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Am Tag der Ehre muss Worf sich entscheiden
Der "Tag der Ehre" ist ein wichtiges klingonisches Fest. Da Lieutenant Commander Worf an diesem Tag einen Geheimauftrag erledigen muss, bittet er Picard, den Lehrmeister für seinen Sohn Alexander zu geben.
Worf muss, zusammen mit seinem Freund, dem Geheimdienstagenten Ross Grant, der korrupten Gouverneurin Odette Khanty das Handwerk legen. Diese vergiftet ihren im Koma liegenden Mann. Grant allein beobachtet die Mord, doch Worf weigert sich, zu lügen und damit Grant zu bestätigen, weil es seinem Verständnis von Ehre zuwider läuft. Als Alexander erfährt, daß eine Lüge Grant das Leben retten könnte, Worfs Verständnis von Ehre ihm das aber verbietet, kommt es zum Streit zwischen Vater und Sohn.
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Seitenzahl: 418
Der »Tag der Ehre« ist für einen Klingonen mehr als ein Festtag. Er stellt die Verbindung zum wichtigsten Element der klingonischen Tradition dar. Da Lieutnant Commander Worf einen Geheimauftrag erfüllen muss, bittet er Captain Picard, am Tag der Ehre für seinen Sohn Alexander die Rolle des Lehrmeisters zu übernehmen.
Mit seinem Freund Ross Grant, einem Geheimdienstagenten der Föderation, ermittelt Worf auf dem Planeten Sindikash. Odette Khanty, die Frau des im Koma liegenden Gouverneurs, will auf dieser Kolonialwelt ein totalitäres Regime errichten. Mit Hilfe ehrloser Klingonen hat sie eine kriminelle Organisation aufgebaut.
DIANE CAREY
ALTES BLUT
Star Trek™
The Next Generation
Tag der Ehre 1
Unserer Großtante Katie Simon gewidmet,
die sich erst mit 89 Jahren
aufs Altenteil zurückzog und uns und
unseren Kindern beibrachte,
»Captain Picard, mein Auftrag ist dringlich. Wenn er scheitert, geraten sechs Sonnensysteme und zehn Kolonien der Föderation unter den Einfluss des ruchlosesten Planeten dieses Sektors. Mehr, als Sie bereits wissen, kann ich dazu nicht sagen. Ich kann Ihnen nur verraten, dass wir zwei wichtige Zeugen an Bord nehmen werden, von denen unser gesamter Plan abhängt.«
Interessante Worte.
Eigenartige Worte.
Ausweichende Worte. Und irgendwie auch aufschlussreich.
»Herr Kommissar … Sie verlangen von mir, dass ich mein Schiff einsetze, um einen legalen Transportflug in allgemein zugängliches Gebiet zu verzögern.«
»Richtig, Captain.«
»Damit Sie zwei an Bord befindliche Passagiere festnehmen können?«
»Festnehmen klingt etwas grob. Ich würde es lieber so ausdrücken: Ich will sie in Schutzhaft nehmen.«
»Na schön. Wenn es lebenswichtig ist, bringen wir es hinter uns.«
Jean-Luc Picard hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, im Besprechungszimmer neben der Brücke Platz zu nehmen. Als der Kommissar ihm hinaus folgte, spürte er seinen Blick während des ganzen Weges in seinem Rücken.
Auf der Brücke warteten der Erste Offizier und der Sicherheitschef auf sie. Sie waren die einzigen Anwesenden, die ihm einen Blick schenkten. Die anderen – an der Funktionsstation, an der Navigation, an der wissenschaftlichen, taktischen und technischen Station – interessierten sich nur für ihre Pflicht. Lieutenant Commander Data konzentrierte sich auf typisch androide Art auf seine Instrumente und den im vorderen Teil der Brücke befindlichen, alles beherrschenden Hauptbildschirm. Dieser zeigte das Bild eines sich nähernden Schiffes.
»Raumer befindet sich auf dem Schirm, Captain«, meldete William Riker. »Knapp zehn Kilotonnen, befördert Fracht und zweiunddreißig Lebensformen.«
»Ziehen Sie ihn ran, Nummer Eins.« Picard wandte sich an den Sicherheitsoffizier. »Mr. Worf, Sie gehen gleich an Bord und nehmen zwei Personen in Gewahrsam. Wir werden sie Kommissar Toledano überstellen.«
Der klingonische Offizier nickte. »Aye, Sir.«
Der neben Picard stehende Kommissar neigte sich ihm zu. »Wird nicht einfach gewesen sein, sich auf der Brücke eines Föderationsschiffes an einen Klingonen zu gewöhnen«, murmelte er.
