Star Trek: Der Verräter - Diane Carey - E-Book

Star Trek: Der Verräter E-Book

Diane Carey

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Beschreibung

Eine skrupellose Wissenschaftlerin bedroht die Föderation

Commander Piper steht vor ihrem ersten Kommando auf dem Konstruktionsschlepper Bananenrepublik. Auf dem Weg zum Planeten Argelius erfährt sie die Hintergründe ihrer Mission: Die skrupellose Wissenschaftlerin Ursula Mornay hat die revolutionäre Transwarp-Technik gestohlen und will nun die Föderation erpressen. Pipers vulkanischer Freund Sarda arbeitet mit Mornay zusammen - ist er am Ende der Verräter?

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Eigentlich wollte Commander Piper ihren Captain nur auf einem Segeltörn in der Karibik begleiten. Doch dann wird James Kirk verhaftet und ins Starfleet-Hauptquartier gebracht. Und auf der nächsten Insel wartet ein wenig vertrauenerweckendes Raumschiff: der Konstruktionsschlepper Bananenrepublik – Pipers erstes Kommando.

Erst auf dem Weg zum Planeten Argelius erfährt Piper die Hintergründe ihrer Mission: Die skrupellose Wissenschaftlerin Ursula Mornay hat die revolutionäre Transwarp-Technik gestohlen und versucht nun, die Föderation zu erpressen.

Aber der Einsatz auf Argelius stellt für Piper auch eine emotionale Belastung dar: Ihr Freund, der Vulkanier Sarda, arbeitet mit Professor Mornay zusammen. Ist er der Verräter?

DIANE CAREY

DER VERRÄTER

Star Trek™

Classic

Dieses Buch widme ich Kapitän Joseph Maggio,

der mir mit seinem prächtigen Schoner William H. Albury

das Segeln beibrachte.

Er bewies mir, dass es tatsächliche Kapitäne gibt,

die sich ihren Schiffen ebenso verbunden fühlen wie

James Kirk der Enterprise.

»Damals konnte man den Wind im Nacken spüren und

das Rauschen des Meeres hören …

Aber selbst wenn man Wind und Wasser fortnimmt,

es hat sich kaum etwas verändert.

Man steuert das Schiff und fühlt es – und die Sterne sind

Kapitel 1

Das Schiff des Gegners näherte sich von der Backbordseite her und zwang uns, nach Steuerbord auszuweichen. Aber unser Kapitän stand an der vorderen Reling und lehnte es ab, auch nur einen Meter nachzugeben.

»Wir bleiben auf Kurs«, sagte er ruhig, und irgendwie verstanden wir ihn, obgleich das Schiff laut ächzte.

»Das ist Wahnsinn, Jim.«

»Dreh nicht ab, ganz gleich, was dein Magen sagt.«

Ein dunkelblauer Himmel spannte sich über uns. Aus dem azurnen Meer – die älteren Offiziere nannten diese Farbe ›Kadettenblau‹ – wuchsen hohe, grüne Wellen mit weißen Schaumkronen.

»In Bereitschaft halten! Piper, Sie übernehmen die Pardune. Pille, du kümmerst dich um die Fockschot. Und zieh den Kopf ein.«

»Um meinen Kopf brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«

Der weiße Rumpf und das grüne Deck neigten sich um fünfundvierzig Grad. Ich schluckte, kämpfte gegen die Übelkeit an und beobachtete, wie sich der Bug des Schiffes ins Meer zu bohren schien. Wind blähte die Segel auf, und das Bugspriet tanzte auf und ab. Wir prallten gegen die Wellen und glitten direkt neben der vorderen Spiere des Feindes dahin. Ich rechnete jeden Augenblick mit einer Kollision.

Rasch löste ich die Pardune auf der Backbordseite, so dass sie nicht im Weg war, wenn der Großbaum herumschwang. Dann rutschte ich auf dem schiefen Deck zur Pardune der Steuerbordseite, bereit dazu, sie festzuziehen, sobald das Segel die neue Position einnahm. Dort verharrte ich, zitterte und wartete auf den Befehl, in den Wind zu drehen. Das Schiff hatte sich so sehr zur Seite geneigt, dass ich die Reling am Oberschenkel fühlte. Ich stand nicht, sondern lag fast. Direkt hinter mir, nur eine Armeslänge entfernt, grub die dicke Spiere Furchen ins Meer, wenn der Schoner kippte. Das weiße Hauptsegel erweckte den Eindruck, als rage es aus dem Wasser auf – es spannte sich, wirkte so starr wie gegossenes Rhodinium. Ich erlebte etwas geradezu Unglaubliches, und das rasende Pochen meines Herzens fragte: Warum hast du dich darauf eingelassen? Doch die Gefahr war nur ein Aspekt, Ehre ein anderer.

