Stille Liebe - Holger Niederhausen - E-Book

Stille Liebe E-Book

Holger Niederhausen

4,9

Beschreibung

Der fünfzehnjährige David liebt in heiliger Scheu ein Mädchen in seiner Klasse, das für ihn sowieso unerreichbar ist. Er wagt es nicht einmal, ihrem Blick zu begegnen. Als er sie mit dem Mut der Verzweiflung zuletzt dennoch anspricht, scheint die Katastrophe perfekt zu sein. Und doch lernt er ihr wunderbares Wesen jetzt erst wirklich kennen ...

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Das Menschenwesen hat eine tiefe Sehnsucht nach dem Schönen, Wahren und Guten. Diese kann von vielem anderen verschüttet worden sein, aber sie ist da. Und seine andere Sehnsucht ist, auch die eigene Seele zu einer Trägerin dessen zu entwickeln, wonach sich das Menschenwesen so sehnt.

Diese zweifache Sehnsucht wollen meine Bücher berühren, wieder bewusst machen, und dazu beitragen, dass sie stark und lebendig werden kann. Was die Seele empfindet und wirklich erstrebt, das ist ihr Wesen. Der Mensch kann ihr Wesen in etwas unendlich Schönes verwandeln, wenn er beginnt, seiner tiefsten Sehnsucht wahrhaftig zu folgen...

„David! Kommst du mal?“

Etwas widerwillig folgte er dem Ruf seiner Mutter ins Wohnzimmer. Sie stand auf einer Leiter am Fenster.

„Gibst du mir bitte die Vorhänge hoch?“

Wortlos griff er sich einen der beiden Vorhänge, die am Boden lagen, und reichte ihn seiner Mutter. Sie musste wieder eine Stufe hinuntersteigen, und es sah etwas anstrengend aus. „Danke.“

Er hasste sich. Er hätte sich selbst mehr strecken können, damit sie es einfacher gehabt hätte. Gleichzeitig aber hasste er auch diese Hilfsarbeiten. Wozu brauchte man überhaupt Vorhänge? Und wozu mussten sie überhaupt gewaschen werden. Die, die bis gestern noch gehangen hatten, waren doch sauber gewesen. Für ihn waren dies alles spießige, sinnlose Tätigkeiten. Er hatte mit ihnen nicht das Geringste zu tun. Dennoch musste er diese kleinen Sklavendienste leisten. Dinge, bei denen er sich immer vorkam wie ein kleiner Junge – nicht wie ein fünfzehnjähriger Zehntklässler.

Nun musste er auch noch warten, bis seine Mutter Haken für Haken an der gespannten Metallschnur befestigt hatte, und dieses Warten, bis jemand anders mit seiner Arbeit fertig war, hasste er noch viel mehr, am allermeisten. Man stand dann dumm rum – und hatte doch dazubleiben. Dass die Erwachsenen nicht begriffen, wie dumm und demütigend das war!

Seine Mutter trug die Leiter zum anderen Fenster. Er wusste, dass auch er dies hätte tun können. Stattdessen schaute er ihr bei der Arbeit zu – ihr, die längst einen halben Kopf kleiner war als er und bei der es immer nicht leicht aussah. Er hasste sich wiederum – und hasste zugleich diese Wahl, bei der er nur verlieren konnte. Wenn er die Leiter für sie getragen hätte, wäre er sich genauso dumm vorgekommen. Dummer Handlanger, so oder so. Er hatte gewusst, dass seine Mutter irgendwo innerlich gehofft hatte, er würde die Leiter verrücken. Und auch das hasste er – diese klare Erwartung, die nicht mal eine war! Er konnte nur verlieren. Er war immer der Dumme. Und deswegen waren diese Handlangerarbeiten so furchtbar.

Widerwillig hob er die zweite Gardine auf und reichte sie seiner Mutter hoch. Sie hatte sie bereits vor das andere Fenster gelegt. Etwa, damit er weniger laufen musste? Oder weil sie einfach praktisch dachte? Wie auch immer, er schämte sich seiner eigenen Abneigung. Dennoch konnte er sie nicht abstellen. Handlangerdienste waren Handlangerdienste.

Während seine Mutter nun auch diese Haken befestigte, murmelte er:

„Brauchst du mich noch?“

„Nein, David, danke...“

Er zog sich in sein Zimmer zurück und setzte sich wieder an die Mathe-Hausaufgaben. Danach schaute er sich ein paar Youtube-Videos an. Als er hiermit genug Zeit vertrödelt hatte, ging er noch auf sein Facebook-Account und klickte sich durch ein paar Links, die seine ,Freunde’ geteilt hatten. Er kannte eigentlich niemanden davon. Als er es vor einigen Monaten für sich eingerichtet hatte, hatte er ziemlich wahllos ein paar ,Freunde’ gesucht, und jetzt hatte er eine Liste von knapp zwanzig. Drei Viertel davon waren Frauen oder Mädchen, deren Profilbild er hübsch fand. Er war mächtig stolz gewesen, dass sie seine Freundschaftsanfragen akzeptiert hatten, bis er begriff, dass es normalerweise einfach so lief und dass das nichts Besonderes war.

