Through your Eyes - Drucie Anne Taylor - E-Book

Through your Eyes E-Book

Drucie Anne Taylor

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Beschreibung

Rayne * * * Ich wollte mich bloß verlieben, doch mein Vater hatte andere Pläne. Der älteste Sohn seines besten Freundes sollte mein Ehemann werden – gegen meinen Willen. Mit aller Macht versuchte ich, mich dagegen zur Wehr zu setzen, aber die schlagenden Argumente meines Erzeugers waren überzeugender als all meine Einwände. Doch an dem Tag, an dem mein Schicksal besiegelt werden sollte, begegnete ich Angus. Er war düster, geheimnisvoll und strahlte so viel Gefahr aus, dass ich mich besser von ihm fernhalten sollte, aber das konnte ich nicht. * * * Angus * * * Sie sollte die Frau meines Bruders werden, aber ich wollte sie für mich, seit ich sie zum ersten Mal gesehen hatte. Nach einem Fluchtversuch Raynes musste ich sie einfangen und dafür sorgen, dass sie der Ehe mit Andrew zustimmte und ihm Gehorsam versprach, wenn da nicht die Anziehungskraft gewesen wäre, die sie auf mich ausübte. Ich wollte Rayne nicht länger ihrem Schicksal überlassen, aber wenn ich sie von hier wegbringen würde, könnte es meinen Tod bedeuten. Allerdings war ich bereit, diesen Preis zu bezahlen, denn dann würde sie zumindest für eine kurze Weile mir gehören. * * * Angus und Rayne. Eine Liebe, die nicht sein darf und doch erblüht. Haben die beiden eine Chance, sich gegen ihre Familien zu behaupten, oder werden sie auseinandergerissen, damit ihre Väter ihre Pläne in die Tat umsetzen können?

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THROUGH YOUR EYES

DRUCIE ANNE TAYLOR

Copyright © 2020 Drucie Anne Taylor

Lektorat / Korrektorat: S. B. Zimmer

Satz und Layout: Julia Dahl

Umschlaggestaltung © D-Design Cover Art

Auflage 1 / 2023

Angelwing Verlag / Paul Dahl

6 Rue Saint Joseph

57720 Obergailbach / Frankreich

angelwing-verlag.de

Alle Rechte, einschließlich das, des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Dies ist eine fiktive Geschichte, Ähnlichkeiten mit lebenden, oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

DIESES BUCH

Rayne

* * *

Ich wollte mich bloß verlieben, doch mein Vater hatte andere Pläne. Der älteste Sohn seines besten Freundes sollte mein Ehemann werden – gegen meinen Willen. Mit aller Macht versuchte ich, mich dagegen zur Wehr zu setzen, aber die schlagenden Argumente meines Erzeugers waren überzeugender als all meine Einwände. Doch an dem Tag, an dem mein Schicksal besiegelt werden sollte, begegnete ich Angus. Er war düster, geheimnisvoll und strahlte so viel Gefahr aus, dass ich mich besser von ihm fernhalten sollte, aber das konnte ich nicht.

* * *

Angus

* * *

Sie sollte die Frau meines Bruders werden, aber ich wollte sie für mich, seit ich sie zum ersten Mal gesehen hatte. Nach einem Fluchtversuch Raynes musste ich sie einfangen und dafür sorgen, dass sie der Ehe mit Andrew zustimmte und ihm Gehorsam versprach, wenn da nicht die Anziehungskraft gewesen wäre, die sie auf mich ausübte. Ich wollte Rayne nicht länger ihrem Schicksal überlassen, aber wenn ich sie von hier wegbringen würde, könnte es meinen Tod bedeuten. Allerdings war ich bereit, diesen Preis zu bezahlen, denn dann würde sie zumindest für eine kurze Weile mir gehören.

* * *

Angus und Rayne.

Eine Liebe, die nicht sein darf und doch erblüht.

Haben die beiden eine Chance, sich gegen ihre Familien zu behaupten, oder werden sie auseinandergerissen, damit ihre Väter ihre Pläne in die Tat umsetzen können?

* * *

INHALT

1. Rayne

2. Angus

3. Rayne

4. Angus

5. Rayne

6. Angus

7. Rayne

8. Angus

9. Rayne

10. Angus

11. Rayne

12. Angus

13. Rayne

14. Angus

15. Rayne

16. Angus

17. Rayne

18. Angus

19. Rayne

20. Angus

21. Rayne

Danksagung

Über die Autorin

Weitere Werke der Autorin

1

RAYNE

Heute.

Heute sollte ein großer Tag werden.

Heute würde ich den Mann kennenlernen, den ich heiraten würde, obwohl ich das sicher nicht wollte.

Dad hatte die Ehe arrangiert – ohne mich zu fragen.

Widerworte? Die hatte er natürlich nicht zugelassen, auch wenn ich gegen ihn gekämpft habe. Hätte Mom uns nicht unterbrochen, wäre der Streit mächtig eskaliert, jedoch hatte sie mich aus dem Esszimmer gelotst und William, mein Bruder, hatte sich um unseren Vater gekümmert.

Wir lebten im einundzwanzigsten Jahrhundert und Dad arrangierte einfach eine Ehe für mich.

Warum?

Ich konnte es einfach nicht verstehen. Wenn die Dinge schwierig wurden, wurde man weggeschickt, oder man war eine Last, so wie Dad mich gern nannte. Dann durfte man die teuersten Internate der Schweiz besuchen und sogar in Großbritannien studieren.

So wie ich.

Ich lag im Bett.

Mein Schlafzimmer war ein riesiger Raum, der an einen weiteren angeschlossen war. Wir lebten in einem Herrenhaus auf Staten Island und mein Bruder und ich hatten das gesamte erste Obergeschoss für uns, außer es waren Gäste im Haus, denn die quartierten meine Eltern für gewöhnlich in den beiden Gästezimmern ein, die sich ebenfalls auf dieser Etage befanden. Wir hatten unsere Suiten, bestehend aus Wohn-, Schlaf- und Badezimmer. So hatte man wenigstens das Gefühl, auf eigenen Beinen zu stehen, na ja, nicht wirklich, denn wir befanden uns immer noch unter den Schwingen unseres Vaters. Er hatte das Sagen, niemand stellte seine Entscheidungen infrage, außer mir. Ich war so mutig, aber das lag vermutlich daran, dass ich ihn in den letzten sechzehn Jahren immer nur in den Sommerferien und zu Weihnachten erlebt hatte. Ich hatte nicht jedes Weihnachtsfest zu Hause verbracht, an manchen blieb ich in der Schweiz oder in Großbritannien, weil man mich nicht daheim haben wollte.