Unser altes Schiff durchpflügte die Ozeane dieses Planeten schon seit mehr als hundertzwanzig Jahren, und der allmähliche Niedergang seiner Art verhalf ihm zu neuem Ruhm. Ursprünglich hatte man es als nostalgische Nachbildung eines Lotsenschoners aus dem neunzehnten Jahrhundert gebaut. Es handelte sich um ein Arbeitsschiff und nicht um eine Yacht. Das Y-Wort war an Bord verboten. Nirgends gab es eine Winde. Alle Taue mussten per Hand angezogen werden, so schwer es auch fiel. Die vielen Dutzend Quadratmeter Segeltuch – hölzerne Ringe verbanden sie mit den Masten, Seile befestigten sie an den Gaffeln und Spieren – bildeten eine verwirrende Masse aus sich gegenseitig überlappenden Rechtecken und Dreiecken. Gemeinsam formten sie eine seetüchtige Pyramide aus Kanevas und Takelwerk. Hübsch. Aber während ich an der Pardune hockte, ein hilfloses Opfer der Aufregung, während ich beobachtete, wie wir schäumende Barrieren aus drei Meter hohen Wellen durchbrachen, konnte ich kaum etwas Hübsches erkennen. Ich versuchte, mich in die Lage der Besatzung des anderen Schiffes zu versetzen: Die Ketsch mit dem breiten, vollen Bug war zwei Meter länger als unser Schoner, entfernte sich nun von unserer Steuerbordseite. Doch kurz darauf näherte sie sich erneut.

»Da kommt sie schon wieder«, brummte Mr. Scott am Ruder. Sein schottischer Akzent wurde stärker, als die Anspannung wuchs. Er saß nicht etwa am Steuer, sondern stand davor, umfasste die Speichen des Holzrads mit beiden Händen und blickte aus zusammengekniffenen Augen nach vorn. Das feuchte Haar klebte ihm an der Stirn und wies erste graue Strähnen auf. Sein Blick galt in erster Linie dem Kapitän. Und der Kapitän starrte zum feindlichen Schiff.

Dr. McCoy hockte mittschiffs, schnitt eine Grimasse und klammerte sich an der Fockschot fest. Wind zerrte an seinem Haar, und Gischt spritzte ihm ins Gesicht.

Unser Bug hob sich wie ein fliegender Fisch aus dem Wasser, und der halbe Kiel folgte ihm. Unmittelbar darauf sank er wieder in die Fluten zurück, wie eine herabsausende Guillotine. Der fast vier Meter lange Bugspriet verschwand im Meer, ebenso der untere Teil des Klüvers. Ich zuckte zusammen und krümmte die Schultern.

Die Ketsch krängte nach Steuerbord. Sie war praktisch ein Spiegelbild unseres eigenen Schiffes, sah man von einigen geringfügigen Unterschieden ab: Ihre Masten waren anders angeordnet, das Vormarssegel flatterte nicht, und der Bug wirkte stumpf, nicht annähernd so schnittig wie unserer. Als der Kapitän zum ersten Mal von der Ketsch sprach, glaubte ich, das englische Wort ›catch‹, also fangen, zu hören. Ich verstand erst, was er meinte, als ich seine Kabine besuchte und in den Fachbüchern blätterte. Die Ketsch Gavelan, unser Feind. Wir wollten sie erwischen, und sie uns.

Meine Hände zitterten, als ich nach der Pardune griff. Nach wie vor wartete ich auf den entscheidenden Befehl, sah zum Kapitän und fragte mich, warum er sich soviel Zeit ließ. Es war gefährlich genug, bei diesem Seegang alle Segel zu setzen, aber unter solchen Bedingungen über Stag zu gehen …

Er stand auf dem Vorderdeck, die Augen nurmehr schmale Schlitze. Er trug eine dicke braune Seejacke, hatte den Kragen hochgeschlagen, und in dieser Aufmachung sah er aus wie das Werbehologramm einer interplanetaren Reiseagentur. Das sandfarbene Haar – oben hell, an den Seiten etwas dunkler – schimmerte deutlich, aber der Glanz in seinen Pupillen war noch auffallender. Er versuchte nun, die Absichten des anderen Kapitäns zu erraten, bevor er eine Entscheidung traf. Vermutlich wünschte er sich, jetzt auf den Planken der Gavelan zu stehen und zu hören, welche Anweisungen sein Widersacher gab, was er dachte und fühlte. Vielleicht glaubte er, Antworten auf seine Fragen zu bekommen, wenn er die Ketsch lange genug beobachtete.