Ein Mädchen, das sich Lisa nannte und wahrscheinlich auch so hieß, verlinkte ständig Artikel und Videos über vegane und vegetarische Ernährung. Er nahm kurz Notiz von ihren neuesten Artikeln und klickte dann nach wenigen Sekunden weiter. Ein anderes Mädchen hatte Fotos von seinem letzten Wochenende gepostet. Offenbar war es im Elbsandsteingebirge unterwegs gewesen. Man sah ihr lächelndes Gesicht oder ihre Gestalt vor immer anderen Felsformationen. Er wusste nicht mal, wo das Elbsandsteingebirge lag. Irgendwo an der Elbe natürlich, aber wo die nun genau verlief, wusste er ebensowenig. Es konnte überall zwischen Nordsee und Griechenland sein. Das Einzige, was ihn interessierte, war ihr süßes Gesicht. Aber gut, über Facebook würde er eh nie jemanden kennenlernen. Sonst allerdings auch nicht.

Ein Mann, dessen Startseite er am Anfang cool gefunden hatte, hatte ebenfalls Fotos vom Wochenende gepostet. Er hatte seine Freundin im Arm, beide grinsten in die Kamera. Auch er hatte eine schöne Freundin. Und auch er unternahm am Wochenende etwas. Deprimiert klickte er weiter.

Die nächste junge Frau hatte ein Foto von ihrer Katze gepostet. Sie schlief in einem Korb. Darunter stand: ,Maschas Wochenende’. Das war einfallslos. Er ertappte sich bei dem Gedanken, dass es schöner gewesen wäre, wenn sie ein Foto von sich liegend in einem Kuschelkorb gepostet hätte.

Sinnlos klickte er noch weiter in Accounts hinein, die er gar nicht kannte. Und erst nach einer halben Stunde konnte er endlich aufhören. Er hasste auch dieses Gefühl: das Gefühl, das sich im Innern einstellte, wenn man sinnlos Zeit verplempert hatte.

Er hätte jetzt noch ein halbes Blatt Englischvokabeln zu lernen. Aber völlig lustlos verschob er dies auf den späteren Abend. Stattdessen zog er sich um, zog dann im Flur seine Schuhe an und warf seinen Eltern – sein Vater war ebenfalls vor ein paar Minuten nach Hause gekommen – einen kurzen Satz zu und war draußen.

Dort setzte er sich langsam in Bewegung. Es nieselte leicht, aber das war ihm egal – solange es nicht stärker wurde.

Laufen war eines der wenigen Dinge, die er gern machte. Andere nannten es ,Joggen’. Er verachtete dieses Wort. Für ihn klang das immer wie eine Anti-Aging-Therapie für über Fünfzigjährige oder eine zweite Freizeitbeschäftigung von Yoga-Freaks.

Er lief dreimal pro Woche, manchmal auch viermal. Meistens eine Dreiviertelstunde, mindestens einmal aber auch länger, eine ganze Stunde, siebzig Minuten. Er wusste nicht, warum er das machte – es gefiel ihm einfach. Er hatte irgendwann mal einen Ausschnitt von einem Marathonlauf im Fernsehen gesehen. Die Vorstellung, über vierzig Kilometer zu laufen, hatte ihm imponiert, und die Tatsache, dass man einfach nur loslaufen musste, hatte ihm gefallen. So hatte er es einfach ausprobiert und nach einer Durststrecke von zwei Wochen tatsächlich Gefallen daran gefunden. Es war etwas geworden, was er für sich hatte und worauf er in gewisser Weise stolz war, denn das konnte nicht jeder, eine Stunde einfach so laufen. Er hatte sogar kurzzeitig einmal daran gedacht, in einen Verein einzutreten – aber dann war ihm dieser Gedanke doch zu anstrengend gewesen. Außerdem ertrug er den anderen Gedanken nicht, dass es Leute geben konnte, ja geben würde, die darin wieder besser wären als er, deutlich besser.

Jetzt lief er allein durch den Nieselregen seine bekannte Strecke. Er hatte drei, vier private Strecken, ,seine’ Strecken. Meistens lief er eine von zwei großen Runden, die er sich irgendwann mal erprobt hatte. Selten versuchte er, seine eigene Zeit zu verbessern oder zu schlagen, es reichte ihm, das Gefühl zu haben, leidlich schnell gewesen zu sein. Er wusste nicht einmal genau, welcher Schnitt es war. Irgendwann hatte er eine Strecke mit dem Rad mal nachgemessen und dann den Schnitt ausgerechnet. Das war ziemlich am Anfang. Damals waren es ziemlich genau fünf Minuten pro Kilometer gewesen, grob gerechnet. Jetzt war er schneller, aber wie schnell genau, wusste er nicht. Er hatte die genaue Streckenlänge und die damalige Zeit wieder vergessen, und es war ihm egal.

