
Ruhig und gleichmäßig donnerte der 600-PS-Cummins-Diesel unter
der langen Fahrzeugschnauze. Die Klimaanlage summte leise, und aus
dem CB-Funkgerät kam unverständliches Quäken und Rauschen. Der
Sprecher war zu weit entfernt. Aber weder Duke Wesley noch sein
Beifahrer Norman Kingston hatten im Augenblick Interesse an einer
Funkunterhaltung mit den Kollegen. Kingston döste mit
halbgeschlossenen Augen vor sich hin. Duke Wesley kämpfte gegen die
Müdigkeit an, die ihn immer wieder übermannen wollte. Sie waren
seit 30 Stunden auf den Beinen. Sie mußten pausenlos fahren, um
genügend Geld zu verdienen. Der Sattelschlepper war noch nicht
einmal zu einem Viertel abbezahlt und die Raten hoch. Nach Abzug
aller Unkosten blieb schließlich nicht sonderlich viel zum Leben
übrig. Festangestellte Trucker hatten es da besser, aber Wesley und
Kingston arbeiteten auf eigene Rechnung. Sie liebten die Freiheit,
die sich ihnen dadurch bot. Dafür mußten sie eben auch das Risiko
eingehen, daß sie eines Tages auf die Nase fielen. Ein Unfall
reichte schon aus…
Im Grunde war bei dieser Fahrt der Truck nicht ausgelastet.
Der Auflieger war so gut wie leer. Nur eine schrankgroße Holzkiste
war festgezurrt worden und sollte in Los Angeles ausgeladen werden.
Aber der Auftraggeber bestand darauf, daß außer dieser Kiste nichts
anders gefahren werden sollte. Und er zahlte teuflisch gut. Bei
doppeltem Tarif konnte man schon einmal darauf eingehen, und zudem
verbrauchte der Truck natürlich mit der geringen Last weitaus
weniger Sprit; die Unkosten sanken also ebenfalls beträchtlich.
Andererseits war ein Zeitlimit gesetzt worden. Die Fracht mußte zu
einem bestimmten Zeitpunkt am Ziel sein, je eher, desto besser.
Deshalb überschritten die beiden Männer, die sich beim Fahren
abwechselten, die festgesetzte Höchstgeschwindigkeit von 55 Meilen
pro Stunde beträchtlich, wo immer es möglich war.
Den Frachtpapieren nach befand sich ein kompliziertes
Maschinenteil in der Kiste. Warum das so dringend und außerdem ohne
jede weitere Fracht ans Ziel gebracht werden sollte, hatte den
beiden Männern niemand erzählt. Wozu auch? Wer gut bezahlt wird,
stellt wenig Fragen. Und im Grunde war es doch egal, ob sie ein
paar Tonnen Schrauben, eine Ladung Bananen, Rinderhälften oder
diese Maschine ans Ziel transportierten. Wichtig war allein
Zuverlässigkeit, Schnelligkeit und Verdienst.
»He - schau dir das mal an!« stieß Wesley plötzlich hervor.
Kingston öffnete die Augen ein paar Millimeter weiter und pfiff
durch die Zähne. Am Straßenrand stand ein Mädchen und reckte den
Daumen hoch. Aber was für ein Mädchen!
Der enormen Mittagshitze wegen war das Girl entsprechend
leicht bekleidet; knallenge Shorts, weiße Cowboystiefel, ein
Stroh-Stetson und eine dünne Bluse, die lediglich über dem
Bauchnabel locker verknotet war und mehr enthüllte, als sie
verbarg. Im Sonnenlicht golden funkelnde Haare fielen bis auf die
Hüften herab. Duke Wesley trat auf die Bremse. Der Truck wurde
langsamer und rollte am Highwayrand aus. Daß sie diese Schönheit
nicht stehen lassen konnten, war klar. Kingston, jetzt wieder
hellwach, öffnete die Tür und beugte sich nach draußen. »Steig
ein!«
»Ihr fahrt bis nach Los Angeles?« fragte das süße Girl zurück.
Kingston bejahte. »Komm! Die Klimaanlage läuft! Da draußen holst du
dir höchstens ’nen Hitzschlag!«
Er rutschte zur Mitte und machte Platz. Das langbeinige
Prachtmädchen kletterte in den Truck und schmetterte die Tür hinter
sich zu. »Hey«, sagte sie. »Ich bin Teri.«
Kingston stellte seinen Kameraden und sich vor. »Sag mal, wie
kommst du in diese Einsamkeit?« wollte er wissen. »Hier ist doch
weit und breit keine Ansiedlung.«
»Mich hat so ein Mistkerl in seinem Cadillac mitgenommen und
wollte zudringlich werden. Als ich ihm was auf die Pfoten gab, hat
er mich hier rausgeschmissen«, sagte Teri.
»Hm«, machte Kingston und betrachtete die aufreizende Kleidung
des hübschen Mädchens. Da brauchte man schon eine gehörige Portion
Beherrschung, um kühl zu bleiben. Aber Kingston war verheiratet und
seiner Maybelle treu. Er naschte nur mit den Augen, wenn ihm was
Hübsches über den Weg lief.