»In den Wind drehen«, sagte er schließlich. »Jetzt.«

Dr. McCoy ließ die Fockschot einen Sekundenbruchteil zu früh los, und Mr. Scott musste rasch das Steuer drehen, um zu verhindern, dass die Focksegel ins Wasser tauchten. Ich hielt die Pardune so lange wie möglich fest, aber unter mir bebte das Deck, als der Schoner den Kurs änderte und sich den hohen Wellen entgegenwarf. Es pfiff in der Takelage, und die Holzringe knarrten so laut, dass ich fürchtete, sie könnten auseinanderbrechen.

Bumm! Der Schonerbaum schwang nach Backbord. Das Segel luvte, blähte sich dann auf. Einen Augenblick später folgte auch der Großbaum, und Mr. Scott duckte sich gerade rechtzeitig, um heftige Kopfschmerzen zu vermeiden. Unser Schiff neigte sich mit überraschender Anmut ins Meer zurück.

»Einholen!«, rief der Kapitän. »Ich meine Sie, Piper. Bringen Sie das Hauptsegel in den Wind.«

Ich schüttelte mich, eilte übers schiefe Deck und zog an den Seilen des Großsegels, bis wir so nah am Wind waren, dass uns jedes Kippen des Bugs in Salzwasser badete. Der Kapitän beobachtete mich. Ich war ganz sicher. Oh, er sah zur Ketsch, aber trotzdem behielt er mich im Auge.

»Noch stärker einholen«, sagte er.

Ich zog mit ganzer Kraft an den Seilen und opferte dabei drei Fingernägel.

Wie zwei Phantome aus der Vergangenheit näherten sich die beiden Schiffe, umhüllt von sprühender Gischt. Ich sah Segel- und Mastspitzen, dachte an Wellentäler, die tief genug waren, um einen ganzen Schoner zu verbergen. Furcht kroch in mir empor, als ich mich an der Reling abstützte. Der Abstand zwischen der Gavelan und unserem Schiff schrumpfte schnell; ich rechnete mit einer verheerenden Kollision.

»Jim, ich bin nicht mit dir hierhergekommen, um zu einem verdammten Walross der Südsee zu werden!«, wandte sich Dr. McCoy an den Kapitän. Er hielt sich verzweifelt an der vorderen Luke fest und starrte aus weit aufgerissenen Augen zur Ketsch.

Der Kapitän antwortete nicht. Selbst jetzt zeigte sich eine seltsame Ruhe in seinem Gesicht. Das Abenteuer lag ihm im Blut – was andere Menschen als Frieden empfanden, kam für ihn der Langeweile gleich. Wenn er nicht mit interstellaren Zwischenfällen oder Problemen der interplanetaren Politik rang, forderte er den Tod auf jenen Ozeanen hinaus, die für unsere gemeinsamen Vorfahren der Weltraum gewesen waren.

An Bord des anderen Schiffes führte nicht etwa ein rigelianischer Schlammspringer das Kommando, sondern ein Mensch. Silbriger Schaum spritzte über die Reling der Gavelan, als sie im Wind blieb und uns entgegenraste. Erneut pfiff es in der Takelage, und die Falleinen spannten sich.

Ich schnappte nach Luft, hielt den Atem an und schloss die Augen. Der Kapitän meinte, ich sollte lernen, das Schiff zu hören – um auf diese Weise festzustellen, ob etwas nicht stimmte. Manchmal forderte er mich auch auf, mir die Ohren zuzuhalten. Um zu fühlen, ob alles mit rechten Dingen zuging. Ich beschloss, diese besondere Gelegenheit zu nutzen, um neue Erfahrungen zu sammeln.