Er lief bei Nieselregen sogar ganz gern. Dann hatte man noch mehr das Gefühl, wirklich ,was draufzuhaben’, denn alle anderen vermieden den Regen – und man selbst war draußen, und er störte einen nicht. Verschwitzt war man ja hinterher sowieso, also was sollte es? Er lief mit einer leisen Verachtung an einem alten Ehepaar vorbei, das sich eingehakt unter einem Schirm durch diesen läppischen Nieselregen bewegte...

Als er wieder zuhause war, duschte er. Unter der Dusche befriedigte er sich selbst. Das tat er fast immer. Nach dem Laufen war der ganze Körper anders durchblutet und angeregt. Man konnte sich dagegen immer wieder nicht wehren. Dann war man auf einmal dabei, fing einfach irgendwie an ... und dann war es wieder soweit. Hinterher hasste er sich auch dafür. Dafür, dass er ohne nicht auskam. Dafür dass er das machte. Dafür, dass er es nicht mal unter Kontrolle hatte, ob er es tun wollte oder nicht. Jedes Mal, wenn er das Sperma in den Abfluss fließen sah, fühlte er seine Niederlage, fühlte er sich irgendwie ,schmutzig’. Er wusste nicht, was die anderen Jungen so machten. Wahrscheinlich tat es fast jeder. Aber das änderte nichts an dem Gefühl. Gar nichts. Allmählich wurde es normaler – aber selbst das hasste er wieder, das sogar noch mehr.

Er setzte sich an seinen Schreibtisch und holte das Blatt mit den Englischvokabeln hervor. Irgendwann kam noch ein wenig Sperma – das war immer eine Viertelstunde oder so danach. Auch das war wieder leise lustvoll und beschämend zugleich. Vor dem Zähneputzen fühlte er dann manchmal dorthin, dann war alles wieder so gleitend – und dann tat er es manchmal nochmal. Das waren die allerschlimmsten Niederlagen...

„Und, was hast du am Wochenende so gemacht?“

„Nichts. Bisschen gelaufen. Bisschen gelesen.“

„Immer noch dieses Fantasy-Zeug?“

„Ja. Stell dir vor.“

Er hatte sich vor kurzem einen Roman gekauft, dessen Cover ihn angesprochen hatte, weil dort das halbe Gesicht von zwei attraktiven Mädchen abgebildet war. Eigentlich war es wohl eher ein Roman für Mädchen in seinem Alter, aber das war ihm egal, wenn er es nur niemandem auf die Nase binden musste. Am liebsten hätte er es vor jedem verheimlicht, aber er konnte Simon ja nicht alles verheimlichen. Also musste er wohl oder übel damit leben, dass sein einziger Freund wusste, was er gerade las.

„Aha.“

„Und du?“, fragte er unbefriedigt, „was hast du so gemacht?“

„Na ja, YouTube und so.“

„Aha.“

„Weißt du, was eine ,Titten-Challenge’ ist?“

„Nein.“

Er hasste es, dass sein Freund fortwährend diese Themen aufbrachte und sich offenbar ebenso ausgedehnt damit beschäftigte. Im Grunde hasste er sogar ihn – und seine eigene Unfähigkeit, mit ihm Schluss zu machen. Dann hätte er zwar niemanden mehr gehabt, aber so verachtete er sich eigentlich nur noch mehr.

„Da versuchen Frauen, sich Dinge zwischen die Titten zu klemmen und sie dort zu halten.“

„Und was für Dinge?“, fragte er.

„Na, so Coladosen und so.“

Er hasste sich sogar dafür, dass er nachgefragt hatte, auch wenn es genervt gewesen war. Er hasste seinen Freund, weil er nicht mal sein Genervtsein bemerkte. Und er hasste sich, dass er genervt war – und es dennoch nicht offen zugeben konnte. Er hasste das Wort Titten. Er hasste das Thema.

„Krass, oder?“

Er hasste es, dass sein Freund nicht einmal sein Schweigen deuten konnte, sondern die Unterhaltung einfach fortführte.

„Ja, echt krass.“

„Und manche halten unter den Titten Stifte oder Sonnencremetuben oder was weiß ich alles.“

Er hasste es, dass sein Freund nicht mal seine Ironie verstand, wenn er antwortete.

„Sag mal, warum guckst du dir diesen Scheiß eigentlich fortwährend an?“

Jetzt war es ihm also doch herausgerutscht. Simon, der eher so klein war wie seine Mutter und dazu deutlich übergewichtig, sah erstaunt zu ihm hinauf.

„Wieso Scheiß? Du guckst doch auch YouToube. Und vor nicht mal zwei Monaten wolltest du sogar den Namen von dem Pornokanal wissen!“

„Ja, aber das heißt nicht, dass ich mir das danach auch angekuckt habe!“

Simon sah ihn spöttisch an.