»Und wo willst du hin? Nach Hollywood zum Film?«
»So ein Blödsinn.« Teri schüttelte energisch den Kopf. »Ich
will einen Freund besuchen. Wohnt mitten in der Innenstadt, aber da
kommt ihr wahrscheinlich nicht hinein.«
»Wir laden draußen vor der Stadt beim Frachthof ab«, sagte
Wesley und ließ den GMC wieder schneller laufen.
»Was habt ihr denn geladen?«
»Maschinenteil«, brummte Wesley. Er warf einen Blick in den
linken Rückspiegel. »Verflixt, das darf doch nicht wahr sein«,
stöhnte er auf. »Wieso habe ich den Kerl nicht gesehen?«
»Was für einen Kerl?«
»Norman, hast du irgendwo am Straßenrand einen Smokey mit ’ner
Speedygun gesehen? Da jagt einer hinter uns her und hat den
Christbaum befackelt.«
»Wovon redest du?« wollte Teri wissen.
»Trucker-Jargon«, erklärte Kingston verdrossen. »Ein Smokey
oder Bear ist ein Polizist, und mit der Speedy-Gun mißt er
Geschwindigkeit und fotografiert. Und der Christbaum, das ist die
Rotlichtbrücke auf dem Wagendach.«
Jetzt wurde auch die Sirene des Polizeiwagens hörbar. Der
schwarzweiß lackierte Ford rückte langsam auf. Wesley fluchte ohne
Rücksicht auf die zarten Öhrchen des Girls. »Da fährst du 1000
Meilen mit Volldampf, und ausgerechnet hier erwischen sie dich«,
knurrte er. »Ich hätte gute Lust, den Smokey von der Fahrbahn zu
rammen.«
»Das bringt uns auch nichts mehr ein. Wir müssen das Ticket
eben bezahlen«, murrte Kingston. »Teri, hast du wenigstens einen
Ausweis bei dir?«
Sie schüttelte stumm den Kopf.
»Auch das noch.«
Wesley bremste den Truck ab. Der Polizeiwagen blieb hinter
ihm; eine Sicherheitsmaßnahme, falls der Gestoppte aggressiv wurde.
Wenn sich der Streifenwagen vor den anderen setzte, konnte es
geschehen, daß den Beamten in den Rücken geschossen wurde.
Vorgekommen war es immerhin einige Male, und die Cops hatten daraus
gelernt.
»Du solltest ihn vielleicht doch von der Fahrbahn werfen«,
sagte Teri leise.
»Hast du was verbockt und die Smokeys zu fürchten? Dann
verschwinde in der Schlafkabine und hoffe, daß sie keine Kontrolle
durchführen.«
Wieder schüttelte Teri den Kopf. »Fahr weiter, Duke«, bat
sie.
»Ich bin nicht lebensmüde«, sagte der Trucker. »Wenn noch ein
paar Kollegen hier wären, könnten wir mit den Smokeys ein hübsches
Spielchen machen. Aber wie es aussieht, sind wir auf weiter Strecke
allein.«
Er brachte den Truck zum Stehen.
Irgendwie bemerkte er, wie sich der Körper des Mädchens
verspannte. Da stimmte etwas nicht. Plötzlich kamen ihm Bedenken,
daß sie das Girl mitgenommen hatten. Vielleicht ging es gar nicht
um eine Geschwindigkeitsübertretung, sondern nur um die Goldblonde.
Möglicherweise wurde sie gesucht und war beobachtet worden, wie sie
in den Truck kletterte.
Der Streifenwagen hatte hinter dem Truck angehalten. Die
beiden Beamten stiegen aus. Die Rotlichter flackerten weiter. Im
Rückspiegel sah Wesley die Polizisten heranwalzen. Die
Highway-Police legte Wert auf Kleiderschrank-Typen, und diese
beiden sahen aus, als könnten sie allein den ganzen Truck
auseinandernehmen. Die Gesichter waren grimmig verzogen.
Das gibt was, dachte Wesley und kurbelte die Fensterscheibe
herunter. Da lag Teris Hand auf seiner Schulter.
»Nicht«, sagte sie. »Fahr weiter, sofort!«
Ihre Stimme hatte hypnotisierende Wirkung. Wesley trat die
Kupplung und legte den zweiten Gang ein. Langsam ruckte er
an.
»Laß den Quatsch«, warnte Kingston. »Die schießen uns die
Reifen in Fetzen!«
Verdammt, warum will ich losfahren? Nur, weil das Mädchen es
gesagt hat? durchfuhr es Wesley, und er brachte den schon
angeruckten Truck wieder zum Stehen. Diesmal schaltete er auch den
Motor ab.
»Sehr vernünftig«, sagte draußen der Polizist, der sich auf
das Trittbrett geschwungen hatte. Eine großkalibrige Waffe schaute
in die Kabine des GMC herein. Die Mündung wies auf Wesley.
»Ab jetzt übernehmen wir«, sagte der Mann in der
Polizeiuniform und schoß. .
