Western Legenden 17: Der letzte Rebell - Dietmar Kuegler - E-Book

Western Legenden 17: Der letzte Rebell E-Book

Dietmar Kuegler

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Beschreibung

Im blutigen Bürgerkrieg Amerikas ritten Jesse und Frank James und die Brüder Younger in der Todesschwadron des Guerillaführers William Quantrill und kämpften für die Südstaatenkonföderation. Danach kehrten sie heim in ein geschlagenes Land.Für sie ist der Krieg nicht vorbei. Ihr Kampf gegen die verhassten Yankees geht weiter. Ihre Wut richtet sich gegen die Banken und Eisenbahngesellschaften der Nordstaaten, gegen Kriegsgewinnler und vermeintliche Unterdrücker.Zehn Jahre lang verbreitete die James-Younger-Bande Terror und Angst. Jesse James wurde zum meistgesuchten Mann Nordamerikas.Dieser packende historische Roman schildert Aufstieg und Fall des Jesse James, der bis heute in Amerika unvergessen ist.Die Printausgabe umfasst 256 Buchseiten.

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Seitenzahl: 247

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WESTERN LEGENDEN

In dieser Reihe bisher erschienen

9001 Werner J. Egli Delgado, der Apache

9002 Alfred Wallon Keine Chance für Chato

9003 Mark L. Wood Die Gefangene der Apachen

9004 Werner J. Egli Wie Wölfe aus den Bergen

9005 Dietmar Kuegler Tombstone

9006 Werner J. Egli Der Pfad zum Sonnenaufgang

9007 Werner J. Egli Die Fährte zwischen Leben und Tod

9008 Werner J. Egli La Vengadora, die Rächerin

9009 Dietmar Kuegler Die Vigilanten von Montana

9010 Thomas Ostwald Blutiges Kansas

9011 R. S. Stone Der Marshal von Cow Springs

9012 Dietmar Kuegler Kriegstrommeln am Mohawk

9013 Andreas Zwengel Die spanische Expedition

9014 Andreas Zwengel Pakt der Rivalen

9015 Andreas Zwengel Schlechte Verlierer

9016 R. S. Stone Aufbruch der Verlorenen

9017 Dietmar Kuegler Der letzte Rebell

Dietmar Kuegler

Der letzte Rebell

Die Jesse-James-Story

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2020 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-417-6Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

1.

Der Mann lehnte im Schatten einer rissigen Schuppenwand. Er blinzelte auf die Straße hinaus, über der die grelle Sonne die Luft zum Flimmern brachte.

Der Mann sah die drei Reiter aus den Wäldern im Südwesten kommen und sich dem Cannon River nähern. Im gleißenden Licht glichen sie scharf konturierten Scherenschnitten. Er hob die rechte Hand zum Schutz gegen die Sonne über die Augen und erkannte die Reiter nun deutlicher. Gerade hatten sie den Fluss erreicht und lenkten ihre Pferde über die Brücke. Das dumpfe Pochen der Hufe auf den Holzbohlen störte die Mittagsruhe.

Die Reiter passierten das Ortsschild: NORTHFIELD, Minnesota. Sie schwenkten auf den Bridge Square ein.

Es war der 7. September 1876. Ein heißer Spätsommertag, der das goldene Feuer des nahenden Herbstes schon in sich trug – durchzogen von träger Ruhe. Ein Tag, wie er nach einem langen Sommer, der sein Ende erreicht hatte, sein sollte.

Der Mann im Schatten war mittelgroß. Er hatte breite Schultern, einen kantigen Schädel und einen dichten, schwarzen Bart, der die untere Hälfte seines Gesichts verdeckte.

Mit ruhigen Bewegungen knöpfte er seinen Gehrock auf und schlug ihn leicht zurück, sodass der Griff des Revolvers sichtbar wurde, der in einem Holster an der rechten Hüfte steckte.

Er warf einen Blick auf die Uhr über dem Lee-&-Hitchcock-­Store, einem eindrucksvollen blockartigen Gebäude aus dunkelroten Ziegeln, der Behäbigkeit und Wohlstand ausstrahlte. Es war wenige Minuten nach zwei. Der Mann zog seinen breitrandigen Hut tiefer in die Stirn.

Für einen Moment blickte er beunruhigt auf den jungen Mann, der in Hemd und Hosenträgern ein Stück die Straße hinunter auf einem überdachten Vorbau in einem Korbstuhl vor sich hin döste. Dann wurde seine Aufmerksamkeit von fünf weiteren Männern abgelenkt: Zwei ritten die Division Street herunter, die drei anderen bogen aus einer Seitengasse in die Straße ein. Sie gingen zu Fuß, führten ihre Pferde am Zügel hinter sich her und näherten sich dem Häuserblock. Wie die Reiter von Südwesten trugen sie knöchellange Staubmäntel.

