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Die größte Bande von Mördern und Strauchdieben, die es je im Westen gegeben hat, terrorisiert die Goldfelder von Montana. Sie werden von einem mächtigen Unbekannten unterstützt. Die Bürger von Montana greifen zur Selbsthilfe. An ihrer Spitze steht ein Mann mit eisernem Willen, der Schritt um Schritt dem Drahtzieher im Hintergrund auf die Spur kommt. Ein historischer Western voller Dramatik und Härte. Was hier geschildert wird, ist 1862/63 tatsächlich geschehen. Die Printausgabe umfasst 144 Buchseiten.
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Seitenzahl: 151
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WESTERN LEGENDEN
In dieser Reihe bisher erschienen
9001 Werner J. Egli Delgado, der Apache
9002 Alfred Wallon Keine Chance für Chato
9003 Mark L. Wood Die Gefangene der Apachen
9004 Werner J. Egli Wie Wölfe aus den Bergen
9005 Dietmar Kuegler Tombstone
9006 Werner J. Egli Der Pfad zum Sonnenaufgang
9007 Werner J. Egli Die Fährte zwischen Leben und Tod
9008 Werner J. Egli La Vengadora, die Rächerin
9009 Dietmar Kuegler Die Vigilanten von Montana
9010 Thomas Ostwald Blutiges Kansas
Dietmar Kuegler
Die Vigilantenvon Montana
Historischer Western
Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2018 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-409-1Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!
Sie trugen Masken, weiße Kapuzen, die bis zum Kinn reichten, lediglich Augenschlitze hatten und die Reiter als gesichtslose Geschöpfe erscheinen ließen, die nicht von dieser Welt stammten.
Sie ritten vom Beaverhead Rock heran. Vor ihnen lag die Wagenstraße – gelbbraun, staubig, gewunden. Aus dem zerklüfteten Land westlich von Bannack tauchte der Frachtwagen auf, ein hochrädriger Studebaker ohne Plane. Auf dem Bock saß ein gedrungener, bärtiger Mann, der eine doppelläufige Schrotflinte zwischen den Knien stehen hatte. Seitlich des Wagens hielten sich zwei Reiter. Der Transport bewegte sich auf die Furt des Rattlesnake Creek zu, der als silbrig schimmerndes schmales Band durch das Tal floss. Als der Wagen die Böschung hinunterrollte und das Maultiergespann in das seichte Wasser trabte, trieben die maskierten Männer ihre Pferde zu rascherer Gangart an.
Wie ein Sturmwind sprengten sie aus den Hügeln. Die trommelnden Hufe wirbelten Staub hoch. Die Sonne, die schräg über dem Beaverhead stand, ließ den Stahl ihrer Gewehre schwärzlich glänzen. Schwarz wie der Tod.
Sie tauchten wie Höllenhunde über dem Rattlesnake Creek auf und fegten heran. Monster mit weißen Köpfen unter breitrandigen Hüten. Der Kutscher ließ die Zügel los. Der Studebaker-Wagen stand bereits in der Mitte des Creeks. Er konnte nicht mehr wenden. Die Mulis trotteten weiter, während der Kutscher die Schrotflinte an die Schulter riss.
Von den Reitern ohne Gesicht erklang eine brüllende Salve, Glutpfeile zuckten aus den Mündungen der Gewehre.
Der Kutscher drückte noch ab. Der Rückschlag riss ihm die Flinte aus den Fäusten. Denn gleichzeitig, als der Schuss sich löste, traf ihn eine Kugel in die Brust und stieß ihn mit der Wucht eines Hammerschlags rücklings über die Bocklehne. Sein Hut segelte davon. Sein Gewehr polterte zu Boden. Die Schrotladung war über die Rücken der Mulis hinweggefegt, ohne Schaden anzurichten.