***
Der Schädel spürte eine Veränderung. Er nahm ein
Gedankenmuster auf, das er nicht erforschen konnte. Aber es besaß
die Aura Weißer Magie. Das gefiel ihm noch weniger als die
Umhüllung aus Silber, aus der die Kiste bestand. Wenig später
tauchten noch zwei weitere Gedankenmuster auf. Sie waren dunklen
Ursprungs, aber auch sie waren ihm nicht wohlgesonnen.
Die Veränderung war inzwischen weiter vorangeschritten. Unter
dem Schädel mit den Teufelshörnern entstanden Halswirbel,
Nackenwirbel und Schulterblätter. Und dieser Vorgang war noch lange
nicht beendet.
Langsam, aber stetig nahm etwas Gestalt an.
***
Duke Wesley bekam keine Zeit, Erschrecken zu zeigen. Er wurde
zurückgerissen. Haarscharf vor seinem Gesicht pfiff die Kugel
vorbei, verfehlte auch Teri und Kingston und zertrümmerte die
Glasscheibe auf der anderen Seite. Kingston schrie auf. Teri, die
den Trucker zurückgerissen hatte, bewegte zwei Finger. Die Pistole
schmolz zu einem unförmigen Metallklumpen zusammen.
Wesley reagierte instinktiv. Er löste die Türverriegelung und
trat zu. Die Tür schwang auf und schleuderte den Polizisten auf die
Straße hinaus. Etwas Seltsames jagte an Wesley vorbei nach draußen
und -traf den zweiten Polizisten. Schlagartig veränderte er sich.
Sein Gesicht bekam eine Schuppenhaut, die Nase bildete sich zurück,
und die Ohren wurden lang und spitz. Aus den Fingerspitzen wuchsen
Krallen hervor. Ein durchdringendes Kreischen erklang.
Mit einem Satz schwang sich das Mädchen über Wesley hinweg und
durch die offene Tür. Gleichzeitig löste es sich in Nichts auf.
Einen Sekundenbruchteil später sah Wesley es drei Schritte hinter
dem Polizisten aus dem Nichts auftauchen, der von der Tür getroffen
worden war und sich gerade wieder aufrichtete. Teri setzte ihn mit
einem wohldosierten Schlag außer Gefecht. Der mit der Schuppenhaut
malte Zeichen in die Luft und schrie unverständliche Worte, die
Wesley vorkamen wie das Gestammel eines Irren. Eine furchtbare
Kraft traf das Mädchen und schleuderte es quer über die Straße.
Wieder löste es sich auf und kam direkt hinter dem Schuppenhäutigen
wieder aus dem Nichts. Es packte mit beiden Händen zu, bekam den
Kopf zu fassen und drehte ihn.
Der Schuppenhäutige kreischte noch viel lauter.
Sie bringt ihn um, dachte Wesley entsetzt. Kingston und er
waren wie gelähmt. Sie begriffen nicht, was hier vorging. Es
knackte, und dann erschlaffte die entsetzliche Gestalt endlich. Im
gleichen Moment ging sie in Flammen auf. Teri sprang gerade noch
rechtzeitig auf, um von den Flammen nicht erfaßt zu werden. Der
Schuppenhäutige verpuffte förmlich. Nur eine fette schwarze
Qualmwolke blieb von ihm übrig.
Das Mädchen drehte sich um und, jetzt war es Teri, die mit
beiden Händen Zeichen in die Luft malte und fremdartige Laute
hervorstieß. Etwas Flirrendes löste sich aus ihren Händen, raste
rotierend wie eine Windhose durch die Luft und traf den
Polizeiwagen. Er verwandelte sich blitzschnell in ein schleimiges,
feuerspeiendes Ungeheuer, das einen furchtbaren Brüllton von sich
gab und dann explosionsartig zerplatzte.
»Ich träume«, keuchte Wesley. »Norman, sag, daß das alles
nicht wahr ist.«
Das Mädchen lief leichtfäßig auf den Truck zu und kletterte zu
Wesley hoch. Jetzt fielen ihm die schockgrünen Augen auf. Solche
Augen konnte kein Mensch besitzen.
»Sie wollten eure Ladung«, sagte Teri.
»Du hast sie umgebracht«, keuchte Kingston. »Du hast zwei
Smokeys umgebracht, verdammt!«
»Es waren keine Menschen«, sagte Teri. »Fahrt nicht nach Los
Angeles. Dort wartet der Tod. Eure Fracht darf nicht ans Ziel
kommen, aber auch nicht in andere Hände fallen. Am besten
vernichtet die Kiste.«
»Was - was…«
»Ich habe keine Zeit für Erklärungen«, sagte Teri hastig. »Der
andere kann jeden Moment wieder zu sich kommen, und allein kann ich
ihn kein zweites Mal bändigen. Tut, was ich sage. Ich werde
versuchen, euch weiter zu helfen. Aber jetzt muß ich vorübergehend
verschwinden.«
»Ich verstehe nicht - du…«
Teri winkte ab. Sie sprang wieder ab und lief zu dem
Bewußtlosen hinüber. Sie riß ihn vom Boden hoch, machte eine
Vorwärtsbewegung und war mit ihm verschwunden.
Spurlos.