Segel ächzten. Wellen schmetterten an den Kiel. Gaffel und Spiere knackten. Wind zischte und füllte das Großsegel. Die Rümpfe der beiden Schiffe schnitten durchs Meer; wir waren noch immer auf Kollisionskurs. Unser Bug durchstieß eine hohe Welle, neigte sich dann in ein zwei Meter tiefes Tal, und plötzlich fiel das Deck unter mir fort. Ich blieb nur deshalb an Bord, weil ich den Arm um die Pardune schlang. Dr. McCoy rief etwas, als die Planken meinen Füßen keinen Halt mehr gewährten. Drei schreckliche Sekunden lang schwankte ich auf der Reling, und dann fiel ich, rutschte auf einem Knie sechs Meter weit übers Deck, bis ich gegen irgendein Hindernis stieß.

Mr. Scott wandte sich kurz vom Ruder ab. »Alles in Ordnung, Mädchen?«, fragte er.

Ich nickte und rieb mir das Knie. Aber der Kapitän gönnte mir keine Pause.

»Auf die Beine, Piper!«, rief er. »Bereiten Sie sich darauf vor, in den Wind zu drehen.«

»Schon wieder?«, klagte McCoy. »Was bist du? Ein verdammter Tümmler?«

»Längsseits bleiben, Scotty«, fügte unsere Geißel hinzu. »Die Ketsch soll auf keinen Fall luvwärts gehen. Piper, den Klüver straffen. Sie haben ihm zuviel Spielraum gelassen.«

Dauernd stachelte er uns an. Warum? Hatte er nicht genug Lorbeeren, auf denen er sich ausruhen konnte? Himmel, er war eine lebende Legende! Warum hackte er ausgerechnet auf mir herum?

Doch während mein Blick auf dem Kapitän ruhte, wich der Zorn allmählich Mitgefühl. Die meisten Menschen konnten es sich leisten, ihre Fehler zu verbergen, doch der Kommandant eines Raumschiffs – der Kommandant irgendeines Schiffes, wie ich nun begriff – wurde ständig mit seinen Fehlern konfrontiert. Er musste sich ihnen stellen. Und mehr noch: Alle anderen sahen sie ebenso deutlich wie er. Ich schauderte innerlich und dachte an eine ganze Galaxis voller Kritiker. Man brauchte Kraft, viel Kraft, um nicht daran zu zerbrechen.

Wenn der Kapitän – der Captain – so stark sein konnte, wenn er nicht nur seine eigenen Fehler hinnahm, sondern auch meine … Nun, dann verdiente er zumindest, dass ich seine Anweisung befolgte und aufstand.

Ich stemmte mich in die Höhe und wankte zum Bug, hielt mich dabei an der Reling fest, die nun nicht mehr glatt war, sondern rau. Sie verlangte danach, poliert zu werden. Von wem wohl?

Ich zog den Klüver an und spürte den Druck des Windes, als wir stark krängten. Diesmal gelang es mir, das Segel richtig zu spannen, und ich wollte gerade erleichtert aufatmen, als ich zur Gavelan sah.

»Was …« brachte ich hervor. Die Ketsch war so nahe, dass ich die Planken in ihrem Rumpf zählen konnte. Gischt sprühte, und das Schiff hielt direkt auf uns zu, schien aus einem Albtraum zu kommen. Ich erstarrte.

Der Kapitän hob die Hände und bildete daraus einen Trichter vor dem Mund. »Jetzt, Scotty!«

Mr. Scott kniff die Augen zu, drehte das Steuerrad und sprang dann zur Pardune, um sie zu lösen. Der Großbaum schwang herum. Die Segel über uns – sie sahen aus wie große Schwingen – luvten kurz.

Ich gewann den Eindruck, dass der Schoner einige Sekunden lang schwebte und heftig erzitterte. Dann fiel er plötzlich zurück. Das Bugspriet ragte vor den Bug der Ketsch und zwang das andere Schiff, aus dem Wind zu drehen.

Ein derartiges Manöver wagte nur jemand, der den Verstand verloren hatte.

Die Spiere schwangen zurück und nahmen wieder ihre übliche Position ein. Der Schoner erkletterte eine Welle, schüttelte grünes Meerwasser ab und richtete sich mit knarrenden Segeln auf.

Der Kapitän lehnte sich zurück, und ich stellte mir vor, wie er eine Pfeife hervorholte und rauchte. »Leewärts vom Strich abfallen«, sagte er, woraufhin Mr. Scott wieder das Steuer drehte.

Dr. McCoy kauerte sich auf der vorderen Luke nieder. »Landurlaub. Meine Güte!«

Ich holte mehrmals tief Luft und versuchte, auf dem Deck das Gleichgewicht zu wahren. Meine Zunge bewegte sich von ganz allein, als ich sagte: »Jetzt brauchen wir nur noch einen Heckphaser.«

Die Gavelan befand sich jetzt nicht mehr im Wind. Ihre Segel flatterten hilflos.

