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Eine Kindheit im Bochum der Nachkriegszeit? Ja, wie war das damals, als es noch Felder, Wiesen und wilde Gärten gab, dort wo sich heute große Wohnkomplexe, umgeben von Aspaltflächen aneinander reihen? Als es noch nicht in jedem Haushalt mindesten ein, oder mehrere Autos gab, die die Straßen zuparkten? Als man noch nicht für 14Tage Urlaub um den ganzen Globus düste? Begleiten Sie den Autor auf eine Zeitreise in die späten 50er Jahre des letzten Jahrhunderts. Zurück in die Zeit des beginnenden Wiederaufbaus und erleben Sie mit einer Gruppe von Kindern lustige Abenteuer im Stadtteil Wiemelhausen.
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Seitenzahl: 47
Eine Kindheit im Bochum der Nachkriegszeit
Erzählt und gezeichnet von Heinrich Stüter
Fotos: Friehelm Hilgenstöhler
Bildbearbeitung: Hannah Stüter
Auf dem Heuboden
Badespaß mit Hindernissen
Abenteuer im Bombentrichter
Eine wundersame Fischvermehrung
Gerd Sperling
Auf zur Nordsee
„He Pedda, kommse runna?!“,
so standen Hermann und ich brüllend unter dem Kinderzimmerfenster der Familie Uebel. Ja, Pedda, unser bester Freund - damals gab es noch keine allerbesten Freunde - ist dort, im Haus unseres Opas, 1954 mit seiner Familie eingezogen.
Es war der erste Ferientag der Sommerferien und der blaue Himmel, an dem einige weiße Wölkchen vorüber flogen, kündigte bereits einen herrlich sonnigen Tag an. Da musste man doch etwas ganz Besonderes unternehmen, dachten Hermann und ich. Aber was? Pedda fiel ganz bestimmt wieder etwas ein.
So standen wir nun unter Peddas Fenster und brüllten, was das Zeug hielt. Es dauerte nicht lang, bis das Fenster geöffnete wurde und sich Peddas grinsendes Gesicht zeigte:
„Jau, ich komm gleich runna. Muss nur eben aufessen!“
Und Pedda hat wirklich schnell aufgegessen, denn nach nicht einmal zwei Minuten stand er schon neben uns vor Oppas Werkstatt. Dann trabten auch noch die beiden Knibbels (Carola und Hannes) an. Nun war der harte Kern vom Bleckmannshof wieder zusammen. Wir schauten uns fragend an:
„Was sollen wir jetzt machen?“
„Lasst uns erst `mal auf den Heuboden gehen. Da können wir bequem sitzen und uns etwas ausdenken“, war Carolas Vorschlag, dem wir nur allzu bereitwillig Folge leisteten.
Ja, der Heuboden, das war auch einer von unseren Lieblingsplätzen. Hier konnten wir ungestört quatschen, neue Streiche aushecken oder einfach nur so da sein, heute würde man „ABHÄNGEN“? sagen .
Wenn im Sommer unser Vater das Gras mit der Sense gemäht hatte, wurde es nachher dort als Winterfutter für die Schafe eingelagert.
Für uns Kinder war „DAS HEU MACHEN“ immer ein ganz besonderes Erlebnis.
So standen wir nur Augenblicke später vor dem Schafstall, wo über der Eingangstür die Luke zum Heuboden nur mit einem Stöckchen versperrt war.
Aber wo war die Leiter?
Suchend schauten wir uns um. Doch sie war weg.
„Kein Problem“, meinte Pedda, der ja, wie bereits erwähnt, der sportlichste von uns war. Er öffnete die Stalltür, hinter der unsere Liese darauf wartete, endlich raus gelassen zu werden, und zeigte auf die Querriegel der nun offenen Brettertür:
„Na, sieht das nicht aus wie eine Leiter“, grinste er.