Nichts mehr deutete darauf hin, daß hier soeben noch ein
bizarrer, unglaublicher Kampf stattgefunden hatte - nichts außer
der zerschossenen Türfensterscheibe. Aber als die beiden Männer die
Glasreste näher betrachteten, fielen ihnen Schmelzspuren auf. Die
Scheibe war nicht nur von einer Kugel zerschlagen, sondern auch
angeschmolzen worden.
»Das gibt es doch gar nicht«, keuchte Kingston. »Wir sind in
einem Alptraum gelandet. Was zum Teufel ist hier bloß
geschehen?«
***
Der Teufel in dem silbernen Behältnis war zufrieden. Alle drei
Magischen waren wieder verschwunden, einer von ihnen tot. Das war
ganz im Sinne des Schädels. Die Wirbelsäule war nun schon fast
vollständig, und die Rippen begannen langsam von hinten nach vorn
zu wachsen.
Nur das Silber konnte dem Teufelsschädel immer noch nicht
gefallen.
***
»Laß uns weiterfahren«, sagte Wesley nach einer Weile. Sie
hatten gegrübelt und sich die Köpfe zerbrochen. Aber was hier
geschehen war, war unerklärlich. Kingston vermutete, daß sie es mit
Außerirdischen zu tun hatten. Filme darüber gab’s ja genug. Hin und
wieder wurde die Fernsehserie »Invasion von der Wega« von einer der
unzähligen TV-Stationen wiederholt, und da verglühten die
Außerirdischen auch auf so merkwürdige Weise. »Aber das ist doch
nur Fantasie«, behauptete Wesley. »Spinnerei von verrückten
Drehbuchschreibern.«
»Vielleicht ist doch was dran«, sagte Kingston. »Bedenke, wie
viele Menschen schon im Altertum davon ausgingen, daß es auf
anderen Sternen Leben geben müsse. Und… denk an die Theorien dieses
Schweizers. Wie hieß er noch gleich…«
»Erich von Däniken«, half Wesley aus. »Hm…«
»Wir werden es wohl nicht so schnell enträtseln, und es ist
Unsinn, daß wir uns jetzt die Köpfe zerbrechen. Am besten stellen
wir uns ganz dumm, wissen von nichts und fahren weiter. Am nächsten
Truck-Stop versuchen wir eine neue Scheibe zu bekommen, und das ist
alles. Wenn wir hier warten und grübeln, verlieren wir nur Zeit.
Wir haben ohnehin schon zu viel Zeit verloren.«
Der Dieselmotor sprang wieder an. Der bullige GMC-Truck rollte
weiter und gewann rasch an Geschwindigkeit. Es blieben am Ort des
Geschehens keine Spuren zurück…
***
»Das schafft sie nie«, sagte Gryf ap Llandsrysgryf, der
blondhaarige Druide vom Silbermond. »Sie ist total übergeschnappt.
Ich bin drauf und dran, ihr nachzuspringen.«
»Warte lieber noch ein paar Minuten«, empfahl Nicandra
Darrell. »Du solltest Teri kennen. Sie geht kein unnötiges Risiko
ein. Wenn sie glaubt, sie schafft es, dann schafft sie es
auch.«
Am vergangenen Tag hatten sie sich in Long Beach in
unmittelbarer Nähe Hollywoods ein kleines Ferienhaus gemietet,
einen Bungalow mit Park und Swimming-pool inmitten einer größeren
Freizeitanlage. Professor Moronthor, seine Gefährtin Nicandra
Darrell und die beiden Druiden Gryf und Teri. Es ging um eine
eigenartige Angelegenheit mit einem Teufelsschädel, der nicht
erwachen durfte und nach dem sich diverse Dämonen alle Finger
leckten. Das Erwachen des Schädels mußte verhindert werden. Und
deshalb waren die Dämonenjäger nun hier.
Und Teri Rheken hatte beschlossen, einen Blitzeinsatz im
Alleingang durchzuführen, um einen der Dämonen in ihre Gewalt zu
bekommen, die hinter dem Schädel her waren. Er sollte verhört
werden. Denn die nähe-, ren Einzelheiten fehlten der Moronthor-Crew
noch. Sie wußten nur, was geschehen sollte, nicht aber, wie. Gryf
hielt Teris Vorgehensweise für hellen Wahnsinn, hatte sie aber
nicht aufhalten können, und er wußte, wie sauer sie reagieren
konnte, wenn man ihr ungebetene Hilfe nachreichte. Sobald sie
wußte, wo sich der Transport und die Jäger befanden, war sie im
zeitlosen Sprung verschwunden.
»Ob das Klima etwas mit diesem Abenteuer zu tun hat?«
überlegte Moronthor. »Teufel leben in der Hölle, dort ist es heiß,
und hier ist es auch heiß.« Die Klimaanlage des Ferienhauses war am
Morgen ausgefallen, und es war zu riskant, sie jetzt reparieren zu
lassen. Der Techniker sollte nicht mitten in die großangelegte
Aktion hineingezogen werden. Dementsprechend heiß war es im Haus
geworden, und auch der Zugwind durch geöffnete Fenster schaffte nur
wenig Linderung. Moronthor und Gryf trugen Shorts und offene
Hemden, und Nicandra begnügte sich mit einem höllenroten
Tangahöschen, das sie ebensogut im Koffer hätte lassen können.
