Verschollen im Kaukasus - Heinrich Stüter - E-Book

Verschollen im Kaukasus E-Book

Heinrich Stüter

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Beschreibung

Es sollte eigentlich eine Studienreise sein, die die neunundzwanzig jungen Theologie-Studentinnen mit ihren Freunden unternahmen. Jedoch warf eine folgenschwere Verwechselung alle ihre Pläne durcheinander.

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Zur Erinnerung an eine abernteuerliche Reise, für:

Klaus

Stephani

Michael

Katharine

Katharina

Karolin

Carmen

Hans-Florian

Sahrah

Karin

Christin

Rabea

Justine

Anne

Martina

Erkan

Stefan

Lea

Fabian

Hannah

Magdalena

Martina

Dara

Jennifer

Maresa

Isabel

Christian

und

Pia

Inhaltsverzeichnis

Tag

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1. Tag

Es ist 5:45,

als der „SCHÖNSTE BUS VON GANZ ARMENIEN“ vor dem Ani Plaza Hotel in Eriwan vorfährt und 29 total übermüdete Studentinnen und Studenten der Theologie ihr Gepäck in Empfang nehmen, um sich dann in der großzügigen Empfangshalle vor der Rezeption zu versammeln. Manch einer nimmt das Angebot zur kurzen Entspannung der vereinzelt stehenden, bequemen Sessel gerne an, die wohl zu diesem Zweck hier positioniert wurden. Er schaut sich um. Lässt seinen Blick durch das beeindruckende Ambiente schweifen. Man hat ja Zeit dazu, denn es wird noch eine geraume Weile dauern, bis der junge Mann in feiner Dienstkleidung, dort hinter dem Tresen nacheinander die Pässe der Ankömmlinge gesichtet hat, um dann die heiß begehrten Schlüsselkarten zu überreichen. Er lässt seinen Blick schweifen über die kleine Hausbar, die zu dieser frühen Tageszeit noch verwaist in einem Seitenflügel der geräumigen Halle eingerichtet ist.

Des Abends wird man hier sicher in gemütlicher Runde den einen oder anderen Drink zu sich nehmen können.

Was werden die nächsten Tage bringen, mag manch einer denken.

Ein zweiter junger Mann in Dienstkleidung weist zu den Fahrstühlen. Endlich geht es zu den Zimmern, denn alle haben sie nur den einen Wunsch, und er ist deutlich in ihren Gesichtern abzulesen :

„Ein bequemes Bett zu bekommen und die Beine hoch zu legen!“

Gestern Abend um 18:00 sind sie in Düsseldorf aufgebrochen um diese Studienreise durch den Kaukasus zu unternehmen. Eine Studienreise zu den Klöstern und Kathedralen der ersten christlichen Länder. Und verlief der Flug auch ohne Zwischenfälle, so hatte doch die lange Dauer inklusive des Aufenthaltes in Wien bei allen deutliche Spuren hinterlassen.

Ebenso wie den anderen 25 Reiseteilnehmern, die nach einander die beiden Aufzüge stürmen, geht es auch den vier jungen Frauen. Man kennt sich von der Uni, oder von dem Vorbereitungstreffen zu dieser Studienfahrt und hat sich schon angefreundet.

Katharina, eine mittelgroße, sportliche Jeansträgerin Anfang der Zwanzig. Ihr langes blondes Haar trägt sie zu einem Zopf geflochten, der weit über ihre Schultern hinunter reicht.

Katharine ist etwa einen halben Kopf kleiner als ihre blonde Freundin. Unter einer Wollmütze, die sie wohl eher aus Leidenschaft, denn wegen der Kälte trägt, kämpft sich eine schier unbezähmbare, schwarze Haarpracht hervor, die ihr bis auf die Schultern reicht. Die dunkle Hornbrille, die sie trägt, tut der Freundlichkeit, die einem förmlich aus ihrem Gesicht anspringt, keinen Abbruch. Und das ist neben der Namensgleichheit so ziemlich das Einzige, was die beiden jungen Frauen äußerlich gemeinsam haben. Von ihren Freunden werden beide Kati genannt, was gelegendlich zu Verwechselungen führt.