Er erinnerte sich, die Männer schon gestern gesehen zu haben. Sie hatten einige Saloons in der Stadt besucht und ausgiebig getrunken. Sie hatten mit Südstaatenakzent gesprochen. Anscheinend waren sie Viehhändler, die sich geschäftlich in der Stadt aufhielten.

Trotzdem hatte er ein schlechtes Gefühl, als er sie sah. Da war eine Anspannung, die er nicht erklären konnte.

Auf der Straße waren einige Frauen unterwegs, die vom Einkaufen kamen. An einer Straßenecke standen Männer in einer kleinen Gruppe zusammen, redeten miteinander, lachten.

Kein Windhauch rührte sich. In irgendeinem Hinterhof bellte ein Hund. Die Mittagshitze war drückend.

*

Frank James schlug den Kragen seines hellen Staubmantels hoch und lockerte mit rascher Bewegung den Revolver im Holster. Er, Charlie Pitts und Bob Younger hatten ihre Pferde an Hitchrails angebunden, traten aus dem Schatten und schritten wortlos den Sidewalk hinunter.

Die beiden anderen Reiter, Clell Miller und Cole Younger, hatten inzwischen den zweistöckigen Häuserblock erreicht, in dem sich auch der Lee-&-Hitchcock-Store befand. Vor dem Eingang der First National Bank in der Mitte des Backsteinblocks stiegen sie ab.

Auch Bill Stiles, Jim Younger und Jesse James glitten aus den Sätteln. Als sie den Lee-&-Hitchcock-Store passierten, griff Jim Younger in eine der ausgestellten Obstkisten und schnappte sich einen rotwangigen Apfel. Er biss im Gehen hinein und grinste. Seine Augen funkelten.

Die Männer verließen den Schatten, überquerten die Straße und zogen sich mit ihren Pferden in eine Seitengasse zurück, wo sie in Wartestellung gingen. Pitts, Bob Younger und Frank James erreichten die Bank.

Cole Younger war mitten auf der Straße vom Pferd gestiegen und zurrte an seinem Sattelgurt, der sich offenbar gelockert hatte, während Clell Miller sein Pferd vor der Bank neben den Tieren von Frank James, Pitts und Bob Younger angeleint hatte. Er betrat den Sidewalk und blieb neben der Tür stehen. Hinter ihm stieß Frank James die Tür auf und trat mit Pitts und Bob Younger ein.

Die Luft im Schalterraum war muffig und roch nach Akten. Die Glastür fiel hinter den Männern ins Schloss. Im nächsten Moment rissen sie ihre Revolver unter den langen Staubmänteln hervor und schwärmten blitzschnell im Raum aus.

Hinter der gebogenen Theke standen nur drei Angestellte. Sie starrten den Eindringlingen erschrocken entgegen.

„Hände hoch!“ Frank James schwang sich über die Theke. „Dies ist ein Überfall! Keine falsche Bewegung, oder ihr werdet mit den Füßen voraus auf die Straße getragen!“

Die beiden anderen zielten schweigend mit ihren Waffen auf die Clerks.

*

Henry Wheeler richtete sich in seinem Korbstuhl halb auf und schob den Kopf vor. Er war erst seit ein paar Tagen wieder in der Stadt, um seine Eltern zu besuchen. Er studierte Medizin im Osten und genoss die Semesterferien. Er zupfte nervös an seinem Schnauzbart, während er die beiden Männer vor der Bank beobachtete. Einer nestelte noch immer am Sattelgurt seines Pferdes. Der andere lehnte mit dem Rücken an der Hauswand und blickte gelangweilt die Straße hinunter.

„Gibtʼs was Besonderes zu sehen, Doc?“ Obwohl er noch im Studium war, nannten die Leute in Northfield ihn hier Doc. Wheeler fühlte sich geschmeichelt.

Er erschrak. Er hatte keine Schritte gehört und wandte den Kopf. John Allen stand vor ihm, ein Storekeeper – mittelgroß, eher schmächtig. Er schob einen Priem Kautabak von einer Wangenhälfte in die andere und hatte die Hände tief in die Taschen seiner ausgebeulten Hose vergraben.

„Ein bisschen viel Betrieb um diese Zeit, finden Sie nicht auch, John?“ Wheeler blickte wieder zur Bank.