Es klopfte an der Tür und ich richtete mich auf, danach rutschte ich aus dem Bett und lief zur Wohnzimmertür, der einzige Zugang zu meiner Suite, dort angekommen öffnete ich sie. »Was gibt’s?«

Naomi, meine Schwägerin, die in meinem Alter war, stand vor mir. »Deine Mom schickt mich. Ich soll dir die hier bringen«, sagte sie und hielt zwei Kleiderhüllen hoch. »Du sollst eines der Kleider anziehen und gleich kommt eine Kosmetikerin, die dir die Haare und das Make-up macht.«

Ich schnaubte genervt. »Gibt’s irgendeine Möglichkeit, dieser Sache zu entgehen?«

Sie wackelte mit dem Kopf, bis sie zaghaft nickte. »Wir können uns später absetzen. Mein Leibwächter hilft mir immer, mich aus dem Staub zu machen, sobald die Männer im Herrenzimmer verschwinden.«

»Im Herrenzimmer?«, hakte ich nach.

»Na ja, im Büro deines Dads«, antwortete sie. »Aber sie nennen es Herrenzimmer, weil dort nur die Männer Zutritt haben.«

»Mich würde interessieren, was sie dort besprechen.«

»Mich auch, aber dein Bruder ist ziemlich verschlossen«, sagte sie seufzend. »Darf ich reinkommen?«

»Klar«, erwiderte ich und trat einen Schritt zur Seite. Ich räusperte mich. »Sag mal, redet Will überhaupt mit dir?«

»Ja, aber das beschränkt sich auf Kleinigkeiten, wenn wir nicht allein sind, ansonsten weiß ich recht viel, aber sicher nicht alles.«

Ich hob eine Augenbraue. »Er vertraut dir nicht und trotzdem seid ihr verheiratet?«

»Tja, wie das mit arrangierten Ehen eben so ist, hm? Aber inzwischen verstehen wir uns gut, mit der Zeit kam die Liebe und wir vertrauen einander.« Sie schenkte mir ein Lächeln. »Und wenn ich ehrlich bin, will ich gar nicht so genau wissen, was dein Dad mit ihm und den anderen bespricht.«

»Eure Ehe war auch …«

»Ja, war sie.« Naomi legte die Kleiderhüllen über die Rückenlehne der überaus altmodischen Couch. »Wir wurden nicht gefragt und einander erst ein paar Monate vor unserer Hochzeit vorgestellt, aber wir haben uns sofort sehr gut verstanden. Es war also kein allzu schlechtes Los.«

Meine Miene entglitt mir mit der Geschwindigkeit eines Güterzugs. »W-was?«

»Du hast mich verstanden.« Sie seufzte, ging um das Sofa herum und setzte sich auf den anderen Zweisitzer, der jenem mit den Kleiderhüllen gegenüberstand. »Andrew ist nett, freundlich und wirklich charmant. Ich bin mir sicher, dass du ihn mögen wirst.«

Daraufhin schüttelte ich den Kopf. »Das kann ich mir nicht vorstellen, aber ich lasse mich überraschen. Er soll ja recht gutaussehend sein, also wird er sicher nicht schwer zu finden sein, wenn die Gäste da sind.«

Naomi lachte leise. »Das stimmt wohl, wenn man so an die Bekannten unserer Väter denkt.«

Ich schmunzelte. »Also, auf einer Skala von eins bis zehn, wie schlimm sind die Kleider?«

»Eins für furchtbar, zehn für sehr gut oder andersrum?«, wollte sie wissen.

»Andersrum, genau. Zehn ist die absolute Katastrophe, eine eins kann man tragen«, entgegnete ich grinsend, auch wenn es mir total gegen den Strich ging, diesen Abend mit dem Kennenlernen meines ungeliebten Zukünftigen zu verbringen. Hoffentlich konnte Naomi dafür sorgen, dass wir dieser unsäglichen Party später entfliehen konnten.

»Okay, dann sind es glatte Vieren, würde ich sagen, aber ich habe noch genug Auswahl in meinem Kleiderschrank, falls du keines der Kleider anziehen willst, die deine Mom ausgesucht hat.«

Ich nickte und ging todesmutig an die Kleiderhüllen. »Okay, wünsch mir Glück, dass ich sie tragbar finde.« Seufzend öffnete ich die erste Hülle und riss die Augen auf. »Okay, das ist sogar eine glatte siebenunddreißig auf der Skala von eins bis zehn«, stellte ich schockiert fest, was Naomi zum Lachen brachte.

»Ganz so schlimm ist es auch nicht.«

»Es ist neonpink, eigentlich müsste es eine zweihundertzehn sein.«

Amüsiert schüttelte sie den Kopf. »Das andere ist mintgrün, vielleicht gefällt dir das besser.«

»Na gut, dann wagen wir mal einen Blick.« Ich öffnete die zweite Kleiderhülle und holte das Kleid heraus. »Es ist nicht schlecht, aber wer trägt heutzutage noch bodenlange Kleider?«

»Da gibt’s einige Leute. Deine Mom, meine Mom, meine Schwestern, dein Bruder … Nein, Moment«, sagte sie irritiert und ich konnte mich vor Lachen kaum halten. »Nicht dein Bruder, wie komme ich jetzt auf William?«

»Vielleicht ist das ja ein Fetisch von ihm, den du mir gerade verraten hast.«

Prustend winkte sie ab. »Keine Sorge, er trägt nur meine Slips«, sagte sie ruhiger und voller Sarkasmus.

»Ich bin gerade nicht sicher, ob ich das glauben soll oder nicht, auch wenn du sehr sarkastisch geklungen hast.«

»Tja«, erwiderte sie grinsend, was ihr unheimlich gut zu Gesicht stand. »Wollen wir in meinen Kleiderschrank sehen? Vielleicht finden wir dort etwas Passendes für dich, wir haben ja in etwa dieselbe Größe.«

Ich nickte hektisch. »Ich bitte darum.«

»Ich glaube, dir würde ein grünes Kleid sehr gut stehen oder ein türkises«, meinte sie, als sie sich erhob.