Verhüllende Funktionen hatte es jedenfalls so gut wie gar nicht.
Moronthor hatte den Verdacht geäußert, Nicandra habe es sich aus
einem Konfettifetzchen selbst angefertigt.
»Wir sollten die Anlage vielleicht doch reparieren lassen«,
sagte er. »Es muß ja nicht sein, daß der Techniker tatsächlich
etwas von unseren Aktivitäten in Sachen Dämonenjagd
mitbekommt.«
»Wenn Teri den Dämon tatsächlich anschleppt, kannst du davon
nur träumen«, sagte Gryf. »Dann ist hier was los…«
Einen Augenblick später war hier was los. Teri erschien per
zeitlosem Sprung, war leicht außer Atem und schleppte einen Mann in
Polizeiuniform mit sich, den sie einfach mitten im Zimmer auf den
Boden fallen ließ. »Da ist er«, sagte sie einfach.
Das Amulett, das Moronthor vor der Brust trug, wurde sofort
warm. Einen deutlicheren Beweis dafür gab es nicht, daß sie es mit
einem Dämon zu tun hatten! Und der Bewußtlose begann soeben zu
erwachen.
Moronthor erhob sich, nahm das Amulett ab und preßte es ihm
gegen die Stirn. Er nahm es sofort wieder zurück, aber der kurze
Augenblick hatte gereicht, ein feuerrotes Brandmal erscheinen zu
lassen. Der Dämon sank wieder in Bewußtlosigkeit zurück. Rund um
das Mal veränderte er sich und zeigte seine wahre Gestalt. Eine
dunkelgrüne, rot gepunktete Haut, rauh wie die eines Haifischs, und
wie ein Haifischmaul begann sich auch sein Gesicht vorzustülpen.
Moronthor nickte Gryf zu. Die beiden Männer packten zu und trugen
den Dämon ins Nebenzimmer, wo sie ihn in einen magischen Bannkreis
legten. Er zuckte trotz seiner Bewußtlosigkeit heftig zusammen und
schlug und trat um sich, als er durch den Kreis befördert wurde,
erschlaffte dann aber wieder. Er war vorerst gefangen und würde
sich aus eigener Kraft nicht mehr befreien können.
Sie gingen ins Wohnzimmer zurück. »Wie hast du ihn erwischt?«
wollte Moronthor wissen. Teri rasselte einen Kurzbericht herunter,
während sie Bluse und Shorts abstreifte und Gryf an den Kopf warf.
»Himmel, endlich werde ich die Klamotten los. Eine Hitze ist das,
daß ich draußen am Highway fast verrückt geworden wäre, und hier
drin ist es noch schlimmer. Ist die Klimaanlage immer noch
defekt?«
Nicandra nickte. »Natürlich. Leider. Und nach draußen
auszuweichen, bringt auch nicht viel, weil du im sonnigen
Kalifornien nicht mal ›oben ohne‹ nach draußen darfst, ohne
eingesperrt zu werden.«
»Spießig«, stellte die nackte Druidin fest. Gryf hatte sich
wieder in einen Sessel geworfen, und Teri ließ sich auf seinem
Schoß nieder. Sie hatte von jeher eine Abneigung gegen zuviel
Kleidung, und in diesem Klima erst recht. »Wenigstens dürfen wir
hoffen, daß kein Sheriff hier ins Haus hineinschaut.«
»Ich denke, ihr werdet auch für den Swimming-pool nicht
unbedingt einen Wintermantel brauchen«, warf Gryf ein. »Von der
Straße aus ist er nicht direkt einzusehen, und wenn ihr euch
erfrischen wollt, dann springt hinein…«
»So eng sehen es die Behörden hier wohl inzwischen auch schon
nicht mehr«, stimmte Moronthor zu. »Ihr braucht ja auch nicht
unbedingt auf einer Hauptverkehrskreuzung zu posieren und den
gesamten Verkehr zum Erliegen zu bringen…«
Teri und Nicandra sahen sich an. Über Nicandras Gesicht zog
sich ein lausbübisches Lächeln. Moronthor ahnte etwas.
»Wäre das nicht was für uns?« fragte Nicandra. »Ich bin gerade
dazu aufgelegt, einen Streich zu spielen! Sollen wir?«
Teri hob die Schultern. »Kann lustig werden. So für vier, fünf
Sekunden… die werden ganz schön Augen machen!«
»Ihr seid ja verrückt«, sagte Moronthor. »Nichts als Blödsinn
im Kopf! Erstens könnt ihr Auffahrunfälle provozieren und zweitens
haben wir Wichtigeres zu tun als…«
»Es wird keine Unfälle geben, dafür sind wir zu schnell«,
sagte Teri, während Nicandra ihr winzigrotes Etwas bereits
abstreifte. Die beiden Mädchen faßten sich an den Händen, und ehe
Moronthor weiter protestieren konnte, waren sie per zeitlosem
Sprung verschwunden.