Will Riker, der zwar etwas größer als der Klingone, doch weniger muskulös war, kam die Treppe herunter. Sein Blick heftete sich auf den näher kommenden Raumer. »Rufen Sie ihn, Mr. Worf.«
»Aye, Sir«, erwiderte Worf. Seine Finger flogen über die Tasten der Konsole vor ihm und öffneten eine Frequenz. »Hier ist die U.S.S. Enterprise. Schalten Sie die Triebwerke aus und nehmen Sie ein Prisenkommando an Bord.«
»Wissen unsere … Passagiere, dass wir kommen?«, fragte Picard.
»Nein«, erwiderte Toledano. »Es war zu riskant, es ihnen zu sagen. Die beiden Leute auf dem Schiff dort müssen isoliert und beschützt werden. Und einen sichereren Ort als ein Raumschiff gibt es nicht. Wir treffen uns anschließend mit einem anderen Schiff, das die beiden zu einer noch unbekannten Raumbasis bringt. Ich weiß selbst nicht, wie das Schiff und die Basis heißen. Noch nicht.«
»Wir sind doch in der Nähe des Systems Vaughn-Creighton, nicht wahr?«
»Ähm … ja.«
»Hat dieser Fall irgend etwas mit dem Planeten Sindikash zu tun?«
»Darüber kann ich noch nicht mit Ihnen reden.«
»Ja, das sagten Sie schon.«
»Sir, der Raumer geht nicht mit der Geschwindigkeit herunter.« Commander Datas Androidengesicht blieb ausdruckslos. Auch dies war typisch für ihn.
»Keine Antwort auf unseren Ruf, Sir«, fügte Worf vom oberen Teil der Brücke aus hinzu. Seine Bassstimme klang wie leiser Donner.
Picard sagte absichtlich nichts. Als Captain musste man auf gewisse Weise Künstler sein, und dazu gehörte es, nicht in die Arbeit seiner Leute einzugreifen.
»Traktorstrahl«, entschied Riker.
Data schaute auf seine Kontrollen und bearbeitete sie. »Traktorstrahl aktiviert, Sir … Aber sie gehen noch immer nicht mit dem Tempo herunter. Es erfolgt keine Reaktion. Sie haben auch keine Abwehrschirme aktiviert.«
»Wir beamen jetzt sofort an Bord«, warf Picard ein. »Wir schalten die Maschinen selbst ab, sonst überlasten sie noch.«
»Warum meldet sich niemand?«, fragte Toledano und schritt zusammen mit Picard und Worf zum Turbolift. »Sie müssen Ihnen doch antworten, oder?«
»Vielleicht haben sie irgendein Problem«, sagte Picard. Worf trat zur Seite, um ihn den Lift als ersten betreten zu lassen.
Obwohl Toledano »noch nicht« mit Picard darüber hatte reden wollen, hatte er schon eine Menge gesagt. Zwei Zeugen waren in ein riesiges Spionagenetz verwickelt und bereit, bei der Föderation auszusagen – wenn man sie dafür schützte. Ihr Wissen betraf möglicherweise Sindikash, den einzigen bewohnbaren Planeten im System Vaughn-Creighton, eine Föderationskolonie, die von Menschen der Erde bewohnt wurde. Sie kamen aus Kleinasien … Nein, aus Bulgarien? Irgendwo aus dieser Gegend.
Picard spürte, dass Rikers fragender Blick ihm bis in den Lift folgte. Der Erste Offizier hätte eigentlich wissen müssen, was hier vor sich ging. Sein Blick enthielt einen unterschwelligen Vorwurf.
Als die Lifttür sich schloss, kochte stechender Groll in Picard hoch. Nicht wegen Riker, sondern wegen Toledano. Hätte die Föderation ihn ins Bild gesetzt, wäre sie der Prozedur gefolgt, die für verdeckte Aktionen galt, hätte er längst gewusst, ob er es mit Romulanern, Orionern, Eidechsen oder Insekten zu tun hatte. Dann hätte er über die Situation nachgedacht und seine Offiziere informiert. Verlangte er etwa zuviel von der Föderation, wenn er darauf bestand, dass sie den Kommandanten ihrer Raumschiffe soweit vertraute wie er als Captain seinen Offizieren?