»Ich bin gespannt, was du anzubieten hast.« Anschließend folgte ich Naomi aus meiner Suite und verschwand gemeinsam mit ihr in der gegenüberliegenden, in der sie mit meinem älteren Bruder lebte. William war fünfundzwanzig, ich zweiundzwanzig und Naomi war nur wenige Monate älter als ich. Im Gegensatz zu mir hatte sie ihr Studium abgebrochen, aber ihr Leben war ungefähr wie meines verlaufen. Sie hatte ein Internat in Deutschland besucht, danach war sie nach Oxford gegangen und schließlich hatten ihre Eltern sie zurück in die Staaten geholt, obwohl sie die Uni noch nicht beendet hatte. Es war unglaublich, dass unsere Eltern uns derart viele Steine in den Weg legten, um uns bloß gut zu verheiraten. Warum auch immer sie unsere Ehen arrangierten, aber so lief es in meiner Familie seit Jahren. Die erste Frau meines Vaters starb ziemlich jung und schwanger mit seinem ersten Kind, man hatte noch versucht, es zu retten, aber es war zu spät. Sie wurde mit dem Baby im Arm beerdigt. Als kleines Mädchen hat er mich mal mit zum Friedhof genommen, danach nie wieder und ich durfte auch nicht darüber sprechen. Das war, glaube ich, der einzige gemeinsame Ausflug, den wir in meinem Leben gemacht haben – und das ist mehr als traurig.

»So, ich habe hier ein rotes Kleid, aber du bist ziemlich blass und es würde dich noch blasser machen«, sagte Naomi, die in ihrem begehbaren Kleiderschrank stand. »Oh, hier ist das türkise Kleid, das ich meinte.« Sie nahm es von der Kleiderstange und brachte es zu mir. »Welche Schuhgröße hast du?«

»Sieben«, erwiderte ich.

»Also siebenunddreißig, wenn man nach deutscher Größentabelle geht«, stellte sie fest und verschwand noch einmal im Schrank. »Hier sind die passenden Schuhe dazu und die Stola. Wenn du willst, kannst du das Kleid gleich hier anprobieren«, bot sie gut gelaunt an.

»Ich gehe lieber rüber, bevor mein Bruder hereinplatzt und mich in meiner Unterwäsche sieht«, gab ich zurück. »Danke für die Hilfe, Naomi, ich hoffe, es passt mir.«

»Ich bin mir sicher, dass es dir passen wird.«

Ich verzog meine Lippen zu einem Lächeln. »Ich weiß das wirklich zu schätzen, Naomi, wir beide kennen uns eigentlich gar nicht und du hilfst mir, damit ich nicht in einem dieser grauenhaften Fummel herumlaufen muss, die meine Mutter ausgesucht hat.«

»Das mache ich gern, Rayne.« Sie deutete zur Tür. »Die Kosmetikerin müsste gleich kommen, deshalb solltest du dich jetzt besser umziehen.«

Nickend wandte ich mich von ihr ab und machte mich auf den Weg in meine Suite.

* * *

Eineinhalb Stunden später, weil die Kosmetikerin nicht in der Lage war, eine vernünftige Hochsteckfrisur zu zaubern, war ich fertig. Letztlich hatte ich meine Haare ausgebürstet und mithilfe einer Haarspange hatte ich zwei breite Strähnen an meinem Hinterkopf festgesteckt. Das Make-up war dezent und ich hatte keine Ahnung, wieso sie so lange an mir herumgepinselt hatte, wenn man sowieso kaum sah, dass ich geschminkt war. Ich hatte das Gefühl, eine Maske zu tragen, aber das lag wohl daran, dass ich mich ziemlich selten schminkte. Ich mochte es nicht, außerdem war ich vergesslich, sodass ich oftmals mit dem Make-up ins Bett ging und mich am nächsten Tag über Pickel ärgern musste. Hoffentlich dachte ich heute ans Abschminken, aber wenn dieses Gefühl bleiben würde, zweifelte ich nicht daran, dass ich es vergaß.

Ich stand vor dem Spiegel und betrachtete mich. Naomis Kleid war toll, aber ich fühlte mich verkleidet, überhaupt war dies gar nicht mehr meine Welt. Ja, ich genoss den Reichtum meiner Familie, aber damals mehr als heute. Seit ich zurück war, hatte Dad mir zwei Leibwächter an die Seite gestellt und gemeint, dass ich den Schutz nötig hätte. Er war nicht einmal besonders einflussreich, sondern hatte sein Geld mit Aktiengeschäften gemacht. Aber gut, jede wohlhabende Familie war ein Ziel von Verbrechern – so hatte Mom es mir zumindest erklärt. Er wollte kein Risiko eingehen und von vornherein vermeiden, dass ich entführt werde – denn in dem Fall hätte der arme, arme Kerl ja das Lösegeld zahlen müssen.

»Rayne?«, rief meine Mutter ungeduldig – ich verdrehte die Augen.

Ich drehte mich vom Spiegel weg und lief ins Wohnzimmer. »Was gibt’s?«

»Die ersten Gäste sind gekommen, ich möchte dich bitten, dich uns anzuschließen. Dein Bruder und deine Schwägerin sind auch schon unten, um sie zu begrüßen«, antwortete sie und betrachtete mich. »Warum trägst du dieses Kleid? Ich habe dir extra zwei schicke Abendkleider gekauft.«

»Weil dieses hier eher meinem Stil entspricht als deine Wahl«, erwiderte ich aufrichtig. »Mom, die Kleider waren schön, aber zu verspielt. Ich bin zweiundzwanzig und keine dreizehn mehr.« Ich seufzte schwer, weil sie das Gesicht zu einer traurigen Miene verzog. »Tut mir leid, falls ich dich gekränkt haben sollte, Mom.«

»Keine Sorge, Liebes, ich sehe eben immer noch meine kleine Tochter in dir.« Ihre Stimme klang warm, aber ihr Blick sprach eine andere Sprache, die ich noch nicht verstand. Ich kannte meine Mom eigentlich gar nicht, da ich fast zu Hause gewesen war, seit ich sechs Jahre alt war.

Mir wurde fast schlecht. Wenn ich immer noch ihre kleine Tochter war, warum hatte sie sich dann damit einverstanden erklärt, mich gegen meinen Willen zu verheiraten? »Gehen wir dann nach unten, damit ich den Mann kennenlerne, den ihr mich zwingt zu heiraten?«, fragte ich neutral, um sie nicht aufzuregen.