„Ja! Alles klar! Nein, du wolltest natürlich nur den Namen wissen. Rein aus Interesse...“

Er wünschte sich das Ende der Pause herbei. Gut, er hatte zwei- oder dreimal ein wenig dort hineingeschaut. Dann hatte er gewusst, was Pornos sind, und er hatte angeekelt damit aufgehört. Es übte eine enorme Faszination aus, aber es war absolut ekelhaft. Er konnte nicht begreifen, wie das zu den Wochenendbeschäftigungen seines Freundes auch nur dazugehören konnte.

„Gib doch zu“, setzte Simon nach, „dass du auch alles Mögliche guckst!“

„Nein, tue ich nicht!“

„Also du wolltest es wirklich nur einfach so mal wissen, ja?“, fragte sein Freund spöttisch.

„Nein, ich habe es mir ein-, zweimal angeschaut.“

„Na, siehst du – immerhin.“

„Ja – das hat mir gereicht.“

„Und sonst? Was guckst du sonst?“

„Nichts!“

„Wie ,nichts’?“

„Verstehst du kein Deutsch? Nichts heißt nichts!“

„Keine Titten und so? Keine Frauen? Keine Mädchen?“

„Nein, nichts.“

„Das kannst du mir nicht erzählen. Irgendwas guckt doch jeder!“

„Ich aber nicht.“

„Du bist ein Lügner. Ein Feigling.“

„Bin ich nicht.“

„Bist du wohl.“

„Bin ich nicht.“

„Doch, natürlich.“

„Ich brauche dir nicht zu erzählen, was ich gucke.“

„Also guckst du doch was.“

Er suchte manchmal Bilder von schönen Frauen und Mädchen. Meistens ging es ihm nur um die Schönheit. Manchmal suchte er auch Bilder nackter Frauen und Mädchen. Es zog ihn einfach an. Aber es war mit dem, was Simon machte, absolut nicht vergleichbar. Und er wollte es auch nicht zugeben, weil Simon es gleichsetzen würde.

„Es geht dich nichts an.“

„Feigling. Du guckst genau dasselbe.“

„Tue ich nicht.“

„Tust du doch.“

„Tue ich nicht!“

„Tust du doch. Du bist nur zu feige, es zuzugeben.“

„Nein, ich tue es nicht. Ich gucke nicht dasselbe wie du.“

Simon baute sich vor ihm auf.

„Dann sag doch, was du guckst!“

„Warum sollte ich es dir sagen?“

„Damit ich dich nicht einfach nur für einen Feigling halte.“

„Du kannst mich doch halten, wofür du willst.“

„Das ist dir egal?“

„Ja.“

„Dass du dasselbe guckst – und ich dich zusätzlich noch für einen Feigling halte?“

„Ich gucke nicht dasselbe!“

Simon stieß die Luft hörbar zwischen seinen Lippen aus.

„Dann versteh ich nicht, was du für einen Aufstand machst.

Sag doch einfach, was du guckst!“

„Das kann dir doch egal sein.“

„Nö, ich will’s aber wissen.“

„Du sollst es gar nicht wissen wollen.“

„Will ich aber.“

Ihm riss der Geduldsfaden – und er wollte endlich seine Ruhe haben.

„Na gut“, sagte er entnervt. „Dann erzähl ich’s dir halt! Ab und zu suche ich auch Bilder von Frauen. Bist du nun zufrieden?“

„Nur Bilder oder auch Videos?“

„Nur Bilder!“

„Nacktbilder?“

„Nein!“

„Wie ,nein’? Das kannst du deiner Großmutter erzählen!“

„Na gut, manchmal auch Nacktbilder!“

„Manchmal!“, wiederholte Simon spöttisch.

„Ja, manchmal!“, sagte er betont. „Nur manch-mal“, fügte er, jede Silbe betonend, noch einmal hinzu.

„Okay“, erwiderte Simon beruhigend. „Ist ja gut. Also der Unschuldsengel, ja?“

„Was ist dein Problem, Simon? Was willst du von mir? Ist jetzt irgendwas ein Problem daran?“

„Nein. Ich mein nur. Ich versteh nur dein Problem nicht. Was ist daran so ein Problem, dass du es nicht hinkriegst, zuzugeben, dass du ,manchmal’“, er betonte das Wort bis zum Geht-nicht-mehr, „Nacktbilder von Frauen anguckst?“

„Ich will einfach nicht darüber reden. Das ist alles!“

„Und was ist so schlimm daran, darüber zu reden?“

„Ich will es einfach nicht. Kannst du das nicht akzeptieren?“

„Doch – kann ich natürlich. Ich verstehe nur nicht, was daran so schlimm ist.“

„Es ist nicht ,schlimm’!“, wiederholte er betont. „Ich will es nur einfach nicht. Klar?“

„Dann ist es offenbar doch schlimm.“

„Du verstehst es einfach nicht!“

„Nein – das sage ich ja.“

„Dann lass es einfach!“

„Tja –“, in diesem Moment unterbrach die Schulklingel ihre Unterhaltung. „Bleibt mir ja wohl nichts anderes übrig.“

Erleichtert ging er mit Simon in Richtung Schulgebäude zurück. Und er hoffte, dass dieses Thema damit ein für allemal erledigt war.