»Idiotisch«, sagte Moronthor. »Wir haben wirklich anderes zu
tun als diese kindischen Späßchen…«
Gryf zuckte mit den Schultern. »Laß ihnen den Spaß. Sie sind
ja gleich wieder hier. Manchmal habe ich auch das Bedürfnis, etwas
total Verrücktes zu tun. Du nicht?«
»Aber doch nicht nackt eine Kreuzung zu blockieren!«
»Der eine so, der andere so«, sagte Gryf. »Darf ich dich an
deine wilde Jagd auf den Burghahn Caruso erinnern, wo du den halben
Tag lang Château Aranaque unsicher machtest und mit der Axt in der
Hand hinter dem Hühnervieh hergerast bist?«
Moronthor verzog das Gesicht, als habe er in eine Zitrone
gebissen. Er wartete darauf, daß die beiden Mädchen wieder im
Zimmer erschienen. Vier, fünf Sekunden, hatte Teri gesagt.
Aber inzwischen war bereits eine Minute vergangen.
Und auch nach zehn Minuten waren Teri und Nicandra noch nicht
wieder da…
***
Um die Wirbelsäule herum waren die Rippen jetzt vollständig,
und Oberarmknochen begannen ebenso zu wachsen wie das Beckenteil.
Der gehörnte Schädel fieberte bereits dem Moment entgegen, da der
Körper vervollständigt sein würde. Lange konnte es nicht mehr
dauern.
Er wußte jetzt, daß er einen Namen hatte.
Ratar.
Ratar, der Jäger aus dem Jenseits.
Nur die Silberummantelung des Behältnisses, in dem er sich
befand, störte ihn mehr denn je.
***
Da stimmt was nicht, durchzuckte es die Silbermond-Druidin,
noch während sie den zeitlosen Sprung durchführte. Er war diesmal
nicht zeitlos. Eine Sekunde verging, dann die zweite… und immer
noch waren sie nicht an ihrem Ziel erschienen. Dafür begann eine
schwarze Kraft ihre Klauen nach den beiden Mädchen
auszustrecken.
Von einem Moment zum anderen tauchten sie dann doch wieder in
die normale Welt ein. Aber nicht an Teris Ziel, einer belebten
Kreuzung im Zentrum von Los Angeles. Das hier war ein luxuriös
eingerichtetes Wohnzimmer.
Jemand hatte ihren Sprung abgefälscht, hatte die Kontrolle
übernommen.
Normalerweise konzentrierte sich ein Silbermond-Druide auf
sein Ziel, stellte es sich in allen Einzelheiten, die bekannt
waren, bildlich vor - je mehr Details, desto exakter war das Ziel
anzupeilen. Dann wurde eine Bewegung gemacht, ohne welche der
zeitlose Sprung nicht durchführbar war, und löste mit geistiger
Kraft den magischen Impuls aus. In der gleichen Sekunde befand sich
der Springer bereits an seinem Ziel. Die Entfernungen wurden
lediglich durch die verfügbare weißmagische Druidenkraft begrenzt;
je stärker das Vermögen, desto weitere Strecken konnten ohne jeden
Zeitverlust zurückgelegt werden. War der Springer erschöpft, konnte
er nur noch über kurze Distanzen springen -oder versagte gänzlich,
wenn die geistigen Kraftreserven erschöpft waren.
Hier mußte es geschehen sein, daß ein anderer Teri ein
fremdes, anderes Ziel aufgeprägt hatte, noch während sie sprang.
Das mußte bedeuten, daß dieser Jemand auch von ihrem Sprung gewußt
hatte - zumindest aber darauf wartete, daß er erfolgte. Mit ihrem
Sprung war sie ahnungslos in eine Falle getappt, und in diese Falle
hatte sie Nicandra auch noch mitgerissen.
Sie hielt Nicandras Hand fest, warf sich vorwärts, um sofort
den nächsten Sprung auszulösen - zurück in das Wohnzimmer des
kleinen Ferienhauses. Aber es klappte nicht. Für Augenblicke wurde
die Druidin geistig »blind«. Sie war nicht mehr in der Lage, sich
auf das Zimmer zu konzentrieren; alles blieb ein verwaschenes Grau
ohne jegliche Konturen. Und ein spöttisches Lachen ertönte.
Sie wirbelte herum. Nicandra gab einen überraschten Laut von
sich.
Drei Männer in dunklen Anzügen standen um die beiden nackten
Mädchen herum. Allein das eigenartige Glühen ihrer Augen verriet,
daß sie nur äußerlich Menschengestalt trugen. Aber damit hörte es
auch schon auf.
Sie waren dämonisch.
Einer der drei Männer hob eine sechsfingrige Hand.