„Ich habe die Kerle auch gesehen. Es müssen acht oder neun sein.“

„Acht, wenn ich mich nicht getäuscht habe“, bestätigte Wheeler. „Ich habe erst gedacht, sie gehörten nicht zusammen. Jetzt sind drei in die Bank gegangen. Sehen Sie die zwei auf der Straße? Einer scheint Probleme mit seinem Sattelgurt zu haben, aber der andere sieht aus, als hätte er etwas zu bewachen. Die anderen drei sind plötzlich weg. Hier stimmt etwas nicht, John.“

„Ich habe diese Leute noch nie in Northfield gesehen, Doc – und ich kenne jede Menschenseele hier auf hundert Meilen im Umkreis. Gestern hieß es, diese Männer seien hier, um Vieh zu kaufen, aber sie sind bis jetzt auf keiner der Farmen gewesen.“

„Vielleicht sind es neue Siedler – eine große Familie.“

„Siedler? Ich habe die gestern in einem Saloon gesehen. Die haben noch nie in ihrem Leben einen Pflug in den Händen gehalten. Und dann die Pferde ... Das sind keine Siedlerpferde. Erstklassiges Material, Doc – das müssen Sie doch sehen.“

„Es bleibt alles ruhig.“

„Das ist mir egal. Ich werde Ihnen was sagen, Doc, ich gehe jetzt da rüber und sehe mir die Sache aus der Nähe an.“

„Sind Sie verrückt, John?“

„Nein, nur neugierig.“ John Allen spuckte seinen Kautabak aus und verließ den Vorbau, bevor der junge Arzt noch etwas erwidern konnte. Wheeler blieb ratlos zurück. Er schaute der hageren, etwas gekrümmten Gestalt Allens nach, der bereits die andere Straßenseite erreicht hatte und auf die First National Bank zuging.

Der Mann davor beachtete ihn zunächst nicht. Er lehnte noch immer an der Wand und sog an einer Zigarette. Allen blieb vor der Glasfassade stehen und wollte einen Blick durch eines der hohen Fenster werfen. Das Glas reflektierte die Sonne, ein Blick ins Innere war nicht möglich.

Als Allen auf die Tür zuging, war der Mann im Staubmantel plötzlich vor ihm.

„Wo willst du hin, Freundchen?“, fragte er. Sein Gesicht war grobschlächtig und unrasiert.

„In die Bank“, sagte Allen heiser. Seine Kehle wurde enger.

„Die Bank ist heute geschlossen“, sagte der Mann vor ihm.

„Heute Morgen war sie noch geöffnet. Ich muss Geld abheben.“

„Hast du mich nicht verstanden? Die Bank ist geschlossen.“

Allen nickte. Wie an Fäden gezogen drehte er sich um und starrte in das hässliche Gesicht von Clell Miller. Der Blick aus den kleinen, eisigen Augen des Mannes ließ Allen zusammenzucken wie unter einem Peitschenhieb. Schnell und entschlossen wollte er sich an ihm vorbeidrängen. Er streckte die Hand zum Türknauf aus. Miller packte ihn in derselben Sekunde am Kragen und zerrte ihn zurück.

„Bist du taub? Die Bank ist geschlossen.“

Allens Herz schlug jetzt so schnell, dass er meinte, es würde ihm die Brust zersprengen. Trotz der Hitze war ihm auf einmal kalt.

Vor ihm stand der Tod.

Die Verzweiflung in ihm verlieh ihm ungeahnte Kraft. Er riss sich los, wirbelte herum und rannte so schnell er konnte den Sidewalk hinunter. Nach einigen Schritten sprang er auf die Straße, rannte weiter und brüllte aus Leibeskräften: „Zu den Waffen, Männer! Die Bank wird überfallen! Zu den Waffen! Bankraub!“

Wheeler fuhr aus seinem Korbstuhl hoch. Der Mann vor der Bank hielt jetzt einen Revolver in der Faust. Er gab einen Schuss in die Luft ab. Wheeler sprang zurück in den Schatten des Vorbaus. Auch er begann laut zu rufen: „Banküberfall!“

Der Reiter vor der Bank, der bis jetzt mit seinem Sattelgurt beschäftigt gewesen war, schwang sich in den Sattel und zerrte sein Pferd herum. Er hatte jetzt ebenfalls einen Revolver gezogen und feuerte die Division Street hinunter.

„Weg von der Straße!“, brüllte er.

Hinter ihm sprang Clell Miller vom Sidewalk aus direkt in den Sattel. Zusammen galoppierten beide ­Männer zum Ende der Stadt, drehten um und preschten im vollen Galopp zurück. Jetzt hielt jeder zwei Revolver in den Fäusten. Sie ritten freihändig und feuerten nach allen Seiten.