Mom seufzte schwer. »Dein Vater ist der festen Überzeugung, dass Andrew und du euch gut verstehen werdet, Rayne.«

»Abwarten«, stieß ich aus und sah an mir herunter. »Gehen wir?«

»Sicher.« Sie schenkte mir ein Lächeln, das ihre blauen Augen nicht erreichte, dann wandte sie sich von mir ab.

Ich folgte Mom auf den Flur, verschloss die Tür meiner Suite und steckte den Schlüssel in die Clutch, die Naomi mir geliehen hatte. Sie passte perfekt zu dem türkisfarbenen Kleid, in dem ich mich verkleidet fühlte. Ich hatte es nie gemocht, mich aufzutakeln, es war mir zuwider, aber meine Eltern bestanden darauf. Man durfte es nicht wagen, in einer Jeans und einer Bluse auf einer ihrer Partys aufzukreuzen, das wäre ja wohl was gewesen, außerdem musste eine Baxter immer etwas hermachen, wenn man Moms Worten glaubte.

Wir erreichten das Erdgeschoss und ich hörte die klassische Musik aus dem Wohnzimmer schallen. Vermutlich hatten sie wieder alle Möbel aus dem Raum holen lassen, damit umso mehr Gäste Platz hatten. Wann immer sie einen Empfang oder eine Party gaben, wurde es so gemacht. Das hatte sich seit meiner Kindheit nicht verändert.

»Da seid ihr ja endlich«, sagte Dad, der mich finster ansah. »Warum trägst du keines der Kleider, die deine Mutter ausgesucht hat?«

»Weil ich dieses hier schöner finde«, antwortete ich tonlos. »Hast du neuerdings ein Problem damit, dass ich meinen eigenen Geschmack habe?«

Ein Knurren rollte seine Kehle hoch. »Du solltest mich heute Abend nicht provozieren, Rayne.«

»Ich provoziere dich nicht, sondern habe dir eine einfache Frage gestellt. Solange ich nicht aussehe, als wäre ich gerade aus dem Bett gefallen, wäre es toll, wenn du mich in Ruhe lässt.« Ich schnaubte. »Oh, das hätte ich fast vergessen, ich bin ja bald sowieso nicht mehr dein Problem, weil du mich verramschst wie ein Stück Vieh!« Danach drehte ich mich weg und wollte ins Wohnzimmer gehen, aber Dad umklammerte meinen Oberarm und zog mich ruckartig zu sich.

»Pass auf deinen Ton auf, junge Dame.«

»Sonst was?«, hakte ich bissig nach. »Wirst du mich sonst vor all deinen Gästen ohrfeigen oder mir den Hintern versohlen?«

»John, sie ist bloß aufgeregt«, mischte Mom sich ein.

»Sei still, Robin!«, sagte er schneidend und zerrte mich mit sich. Dad schubste mich in sein Büro, die Tür warf er mit Wucht ins Schloss. »Was ist eigentlich in dich gefahren?«

»Was in mich gefahren ist?«, echote ich ungläubig. »Was ist denn bitte in dich gefahren? Du arrangierst Ehen für uns, als wären wir im verfickten Mittelalter, aber du fragst mich, was mit mir los ist?«, wollte ich wissen.

Dad kam näher, doch ließ ich mich nicht einschüchtern, auch wenn ich ihm gerade einmal bis an die Schultern reichte. »Hüte deine Zunge, Rayne!«

»Du kannst mich mal!«, schoss ich mit gleicher Intensität zurück.

Mein Vater holte aus und verdankte es nur meiner schnellen Reaktion, dass seine Ohrfeige mich nicht traf. »Du wirst dich respektvoll verhalten, hast du mich verstanden?«

»Dann mach dieses Arrangement rückgängig, denn ich werde Andrew Carter nicht heiraten!«, schrie ich ihn an. Wow, wir waren bei der Hochzeitsdikussion Teil vierhundertachtundzwanzig angekommen. Na gut, es waren nicht ganz so viele, aber sie waren sicher schon im dreistelligen Bereich, bloß hatte er mich sonst immer recht zügig mundtot gemacht.

»Ich werde es nicht rückgängig machen. Du wirst Andrew Carter heiraten, ihn lieben, ehren und treu an seiner Seite stehen; du wirst ihm gehorchen und tun, was er dir sagt, wenn er es dir sagt. Ist das endlich angekommen?«

»Nein!«

Diesmal war ich zu langsam, als seine Hand hervorschnellte. Dad umklammerte meinen Hals und trieb mich gegen eines der Bücherregale, die alle Wände, außer der verglasten Front, säumten. Er drückte mich so fest dagegen, dass sich einer der Regalböden schmerzhaft in meinen Rücken drückte. »Diese Diskussion ist jetzt ein für alle Mal beendet, Rayne. Mir reicht’s mit dir. Diese Ehe ist für die Familie von großer Wichtigkeit, also trag deinen Teil dazu bei, denn du würdest sowieso niemanden finden, der dich lieben könnte.« Als er meinen trotzigen Blick sah, holte er mit der linken Hand aus und ohrfeigte mich so fest, dass ich Blut schmeckte, seine rechte drückte meinen Hals zu.

»Dad«, keuchte ich mit aufgerissenen Augen.

Aber er hörte nicht, stattdessen traf mich auch noch seine Rückhand, so ging es weiter, bis ich acht Ohrfeigen gezählt hatte. Schließlich ließ er von mir ab und trat einen Schritt nach hinten.

Schwer atmend sank ich an dem Regal hinab, bis ich auf dem Boden saß. Ich atmete schwerfällig ein, da der Sauerstoffmangel mir zugesetzt hatte, und hustete.

»Bring deine Haare und dein Make-up in Ordnung, danach kommst du gefälligst nach unten und verhältst dich so, wie du erzogen wurdest.«

»Dummerweise habt ihr mich nicht erzogen, sondern die Lehrer in der Schweiz«, hielt ich dagegen und kam umständlich auf die Beine.

»Provozierst du mich etwa schon wieder?«

Ich sagte nichts mehr, sondern wollte an ihm vorbeigehen, aber Dad versperrte mir den Weg.

»Antworte!«

»Verzeih meinen Ausbruch, Vater«, gab ich mechanisch von mir, um meine Ruhe zu haben. Tränen brannten in meinen Augen und ich wusste, ich durfte sie nicht weinen, um das Make-up nicht zu ruinieren.