Die Tiere reagierten panisch. Sie stemmten sich schnaubend ins Geschirr. Der Wagen schlingerte durch die Furt. Die Räder drehten unterhalb der Böschung am Ostufer durch, aber die Mulis zogen das Gefährt noch aus dem Creek und hielten erst ein Stück oberhalb des Gewässers an, als sie mit dem Wagen von der Straße gestürmt waren und im zerklüfteten Gelände stecken blieben.
Der Kutscher lag rücklings im Wagenkasten, seine Beine ragten hoch über die Bocklehne.
Die beiden Reiter, die den Wagen begleitet hatten, hoben ihre Gewehre und feuerten auf die heranstürmenden Maskierten.
Das Pferd des einen wieherte schrill und bäumte sich auf. Es kippte seitlich um. Der Reiter schrie und wurde unter seinem Tier begraben. Sein Brüllen erstarb, als er das Bewusstsein verlor.
Der zweite Reiter zerrte sein Pferd herum. Er hämmerte dem Tier die Sporen in die Weichen, dass es mit schrillem Wiehern nach vorn sprang. Der Reiter schlug auf das Pferd ein, um es zu rascherem Tempo anzutreiben.
Die Kugeln, die die Maskierten ihm nachschickten, waren schneller.
Sie trafen ihn von hinten. Der Mann krümmte sich im Sattel. Ein Projektil warf ihn nach vorn auf den Pferdehals. Er klammerte sich mit letzter Kraft fest. Das Pferd trug ihn zurück in die Berge, hinter denen Bannack City lag.
Die Maskierten erreichten den Wagen. Zwei stiegen ab, einer nahm die Mulis am Zügel und führte sie mit dem Wagen auf die Straße zurück. Der andere kletterte auf den Bock, stieg über die Lehne, packte den toten Kutscher an den Füßen und schleifte ihn durch den Wagenkasten bis zum Heck. Hier warf er ihn über die hintere Bracke, dann wandte er sich den beiden eisenbeschlagenen Kisten zu, die im Wagenkasten standen.
Die anderen Maskierten waren zum Fluss hinuntergeritten. Einer stieg neben dem gestürzten Pferd ab. Er beugte sich über den Mann, der unter dem Pferdeleib festgeklemmt war.
Ein Schuss fiel. Der Maskierte taumelte zurück und presste die Rechte auf die linke Schulter. Ein zweiter Maskierter sprang hinzu und feuerte mit dem Revolver.
Danach war es still. Der Mann unter dem Pferd regte sich nicht mehr. Das Echo der Schüsse verhallte. Der Wind trieb den stinkenden Pulverdampf über den Creek davon.
*
Die Maskierten durchsuchten die Satteltaschen des Pferdes. Als sie zum Wagen zurückkehrten, hatte der Mann, der das Gefährt bestiegen hatte, die Kisten aufgebrochen. Er hob zwei prall gefüllte Leinensäcke hoch und lachte. Es war gespenstisch: Das Lachen unter der weißen Larve, in der es keinen Mund gab.
Er warf einen der Beutel einem anderen zu. Der Mann löste die Verschnürung. Er griff in den Beutel und förderte blanke Nuggets zutage. Sie schimmerten in der Sonne.
„Mindestens fünfundzwanzig Pfund“, sagte der Mann auf dem Wagen. „Vielleicht mehr.“
„Wir wiegen später nach.“
Der Mann, der die Maskierten führte, schwang sich in den Sattel. Er blickte sich um. Das Land ringsum war menschenleer, aber das besagte nicht viel. Eine zerklüftete, zerrissene Landschaft, schroffe Felsen, viel Wald – hier gab es tausend Verstecke. Überall konnten sich Beobachter befinden. Als einer der Maskierten seine weiße Kapuze lüften wollte, schlug der Anführer ihn seitlich gegen den Kopf, dass er fast aus dem Sattel stürzte.
„Willst du uns in Schwierigkeiten bringen?“ Er trieb sein Pferd an und rief: „Vorwärts!“
Der Wagen rollte an. Die Reiter flankierten das Gefährt. Sie zogen ostwärts in die Berge, auf den Beaverhead Rock zu.