Karolin, genannt Karo ist eine kleine, nicht unbedingt sportliche Erscheinung, die von sich selbst sagt: Ich bin ein kleines, blondes Mädchen. Ihr schulterlanges, blondes Haar umrahmt ein freundliches Gesicht. Sie ist im Gegensatz zu den beiden Katis eher der nachdenkliche, ruhige Typ.

Die vierte im Bunde ist Pia. Wegen ihrer überaus schlanken, fast kindlichen Figur, ist ihr Alter schwer einzuschätzen, aber sie wird kaum älter als 20 sein. Ihr langes, schwarzes Haar trägt sie in der Mitte gescheitelt. Pia ist eher der scheue, nachdenkliche Typ und ein begeisterter Fan von Kaugummi.

Nach und nach löst sich die Traube vor der Rezeption auf und verteilt sich in dem vielstöckigen Gebäude. Einige tauschen noch die Zimmernummern aus, aber dann denken alle das gleiche: „Schnell noch eine Mütze Schlaf nehmen, denn um 9:00 ist Wecken angesagt.“

2. Tag

Viel zu schnell ist die Nacht um, oder das, was von ihr noch übrig war. Knappe drei Stunden Schlaf sind eben für die meisten kaum ausreichend. Und so ist denn auch Klaus, der Studentenpfarrer und Betreuer dieser Reisegruppe, der einzige, der Punkt 9:00 Uhr orientierungslos am umfangreichen Buffet in Mitten des geräumigen Speisesaals steht. Er dreht eine Runde, dann noch eine weitere, bis er endlich mit Kaffee, Brot und etwas Aufschnitt versorgt, an einem der wenigen noch freien Tische Platz nimmt. Warum er denn die Kaffee-Milch nicht gefunden hat, denkt er, wobei er seinen Blick noch einmal über die nicht weit von seinem Tisch aufgebauten Speisen und Getränke schweifen lässt. In dem Moment betritt Fabian, ein schlanker, blonder Bursche den Speisesaal. Einen kurzen Augenblick verharrt er nach einem Platz suchend in der zweiflügeligen Glastür. Schließlich hat er dann Klaus entdeckt. - Ja, beim Vorbereitungstreffen hatten sie beschlossen, dass sie sich alle mit Du und dem Vornamen anreden wollen. Sie winken sich kurz zu, bevor auch Fabian seine Runden um das Buffet dreht und schließlich mit einer Schüssel Müsli neben Klaus Platz nimmt.

Endlich hat sich auch für Klaus das Suchen aus der Distanz gelohnt. In einer gläsernen Schüssel, direkt neben den Thermobehältern für den Kaffee, liegen die begehrten kleinen Döschen mit der Kaffeemilch. Nahezu beiläufig streckt er den linken Arm, während er aufsteht, um sich davon zu bedienen. Er schaut auf seine Armbanduhr und sagt mehr zu sich selbst als zu seinem Tischnachbarn: „Hmmm, zwanzig nach neun. Langsam wird es aber Zeit, dass die anderen kommen.“

Und als wenn das seine Reisegefährten gehört hätten, erscheinen nacheinander die beiden Katis, Pia und danach all die anderen im Speisesaal. Wie er zu Beginn, stehen auch sie staunend und zugleich desorientiert vor dem mehr als großzügigen Buffet. Aber es ist Eile geboten. So nimmt sich jeder, was ihm gerade so in die Hände fällt, denn in dreißig Minuten wird der Speisesaal geschlossen, und auch der SCHÖNSTE BUSS VON GANZ ARMENIEN (und das ist nicht übertrieben) steht schon vor dem Hotel für eine Stadtbesichtigungstour bereit.

Hakob, der armenische Reiseführer, ein kleiner, aber kräftiger Kerl mit breiten Schultern, über die er ein oliv-grünes Sweatshirt gezogen hat, wartet bereits voller Ungeduld, als endlich wenige Minuten vor elf Uhr die letzten Freunde den Bus besteigen. Sein freundlich-listiges Augenpaar wandert noch einmal durch den Bus: „Sind auch jetzt alle da?“, worauf ein vielstimmiges „Jaaa“ ertönt.