Mit einem leisen Knurren wandte er sich von mir ab und ging an die Tür, die er öffnete. »Denk an meine Worte, Rayne.«

Ich dachte viel mehr an seine schlagenden Argumente. Es war das erste Mal gewesen, dass mein Vater mir gegenüber handgreiflich wurde, und es hatte mich erschreckt. Aber ich hatte ihm nicht die Genugtuung geben wollen, mich verängstigt zu sehen.

Ich sollte abhauen und das ganz schnell. Vielleicht konnte Naomi mir helfen, von hier aus zum Flughafen zu kommen, von dort würde ich mir ein One-Way-Ticket in die Karibik kaufen oder so. Jedenfalls würde ich dorthin reisen, wo sie mich nicht vermuten würden. Mein Handy würde ich hierlassen, damit sie mich nicht orten konnten, und dann würde ich ein selbstbestimmtes Leben führen, statt mich in eine Ehe zwingen zu lassen, die mich nicht glücklich machen würde.

* * *

2

ANGUS

Eine weitere Party im Hause Baxter.

Wenn er nicht der Stellvertreter meines Vaters gewesen wäre, hätte ich mich hier nicht blicken lassen, aber heute Abend sollte die Verlobung zwischen Andrew und Baxters Tochter verkündet werden – und ich musste zugeben, dass ich neugierig auf die Kleine war. Vor zwei Jahren hatte sein Sohn meine Cousine geheiratet, dieses Jahr sollte mein Bruder seine Tochter heiraten. Es kam nicht oft vor, dass die Kinder der Familien untereinander verheiratet wurden, aber in dieser Generation bot es sich wohl an. Wie auch immer, ich scherte mich einen Scheiß darum, denn ich ging glücklicherweise ledig aus dieser Angelegenheit heraus.

Ich ließ meinen eingeschränkten Blick schweifen. Diese gottverdammte Augenklappe machte mich wahnsinnig, aber lieber verbarg ich meine Verletzung auf diese Weise, statt sie jedem zu zeigen. Bei einer Schlägerei wurde mein rechtes Auge verletzt, was auch nur geschehen war, weil sich jemand mit einer zerbrochenen Flasche eingemischt hatte. Ich war erst vor zwei Wochen in die Stadt zurückgekehrt, vorher war ich in Mitteleuropa und Südamerika unterwegs, um ein paar Geschäftsbeziehungen zu festigen und neue zu knüpfen. Beides war mir sehr gut gelungen und so wurde nun feinstes Koks aus Argentinien geliefert, die besten Waffen aus Europa und viele andere Dinge, die jeden Normalsterblichen lebenslänglich in den Knast gebracht hätten, aber uns nicht, denn die Familien hatten sowohl die Polizei als auch die Politik fest in der Hand.

»Da bist du ja«, sagte mein Bruder mit finsterer Miene. »Ich dachte schon, du würdest nicht kommen.«

»Ich würde es mir doch niemals entgehen lassen, deine Verlobte kennenzulernen«, antwortete ich und ließ mich zu einem abfälligen Grinsen hinreißen. Mein Bruder war in etwa genauso glücklich darüber, verheiratet zu werden, wie über die Entfernung einer Kugel, die ohne Betäubung durchgeführt wurde.

»Ahahaha«, gab er trocken von sich und schüttelte den Kopf. »Hast du sie schon gesehen?«

»Wen?«

»Rayne?«

»Ist das die Kleine, die du heiraten sollst?«, wollte ich wissen.

»Ja, sie ist Baxters Tochter. Ich kenne sie nicht, na ja, ich weiß nur, dass ich sie als Kind mal getroffen habe, mehr aber nicht«, antwortete er übellaunig.

Ich ließ noch einmal meinen Blick schweifen, mit dem ich nicht mal alles registrieren konnte, da mir das volle Sichtfeld fehlte. »Wie sieht sie denn aus?«

»Angeblich wie eine jüngere, aber wesentlich hübschere Ausgabe ihrer Mutter«, sagte er.

»Guten Abend, die Herren«, grüßte Mrs. Baxter uns just in diesem Moment. Wundervoll, wenn man vom Teufel sprach, tauchte er sogleich auf und verlangte sein Opfer, aber das würde heute nicht ich sein.

»Guten Abend, Mrs. Baxter«, erwiderten wir nacheinander.

Sie sah meinen Bruder aufmerksam an. »Rayne wird gleich kommen. Sie muss sich frischmachen, weil sie so aufgeregt ist, Sie kennenzulernen, Andrew.« Ihr Lächeln erreichte nicht einmal ihre Augen, aber es hätte mich sowieso nicht überzeugt, selbst wenn es doch der Fall gewesen wäre.

Meine Augenbraue glitt in die Höhe. Das Mädchen sollte aufgeregt sein? Ich fragte mich wirklich, was diese Familie dachte, was Sache war. Oder war es so, dass Rayne sich freute, meinen Bruder heiraten zu müssen, obwohl er alles andere als glücklich darüber war?

Hoffentlich endete dieser Abend nicht in einer Katastrophe.

»Guten Abend, Robin«, sagte mein Vater. »Schön, dich zu sehen.«

Mrs. Baxter schenkte ihm ein aufrichtiges Lächeln – ich war überrascht, dass sie es konnte. »Es freut mich auch sehr, Adrian«, erwiderte sie freundlich und reichte ihm die Hand.

»Wo stecken denn John und deine Tochter?«, meinte er.

»Rayne muss sich noch frischmachen, weil sie so aufgeregt ist«, mischte ich mich ein und hoffte, das Amüsement darüber verbergen zu können.

Er schaute mich wachsam an, aber ich sah an seinem Blick, dass er alles andere als amüsiert war. Er schickte mir eine stumme Warnung, die ich hinnahm und mit einem knappen Nicken kommentierte.

»Entschuldigt mich bitte«, sagte ich schließlich und sah meinen Bruder an. »Holen wir uns einen Drink?«

»Sicher«, entgegnete er sofort, entschuldigte sich ebenfalls bei unserem Vater und ging mit mir an die Bar, die aufgebaut war. Whiskey wurde scheinbar nicht von den Kellnern serviert, denn die rannten bloß mit Tabletts voller Champagnerflöten herum. Ich mochte diese Anlässe nicht, noch weniger konnte ich dieses Haus leiden. Und wäre es nach mir gegangen, wäre ich gar nicht erst hier aufgetaucht, jedoch hatte Andrew mich darum gebeten, ihm Rückendeckung zu geben, falls das Kennenlernen mit Rayne nicht so gut laufen sollte.