Hoch über dem Tal zeigten sich einige schwarze Punkte am Himmel –Krähen. Ihre Zahl nahm zu. Sie kreisten beständig und sanken dabei tiefer. Als die Maskierten eine von zahllosen Anhöhen hinter sich gebracht hatten, blieben die Toten am Creek zurück – und das Tal gehörte allein den Krähen.
*
Februar 1863. Durch die Straßen von Bannack strich ein eisiger Nordwester. Von der Pioneer Gulch rollten schwer mit Erz beladene Wagen hoch. In der kalten Luft hing Rauch, der in dichten Schwaden aus zahllosen Schornsteinen stieg.
Bannack glich einem Ameisenhaufen. Eine wirre Ansammlung von Holzhütten, Bretterbuden, Verschlägen, Zelten und Höhlen, die in die Hänge vor der Stadt gegraben worden waren. Dazwischen herrschte ständig Bewegung, die zahllosen Goldsucher schienen niemals zu schlafen. Unermüdlich siebten sie den Sand des Grashopper Creek durch und rissen mit Spitzhacken, Spaten und primitiven Grabwerkzeugen den Boden auf.
Weder der kalte Wind noch der hart gefrorene Boden oder das eisige Wasser konnten sie daran hindern. Es stank an allen Ecken nach Unrat, da sich überall Abfälle häuften. In den Rinnen, die man beiderseits der Hauptstraßen angelegt hatte, war eine bräunlich-gelbe Brühe gefroren, aber sobald das Wetter etwas wärmer wurde und das Eis schmolz, würde sich der Gestank noch verstärken, wenn die von Exkrementen, Alkohol und Nahrungsabfällen gefüllten Abwässer aus den flachen Rinnen quellen oder die Straßen hinunter zu den viel zu kleinen Sickergruben fließen würden.
Kein Mensch kümmerte sich um den Gestank und um die Ratten, die bei Einbruch der Dunkelheit aus ihren Löchern krochen und auf den Straßen herumliefen, um sich an den Abfällen gütlich zu tun. Ebenso wenig wie die meisten Goldsucher davon Notiz nahmen, dass jeden Tag Dutzende von Menschen infolge des verunreinigten Wassers der Bäche erkrankten oder des Nachts Kinder von Ratten gebissen wurden. Diese Dinge waren nicht wichtig.
Wer in Bannack City eintraf, in Virginia City oder in Helena, den interessierte nur eins: Gold.
Gesprochen wurde nur über jene, die es geschafft hatten, die den Fund ihres Lebens machten und mit Taschen voller Gold durch die dreckigen Straßen eilten. Die anderen, die im Elend und Schmutz zugrunde gingen, vergaß man. Wenn sie starben, wurden sie irgendwo außerhalb der Stadt verscharrt und konnten von Glück sagen, wenn die Totengräber dabei nicht auf eine neue Goldader stießen – dann war es auch um die Ruhe der Toten geschehen. Und jene, die wieder davonzogen, deren Träume verbrannt waren, zählten nicht. Es trafen jeden Tag Neue ein.
Als die Wagenkolonne aus der Alder Gulch durch die Zeltstadt rollte, senkte sich der Abend über Bannack. Aus den vielen Zelt- und Brettersaloons, den Spielhöllen und Tanzhallen klangen das Grölen von Männern, das schrille Lachen von Frauen, das Klirren von Gläsern und Flaschen und hier und da auch Musik von verstimmten Pianos und quietschenden Fideln.
Der breitschultrige, athletische Mann mit dem sauber gestutzten Vollbart hatte den Jackenkragen hochgeschlagen, als er die Main Street entlangstapfte. Ab und zu versank er bis fast zu den Knien in den Schneeverwehungen, die sich an den Straßenrändern gebildet hatten.
Der Wagenzug überholte ihn. Peitschen knallten. Die rauen Stimmen der Kutscher feuerten die Mulis an, die nach dem langen Weg durch die Berge müde waren. Von Norden tauchte die planmäßige Wells-Fargo-Kutsche auf und rollte in voller Fahrt in die Stadt.