Der Kapitän drehte sich zu mir um und hob beide Brauen. »Haben Sie etwas gesagt?«

Ich war noch immer außer Atem, blinzelte und gab mich unschuldig. »Ich? Kein Wort.«

Er presste kurz die Lippen zusammen. Eine Art Lächeln. Oder vielleicht auch nicht. »Gut.«

Benommen beobachtete ich, wie er über das lange grüne Deck schlenderte – der starke Neigungswinkel schien ihm überhaupt nichts auszumachen. Er übernahm das Ruder und lavierte so elegant, dass die Segel kaum reagierten. Kurz darauf ging er querab zur Gavelan.

Der bärtige Skipper des anderen Schiffes blickte über die Reling. »Hervorragend, Captain!«, rief er. »Ich gebe mich geschlagen.«

»Danke, Botschafter. Ich freue ich schon auf den Hummer.«

»Sie werden ihn bekommen«, erwiderte der Gavelan-Kapitän. Seine bunt zusammengewürfelte Crew sah zu uns herüber. »Den besten im nächsten Hafen. Außerdem dürfen Sie meinen Spirituosenschrank plündern.«

»Das geschieht schneller, als Sie ein Dingi vertäuen können.«

Der Botschafter lachte schallend. Die Segel der Gavelan blähten sich wieder auf, und das andere Schiff folgte uns. Endlich – endlich – kehrten wir zum ursprünglichen Kurs zurück.

Meine Aufmerksamkeit galt dem Captain, als er den Schoner mit beneidenswerter Mühelosigkeit steuerte. Ich mied noch immer seine Nähe, obwohl San Francisco schon weiter hinter uns lag. Ging es mir nur darum, respektvolle Distanz zu wahren? Oder ließ ich mich von Feigheit leiten? Er bemerkte die Unvollkommenheit sofort: eine etwas zu spät weggefierte Fallleine, die nicht stark genug angezogene Pardune, den falschen Knoten im Seil … Für mich gab es nichts Unangenehmeres in der ganzen Galaxis, als rechtzeitig an Deck zu kommen, um festzustellen, wie James Kirk meine Fehler korrigierte.

James Kirk. Ein rätselhafter Mann Mitte Dreißig. Dort stand er und nahm das Kommando über den zweiundzwanzig Meter langen Schoner ebenso ernst wie seine Aufgaben als Captain in der fliegenden Stadt, die wir Raumschiff Enterprise nannten. Je mehr Zeit ich in seiner Gesellschaft verbrachte, desto mehr erschreckte mich die auf seinen Schultern lastende Verantwortung. Wie wurde er damit fertig? Er gewährte nur selten Blicke in seinen inneren Kosmos. Oh, er sprach oft genug, aber er verriet nichts. Die Neugier brannte so heiß in mir, dass sich der Starfleet-Kommandokandidat namens Piper manchmal in einen Schnüffler verwandelte. Zwar versuchte ich, Kirks Integrität nachzuahmen, aber gelegentlich ließ ich mich dazu hinreißen, an der geöffneten hinteren Luke zu lauschen, wenn der Captain mit McCoy und Scott sprach. Natürlich brachte ich dabei nur wenig in Erfahrung. Häufig teilten die drei Männer ein Schweigen, um das ich sie beneidete. Es brachte mehr zum Ausdruck als viele Worte, doch das änderte nichts an meiner Neugier. Und ich sehnte mich immer mehr danach, zu ihrer Gemeinschaft zu gehören.

Kirks geheimnisvolle Aura schien sich zu verdichten, als ich ihn besser kennenlernte. Ich wandte mich jetzt von ihm ab, sah über die Reling und betrachtete die mit jägergrünen Schnörkeln verzierten Buchstaben am Rumpf: Edith Keeler.

Ein Schriftzug, dessen Bedeutung ich nicht verstand. Ein weiblicher Name, und soweit ich wusste, genoss er auf der Erde keine große Beliebtheit mehr. Man hatte Segelschiffe immer nach Männern oder Frauen benannt, und die Geschlechtsbestimmung reduzierte meine Neugier um fünfzig Prozent. Der Rest blieb dunkel.