»Zwei Whiskey bitte«, sagte ich zum Barkeeper, ohne ihn anzusehen. Ich drehte mich mit dem Rücken zu ihm.

»Doppelte«, mischte Andrew sich ein. Das war so typisch für ihn. Er trank gern zu viel und ich hoffte, dass er sich heute so gut im Griff hatte, dass er sich bei seiner Zukünftigen nicht gleich unbeliebt machte.

Eine junge Frau mit langen dunkelbraunen Locken betrat das Wohnzimmer und sah sich um. Sie trug ein türkisfarbenes Kleid, das ihren Kurven mehr als nur schmeichelte. Verdammt, ich hatte noch nie so ein schönes weibliches Geschöpf gesehen. Ihr Blick fing meinen auf, bevor sie ihren abwandte und sich zu William Baxter und seiner Frau, meiner Cousine, begab. Die drei unterhielten sich miteinander und noch einmal schaute sie zu mir.

Ich zog meinen rechten Mundwinkel hoch, zeigte ihr ein halbes Lächeln und konnte nicht anders, als sie die ganze Zeit anzustarren.

»Angus?«

Kopfschüttelnd schaute ich meinen Bruder an. »Was ist?«

»Dein Whiskey.« Er reichte mir das Glas.

»Danke.« Wir stießen miteinander an und ich trank einen großen Schluck. »Wie soll deine Zukünftige eigentlich aussehen?«

»Sie ist recht groß, schlank, zahlreiche Kurven, lange dunkelbraune Locken und sie hat grünblaue Augen.«

»Dann hat sie vorhin den Raum betreten, wobei ich ihre Augenfarbe nicht bis hierher erkennen konnte«, erwiderte ich ungerührt, um ihm nicht zu zeigen, dass sie mir gefiel.

»Wo?«

»Sie steht bei William und Naomi«, antwortete ich. »Sollen wir uns zu ihnen gesellen?«

»Sicher.«

Gemeinsam setzten wir uns in Bewegung. Mit William verband mich eine Art Hassliebe, da wir als Jugendliche oft miteinander konkurrieren mussten, wenn es um unsere Ausbildung ging. Im Gegensatz zu den Mädchen der Familien wurden wir nicht auf Internate nach Europa geschickt, sondern mussten uns der knallharten Ausbildung des Councils stellen – neben den Tücken des Erwachsenwerdens.

Liebe?

Die erfuhren wir nicht, sondern täglichen Drill und wenn wir keinen Gehorsam zeigten, setzte es Prügel. Ich kann nicht zählen, wie oft Iwan, der Ausbilder des Councils, mich ausgepeitscht oder zusammengeschlagen hatte, aber der Tag, an dem ich mich wehrte, ließ damals nicht lange auf sich warten. Mit achtzehn Jahren setzte ich mich zur Wehr und versetzte ihm mehrere so feste Schwinger, dass er einige Zähne verloren hatte. Von diesem Tag an hatte ich meine Ruhe vor der Peitsche, dem Waterboarding und dem militärischen Drill, der sonst an der Tagesordnung stand.

»Guten Abend, William«, grüßte Andrew ihn freundlich. »Naomi.« Sein Blick fiel auf die mysteriöse Unbekannte. »Und wir beide wurden uns noch nicht vorgestellt.« Er streckte seine Hand aus. »Andrew Carter, guten Abend.«

Sie hob eine Augenbraue. »Dann sind Sie das Arschloch, das ich heiraten soll, weil’s nicht in der Lage ist, sich eine Frau zu suchen«, sagte sie abfällig, jedoch schenkte sie ihm ein zuckersüßes Lächeln.

Ich presste meine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, um nicht zu lachen.

»Guten Abend, Andrew«, erwiderte William unseren Gruß freundlich. »Angus.« Das klang wiederum weniger freundlich.

Ihr Blick fiel auf mich, aber sie sagte nichts.

»Darf ich euch meine Schwester Rayne vorstellen?«

»Nein, darfst du nicht«, mischte sie sich ein und wandte sich ab, jedoch war mein Bruder schneller und ergriff ihre Hand.

»Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Rayne.«

»Das kann ich nicht zurückgeben«, erwiderte sie, entzog ihm ihre Finger ruckartig und ließ uns stehen.

Ich schnaubte amüsiert. »Glückwunsch, Bruder, die Frau hat Feuer.«

»Und ich bin mir sicher, dass sie euch die Hölle heißmachen wird«, meinte Naomi, meine jüngere Cousine, seufzend.

»Dann ist sie wohl nicht einverstanden«, stellte Andrew fest.

»Na, du hast doch gesehen, wie sehr sie sich gefreut hat, dich kennenzulernen, du Arschloch, das nicht in der Lage ist, sich eine Frau zu suchen«, merkte ich amüsiert an, was ihm ein Kopfschütteln und William ein leises Lachen entlockte.

»Wundert es dich? Sie kam erst vor Kurzem aus Europa zurück, war stolz auf ihren Abschluss und dann verkündet John, dass sie heiraten muss, weil er eine Ehe arrangiert hat«, entgegnete Naomi, allerdings sah sie mich an. »Was ist mit deinem Auge passiert?«

»Ein kleiner Unfall«, tat ich es ab, obwohl es immer noch fraglich war, ob sich mein Auge von der Verletzung erholen würde. Es war unklar, ob ich die Augenklappe je wieder loswerden würde oder nicht.

»Ah, wie klein?«

»Zerbrochene Glasflasche bei einer Meinungsverschiedenheit«, ließ ich sie wissen. »Aber heute Abend geht’s nicht um mich, sondern um Andrew und Rayne.«

»Apropos Rayne, ich werde mal nach ihr sehen«, sagte Naomi und entzog ihrem Mann, der beeindruckend still war, den Arm. »Ich bin gleich wieder da, Darling.«

Er nickte ihr zu. »In Ordnung.«

»Ich begleite dich«, wandte ich mich an Naomi und folgte ihr durch das Wohnzimmer. »Meinst du, sie wird sich noch fügen oder macht sie ein Drama aus der Angelegenheit?«

»Sie wird ein Drama daraus machen. Rayne ist vorhin schon mit John aneinandergeraten. Nachdem sie in seinem Büro waren, kam sie ziemlich verstört wieder heraus und lief zitternd auf ihre Suite.«

»Meinst du, er hatte schlagende Argumente?«, wollte ich wissen.