Der bärtige Mann betrat den First Nugget, einen der etwas besseren Saloons von Bannack, der aus dicken Holzbohlen gebaut war und zwei Stockwerke aufwies.
Der Fußboden des Schankraums bestand aus gehobelten und gescheuerten Dielen. Von den Deckenbalken hingen Petroleumlampen. Die Tische waren solide gezimmert. An den Wänden hingen gerahmte Drucke aus Zeitungen der Oststaaten, und hinter der Bar gab es einen Spiegel.
Der Mann drängte sich durch die Goldsucher, die an der Lattentheke standen. Im Hintergrund hämmerte ein magerer, spitzbärtiger Bursche auf die Tasten eines zerschrammten Klaviers, und in der Mitte des Schankraums waren die Tische beiseite geräumt worden, sodass einige der Goldsucher tanzen konnten.
Zwei Kanonenöfen verbreiteten bullernde Wärme. In ihrer Nähe drängten sich Männer, die eben erst von der Straße eingetreten waren. Zwei Keeper mit weißen Schürzen schleppten Tabletts zu den Tischen, auf denen Becher mit dampfendem Glühwein standen. Die Luft im First Nugget war zum Schneiden, geschwängert mit Zigarettenrauch und dem Gestank von Schweiß und billigem Fusel.
„Habt ihr noch einen Punsch für mich, Pewee?“, fragte der Bärtige, als er am Ende der langen Theke einen Platz gefunden hatte. Er streifte die Fäustlinge ab und rieb sich die Hände, bis sie warm waren.
Der angesprochene Keeper watschelte heran, er war plattfüßig und dick wie eine Mastgans. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Er langte nach einem zerbeulten Blechbecher, rührte mit einer Kelle in einem riesigen Kessel herum und schöpfte Punsch in den Becher.
„Fünfzig Cent, Mister Plummer“, sagte er, als er den Becher vor den Bärtigen hinstellte.
Henry Plummer umschloss den heißen Becher mit beiden Händen, schnupperte genießerisch, blies den Dampf vom Rand des Bechers und trank mit kleinen Schlucken.
„Das bringt einen Eisblock zum Schmelzen“, sagte er.
„Wenn wir nicht bald Nachschub erhalten, müssen wir ab übermorgen heißes Wasser verkaufen“, sagte der Keeper. „Die Pässe über die Berge sind immer noch dicht. Nur wenige Wagen schaffen es, einen Weg zu finden. Der Weg über den Bozeman-Trail ist verdammt lang. Wir sitzen hier draußen eben am Hintern der Welt.“
„Das wird sich ändern, Pewee“, sagte Plummer, während er trank. Sein Gesicht rötete sich in der Wärme. „Glaub mir, ich habe es in Kalifornien erlebt. Gold ist ein Zaubermittel. Wo es genug Gold gibt, da kann es noch so wild zugehen – da führen bald richtige Straßen hin, und jede Menge Waren werden geliefert. Außerdem ist die Zeit bald vorbei, in der wir völlig hinter dem Mond gelebt haben. Im Mai wird eine Bezirksversammlung gewählt, und dann zieht auch bei uns die Zivilisation ein.“
„Glauben Sie daran, Mister Plummer?“ Der Keeper runzelte die Stirn. Seine Stimme senkte sich. „Sehen Sie sich um: Sehen Sie sich die Männer an. Glauben Sie im Ernst, dass die sich dafür interessieren, ob es bei uns Zivilisation gibt oder nicht? Die Zivilisation müsste vergoldet sein, um hier etwas zu ändern.“
„Wir werden sehen“, sagte Plummer.
„Bevor ich es vergesse ...“Der Keeper wandte sich ab. Vom anderen Ende der Theke wurde nach ihm gerufen. „Mister Cleveland will mit Ihnen sprechen. Er hat gesagt, es sei dringend.“
„Jack Cleveland?“ Plummers Gesicht verfinsterte sich. „Wo ist er?“
„Er sitzt hinten an einem der Spieltische“, sagte der Keeper. „Der Mann redet sehr viel.“
„Was redet er?“, fragte Plummer scharf.