Zuerst verstanden wir nicht so recht, aber dann packte er die Tür an der Schlossseite an, setzte den linken Fuß auf den unteren Querriegel, dann den rechten auf die diagonal ansteigende Spange und stand schließlich auf der oberen Türkante. Im Handumdrehen hatte er die Luke geöffnet, schwang sich hinauf und saß nun feixend mit herunterbaumelnden Beinen auf dem offenen Heuboden.
„Na, was hab ich gesagt: Auch 'ne Leiter.“ Nun folgte einer nach dem anderen, bis wir fünf in friedlicher Eintracht uns im Heu räkelten.
Wir lachten und alberten herum. Amüsierten uns noch darüber, wie Manni in der Speiswanne einsank und heulend davonlief. Oder erinnerten uns lachend an Walter und seinen unfreiwilligen Badespaß im Eriesee. Aber schließlich brachte uns Hannes wieder auf die Spur:
„Was wollen wir denn heute anstellen?“
Fangenspielen?
Neee!
Karrenrennen?
Neee!
Bude bauen?
Neee!
„Für das alles ist es heute viel zu heiß“, war unsere einhellige Meinung.
„Man müsste eigentlich baden oder planschen können“, meinte Carola.
„Aber wo?“
Pedda kratzte sich nachdenklich am Kopf:
„Hmmm, letzte Tage war unser Papa mit Erika und mir im „LICHT- und LUFTBAD“.
Das ist nicht weit von hier. Da gibt es eine große Wiese mit Schaukeln, Wippen und einem Rundlauf und natürlich auch zwei Planschbecken.“
„Ein Rundlauf? Was ist das denn?“, wollte ich wissen.
„Na ja, das ist sowas wie ein Kettenkarussell, nur für das Drehen muss man aber selber sorgen“, klärte Pedda uns auf.
Wir überlegten noch einige Zeit und wenn Pedda den Weg dahin wusste, dann war Peddas Vorschlag gar nicht so schlecht, sagten wir uns, als plötzlich Hannes, der mit seiner Schwester gleich neben der Luke saß, leise zischte:
„Achtung, Omma kommt!“
Mehr brauchte er nicht zu sagen. Blitzschnell zogen wir unsere Köpfe ein und versuchten uns - so gut wie eben möglich - unsichtbar zu machen. Doch zu spät: Omma hatte uns schon gesehen.
Laut schimpfend stand sie unten vor dem Stall: „Was macht ihr Lümmel da oben?
Was habt ihr da zu suchen? Und wie seid ihr überhaupt dort hochgekommen?“
Und dann muss sie wohl Carolas Bubikopf entdeckt haben, denn ihre Stimme machte augenblicklich einen Sprung um mehrere Oktaven nach oben.
„Und ein Mädchen ist auch noch dabei!! Sodom und Gomorrha!! Ein Mädchen mit vier Jungen im Heu! Wenn das der Oppa erfährt! Kommt soofort da runter!!“
Wir schauten uns fragend an.
„Das ist doch Carola, Hannes seine Schwester!“, rief ich herunter. Doch sie wiederholte noch einmal mit Nachdruck:
„Kommt sooofort da runter!!“
Ich seh sie noch heute vor mir, wie sie die Hände über den Kopf zusammenschlägt, oh jeh.
Anmerkung:
Wenn ich hier Oppa und Omma geschrieben habe, so ist das kein Schreibfehler. Nicht nur die Kinder, auch die Erwachsenen sprachen so. Hätte sich jemand getraut, einmalOma mit dem lang gezogenen „O“ zu sagen, so wie das heute gemacht wird, er hätte spöttische Blicke, wenn nicht sogar lautes Hohngelächter geerntet.
Nun gut, wir waren sowieso fertig. Also machten wir uns unter Ommas kritischem, aber auch interessiertem Blick an den Abstieg. Einer nach dem anderen. Zuerst Pedda, dann Hannes und Carola, Hermann und ich.
„Lasst euch das nicht noch einmal einfallen, da hochzuklettern“, musste sie uns noch nachschicken, als wir mit triumphierenden Gesichtern an ihr vorbei marschierten.