In seinem Kopf ging sofort eine Diskussion über das Für und Wider dieser Frage los, aber er biss sich auf die Lippe und sagte Kommissar Toledano nichts davon, der gewiss gern bereit war, das auszusprechen, was die Föderation dachte. In diesem Fall wäre er verpflichtet gewesen, mit dem zu kontern, was er als Captain davon hielt, doch da er ohnehin schon alles in seinem Kopf vernahm, warum sollte er es sich im Lift noch mal anhören?
»Mr. Worf, ist das Sicherheitskommando informiert?«, fragte Picard in der festen Absicht, die innere Diskussion zu beenden.
»Im Transporterraum stoßen vier Mann zu uns, Sir«, sagte der große Klingone grollend. »Dazu noch ein Techniker, der die Maschinen des Raumers abschaltet, falls sie bis dahin nicht schon abgeschaltet sind.«
»Sehr gut. – Herr Kommissar, ich würde es begrüßen, wenn Sie mir sagen würden, warum ich meine Leute überhaupt in den Transporterraum schicke.«
Toledano, ein Mann in den mittleren Jahren, der einst recht gut ausgesehen hatte, doch jetzt nur noch ein silberhaariges Echo seiner Jugendzeit war, seufzte. »Darüber kann ich noch nicht mit Ihnen sprechen, Captain.«
»Trotzdem. Ich muss meinen Leuten doch in etwa sagen können, wonach sie suchen sollen, wenn sie ihrem Auftrag gerecht werden sollen. Sie können doch wirklich niemanden beschützen, wenn sie nicht wissen, vor wem.«
Der Kommissar runzelte die Stirn. Er schien darüber nachzudenken. Dann seufzte er noch einmal.
»Die beiden waren Zeugen eines Ereignisses, das ein interstellares Spionagenetz möglicherweise mit einer Persönlichkeit in Beziehung bringt, gegen die bisher kein Beweismaterial vorliegt«, sagte Toledano. »Niemand in dem Raumer weiß, wer die beiden sind. Wenn wir an Bord sind, werden sie ihre Identität enthüllen. Dann nehmen wir sie in Schutzhaft. Mehr gibt es wirklich nicht dazu zu sagen.«
»Hmmm«, machte Picard und richtete den Blick auf die vor ihm befindliche Tür.
»Niemand an Bord weiß, wer die Zeugen sind?«
»Nur die Zeugen selbst«, sagte der Kommissar.
»Natürlich.«
»Sie haben alles selbst gemacht. Sie haben Verbindung zu uns aufgenommen und sich um den Flug gekümmert. Sie haben erst in letzter Sekunde gebucht und die Tickets erstanden. Wir wissen nicht mal, wie sie aussehen.«
Worfs Kom-Abzeichen summte, und er berührte es. »Lieutenant Worf.«
»Sicherheitsabteilung. Transporterraum Eins wird gerade überholt, Sir. Die Molekularstabilisatoren sind abgeschaltet.«
»Na schön. Weichen auf Transporterraum Drei aus. – Worf, Ende.«
»Na, wunderbar«, sagte Picard. Also noch einmal 45 Sekunden Liftfahrt.
»Wenn wir im Transporterraum ankommen, hat Mr. Riker den Raumer hoffentlich mit dem Traktorstrahl erwischt und hält ihn fest. Dann müssten wir direkt an Bord beamen und die beiden Zeugen schnellstens isolieren können.«
»Dann kann ich nur noch erleichtert seufzen, Captain«, sagte der Kommissar.
Im Transporterraum stießen sie auf vier Bordwachen und Fähnrich Jensen, einen Neuzugang, der die Starfleet-Akademie gerade abgeschlossen hatte. Worf hielt große Stücke auf ihn. Da die Enterprise vom zentralen Machtbereich der Föderation weit entfernt war, hatte der junge Mann zwei Raumschiffe, zwei Frachter und vier Nachschubeinheiten der Flotte benutzen müssen, um hier anzukommen. Er konnte es kaum erwarten, in Gesellschaft des Captains auf ein anderes Schiff zu beamen.
Picard sah es sofort. Er war Leuten seiner Art schon oft begegnet. Jensens Blick wich keine Sekunde von ihm. Als wäre die aufgekratzte Aufmerksamkeit des Kommissars nicht schon genug.