Fast drei Uhr, terranische Zeit. Ich wusste nur selten, wie spät es war, aber als ich die hintere Kajüte betrat, fiel mein Blick auf die altertümliche Schiffsuhr neben den Navigationskarten auf Kirks Schreibtisch. Ich konnte ihre Anzeige deuten. Was die Karten betraf … Ich zuckte hilflos mit den Achseln.

Da ich ein Tablett mit Kaffeebechern trug, entschied ich mich für die achtern gelegene Treppe, kletterte nach oben und kam direkt vor dem hölzernen Steuerrad an Deck. Dahinter stand der Captain, lächelte stumm und lenkte die Keeler durch Wellen, die auf sein Geheiß hin niedriger zu werden schienen. Wir segelten mitten im Karibischen Meer, und ein ruhiger, glatter Ozean erstreckte sich um uns herum.

Mr. Scott und Dr. McCoy entspannten sich mittschiffs, und zuerst brachte ich ihnen Kaffee. Dann kehrte ich zum Captain zurück. Er nahm den Becher mit einem Nicken entgegen, setzte sich auf den Stuhl des Steuermanns und musterte mich aus nussbraunen Augen.

»Haben Sie etwas auf dem Herzen, Commander?«

Ich starrte ins Kielwasser der Keeler. Die krassen Farbunterschiede faszinierten mich: In den nun wesentlich kleineren Wellentälern glänzte es dunkelblau, und die Kämme schimmerten grünweiß. Das Plätschern und Rauschen am Rumpf erschien mir inzwischen vertraut, aber ich war noch nicht daran gewöhnt, mit ›Commander‹ angesprochen zu werden. Wahrscheinlich nannte Kirk ganz bewusst meinen neuen Rang.

Er wartete.

Ich hielt den Kaffeebecher in beiden Händen und drehte mich um, so dass mir der Wind einige honigbraune Strähnen in die Augen wehte. Einige Wochen unter der irdischen Sonne hatten meinem Haar den gleichen hellen Ton verliehen wie Captain Kirks kurzen Locken. »Sir … Haben Sie genug davon?«

Wenn er glaubte, dass diese Frage vorwurfsvoll klang, so ließ er sich nichts anmerken. Er zeigte nun ein anderes Gesicht als während des Kriegsspiels; jetzt bestanden seine Züge aus sanften goldenen Pinselstrichen. Zwei der Pinselstriche wölbten sich. »Wovon?«

»Ich meine den Kampf. Die Sache mit dem Schlachtschiff liegt gerade erst hinter uns. Es herrscht noch immer ziemliche Aufregung in der Föderation – nach Rittenhouses Versuch, Starfleet unter seine Kontrolle zu bringen. Aber Sie sind hier mitten im Nichts und lassen sich auf gefährliche Wettkämpfe mit einem anderen Schiff ein. Wenn ich mich recht entsinne, stellten Sie uns eine ruhige Segeltour in Aussicht.«

Kirk neigte eine Schulter. Ich erkannte dieses Bewegungsmuster und sah vor dem inneren Auge, wie er im Kommandosessel der Enterprise eine bequeme Haltung suchte. »Ich habe nichts versprochen, Piper. Das wissen Sie.«

»Ich weiß es jetzt.«

Der Captain trank einen Schluck Kaffee und gab uns dadurch Zeit zum Nachdenken. »Nun«, sagte er schließlich, »dieses Erlebnis ist sicher nützlich für Sie. Wenn es nach mir ginge, müsste jeder zukünftige Raumschiffkommandant Erfahrungen mit einem Segelschiff sammeln. Es geht dabei nicht um eine persönliche Leidenschaft, sondern um Logistik. Bevor man mit einem Feind im Weltraum fertig werden kann, sollte man lernen, ihn auf einem Planeten zu bezwingen.« Kirk unterstrich seine Worte, indem er die Hand hob und zwei Finger zu einem V spreizte.

Ich versuchte, mich unter Kontrolle zu halten, aber alles in mir vibrierte, als er mich als zukünftigen Raumschiffkommandanten bezeichnete. Die damit einhergehenden Vorstellungen weckten sowohl Aufregung als auch Entsetzen in mir. Ich schreckte so sehr davor zurück, dass ich rasch das Thema wechselte.

»Mr. Scott hat als Steuermann ausgezeichnete Arbeit geleistet«, kam es von meinen Lippen. »Ich wusste gar nicht, dass er auch ein guter Seemann ist.«

»Er war wie Sie«, erwiderte Kirk. »Er hatte nie Gelegenheit, auf dem Meer unterwegs zu sein. Aber er kam bestens zurecht, als er begriff, wodurch sich das Schiff fortbewegte.«

Ich errötete. Captain James Kirk ging nicht besonders großzügig mit Komplimenten um.