*

Am Abend, als er gemeinsam mit seinen Eltern beim Abendessen war, fragte ihn seine Mutter, was sie gerade so in der Schule machten. Das tat sie alle paar Wochen. Zwischendurch versuchte sie, mit eigenen Erzählungen ein Gespräch am Laufen zu halten. Er hatte einmal vorsichtig versucht, zu fragen, ob sie noch immer zusammen essen mussten – aber seine Mutter hatte darauf bestanden. ,Sonst haben wir ja gar nichts mehr von dir’, hatte sie damals gesagt. Also hörte er sich ihre Versuche höflich an, gab Antwort, wenn er etwas gefragt wurde, fand es aber immer eher unangenehm, noch mit seinen Eltern zu essen. Sein Vater war nicht viel gesprächiger als er – nur wenn es um bloße Dialoge mit seiner Frau ging, war es anders. Das war ihm am liebsten – wenn seine Eltern sich unterhielten und er das Gefühl haben konnte, dass sie ihn gar nicht mehr beachteten.

Nun aber war er nach der Schule gefragt worden, wie ein Viert- oder vielleicht noch Sechstklässler. Und sichtlich genervt betete er herunter:

„In Mathe lineare Gleichungen, in Deutsch Kurzgeschichten, in Chemie Säure-Basen, in Physik gleichförmige und beschleunigte Bewegung, in Biologie Mitose und Meiose und so weiter. Willst du auch wissen, was wir in Musik, Englisch und Geschichte machen?“

„Nein“, sagte seine Mutter halbwegs entsetzt. „Was ist denn das Problem, wenn ich so etwas frage?“

Er erinnerte sich an die Pausenunterhaltung von heute Vormittag. Schon wieder gab es ein ,Problem’, das er hatte.

„Mein Problem ist einfach, dass ich darüber nicht reden will. Es reicht doch, wenn ich in die Schule gehen muss. Muss ich jetzt auch noch darüber berichten?“

„Nein!“, erwiderte seine Mutter abwehrend. „Aber es ist doch schön, wenn man sich gegenseitig ein bisschen an seinem Leben Anteil haben lässt...“

„Ja, aber das machen Fünfzehnjährige nun einmal nicht mehr wirklich.“

„Ja, aber vielleicht ist das gerade das Problem“, versuchte seine Mutter, zu beharren. „Sie könnten es doch machen.“

„Nein, könnten sie nicht. Das ist einfach ... absolut uncool.“

„Uncool“, wiederholte seine Mutter. „Wieso ist das uncool?“

„Mann, Mama“, er hasste sogar das Wort ,Mama’, aber er hatte kein anderes. „Es ist uncool. Man macht das nicht. Niemand macht das!“

„Niemand? Woher weißt du das?“

Das waren die typischen Mutter-Fragen. Absolut typisch. Natürlich wusste man es nicht. Aber wenn man es nachprüfen würde, wäre es so.

„Es ist so. Frag jede Familie. Niemand redet zuhause über die Schule.“

„Ich wette, das tun sehr wohl einige. Die Mädchen sicher noch eher als die Jungen. Aber manche Jungen haben damit sicher auch kein Problem.“

Schon wieder das Problem.

„Ich habe es aber“, sagte er betont. „Und ein Mädchen bin ich ja nicht – oder?“

„Nein. Aber ein lieber Junge. Einer, der nicht unbedingt ein Problem damit haben müsste.“

„Nein – ich bin kein lieber Junge“, verbesserte er betont. „Ich muss hier nur sitzen, weil du es wolltest. Weißt du noch?“

Nun war seine Mutter wirklich entsetzt.

„Also –“, brachte sie hervor, „so schlimm ist es...?“

„Nein...“, gestand er widerwillig ein, weil er sie in diesem Moment nicht derart verletzen wollte, obwohl es eigentlich doch mehr oder weniger stimmte. „Aber wenn du mich so in die Enge treibst...“

„Also gut, dann ... frage ich nicht mehr nach der Schule. Bitte entschuldige...“

Nun tat ihm seine Mutter wirklich leid.

„Das kannst du ja... Manchmal... Aber nicht alle zehn bis zwölf Tage. Als könnte man eine Uhr danach stellen.“

Er sah die Verletzung seiner Mutter noch immer – oder wieder eine neue.

„Ja, ist gut...“, sagte sie.

Von seinem Vater erntete er nur einen bösen Blick – den er auch nicht gut vertragen konnte.