»Hervorragend«, sagte er. »Das Biest, das Certon ermordete, und
eine weitere Geisel dazu! Das paßt ja ausgezeichnet. Der Blutgötze
wird mehr als zufrieden sein.«
»Was soll das?« stieß Nicandra hervor. »Wer seid ihr, was
wollt ihr von uns? Wo sind wir hier?«
»Bist du wirklich so naiv?« fragt der Dämon. »Ihr seid genau
in unsere Falle getappt. Wir haben sie im gleichen Moment
aufgestellt, als wir bemerkten, daß eine Silbermonddruidin Certon
ermordete und Alcyno kidnappte! Wir wußten, daß sie ein weiteres
Mal springen würde, und brauchten nur zu warten. Daß es schnell
gehen würde, hat allerdings auch uns überrascht.«
Nicandra und Teri begriffen. Diese drei Dämonen gehörten zu
den beiden, die in Polizeiuniformen versucht hatten, den Truck mit
dem Teufelsschädel zu übernehmen. Ausgerechnet denen waren sie
jetzt in die Hände gefallen! Es sah nicht gut aus…
Teri versuchte abermals zu springen. Aber es gelang ihr wieder
nicht.
»Du bist abgeschirmt«, lachte der Sprecher der drei Dämonen
spöttisch. »Du hast keine Chance, zu entkommen, so oft du es auch
versuchst.«
»Was habt ihr mit uns vor?« fragte Nicandra.
Die Antwort ließ sie erschauern.
»Der Blutgötze wird euch fressen.«
Im nächsten Moment traten zwei der drei Dämonen vor, packten
zu und zerrten die beiden Mädchen davon. Sie versuchten sich zu
wehren, aber die Berührung der Dämonenhände ließ ihre Kräfte
blitzschnell erlahmen. Erschlafft und hilflos wurden sie von den
Dämonen davongezerrt…
***
Darius Donovan sah auf die Uhr. »Es wird Zeit, daß der Truck
kommt«, sagte er unruhig.
»Er wird doch wohl nicht aufgehalten worden sein?«
»Warum fragst du mich?« Lydia Donovan-Othis hob die Schultern.
»Wir sollten uns ohnehin mehr um den Truck kümmern. Es war nicht
gut, den Transport normalen Menschen zu überlassen. Wenn sie von
den anderen überfallen werden, können sie sich nicht wehren. Ich
habe dich von Anfang an gewarnt.«
»Ja, du hast mich gewarnt«, knurrte Darius unwillig. »Aber
wenn wir von Anfang an in Erscheinung getreten wären, dann wüßte
jetzt jeder, daß wir den Transport veranlaßt haben und daß wir
Ratar wollen. Wenn er sein Behältnis verläßt, werden wir ihm
unseren Willen aufprägen, und er wird uns dienen. Das gibt uns
Macht.«
»Macht, Macht«, äffte seine Schwester nach. »Du bist verrückt,
Darius. Sieh es einmal realistisch. Sobald wir stärker und
einflußreicher werden, werden auch die Kämpfe gefährlicher. Man
wird versuchen, uns in unsere Schranken zurückzuweisen, und bist du
sicher, daß wir stark genug sind, uns zu behaupten?«
»Wenn wir Ratar haben, sicher! Ratar ist mehr als ein Teufel
aus dem Jenseits. Er ist eine ultimative Waffe!«
»Nicht, wenn andere Dämonenfamilien sich zusammentun und gegen
uns antreten. Viele Hasen können auch einen Hund töten, wenn sie
ihn sich zu Tode rennen lassen.«
»Du siehst zu schwarz, Schwester, wie immer«, sagte Darius
Donovan. »Es ist unsere große Chance, seit Asmodis im Untergrund
verschwand. Niemand weiß, wer den Thron des Fürsten der Finsternis
als nächster besteigen wird. Sanguinus und Belial konnten sich
nicht halten. Sie sind tot. Wir müssen die Zeit der Wirren
ausnutzen.«
»Vergiß nicht die SIPPE DER EWIGEN, die immer noch existiert
und uns alle bedroht.«
»Eben!« Darius Donovan lachte spöttisch auf. »Alle fürchten
sich vor der SIPPE! Alle richten ihre Blicke in panischer Furcht
nach außen. Wir aber kommen von innen. Und selbst wenn nicht wir es
sind, die den nächsten Fürsten stellen - unser Einfluß wird sich
vergrößern. Durch Ratar. Wir müssen ihn hier haben, wenn er
erwacht.«
»Aber wenn wir so vor uns hin träumen und alles den anderen
überlassen, wie du es beabsichtigst, wird es nicht dazu kommen! Wir
hätten ihn selbst hierher bringen sollen.«
»Und jeder hätte gewußt, daß wir dahinter stecken.«
»Du wiederholst dich.«
»Du dich etwa nicht? Aber ich denke, wir werden den Truck
schon vor Los Angeles übernehmen. Marc soll das übernehmen.«
»Ich sag’s ihm. Er brennt schon darauf, endlich etwas tun zu
können«, sagte Lydia. Sie verließ den Raum. Darius Donovan verzog
das Gesicht. Wenn sie wüßten, was er wirklich plante…
Der Donovan-Clan war eine angesehene reiche Geschäftsfamilie.
Keiner der Sterblichen ahnte, daß sich hinter dieser Familie
Dämonen verbargen. Selbst einige angeheiratete Menschen nicht.