Er blickte über den Ozean und sah kurz zur Gavelan, als Botschafter Shamirian ein Glas hob und ihn grüßte. Kirk erwiderte die Geste mit seinem Kaffeebecher und lächelte, als er sich wieder mir zuwandte. »Tief in seinem Innern ist Scotty ein alter Heilbutt«, fügte er hinzu. »Er hat es nur erst jetzt herausgefunden.« Daraufhin beobachtete er Scott und McCoy, die auf dem Vorderdeck saßen und vermutlich den überstandenen Wahnsinn diskutierten. Kirks Gesicht mit den weichen Wölbungen, die Augen mit den angedeuteten Tränensäcken … Dadurch gewann die ruhende Kraft des Captains etwas Sanftes. Er wirkte immer nachdenklich, und nie ging ihm nur ein Gedanke durch den Kopf. Nach der letzten Bemerkung galt Kirks stumme Aufmerksamkeit weiterhin den beiden anderen Männern, und nun ließ er mich nicht mehr an seiner Meinung über sie teilhaben.

Die älteren Offiziere spürten den Blick des Captains aus reiner Angewohnheit, trafen eine wortlose Entscheidung, standen auf und näherten sich uns. »Klingen mir die Ohren aus einem bestimmten Grund?«, fragte Dr. McCoy.

»Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen, Pille«, entgegnete Kirk und schmunzelte.

»Auf dem Meer gibt es keine Gespenster, Jim«, sagte McCoy und lehnte sich mir gegenüber an die Reling. »Nur den Klabautermann. Beziehungsweise Entitäten, die auf überschäumende Phantasie zurückzuführen sind.«

»Hast du gerade Spock zitiert?«

»Nein, Jim. Spock wiese bestimmt darauf hin, wie absurd es ist, sich ohne einen triftigen Grund erheblichen Gefahren auszusetzen. Und er würde wohl kaum darauf verzichten, seiner Kritik ein ›höchst unlogisch‹ hinzuzufügen.«

Ich glaubte tatsächlich zu hören, wie Spocks Bariton diese beiden Worte formulierte. Sie fehlten nur selten, wenn er die Besonderheiten anderer Völker oder die Unsinnigkeit von Wettkämpfen kommentierte.

»He, keine schlechte Idee«, brummte Mr. Scott, als er ein Bein streckte und an den Halteseilen des Großsegels zupfte. »Mr. Spock an Bord dieses Schiffes … Er wäre sicher ein Fisch auf dem Trocknen.«

»Die Erde ist ein Wasserplanet, Scotty«, erwiderte Kirk amüsiert. »Einer von wenigen. Segelschiffe entstanden mit der Entwicklung unserer Kultur. Außerdem – gefiele es Ihnen, Spock noch grüner zu sehen als sonst?«

Die drei Männer lachten und fanden offenbar Gefallen daran, über ihren abwesenden Freund zu scherzen. Sie vergaßen, dass ich zwar ein Mensch war, aber nicht von der Erde stammte. Es gab keinen Grund für mich, neidisch zu sein, doch ich konnte nicht in das Lachen einstimmen.

»Wohin sind wir unterwegs, Sir?«, fragte ich.

»Als Treffpunkt mit den anderen Schiffen der Flottille haben wir New Providence vereinbart.«

Ich rechnete mit mehr. Vielleicht lag es am Tonfall, an dem kurzen Blitzen in seinen Augen – oder daran, dass ich gelernt hatte, mehr von ihm zu erwarten als nur das Offensichtliche. Nach einigen Sekunden konnte ich mich nicht länger gedulden. »Aber …«

McCoys geschwungene Brauen wölbten sich. »Sag es ihr, Jim. Spann sie nicht länger auf die Folter. Schon seit einer Woche beobachtet sie dich wie eine misstrauische Katze, obwohl sie sich dessen nicht bewusst ist.«

Ich errötete erneut, und McCoys schelmischer Blick veranlasste mich, den Kopf zu senken und verlegen zu lächeln. Eins stand fest: Unser Ziel hieß nicht New Providence.