»Fertig, Sir«, sagte der Transporteringenieur, als sie eintraten. »Der Raumer wurde stabilisiert. Mr. Data hat sich in seinen Computer eingeklinkt. Es ist ihm gelungen, die Triebwerksleistung um bisher achtundvierzig Prozent zu senken. Er macht weiter, aber der Rest muss sehr wahrscheinlich an Bord erledigt werden.«
»Ich bin auch bereit, Sir!«, piepste Jensen.
Picard nickte. »Ausgezeichnet, meine Herren. Noch immer keine Antwort von der Mannschaft?«
»Keine Antwort, Sir«, erwiderte der Ingenieur. »Aber von drüben kommen einige verzerrte Signale, die Mr. Data für eine mögliche interne mechanische Fehlfunktion hält. Vielleicht versucht man, uns zu antworten. Es könnte aber auch sein, dass man versucht, die Maschinen abzuschalten.«
»Verstanden.« Picard wandte sich zu Toledano um, dem Worf gerade einen Flotten-Standardphaser aushändigte. »Bemühen wir uns, sie nicht zu erschrecken. Sobald wir in Position gegangen sind, geben Sie Energie, Mr. Warren.«
Er winkte das Prisenkommando auf die erhöhte Plattform, und jeder einzelne ging auf den blanken Scheiben in Stellung.
»Aye, Sir«, erwiderte der Transporteringenieur. »Gebe Energie.« Das altvertraute Summen ertönte.
Unmerklich verwandelte sich die Umgebung in die kalkige Wandung der Einstiegsnische eines Raumers. Der kurze geistige Nebel, der der Ortsveränderung folgte, hob sich rasch. Es roch wie in einem Schlachthaus.
Es war zermürbend still. Nicht mal mehr das Trommeln der Maschinen war zu vernehmen. Offenbar hatte Data Erfolg bei dem Versuch gehabt, sie aus der Ferne abzuschalten.
Aber der Geruch …
»Alle Mann bereithalten … Sicherheitsalarm.« Picard fühlte sich vom Klang seiner eigenen Stimme erschreckt.
Jensen tauchte neben ihm auf. »Habe ich Erlaubnis, das Abschalten der Maschinen zu bestätigen, Sir?«
»Nein. Bereithalten.«
»Ähm … Aye, Sir.«
Picard durchquerte den kleinen Laderaum und näherte sich dem Passagiereingang, der mit einem Teppich ausgelegt war. Worf folgte ihm, ohne um Erlaubnis zu bitten. Einige Schritte hinter der Treppe war die Tür zur Passagierkabine. Er wollte Picard offenbar nicht ohne Bewachung durch die Tür treten lassen, also tat der Captain ihm den Gefallen und streckte keine ablehnende Hand aus, damit er auf seine Befehle wartete.
Zusammen gingen sie die eine Stufe zum Teppich hinab. Picard schaute zu Boden. Er hatte plötzlich das Gefühl, auf einen vollgesogenen Schwamm getreten und bis zum Knöchel eingesunken zu sein.
Hinter ihm keuchte jemand auf.
Sein Fuß – und der Worfs – standen auf dem Teppichflor, der in der Tat vollgesogen war. Kreise aus glänzender Flüssigkeit umgaben ihre Stiefel. Erst jetzt fiel ihm auf, dass die burgunderrote Farbe nicht die des Teppichs war. Er hatte keine Ahnung, welche Farbe er zuvor aufgewiesen hatte.
Doch nun war er blutrot.
»Oh … Gott …« Kommissar Toledanos Stimme bebte vor unterdrücktem Zorn. Er holte zwar Luft, brachte aber kein weiteres Wort heraus.
Worf ging mit ernster Miene an Picard vorbei zur Tür. Er legte die Hand auf die Kontrollen, drehte sich dann um und winkte seinen Leuten. Sie sollten den von Blut aufgeweichten Teppich betreten. Er schaute Picard kurz an. »Würden Sie bitte zur Seite treten, Captain?«
Picard wusste, er würde nicht anders klingen als Toledano. Deswegen entschloss er sich, nichts zu sagen. Er trat mir einem Nicken zur Seite. Das klebrige Gematsche an den Stiefeln verursachte ihm sofort Übelkeit.