»Davon gehe ich aus. Rayne und John geraten ständig aneinander, weil sie sich nicht verheiraten lassen will, aber heute ist das Ganze eskaliert.«

Wir betraten die Terrasse und an der steinernen Balustrade stand sie. Rayne Baxter in ihrer vollen Schönheit, auch wenn ich nur ihren Rücken sehen konnte. Scheiße, ich sah nur ihre Rückansicht und trotzdem meldete sich mein Schwanz mit einem Ziehen zu Wort.

»Rayne?«, machte Naomi sie auf uns aufmerksam.

Sie begradigte ihre Haltung und drehte sich zu uns um. Ihr Blick streifte mich nur kurz, bevor er auf meine Cousine fiel. »Was gibt’s?«

Naomi trat näher, doch ich rührte mich nicht vom Fleck. »Ist alles in Ordnung?«

»Ja, alles bestens«, erwiderte Rayne mit dünner Stimme.

Naomi schaute zu mir. »Ich habe dir Angus gar nicht vorgestellt.« Sie winkte mich heran, ich setzte mich in Bewegung.

»Guten Abend, Ms. Baxter«, sagte ich freundlich und streckte die Hand aus.

Rayne sah sie kurz an, bevor sie mir ihre reichte und ich sie schütteln konnte. »Freut mich, Sie kennenzulernen, Angus.«

»Mich auch, Rayne.« Ich gab sie frei und sah hinter mich, auch wenn es unhöflich war, aber ich fühlte mich beobachtet. Und den Grund dafür, hatte ich schon ausgemacht. William und Andrew standen an der Terrassentür und schauten zu uns.

»Entschuldigt mich bitte, ich friere und bin müde. Ich denke, ich werde mich zurückziehen«, meinte Rayne und schob sich an uns vorbei. Warum ergriff sie denn ständig die Flucht? Schnellen Schrittes ging sie auf die Terrassentür zu, doch unsere Brüder stellten sich ihr in den Weg. William sprach eindringlich auf sie ein, weshalb sie mit dem ganzen Körper versteifte, auch erkannte ich, dass sich ihre Schultern schwerfällig hoben und senkten. Sie schien, sich alles andere als wohlzufühlen. Aber das war in ihrer Situation kein Wunder.

Als ich mich zu ihnen begeben wollte, ergriff Naomi mein Handgelenk.

»Du solltest Andrew seine Schlachten alleine schlagen lassen, immerhin ist er der Ältere von euch beiden«, meinte sie und grinste, als ich sie ansah. »Sonst wird er nie mit ihr zurechtkommen.«

»Ich fürchte, er wird sich nicht allzu viel von ihr gefallen lassen«, entgegnete ich nachdenklich, als ich die Szene an der Terrassentür wieder beobachtete.

»Rayne sich auch nicht.«

»Kennst du sie gut?«

»Ich habe sie auch erst am Tag ihrer Rückkehr kennengelernt, aber wir verstehen uns ganz gut.«

»Das ist dann wohl der Grund dafür, dass sie eines deiner Kleider trägt«, stellte ich fest, da ich das Kleid ganz gut kannte. Naomi hatte es schon ewig und erst vor Kurzem bei einem Abendessen unserer Familie getragen. Jedoch wunderte es mich, dass Rayne ihre Sachen auftrug.

»Ja, aber der andere ist, dass Robin Kleider für Rayne ausgesucht hat, die sie ganz furchtbar fand, deshalb habe ich ihr dieses geliehen.« Naomi räusperte sich. »Sie scheinen, ruhiger miteinander zu sprechen, und sie hat Andrew endlich die Hand gereicht.«

»Fragt sich nur, wie William das geschafft hat«, antwortete ich nachdenklich. »Wird sie von ihrer Familie unter Druck gesetzt?«

Naomi atmete tief durch. »John lässt nicht mit sich diskutieren und sagte ihr, dass sie keine Wahl hat. Also ja, er setzt sie unter Druck, aber ich fürchte, sie wird nicht nachgeben.«

»Dabei werden sie heute offiziell als Paar vorgestellt.«

»Und alle wissen, dass die beiden einander nicht kennen, weil Rayne genauso wie ich früh nach Europa aufs Internat geschickt wurde.«

»Aber sie durfte ihre Ausbildung zu Ende bringen, nicht wahr?«

»Richtig«, stimmte Naomi nickend zu.

Meine Cousine hatte ihr Studium abbrechen müssen, da Onkel Raymond sie nach Hause geholt hatte, um sie mit William zu verheiraten. In der Hierarchie stand mein Onkel nicht besonders weit oben, mein Vater war der unbestrittene Anführer des Councils, aber John stand gleich hinter ihm. Und damit war William eine gute Partie, nur Andrew und ich waren die besseren, die es in diesen Familien gab, und ich sah mein Schicksal schon vor mir. Ich schätze, ich würde auch noch irgendeine Frau heiraten müssen, um die Geschäftsbeziehungen der Familie zu stärken, denn außer mir waren nur weitere Söhne übrig.

»Oh oh«, stieß Naomi aus, weshalb ich meine Gedanken beiseiteschob.

»O Fuck«, stimmte ich mit ein und zog die Stirn kraus.

Mein Vater und John standen bei Rayne und Andrew. Während mein Bruder sich mit ihnen unterhielt, verhielt sie sich absolut ruhig und wich den Berührungsversuchen ihres Dads aus. Es war offensichtlich, dass sie ihn verachtete. William stand ebenfalls bei ihnen, während die Männer sich unterhielten und John einen weiteren Versuch unternahm, Rayne zu berühren, entfernte sie sich von ihnen. Sein mahnender Blick schien sie nicht besonders zu interessieren, genauso wenig beeindruckte er sie wohl, als er näherkam und ihre Schultern ergriff. Er schüttelte sie, weshalb Andrew dazwischen ging.

»Das reicht jetzt!«, sagte er entschieden und löste Rayne aus dem Griff ihres Vaters.

»Bring ihr Vernunft bei!«, verlangte John entschieden und sah seine Tochter voller Verachtung an.