Kirk grinste kurz und beobachtete mich aus den Augenwinkeln. »Wir segeln in Ihre Zukunft, Piper.«

»Bananenrepublik«, sagte Kirk, stützte den einen Fuß auf die Reling und griff nach einer Speiche des Steuerrads. »Eine abfällige Bezeichnung für besiedelte Inseln in den tropischen Regionen der Erde. Die Jungferninseln, die Großen und Kleinen Antillen, Jamaika und so weiter. Damit sind praktisch alle Westindischen Inseln gemeint.«

»Weil dort Bananen wachsen?«

»Weil dort Bananen wachsen. Weil die Bewohner Bananen verkaufen. Und weil man dort den typischen Bananen-Lebensstil findet.«

Kirk starrte aufs Meer zwischen McCoy und Scott. »Ich schätze, heute haben wir Ben Shamirian eine ordentliche Lektion erteilt«, sagte er und beobachtete die Gavelan. Sie segelte einige Schiffslängen hinter der Keeler.

»Und ob, Sir«, pflichtete ihm Scott bei. »Er wird sie so schnell nicht vergessen. Allerdings sind der Doktor und ich ein wenig angeknackst …«

»Schlaffen Sie bereits ab, Scotty? In Ihrem Alter? Ich bin bestürzt.«

»Und ich bin seekrank«, warf McCoy ein.

Was mich anging … Ich brannte darauf festzustellen, was der Captain mit der Bemerkung über meine Zukunft gemeint hatte.

Unsicherheit erfasste mich, als ich fragte: »Haben Sie irgendeine Überraschung für mich geplant, Sir?«

Er nickte, ließ sich einmal mehr Zeit mit der Antwort und trank einen Schluck Kaffee. »Ihr erstes Kommando.«

Er verspottete mich. Und es war noch schlimmer, weil ich nicht wusste, was er meinte. Ich nahm auf der Reling Platz und lehnte mich an ein Tau. »Vermutlich betrifft es einen Fischkutter, nicht wahr?«

Kirk schüttelte den Kopf. »Nein, ein Raumschiff.« Während ich ihn erstaunt musterte, fügte er hinzu: »Mit atmosphärischem und interstellarem Potenzial.«

Ich starrte ihn groß an, und nach einer Weile tränten meine Augen im Wind. Mr. Scott lachte leise.

»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«, entfuhr es mir.

»Commander, es handelt sich um ein Starfleet-Passagierschiff, und es wartet in Man-o-War Cay darauf, dass Sie den Befehl übernehmen.« Als Kirk meinen Gesichtsausdruck bemerkte – die Verblüffung darin hatte wahrscheinlich etwas Groteskes –, schmunzelte er kurz.

McCoy beugte sich vor und stützte beide Hände auf die Knie. Er bedachte mich mit einem bedeutungsvollen Blick. »Für wie schwer halten Sie es, jemandem ein Kommando zu besorgen, der als jüngster Flottenoffizier mit der Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet wurde?«

»Aber … aber … Warum?«

Meine Frage galt erst McCoy, glitt dann zu Scott weiter und erreichte schließlich Captain Kirk. »Ich habe eine kleine Mission für Sie«, sagte er nach einigen Sekunden. »Eine Art Postdienst.«

»Der Weltraum … Eine Mission im All?«

»Ja.«

Ich holte tief Luft und trachtete danach, das Chaos hinter meiner Stirn zu ordnen.

»Glauben Sie, dazu fähig zu sein?«

»Nein!«

Captain Kirk lachte. »Diese Antwort beweist mir das Gegenteil. Nun, morgen Nachmittag treffen wir in Man-o-War Cay ein. Versuchen Sie, sich an diese Vorstellung zu gewöhnen, Commander. Morgen haben Sie ein eigenes Schiff.«

Kapitel 2

»Ihre möglichen Aussagen werden Ihnen bereits zur Last gelegt.«

TÖDLICHE SPIELEAUF GOTHOS{1}

Ein eigenes Kommando.

Gladiator. Excalibur. Odyssee. Bezwinger. Troubadour.

Ich bekam das Schiff während meines Aufenthalts auf der Erde, und deshalb sollte es eigentlich einen terranischen Namen erhalten. Dieser Planet mochte kaum mehr sein als ein leiser Quiekser, der zu einem lauten Donnern wurde, aber die irdische Geschichte hatte eine Menge anzubieten, mehr Edelmut und Tollkühnheit als andere, zivilisiertere Kulturen. Diesen Umstand begann ich allmählich zu schätzen. Die Erde, Heimat meiner Vorfahren, weckte Faszination und Neugier in mir, aber bisher war ich nicht in der Lage gewesen, ihr so etwas wie Respekt entgegenzubringen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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