„bari lujß!“, begrüßt er darauf die Reisegruppe. „Das heißt auf armenisch: Guten Morgen. So werden wir uns ab jetzt jeden Morgen begrüßen. Okay?“

Langsam setzt sich der große Bus in Bewegung und biegt nach wenigen Metern in die Abovijan Straße. Richtung Süd-West geht es im zäh fließenden Verkehr an auf den ersten Blick trist wirkenden Häuserzeilen vorbei, die durch eine Unzahl wirr hängender Kabel verbunden scheinen. Etwa 20 Minuten dauert die Fahrt, bis links und rechts die grauen Fassaden zurück treten und die Sicht auf den „Republik Platz“ frei geben. Eingefasst von aus der Sowietzeit stammenden, monumentalen Gebäuden, in denen u.a. ein Ministerium, das Nationalmuseum und einige Hotels untergebracht sind, vermittelt dieser „schönste Platz der Stadt“ ein unvergleichliches Gefühl von Erhabenheit und Größe, zu dem auch der „singende Brunnen“ in der Mitte seinen nicht unmaßgeblichen Beitrag leistet.

Das Nationalmuseum ist das, was als erstes Ziel für diesen Tag auf der Agenda steht.

Von einer deutsch-sprachigen Dame werden die Freunde durch die verschiedenen Ausstellungen geführt, wobei die Gute es sich nicht nehmen lässt, zu fast jedem zweiten Exponat die Anmerkung hinzuzufügen, dass die Fundstelle nun in der heutigen Türkei läge, und damit auf die Annektion großer Landstriche durch die Türken verweist.

Wie es bei derartigen Führungen so üblich ist, wird wenig Rücksicht auf die Interessen des einzelnen Besuchers genommen: An weniger interessanten Stellen wird ausschweifend erklärt, auf für den Betreffenden aber interessante Exponate und Fragen wird wenn überhaupt, dann viel zu kurz eingegangen. So bleiben dann auch immer wieder einige weit zurück, was bei der Museumsführerin nicht verholenen Unmut erregt.

„Sind alle da?“, ist die obligatorische Frage, mit der Hakob nach einer geschlagenen Stunde seine Schäfchen im „SCHÖNSTEN BUS VON GANZ ARMENIEN“ empfängt, wobei er seine lustig blitzenden Augen durch die Sitzreihen wandern lässt.

„Jaaaa, alle da!“, kommt prompt die Antwort von hinten.

„Wir fahren gleich am Charles-Aznavour-Platz vorbei - ihr müsst wissen, Charles Aznavour war einer der bekanntesten Söhne Armeniens - und dann am Friedensplatz vorbei, bevor wir zur Kaskade kommen. Das ist unser nächstes Ausflugsziel. Dort werden wir neunzig Minuten Aufenthalt haben“. fährt er fort. „Ihr könnt euch die Kaskade anschauen. Das ist sehr interessant. Es führen circa 600 Stufen dort hinauf. Wer aber nicht so sportlich ist, kann auch eine Rolltreppe benutzen, die auf der linken Seite dort hinauf führt. Die Aussicht von dort oben sollte man sich auf gar keinen Fall entgehen lassen. Die ganze Innenstadt Eriwans liegt euch zu Füßen. Und im Hintergrund könnt ihr den Berg Ararat sehen.“

Inzwischen hat der SCHÖNSTE BUS VON GANZ ARMENIEN wieder Fahrt aufgenommen. Im dichten Stadtverkehr geht es abermals durch lange Häuserschluchten, mit ihren unzähligen kleinen Balkonen, auf denen diverse Wäschestücke an ihren Leinen müde herunter hängen, sowie ein schier unübersehbares Gewusel von Kabeln. Nur hinterlassen die Fronten der oft drei- und mehrgeschossigen Häuser nicht mehr so einen tristen, abweisenden Eindruck wie zu Beginn, denn wie Hakob, der Reiseführer erklärte, sind alle Häuser aus Tuffstein gebaut, der bei genauerer Beobachtung in den manigfaltigsten Farben vorkommt. So gibt es denn auch Häuser in einem hellen Grau (ähnlich Beton!), aber ebenso in leichtem gelb, in orange, in dunkel rot und sogar in schwarz. All das macht die Bebauung doch sehr abwechslungsreich.