Sie aßen eine Weile schweigsam. Dann sagte seine Mutter zögernd:

„Über ... Freundinnen und so darf man dann wahrscheinlich auch nicht sprechen, oder?“

„Nein.“

Wieder Schweigen. Was sollte das jetzt?

Schließlich setzte seine Mutter wieder an und sagte:

„Na ja ... ich wollte nur sagen ... also nicht, dass du mich wieder falsch verstehst. Ich wollte es einfach nur sagen ... also mal gesagt haben...“

„Ja“, sagte er halb genervt, halb beschämt. „Was denn?“

„Na ja, also dass wir, in diesem Alter, also mit fünfzehn oder sechzehn oder vielleicht auch siebzehn, aber heute ist ja eh alles früher, also dass wir da zum Beispiel mal einen Tanzkurs oder so gemacht haben.“

„Einen Tanzkurs?“, wiederholte er in betontem Spott.

„Ja, einen Tanzkurs. Das brauchst du doch gar nicht so lächerlich zu machen. Das machen bestimmt auch heute noch mehrere Jugendliche in deinem Alter. Da lernt man andere Leute kennen. Gleichaltrige eben. Oder überhaupt. Das ist was Tolles. Es macht Spaß.“

„Dir vielleicht.“

„Dein Vater hat so was auch gemacht.“

„Ja, aber ihr seid dreißig Jahre älter. Das war früher vielleicht so.“

„Nein – Tanzkurse kommen nicht aus der Mode. Ich glaube, sie sind noch immer ziemlich beliebt. Auch bei Jugendlichen in deinem Alter.“

„Ja, aber nicht bei mir. Ich mache so was nicht!“

„Gut, gut – ist ja gut, David. Ich wollte es ja auch nur mal erwähnt haben.“

„Dafür hat es aber ziemlich lange gedauert.“

„Ja, ich hör ja schon auf.“

„Danke.“

Der Rest des Essens verlief ziemlich schweigsam. Er schämte sich auch, dass er das Ganze so rabiat unterbunden hatte – aber er hätte nicht gewusst, wie er sich sonst dagegen hätte wehren sollen. Tanzen war absolut nichts für ihn. Schon der Gedanke daran war peinlich!

Nach dem Abendessen quälte er sich noch durch eine völlig übertriebene Mathematikhausaufgabe, die aus eineinhalb ganzen Seiten im Aufgabenbuch bestand. Wenn jeder Lehrer erwartete, dass man für sein Fach eine Stunde arbeitete, hätte man nicht mal mehr Schlaf...

Er belohnte sich nach dieser völlig unverhältnismäßigen Tortur mit der Suche nach Bildern schöner weiblicher Wesen – und landete früher oder später wieder bei der Suche nach Nacktbildern. Und dann befriedigte er sich vor dem Zähneputzen in seinem Zimmer selbst... Im Bett hasste er sich dann wieder. Warum nahm es immer diesen Verlauf?

„Gehst du am Wochenende zu Martins Fete?“

Er spazierte wieder neben Simon über den Schulhof.

„Nein. Weiß ich nicht.“

„Wieso denn nicht? Was hast du denn vor?“

„Nichts.“

„Ja, dann komm doch mit. Wir können doch zusammen hingehen.“

„Weiß nicht. Keine Lust.“

„Keine Lust? Hey – warst du schon mal auf ’ner Fete? Bei Thomas vor zwei Monaten warst du auch nicht.“

„Na und? War’s da so toll?“

„Ja, schon. Die Musik war cool. Und die Stimmung auch. Viele Mädchen...“, grinste Simon.

„Ach. Und du hast dich wahrscheinlich mit allen unterhalten, oder?“

„Nö, aber mit zweien schon.“

„Echt? Und sie sich auch mit dir?“

„Blödmann. Natürlich!“

„Und wie lange?“

„Was heißt wie lange? Mindestens zehn Minuten.“

„Oh, wow...“

„Das müsstest du erstmal hinkriegen!“

Natürlich. Damit hatte Simon den Spieß umgedreht.

„Richtig. Deswegen gehe ich ja auch nicht hin.“

„Mann, David, aber da könntest du es üben. Bei so was. Dafür sind doch Feten da! Ich verstehe nicht, warum du so eine Chance nicht nutzt.“

„Zum Üben!“, wiederholte er spöttisch.

„Ja, genau.“

„Und du hast ... an diesen zwei Mädchen auch geübt...“

„Ja – wenn du es so nennen willst. Ich hab mit ihnen einfach geredet.“

„Mit wem denn?“

„Die eine kennst du sowieso nicht. War von einer ganz anderen Schule. Und dann noch mit Antje.“

„Mit Antje? Aus der 10b?“

„Wir haben nur eine Antje.“

„Jetzt mal ehrlich, Simon. Wieso hat Antje denn mit dir geredet?“

Antje war eines der attraktivsten Mädchen an der Schule. Sie hätte gut auch als Elftklässlerin durchgehen können. Sie hatte lange blonde Haare – und einen Freund in der Elften.