Wie viele Lebensformen sollten sich hier an Bord befinden?
Dreißig?
Als die Tür aufglitt, war er schon im Begriff, diese Zahl in Liter umzurechnen.
Worf ging als erster hinein. Einer seiner Leute stand neben ihm, und sie zielten mit den Phasern in zwei Richtungen. Dann traten auch die drei restlichen Bordwachen vor, duckten sich mit gezückten Waffen.
Worf führte den Weg in die Passagierkabine an, wobei seine steife Haltung eigentlich nur besagte, dass er sich in einem Schockzustand befand. Die anderen Bordwachen reagierten subtiler, aber immerhin: Sie schüttelten sich. Ließen die Waffen sinken. Als Picard ihnen hinein folgte, verdoppelte sich seine Aufregung.
Die Passagierkabine war in den süßen Geruch von Blut, Fäulnis und Gemetzel eingehüllt. Links war der vordere Teil der Kabine, rechts der hintere. Die Sitzreihen waren alle besetzt, aber mit Leichen.
Alle, dies registrierte er sofort, waren Menschen oder humanoid und verfügten über einen Kopf und zwei Arme und zwei Beine. Nur saßen in den ersten zehn Sitzreihen Leute, deren Torsi vom Hals abwärts in Körperflüssigkeiten gebadet waren. Sie hielten das Gesicht nach oben oder zur Seite gedreht, hatten den Mund erschreckt aufgerissen. Ihre Augen waren offen oder geschlossen, und alle starrten in einem letzten Moment schieren Entsetzens vor sich hin.
Unter den verblüfften Blicken Picards, der wie gelähmten Bordwachen, des erstarrten Kommissars und des armen Ingenieurs Jensen, der noch nicht ganz durch den Eingang gekommen war, machte Worf einen bestätigenden Schritt auf die nächsten Sitzreihen zu und kam mit quietschenden Schritten zurück.
»Sir«, sagte er rasselnd, »sie haben keine Arme mehr.«
»Wie viele … sehen so aus?«
»Einundzwanzig, Sir. Die Arme wurden mit Gewalt entfernt. Zweien hat man die Augen ausgestochen. Den restlichen Passagieren wurde offensichtlich die Kehle durchgeschnitten.«
Kommissar Toledano, der am Eingang stand und sich nicht zu rühren wagte, schluckte. »Was heißt das – entfernt?«
Worf schaute ihn kurz an, dann Picard, dann wieder den Kommissar. »Abgerissen, Sir.«
Nicht abgeschnitten. Nicht abgeschossen. Abgerissen.
Mit roher Gewalt.
»Die Blutflecke auf den Wänden«, fuhr Worf fort, »deuten an, dass das Gemetzel hier stattfand. Dann hat man die Opfer auf ihre Sitze zurückgeworfen.«
Der Lieutenant war bleich vor Abscheu von einer ersten Erkundung des restlichen Schiffes und des Cockpits zurückgekehrt. Er schluckte mehrmals. »Der Captain und der Kopilot sind … in keinem anderen Zustand, Sir. Der Steward liegt da drüben, hinter dem Servierwagen. Wollte sich wohl verstecken. Hat ihm aber nichts genützt. Auch im Maschinenraum sieht es schlimm aus. Beiden Ingenieuren wurde die Kehle durchgeschnitten.«
»Den einen haben sie die Kehle durchgeschnitten«, sagte Picard leise, »und den anderen die Arme abgerissen.«
Er lugte zu den Sitzen hinüber. Die schreckliche Reihe reichte vom Bug bis zum Heck. Er ging an ihnen entlang, ohne das Klatschen der Stiefelabsätze auf dem blutgetränkten Teppich zu hören. Die Gesichter der beiden ersten Leichen wirkten entspannt, sie sahen fast so aus, als würden sie gleich aufschauen und ›Hallo‹ sagen. Nur die bohrende Starrheit ihres Blicks und das papierene Weiß ihrer blutleeren Gesichter verriet, in welchem Zustand sie sich wirklich befanden. Man brauchte sich nicht mal ihre Kleider anzusehen. In der zweiten, dritten, vierten Reihe … in endloser Verblüffung erstarrte Muskeln, gerunzelte Stirnen, gefletschte Zähne, weit aufgerissene Augen. Und so ging es weiter, bis zur Schiffsmitte hin.