Nach circa dreißig Minuten hält der Bus auf der Moskovya Straße, direkt vor einem lang gestreckten Park, der sich über hunderte Meter schnurgerade hin zur Kaskade zieht. Hakob weist noch einmal auf die atemberaubende Aussicht hin, mit der der sportliche Kletterer belohnt wird, aber empfiehlt auch die vielen Kaffees und Restaurants, die auf beiden Seiten des Parks den Gast verwöhnen möchten.

Auf dem Weg zur Kaskade hin, begleitet er noch die Gruppe, wobei er es sich nicht nehmen lässt, zu jeder der Skulpturen und Statuen, die dort im Park aufgestellt sind, eine Anekdote zum Besten zu geben. Schließlich haben sie die Kaskade erreicht.

„Also Leute, in eineinhalb Stunden am Bus“, verabschiedet er sich.

Natürlich sind es die beiden Katis, die als erste den Gipfel dieser über einhundert Meter hohen Kalksteintreppe erstürmen. Aber auch Karo und Pia lassen sich nicht von den 600 Stufen abschrecken. Selbst Fabian schließt sich ihnen an. Viele allerdings ziehen den bequemeren Weg über die im Innern liegenden Rolltreppen vor. Jedoch die Belohnung ist für alle die selbe, die Aussicht hier von der siebten Etage aus, von der ein Wasserlauf über sechs weitere Stufen, von Stufe zu Stufe sich in einen kleinen Teich ergießend bis zur Basis in einen großen Teich fließt, an dem Kinder in blauer Schuluniform ausgelassen toben. Denn bezüglich dieser Aussicht von hier oben hat Hakob nicht zu viel versprochen, allerdings hat sich der Ararat hinter den hoch liegenden Wolken versteckt. Davon haben natürlich die jenigen, die sich lieber in einem der vielen Restaurants verwöhnen ließen, nichts mitbekommen.

Eineinhalb Stunden gehen so viel zu schnell vorbei. Und dann wieder die Frage, an die sich bereits alle schon gewöhnt haben:

„Sind alle da?“

Und auf die ebenso automatisch ein lang gezogenes:

„Jaaaaaaa!“

antwortet.

„Unser nächstes Ziel ist die Genozid-Gedenkstätte“, erklärt Hakob. „Wie viele sicher schon wissen, wurden 1915, während des I. Weltkrieges viele Hunderttausende Armenier, Frauen, Kinder, alte Menschen und Männer, die man nicht zum Militär eingezogen hat, aus Anatolien und Westarmenien nach Mesopotamien „UMGESIEDELT“. Sie wurden ohne Essen und Trinken in den Süden getrieben, sodass viele auf dem Weg in die mesopotamische Wüste verhungerten, verdursteten oder an Krankheiten und Seuchen starben. In der Gedenkstätte gibt es viele Fotos und Dokumente dazu, die einen aufschlussreichen Überblick über den Genozid an den Armeniern gewähren.“

Und mit einer unverhohlenen Bitternis in seiner Stimme fügt er hinzu:

„Ich werde mir das nicht ansehen. Geht hin und macht euch euer eigenes Bild von diesen Taten.“

Die bis dahin ausgelassene Fröhlichkeit, im SCHÖNSTEN BUS VON GANZ ARMENIEN weicht nach dieser Ankündigung einem bedrückenden Schweigen, während die Fahrt zügig über eine vierspurige Ausfallstraße zu einem größeren waldähnlichen Park geht. Noch einige schmale Straßen entlang und sie haben den Parkplatz vor der Gedenkstätte, einem großen flachen, in einen Hang hinein gebauten Betonkomplex, erreicht.

„Wir treffen uns in einer halben Stunde dort hinten unter den Bäumen wieder“, legt Hakob den Treffpunkt fest und Klaus fügt hinzu: „Dort wird Katharina ein Referat über den Genozid halten.“