„Geschwollenes und wirres Zeug.“ Der Keeper zuckte mit den Schultern und watschelte davon.
Plummer hatte auf einmal einen unangenehmen Druck im Magen. Er leerte seinen Becher, stellte ihn ab und drehte sich um. Suchend durchquerte er den Schankraum, schob sich durch Trauben von Goldsuchern und entdeckte Jack Cleveland schließlich an den Spieltischen im Hintergrund des Schankraums. Hier ging es etwas ruhiger zu. Die Männer an den Tischen strahlten eine schweigsame Anspannung aus. An einem Tisch wurde gewürfelt, an vier anderen gepokert.
Jack Cleveland wandte Plummer den Rücken zu. Plummer strich sich nervös über den Bart. Cleveland gehörte zu den Leuten, die er lieber vergessen hätte. Aber der Mann hatte eine ausgeprägte Gabe, sich stets dann wieder in Erinnerung zu bringen, wenn es besonders störend war.
In Idaho hatte Plummer ihn zuerst getroffen und dann eine Weile mit ihm zusammengearbeitet. Das waren Geschäfte gewesen, von denen die Bürger von Bannack, Virginia City und Helena besser nichts erfuhren. Das hätte sie nur auf dumme Gedanken darüber gebracht, wo Henry Plummer sein Geld herhatte, an dem es ihm nie mangelte, obwohl er keinen Claim besaß und auch nicht nach Gold suchte.
Jack Cleveland hätte den Leuten etwas erzählen können – und das tat er auch. Er redete in Andeutungen und finsteren Umschreibungen. Gerade so viel, um seine Gesprächspartner im Unklaren zu lassen, zugleich aber genug, um unangenehme Verdächtigungen zu erzeugen.
Das ging schon so, seit Cleveland hier aufgetaucht war und gesehen hatte, dass Henry Plummer auf dem besten Wege war, ein geachteter, führender Bürger von Bannack zu werden. Cleveland wollte seinen Anteil daran haben. Aber Plummer dachte gar nicht daran, sich noch einmal mit ihm einzulassen, nachdem er in Idaho bemerkt hatte, dass auf Cleveland kein Verlass war. Er war ein Schwätzer, und er hatte versucht, Plummer die Freundin wegzunehmen. So etwas vergaß Plummer nicht.
„Guten Abend, Jack“, sagte Plummer.
Er blickte Cleveland über die Schulter. Cleveland hatte lausige Karten, trotzdem bluffte er auf Teufel komm raus, um die vier anderen Männer am Tisch, darunter einen kleinen, bulligen, schnauzbärtigen Mann mit pulvergrauen Augen, den Plummer kannte, auszutricksen.
„Hallo, Beidler.“ Plummer nickte dem kleinen Mann zu und wandte sich wieder an Cleveland, der ein breites Grinsen aufsetzte. Er sah unverschämt aus und fühlte sich sicher.
Cleveland war ein kräftiger, großer Bursche mit blondem Haar, das ihm verwegen in die Stirn hing, und einem sehr männlichen Lachen, das den Mädchen gefiel. Plummer brauchte ihn nur anzusehen, um sich daran zu erinnern, wie Cleveland um Gloria herumgetänzelt war, damals in Idaho. Es hatte ihn nicht gestört, dass Gloria zu Plummer gehörte, und es erfüllte Plummer noch heute mit Befriedigung, dass er Cleveland damals erwischt hatte, als er gerade in Glorias Schlafzimmer einsteigen wollte. Er hatte ihn ohne Stiefel aus der Stadt gejagt und ärgerte sich nur darüber, dass er ihn nicht gleich umgebracht hatte. Inzwischen fing Cleveland an, ihm entschieden zuviel Ärger zu bereiten. „Du willst mich sprechen?“
„Später“, sagte Cleveland. Er wirkte ungemein selbstbewusst.