„Ja, da staunst du, was? Mädchen können auch mit einem reden, wenn man sie anspricht.“

„Und warum hast du sie angesprochen? War sie nicht mit ihrem Freund da?“

„Nein – er war nicht da.“

„Und dann hast du die Chance genutzt! Verarsch mich doch nicht. Das hättest du mir doch gleich nach der Fete schon auf die Nase gebunden.“

„Weißt du nicht mehr? Danach war ich gleich fast zwei Wochen krank.“

„Ach ja, stimmt. Und weswegen?“

„Keine Ahnung. Zufall.“

„Oder wegen Liebeskummer?“

„Ha, ha...“

„Ich verstehe immer noch nicht, warum Antje mit dir gesprochen hat!“

„Na gut, es gab ein paar Drinks...“

„Alkohol!“

„Ja, Mann, na und? Auf einmal hat man halt Spaß...“

„Und was ist mit Martins Eltern gewesen?“

„Du weißt doch – dass er schon Filme ab achtzehn gucken darf. Also warum nicht auch mal Alkohol?“

„Wahnsinn. Also für seine Eltern war das okay, ja?“

„Ich glaube, sein Vater hat das ermöglicht.“

„Aha, okay. Also sein Vater hat dir ermöglicht, mal mit Antje zu reden. Und war das jetzt so toll? Wieviel hast du vorher getrunken?“

„Hey, wir haben alle etwas getrunken. Und natürlich war das toll! Ich meine, mit Antje. Hallo? Was Tolleres gibt’s doch gar nicht.“

„Und das andere Mädchen?“

„Welches andere Mädchen? Ach so, das. Ich weiß gar nicht mehr, wie sie hieß. Ich glaub, Sandra oder so. Ja, die war auch süß...“

Er konnte sich nicht erklären, wie dieser Junge neben ihm an diese Mädchen rankam. Auch nicht mit Alkohol. Aber irgendwie schaffte er es offenbar. Auch sonst in der Schule war er in den letzten Monaten mutiger geworden – und selbst wenn er sich immer wieder eine Abfuhr holte, ergaben sich doch auch kurze Gespräche. Man akzeptierte ihn – zumindest für kurze Smalltalks. Vielleicht auch mehr. Er hatte diesen Mut nicht. Er fand es schon peinlich genug, Simon zuzusehen, wenn er mal wieder ein Mädchen anquatschte, einfach so, als ob er darum gebeten worden war.

„Hey, David...“, sagte Simon plötzlich in halb gespielter, halb ehrlicher Begeisterung und breitete die Arme aus. „Es gibt so süße Mädchen! Und so viele! Die ganze Welt ist voll. Trau dich doch einfach mal!“

Er hasste das Thema. Er hasste den Vorsprung, den Simon vor ihm Tag für Tag hatte und sogar noch ausbaute.

„Ich bin kein Fetentyp“, sagte er kurz angebunden und hoffte, das Thema damit zu beenden.

„Ich rede doch nicht bloß von der Fete!“

Simon war vor ihm stehengeblieben und sah ihn an.

„Ich meine – wann willst du mit Theresa denn mal ein Wort wechseln?“

Es durchlief ihn heiß und kalt zugleich.

„Mit Theresa – was meinst du?“, stellte er sich dumm, während nun die Hitze überhandnahm.

„Tu doch nicht so blöd. Warum sprichst du eigentlich nie darüber? Ich erzähl dir immer alles – und du?“

„Was meinst du?“, machte er noch einen schwachen Versuch. „Schämst du dich jetzt sogar, es zuzugeben?“, sagte Simon, während er weiterging. „Das ist aber nicht die feine Art. Ich meine – nicht mal ihr gegenüber.“

„Was soll das?“, sagte er mit Hitzewellen der Scham. „Warum redest du überhaupt von ihr?“

„Weil es bestimmt schon jeder in der Klasse mitgekriegt hat, dass du in sie verknallt bist.“

„Ich bin nicht verknallt.“

„Du leugnest es also knallhart?“

„Ich bin nicht verknallt. Das Wort ist was für Idioten.“

„Oh – der Herr hätte es lieber romantisch“, machte Simon geziert. „Er ist also verliebt...“

„Halt den Mund. Das geht dich nicht das Geringste an!“

„Ich will dir helfen, und du gibst es noch nicht mal zu!“

„Auf deine ,Hilfe’ kann ich dankend verzichten.“

„Bitteschön. Dann himmle sie doch auch die nächsten drei Jahre noch an. So lange wirst du gar nicht warten müssen. Ich denke, du siehst, wie sich verschiedenste Jungen um sie bemühen – oder?“

„Das kann dir doch egal sein.“

„Mann, David, wie blöd kann man eigentlich sein. Wenn du sie haben willst, musst du dich schon anstrengen!“

„Ich will sie nicht ,haben’!“, erwiderte er empört.