»Die dort«, sagte Worf, »haben zugeschaut, als die Leute in der ersten Reihe umgebracht wurden. Ihre Gesichter sind irgendwie scheckig, als hätte Panik sie überflutet, bevor das Blut aus ihnen wich. Die Mörder haben hier angefangen und sich nach hinten vorgearbeitet. Sie haben die Passagiere gezwungen, ihnen zuzuschauen. Und dann … hier …« Worf ging nach hinten, vorbei an mehreren Toten, denen die Arme nicht fehlten. Er blieb neben zwei armlosen Leichen stehen.
Picard verstand, worauf er hinaus wollte. Den vorn sitzenden Passagieren waren die Arme ausgerissen worden; dann folgten einige, denen sie nicht fehlten, dann wiederum zwei, die keine mehr hatten.
»Dann haben diese beiden irgendwie reagiert«, sagte Worf, als berichte er von Einzelheiten einer vor langer Zeit stattgefundenen Schlacht. »Die Mörder hatten gefunden, was sie suchten. Sie kamen hierher, nach hinten. Und die beiden haben mit ihrem Leben bezahlt. Man hat ihnen die Augen ausgestochen und ihnen dann die Arme abgerissen.«
Die beiden jämmerlich aussehenden Toten waren ein Mann und eine Frau. Sie waren in den grässlichen letzten Zuckungen zusammengesackt. Der Kopf der Frau ruhte auf dem, was von der Schulter des Mannes noch übrig war. Ihr Haar klebte an seinem Blut und Muskelgewebe.
»Herr Kommissar«, sagte Picard und drehte sich um, »ich möchte Ihnen gern Ihre Zeugen vorstellen.«
Der arme Toledano suchte erfolglos einen Weg durch die schwachen Fußabdrücke der anderen, um dem unausweichlichen Blut auszuweichen, das den Teppich durchtränkte. »Glauben Sie wirklich?«
»Unsere medizinische und forensische Abteilung wird die Identität dieser Leute mit der Passagierliste und den Abflugpapieren des Schiffes vergleichen und bestätigen. Aber ich gehe jede Wette ein, dass es diese beiden sind.«
»Weil man Ihnen die Augen ausge…«
»Nicht nur deswegen. Sie wurden offenbar schwerer als die anderen bestraft, weil man will, dass irgend jemand diese Botschaft erhält. Vielleicht sogar viele Leute.«
»Und wie soll das gehen?«
»Ich weiß nicht. Ereignisse dieser Art neigen dazu, sich schnell zu verbreiten. Eine Notiz hier, ein kleiner Tratsch dort, die Braut einer Bordwache: schon hat es sich herumgesprochen. Wer immer dies getan hat, er zählt darauf, sonst hätte er diese Methode nicht angewandt. Man kannte die beiden Zeugen nicht, also hat man alle gefoltert, bis sie sich stellten. Sie waren mutig; sie haben gehofft, sie könnten die anderen retten, indem sie sich preisgaben. Leider hat es nicht geklappt. Nachdem die Mörder die Zeugen gefunden und gefoltert hatten, haben sie auch die anderen umgebracht.«
Picard blickte traurig auf die restlichen Passagiere, denen man die Kehle durchgeschnitten hatte.
»Die da haben Glück gehabt«, fügte er hinzu, und sein Herz verzog sich mitfühlend. Ahnungslose Reisende auf einer sicheren, stark befahrenen Route.
Worf kam mit klatschenden Schritten auf sie zu; seine Beine waren nun bis an die Knie blutig. »Die Pathologen werden den Fall zwar eingehend untersuchen, aber unsere Tricorder haben bisher nicht den geringsten physischen Hinweis geliefert. Vielleicht gibt es irgendwelche kleinen Hautgeweberückstände. Aber es wird einige Zeit dauern, die auszusortieren, deren DNS nicht identifiziert werden kann.« Er kam etwas näher und sprach nachdrücklicher, als Picard es von ihm gewohnt war. »Wer dies auch getan hat, Sir … Wir haben es mit ehrlosen Charakteren zu tun.«
Der Tenor seiner Stimme transportierte das Gewicht seiner Aussage deutlich; sie erschien Picard zudem tiefer als je zuvor. Worf war zutiefst verstört. In ihm war noch genug von der Erziehung durch die Menschen, um ihn seine Gefühle zeigen zu lassen.