„Ich habe wenig Zeit“, sagte Plummer.
„Für mich hast du Zeit, Henry“, erwiderte Cleveland. Zwischen seinen Augenbrauen erschien eine drohende Falte. „Du weißt warum.“
„Ich verstehe kein Wort.“
„Auch nicht, wenn ich über Idaho spreche?“
„Vielleicht bin ich taub, Jack“, sagte Plummer. „Oder ich bin schwer von Begriff.“ Jetzt lächelte er zurück. Obwohl sich die Haut in seinem Nacken langsam unangenehm zusammenzog, brachte er es fertig, völlig unbeeindruckt zu wirken.
„Wir sprechen darüber“, sagte Cleveland und wandte sich seinen Karten zu. „Erst das Spiel, dann das Geschäft.“
„Mit dir rede ich nicht über Geschäfte.“ Plummer blieb hinter dem Spieltisch stehen. In ihm ballte sich Zorn zusammen. Er wusste genau, was Cleveland wollte. Seit er ihm in Bannack wieder begegnet war, hatte Cleveland Gerüchte über ihn ausgestreut. Nichts Aufregendes, aber genug, um einige Leute neugierig werden zu lassen, genug auch, um Plummer zu beunruhigen.
„Ich erhöhe um zehn Dollar“, sagte Cleveland gerade.
„Sie müssen ein fantastisches Blatt haben“, meinte Beidler. Er griff in seine Tasche und warf einige Münzen auf den Tisch. „Ich gehe mit.“
„Ich auch“, sagte ein zweiter Mann.
Der Dritte legte seinen Einsatz wortlos auf den Tisch, der vierte warf seine Karten hin und lehnte sich zurück. „Ich steige aus.“
Der Mann zündete sich eine Zigarette an. Sein Tabakbeutel fiel auf den Boden. Cleveland bückte sich und hob ihn auf.
„Danke“, sagte der andere.
„Keine Ursache.“ Cleveland lächelte und fächerte seine Karten auseinander. Eine bildschöne Straße.
Plummer beugte sich vor, griff nach Clevelands rechtem Handgelenk und streifte blitzschnell den Ärmel hoch.
Zwei Karten rutschten aus einer Gummiklemme unter der Jacke.
Cleveland ließ sein Blatt sofort fallen und fuhr wie von der Tarantel gestochen in die Höhe. Sein Gesicht war wutverzerrt. Seine Linke raste auf Plummer zu.
Plummer bewegte sich gedankenschnell. Er tauchte unter dem Hieb weg. Gleichzeitig traf seine Rechte Cleveland in den Leib.
Cleveland wurde nach hinten geschleudert. Er stürzte zusammen mit seinem Stuhl. Als er zu Boden krachte, sprangen rechts und links an den anderen Tischen die Männer auf. Das Klavierspiel brach ab.
„Du verdammtes Schwein!“, schrie einer von Clevelands Mitspielern und griff mit beiden Händen nach den Dollars in der Tischmitte.
Cleveland kam wie der Blitz vom Boden hoch. Sein Revolver schwang aus dem Holster.
Plummer zog so schnell, dass niemand die Bewegung seiner Hand richtig wahrnahm. An seiner Hüfte stand jäh ein Feuerblitz. Die schmetternde Detonation dröhnte im Schankraum und brachte jedes andere Geräusch zum Verstummen.
Die Kugel erwischte Jack Cleveland im Hochspringen. Der Aufschlag stieß ihn zurück und wirbelte ihn herum. Krampfartig drückte er ab. Das Geschoss aus seinem Colt bohrte sich in die Bodendielen. Die Waffe polterte zu Boden.
Dann lag Cleveland bereits wieder auf den Dielen, presste beide Hände vor die Brust und krümmte sich unnatürlich zusammen. Sein Mund öffnete sich weit, aber es war kein Laut mehr zu vernehmen. Cleveland war tot.