„Macht die Straße frei!“

Schreie waren zu hören, die Stimmen von Frauen und Kindern, die in Häuser und Hofeingänge flüchteten.

Penetranter Pulverrauch zog in Schwaden die Straße hinunter.

Wheeler stürzte in die Halle des Dampier-Hotels und herrschte den Mann hinter der Rezeption an: „Gibt es hier ein Gewehr oder einen Revolver?“

Der Portier starrte ihm bleich entgegen. „Was ist los?“

„Bankraub“, brüllte Wheeler. „Ein Gewehr, Mann!“

Mit zitternden Händen holte der Portier einen alten Spencer-Karabiner unter der Rezeption hervor. Wheeler riss ihm die Waffe aus der Hand und schnappte sich die Patronen, die der Mann ihm reichte. Dann stürmte er die breite Treppe hinauf in den ersten Stock und stieß die Tür eines Zimmers auf, das zur Division Street führte.

Auf der Straße war inzwischen die Hölle losgebrochen. Schussdetonationen hallten von den Fassaden wider. Es waren jetzt fünf Reiter auf der Straße, die beiden, die vor der Bank gewartet, und die drei, die sich zuvor in einer Seitengasse versteckt hatten. Sie galoppierten die Division Street hinauf und hinunter und schossen nach allen Seiten.

Fensterscheiben zersprangen klirrend, Projektile bohrten sich mit sattem Klatschen in Holzfassaden, andere prallten von Steinwänden ab und schwirrten mit jaulenden Lauten als Querschläger durch die Luft.

Die Schreie von John Allen hatten die Stadt alarmiert. Mehr und mehr Männer tauchten auf den Gehsteigen auf und eröffneten das Feuer auf die Reiter.

„Verschwindet, ihr Hundesöhne!“, schrie Younger. „Haut ab in eure Hütten! Verkriecht euch unter euren Sofas!“

Er trieb sein Pferd zur Bank hinüber, sprengte über den Sidewalk und brüllte: „Kommt raus! Die schießen uns hier in Stücke!“

Dutzende von Projektilen schleuderten rechts und links der Pferde den Staub hoch.

Wheeler hatte das Zimmerfenster aufgerissen und beugte sich über das Fensterbrett. Unten hörte er John Allen rufen: „Die schnappen wir uns! Die kommen hier nicht weg!“

Ein anderer Mann rief: „Hoffentlich passiert in der Bank nichts!“

Aus einem Gebäude tauchte ein schmächtiger, junger blonder Mann auf. Er blieb völlig verwirrt am Rand der Division Street stehen.

„Mister Gustavson!“, schrie eine Frau aus einem Hofeingang. „Gehen Sie in Deckung – schnell!“

Der Mann wandte irritiert den Kopf.

„Verstehen Sie mich denn nicht?“, rief die Frau. „Mein Gott, Sie sind doch nicht mehr in Schweden, Mister Gustavson! Gehen Sie in Deckung!“

Der junge Mann drehte sich wie in Zeitlupe und rannte plötzlich über die Straße. Wie sich später herausstellen sollte, verstand er kaum ein Wort Englisch. Er sah die Reiter auf sich zu preschen und schrie vor Angst. Im nächsten Augenblick traf ihn eine Kugel Cole Youngers und riss ihn von den Füßen. Während er in den Staub stürzte, sprengten die beiden Banditen vorbei. Wimmernd kroch der Schwede auf allen vieren zum Straßenrand. Hier tauchten zwei Männer auf, die ihn in Deckung zerrten, während Younger und Miller wieder vor der First National Bank ankamen ...

*

Frank James ging auf den breiten Tisch seitlich vom Tresorraum zu. Der Mann dahinter hatte sich erhoben. In seinen Augen flackerte Angst.

„Du bist der Kassierer.“ James zielte mit dem Revolver auf die Brust des anderen.

Joseph Lee Heywood war ein schlanker Mann mit sauber gestutztem Vollbart. Er versuchte, dem Blick des Banditen standzuhalten, während die beiden Buchhalter Bunker und Willcox von den anderen Banditen in Schach gehalten wurden.

„Nein, Sir“, sagte Heywood. „Ich bin nicht der Kassierer.“

„Du bist ein gottverdammter Lügner!“ Frank James hatte den Tisch erreicht und langte mit der linken Faust hinüber. Er krallte die Hand in Heywoods Jackenkragen und zerrte ihn um den Tisch herum. Die Revolvermündung prallte gegen Heywoods Stirn.