Durch diese Geheimhaltung war der Donovan-Clan stärker, als es den
Anschein hatte, Darius Donovan, Lydia Donovan-Orthis und Marc
Donovan waren die stärksten Dämonen ihres Clans; sie hatten das
Sagen, und alle anderen tanzten nach den Pfeifen dieser drei. Aber
Darius war nicht länger gewillt, daß die Führungsspitze des Clans
sich uneins war. Wenn Darius erst einmal den erwachenden Ratar zu
seinem Gehilfen, zu seiner Waffe gemacht hatte, würde sein erster
Befehl lauten, Lydia und Marc auszulöschen. Sie würden am
Machtanstieg nicht mehr teilhaben. Darius war es leid, daß seine
Entscheidungen ständig von den anderen kritisiert wurden. Und von
selbst würden weder Lydia noch Marc zürückstecken. Also mußten sie
sterben. Eine Zeitlang hatte Darius den Plan erwogen, seine beiden
Verwandten dem Dämonenjäger Moronthor zuzuspielen. Aber das war
auch für ihn gefährlich. Man sollte keine schlafenden Löwen wecken.
Moronthor mochte auch auf die anderen Mitglieder des Clans stoßen…
und bisher war es noch keinem gelungen, diesen Moronthor zur
Strecke zu bringen. Nicht einmal dem Asmodis oder Leonardo
de-Aranaque.
Und dann war Darius auf Ratar gestoßen, den erwachenden
Jenseits-Jäger. Das war für ihn die Lösung sämtlicher
Probleme.
Er mußte nur schneller sein als die anderen. Er hatte den
Schädel des Ratar gefunden, bergen lassen, und jetzt war der
Transport unterwegs nach Los Angeles. Sicher, auch Darius war es
ein wenig unwohl bei dem Gedanken, Sterbliche mit diesem Transport
beauftragt zu haben. Aber die konnten unmöglich ahnen, was es mit
dieser Kiste auf sich hatte, die äußerlich mit Holz verkleidet und
versiegelt war, innerlich aber aus purem Silber bestand, das Ratar
an einer vorzeitigen Flucht hinderte.
Der Zeitplan stimmte. Wenn Ratar erwachte, würde er in Los
Angeles sein. Und wenn er der geöffneten Silberkiste entstieg,
würde Darius Donovan es sein, der ihm seinen Willen
aufprägte.
Nicht mehr lange…
***
»Da ist etwas passiert«, sagte Gryf beunruhigt.
»Schlaumeier. Sie werden genau vor einem Polizisten
aufgetaucht sein, und der hat sie sofort festgehalten und wegen
Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet«, hoffte Moronthor. An
die andere Möglichkeit, daß Teri und Nicandra in eine Dämonenfalle
gesprungen sein konnten, wollte er lieber noch nicht denken.
Dabei wußten sie alle nur zu genau, wie brisant diese Sache
war. Wenn eine ganze Reihe von Dämonen hinter diesem erwachenden
Teufel her waren wie derselbe hinter der verlorenen Seele, dann
lauerte überall Gefahr. Bisher hatten sie es stets immer nur mit
wenigen Dämonen zugleich zu tun gehabt. Das hier aber schien etwas
Weltbewegendes zu werden, allein von der Bedeutung des Ereignisses
her. Ein Machtkampf stand bevor. Und vordringlich galt es zu
verhindern, daß der Schädel erwachte! Und darüber hinaus, daß er
den jagenden Dämonen in die Hände fiel. Es war ein
Vielfrontenkrieg, in den Moronthor und seine Gefährten hier
eingestiegen waren. Niemand hatte jemals zuvor von dem Teufel
gehört, dessen Schädel eines Tages erwachen sollte. Aber jetzt war
Gryf mit der Botschaft gekommen, daß der Schädel existierte, und
daß das Erwachen unmittelbar bevorstand.
Gryf verzog das Gesicht. »Erregung öffentlichen Ärgernisses?
Was zum Teufel ist an einem hübschen Mädchen ein Ärgernis? Nackte
Mädchen siehst du an jedem zweiten Filmplakat, warum also nicht
einfach mal live? Weitaus größere Ärgernisse sind die
Katastrophenberichte in den Nachrichtensendungen oder
Kriegsschauplätzen in aller Welt.«
»Sag das den Verklemmten und Heuchlern«, riet Moronthor. »Aber
an das öffentliche Ärgernis glaube ich schon fast nicht mehr… Ich
fürchte, daß unsere Gegner -die Finger im Spiel haben.«
»Wir sollten uns allmählich um unseren haifischgesichtigen
Gefangenen kümmern. Vielleicht erfahren wir dann mehr über unsere
Gegner und können Gegenmaßnahmen treffen. Dafür schließlich hat
Teri den Burschen doch besorgt.«
Moronthor nickte.
Sie gingen hinüber in den anderen Raum. Der Dämon war wieder
bei Bewußtsein. Er tobte innerhalb des Kreises, kreischte und spie,
als er seine beiden Bezwinger sah. Er hatte sich jetzt total
verwandelt. Die Polizeiuniform war förmlich von ihm abgeplatzt, und
er zeigte sich als scheußliche Kreatur, die nichts mehr mit einem
Menschen gemein hatte.