Toledano wurde um eine Nuance grüner und trat näher an Picard heran. »Tut mir leid, dass ich es aussprechen muss, aber ich glaube, ich weiß ziemlich genau, wer das getan hat.«
Picard schaute Worf an, dann musterte er stirnrunzelnd Toledano. »Tja, dann heraus damit, Herr Kommissar. Jetzt ist die richtige Zeit dazu.«
Der Föderationsbeamte, dem eindeutig übel war, riss sich sichtlich zusammen. »Wir wissen ziemlich genau … dass es eine Klingonenbande war.«
Worf versteifte sich. »Unmöglich!«
»Tut mir leid«, sagte Toledano, aber keineswegs unsicher.
Worf, urplötzlich wütend, schaute seinen Captain und den Kommissar so heftig an, dass sogar Picard in seiner Pose eine Bedrohung sah. »Klingonen foltern nicht rücksichtslos! Klingonen töten zwar, aber doch nicht so!«
Toledano fand die Sprache wieder. »Sie kennen die Klingonen zwar bestimmt besser als ich, aber … Es tut mir leid, aber so stehen die Dinge nun mal.«
»Wir besprechen es auf der Enterprise«, warf Picard ein, da er sah, wohin dieses Gespräch führte.
»So benehmen sich keine Klingonen!«, sagte Worf.
Picard warf ihm einen warnenden Blick zu. »Ich sagte auf der Enterprise, Mr. Worf!«
Worf machte zwar den Mund zu, aber der Zorn entströmte seinen Nüstern.
»Im Moment«, sagte Picard, »müssen wir uns einige Fragen stellen, die mir mehr Kummer bereiten. – Zum Beispiel: Wo sind die Arme?«
Seine Leute und der Kommissar blickten sich um, als rechneten sie damit, in irgendeiner Ecke einen Stapel abgerissener Gliedmaßen zu sehen. Der Anblick eines solchen Stapels wäre zwar schon schrecklich genug gewesen, aber sein Nichtvorhandensein war noch unheimlicher.
Der Gestank des Gemetzels erfüllte die Luft um sie herum; Ingenieur Jensen, vom Grauen seiner ersten ernsten Aufgabe überwältigt, schüttelte sich, ohne ein Wort hervorzubringen, und Kommissar Toledano gelang es, an Picards Seite zu treten. So bleich wie die mehr als dreißig Toten und sichtlich bemüht, sich nicht auf der Stelle zu übergeben, fiel sein Blick kurz auf den blutigen Teppich. Dann schaute er zu Picard auf.
»Captain … Ich glaube, ich sollte Ihnen jetzt reinen Wein einschenken.«
Die wahre Gefahr besteht darin,
wenn die Freiheit
nach und nach den Sachzwängen
geopfert wird.
EDMUND B
»Jetzt verstehen Sie, mit welchen Leuten wir es zu tun haben. Es steht zu befürchten, dass der Planet Sindikash zu einer Welt der Kriminellen wird, eine Zuflucht für den übelsten Abschaum der Galaxis. Sie werden den ganzen Sektor einkassieren. Es dauert nicht mehr lange.«
Kommissar Perry Toledano rieb pausenlos seine Hände aneinander, als wolle er das Blut fortwischen, mit dem sie alle über Gebühr in Berührung gekommen waren. Wie bizarr es gewesen war, auf die Enterprise zurückzukehren und in die Quartiere zu eilen, um die Kleider zu wechseln, bevor noch mehr Besatzungsmitglieder dem Gestank ihrer bis an die Knie mit Blut durchtränkten Uniformen ausgesetzt wurden. Und was für eine seltsame Sache, sich als Captain darüber Gedanken machen zu müssen.
»Warum haben Sie gesagt, das Klingonische Imperium sei in die Sache verwickelt?«, fragte Picard.
»Ich habe nicht gesagt, dass es das Imperium ist«, erklärte Toledano. »Ich habe nur gesagt, dass Klingonen damit zu tun haben.«
Worf war derart aufgebracht, dass es fast so aussah, als werde sein Stuhl gleich schmelzen. »Und ich habe gesagt, dass Klingonen sich nicht so verhalten.«
»Diese Klingonen doch.« Toledano zuckte verständnisvoll, doch unnachgiebig die Achseln. »Sie sind nicht für das Imperium tätig. Sie arbeiten für die Chefin einer Verbrecherorganisation. Glauben Sie mir, es ist wahr.«
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