„Aber wie du sie haben willst. Ich meine, hast du dich schon mal gesehen, wie du sie fortwährend anstarrst?“

„Ich starre sie gar nicht fortwährend an.“

Ihm wurde langsam unheimlich. Und wenn es nun wirklich die ganze Schule wüsste? Und vielleicht sogar sie?

„Ja, okay“, sagte Simon spöttisch. „Mein Problem ist es ja nicht.“

In seinem Kopf rasten die Gedanken. Schließlich fragte er kleinlaut:

„Wann starre ich denn?“

Simon grinste.

„Immer. In jeder Stunde wandert dein Kopf so nach links.“

Simon machte es theatralisch nach. Ein perfekter Vierzig-Grad-Winkel. In dieser Perspektive sah er von seinem Platz aus ihr glattes, braunes Haar und ihren sanften Rücken... Er hätte nie gedacht, dass es auffallen würde, ein Mädchen derart unauffällig von hinten anzuschauen. Und dabei war Simon noch nicht mal im Englischkurs, wo er ihr fast gegenübersaß...

Er wusste, dass er feuerrot geworden war, und versuchte gar nicht erst, es zu verbergen.

„Und wissen das jetzt alle?“, fragte er völlig geschlagen.

„Keine Ahnung“, tröstete ihn Simon. „Ich kenn dich doch. Na gut, sagen wir, ich schätze mal, dass vielleicht zwei, drei etwas ahnen. Aber was soll’s? Ich meine, wer ist nicht irgendwie in Theresa? Die halbe Klasse war doch bestimmt schon in sie verliebt.“

Kaum hatte ihn die erste Antwort unglaublich beruhigt, gab ihm der letzte Satz einen neuen Schock.

„Die halbe Klasse – das wären alle Jungs!“

„Ja, und? Du kriegst sie doch sowieso nicht. Du versuchst es ja nicht mal!“

Er seufzte. Er wollte trotzdem nicht, dass irgendein einziger anderer Junge auch in sie verliebt war. Dennoch wusste er, dass er sich damit nur selbst belog. Natürlich war Theresa der Schwarm vieler Jungen. Und er sah sehr wohl, mit wie vielen Jungen sie sprach, weil sie mit ihr sprachen. Sein einziges Glück und sein einziger Trost war, dass sie noch keinen festen Freund hatte. Genauer gesagt, ganz offensichtlich noch überhaupt keinen... Und, ja, sein törichtes Herz glaubte daran, dass das so bleiben könnte. Was für ein dummer Junge er war!

„Aber du erzählst es keinem!“, sagte er völlig unmotiviert, noch immer verzweifelt über seine ,Entdeckung’.

„Quatsch, wozu sollte das gut sein? Ich weiß es ja eh schon wochenlang, ach, was sag ich, Monate. Ich hatte nur darauf gewartet, ob du endlich mal von dir aus ein Sterbenswörtchen erwähnst. Aber nein...“ „Monate?“, fragte er kleinlaut. Er liebte sie erst seit Monaten...

*

Er lag in seinem Bett. Simon wusste es also schon so gut wie von Anfang an. Das war dumm. Schlimm. Er hatte gedacht, er hätte sie heimlich nur für sich gehabt... Und Simon hatte es immer gewusst. Er fühlte sein heiliges Verhältnis wie beschmutzt. Er wollte, dass es keiner wusste. Simon war da keine Ausnahme, absolut nicht. Aber nun wusste er es, und das war schlimm genug. Wie wenn er durch sein Wissen jeden Blick beschmutzte, den er ihr heimlich sandte. Es war eine Katastrophe. Wirklich eine Katastrophe.

Er wollte Theresa für sich. Da hatte niemand etwas ... nicht einmal zu wissen. Dafür war es ihm einfach zu heilig. Jede Bemerkung darüber und schon jedes Wissen entweihte dieses Heilige. Es war, wie wenn es sie antastete. Es ging einfach niemanden etwas an, was er für sie empfand. Niemanden. Nicht mal in Gedanken.

In Wirklichkeit war Theresa das schönste Mädchen der ganzen Schule – und nicht nur der Schule. Es gab nämlich gar kein schöneres, könnte nie eines geben. Er fragte sich ernsthaft, wie sie sich in seine Klasse, seine Schule, seine Stadt verirrt hatte. Auf diesen Planeten... Hätte sie sich nicht auf diesen Planeten verirrt, hätte man viele Mädchen kennenlernen können, zum Beispiel Antje, aber noch viele andere. Aber jetzt, wo es sie gab, konnte man sich nur in eine Einzige verlieben. Wieso war sie gerade in seiner Klasse? Wieso durfte er in Englisch genau gegenüber von ihr sitzen, nur zwei, drei Meter von ihr getrennt? Es war für ihn das heiligste Glück überhaupt...