»Ich hasse dich, du mieser Bastard«, stieß Rayne aus.

»Das reicht«, hörte ich ihn sagen und er ging wieder einen Schritt auf sie zu.

Ich setzte mich in Bewegung, und ohne mit der Wimper zu zucken, schob ich mich zwischen Rayne und John, da William wohl nicht genug Eier hatte, um sich seinem Vater in den Weg zu stellen. Er war so ein Schwächling. »Es reicht jetzt wirklich!«, mischte ich mich entschieden ein.

»John, lass die Kinder in Ruhe, sie müssen einander kennenlernen und in einer Stunde verkünden wir die Verlobung«, sagte Dad ungerührt.

Mit einem Knurren wandte Baxter sich von mir ab – ich hörte Rayne hinter mir aufatmen. Ich drehte mich zu ihr um.

»Alles in Ordnung?«, war es hingegen an meinem Bruder zu fragen.

»Ja, danke«, antwortete sie eingeschüchtert und ging ein paar Schritte von ihm weg.

»Können wir uns unterhalten?«, wollte er wissen.

Ich sah genau, dass sie die Zähne zusammenbiss. »Ich bleibe hier und halte John in Schach, falls er zurückkommt.«

»Ich …«, begann sie. »Mir ist immer noch kalt und ich sollte zurück ins Haus gehen.«

»Oh, Moment.« Andrew zog sein Jackett aus und legte es ihr um die Schultern. »Geht’s jetzt?«

Rayne hingegen zog es wieder aus und reichte es ihm. »Entschuldigen Sie mich bitte. Ich … ich …«, kopfschüttelnd ging sie los und ließ uns einmal mehr stehen.

Überrascht sah ich meinen Bruder an.

»Sie scheint nicht besonders viel Wert darauf zu legen, mich kennenzulernen.«

»Vor gut drei Stunden hast du auch noch keinen Wert darauf gelegt, sie zu treffen«, gab ich zu bedenken.

»Du hast recht«, stimmte er mir zu. »Aber Meinungen ändern sich.« Andrew zeigte mir ein Lächeln und ich erkannte, dass er hin und weg von Rayne war.

»Ich werde mal nach ihr sehen«, vernahm ich Naomis Stimme, jedoch unterhielt sie sich mit ihrem Mann.

Nickend beugte William sich zu ihr herunter und hauchte einen Kuss auf die Lippen meiner Cousine. »Du solltest sie zur Vernunft bringen.«

»Ich versuch’s.« Sie schenkte ihm ein Lächeln, anschließend verschwand sie aus meinem Sichtfeld.

* * *

»Ladys und Gentlemen«, begann mein Vater, um den sich die Gäste gescharrt hatten.

Andrew stand bei ihm, ich ließ mir das Spektakel nicht entgehen und hatte mich in die erste Reihe gestellt. »Ich freue mich sehr, heute zu verkünden, dass mein Sohn Andrew und Johns Tochter Rayne sich verlobt haben«, fuhr er fort und die Gäste klatschten. Es waren nicht nur Mitglieder des Councils hier, auch Geschäftskontakte und Verbündete, die stets mit uns arbeiteten. »Rayne, kommst du bitte zu uns?«

Nichts geschah und ich sah die Wut in John Baxters Augen auflodern.

»Rayne?«, rief Dad noch einmal.

»Sir?«, mischte sich einer der Leibwächter ein.

»Ja?«

»Sie ist weg«, fuhr er leise fort.

Gemurmel setzte ein und ich sah die Miene meines Bruders entgleisen. Mühsam unterdrückte ich das Auflachen, denn ich hatte damit gerechnet, dass die Kleine sich absetzen würde, um dieser Farce aus dem Weg zu gehen. Sie wollte nicht heiraten. Absolut verständlich, wenn man mich fragte, denn ich würde mich auch nicht in eine Ehe drängen lassen. Ich kam mir innerhalb meiner Familie so vor, als wären wir wegen der arrangierten Ehen im Mittelalter stehengeblieben.

»Angus?«, vernahm ich die Stimme meines Bruders.

Ich schaute zu ihm. »Bitte?«, fragte ich, als ich zu ihm ging.

»Finde sie.«

»Wir müssen sie nicht suchen«, begann John. »Ich bin mir sicher, dass Naomi dahintersteckt.«

»Ich?«, hakte meine Cousine mit großen Augen nach. »Ich war die ganze Zeit bei Angus und William. Ich habe keine Ahnung, wo Rayne steckt.«

John schnaubte, dann sah er meinen Vater an. »Wir werden sie finden und sie wird für diese Respektlosigkeit bestraft, das versichere ich dir.«

»Sie hat uns alle bloßgestellt, John«, erwiderte Dad gelassen, aber ich wusste, dass er in der Stimmung war, einen Mord zu begehen. Hoffentlich würde er Rayne nicht in die Finger kriegen. Er blickte mich an. »Nimm die besten Leibwächter mit und mach dich auf die Suche nach ihr. Wenn du sie gefunden hast, wirst du ihr Respekt beibringen. Haben wir uns verstanden?«

Ich nicke meinem Vater zu. »Ich werde mein Bestes geben, sie zu finden, Dad.«

»Bring sie ins Haus und halte deinen Bruder auf dem Laufenden«, verlangte er und entließ mich.

Mit einem tiefen Atemzug wandte ich mich von der Gruppe ab und verließ das Wohnzimmer, in dem Tumult ausgebrochen war. Ich wusste, welches Haus er meinte, in dieses wurden Feinde des Councils gebracht und gefoltert – hoffentlich würde ich nicht den Befehl bekommen, dasselbe mit ihr anzustellen, wie mit unseren Gegenspielern. Dass Rayne genauso wenig in eine Ehe gezwungen werden wollte wie jeder andere, war schon vorhin ersichtlich, aber dass sie abgehauen war, war saudumm. Sie musste doch wissen, dass man sie suchen würde.

Die Männer des Councils waren Bluthunde, die ihre Beute immer aufspürten, egal, wohin sie verschwunden war.

Immer.

Zu jeder Zeit.

Es gab kein Entkommen!

* * *

3

RAYNE

Vorhin hatte ich mich zurück in meine Suite geschlichen, in Windeseile eine Tasche gepackt, und war über einen der Geheimgänge, die in meine Suite führten, in die Küche und von dort in die Garage gelangt.

---ENDE DER LESEPROBE---