„Du bist der Kassierer. Und du wirst jetzt den Safe öffnen – oder ich blase dir dein Hirn aus dem Schädel.“

„Ich habe Familie, Sir.“ Heywood versuchte, dem stechenden Blick standzuhalten. „Ich bitte Sie – tun Sie mir nichts. Ich kann den Safe nicht öffnen, er hat ein Zeitschloss.“

„Ich mag keine Lügner, du Dreckskerl!“ Frank James stieß Heywood vor sich her, auf die Tür des Tresorraums zu. Sie war unverschlossen.

„Bitte, tun Sie Mister Heywood nichts!“, rief Bunker. „Er weiß wirklich nicht, wie der Safe geöffnet werden kann. Außerdem sind höchstens dreitausend Dollar drin, es ist ...“

„Halt die Schnauze!“, brüllte Charlie Pitts. Er wirbelte seine kurzläufige Schrotflinte herum und traf Bunker in die Seite. Der Clerk taumelte gegen die Theke und hielt sich stöhnend daran fest.

„Öffne den Safe – los!“ Frank James riss Heywood herum und spannte den Hammer des Colts.

„Ich kann es nicht. Der Safe ist gesichert. Er geht erst in einer halben Stunde auf.“

In Heywoods Gesicht zuckte es.

Frank James schlug ansatzlos mit dem Revolver zu. Der Lauf traf Heywood quer über die Stirn. Die Haut platzte am Haaransatz auf. Der Kassierer sackte benommen zu Boden.

Frank Jamesʼ Stimme schnappte fast über: „Öffnet den Safe, ihr Dreckskerle – oder wir legen euch alle um!“

Bunker setzte auf einmal mit einem Panthersprung auf den Kassentisch zu. Bob Younger war schneller. Er schwang sich über die Theke und fing Bunker mit einem Tritt in den Leib ab. Bunker sackte mit lautem Schmerzgeheul in die Knie.

Willcox, der zweite Clerk, starrte fassungslos auf Bunker und Heywood, der sich langsam mit schmerzverzerrtem Gesicht wieder aufrichtete.

Von draußen klangen Schussdetonationen herein.

„Was ist auf der Straße los?“ Frank James hastete zu einem der Fenster. „Da draußen wird geschossen. Clell und Cole reiten wie der Teufel hin und her!“

„Wir müssen hier raus.“ Bob Youngers Blick flackerte. „Irgendwas ist schiefgegangen!“

Später sollten Bunker und Willcox aussagen, dass die Banditen stark nach Brandy gerochen hatten.

Frank James rannte um die Theke herum nach vorn. In diesem Moment setzte sich Willcox jäh in Bewegung und stürmte zur Hintertür. Ein Schuss von Bob Younger krachte hinter ihm. Er fühlte den heißen Luftzug der Kugel. Willcox ließ sich fallen und kroch wimmernd in den Schutz der Theke zurück. Hier war Bunker wieder auf die Beine gekommen. Er schaffte es bis zur Hintertür. Erst hier holte ihn Charlie Pittsʼ Kugel ein. Er wurde an der Schulter getroffen, torkelte, konnte sich aber auf den Beinen halten, stieß die Tür auf und taumelte auf den Hinterhof.

„Lass ihn laufen!“, schrie Frank James. Er hatte die Vordertür aufgerissen. Im selben Moment krachte eine Salve von Kugeln in die Wand der Bank. Die Projektile bohrten sich splitternd in den Türrahmen und summten James wie wütende Hornissen um die Ohren.

Dann war wieder Cole Youngers Stimme zu hören: „Kommt raus, zum Teufel! Wir müssen weg!“

„Das Spiel ist aus!“, schrie jemand von der Straße. Charlie Pitts wirbelte herum und eilte hinter Bob Younger her. Das Gewehrfeuer von draußen wurde heftiger. Mit fürchterlichem Knall zerplatzte eine der großen Glasscheiben in der Eingangstür. Die Scherben wirbelten klirrend durch den ganzen Raum. Pulverdampf wehte stinkend zur Theke hin.

Hier hatte sich Joseph Heywood gerade wieder aufgerichtet und stützte sich schwer auf die Kante seines Schreibtisches. Als Pitts und Younger auf den Gehsteig rannten, drehte sich Frank James noch einmal um. Seine Augen glichen Eiskristallen. Er hob seinen Revolver und drückte ohne zu zögern ab.

Joseph Lee Heywood wurde von der Kugel in den Kopf getroffen. Sein Oberkörper krachte auf den Tisch und rutschte langsam über die Platte, eine breite Blutspur auf dem Holz zurücklassend. Als er auf den Boden sackte und reglos auf den Dielen liegen blieb, hatte Frank James den Schalterraum ebenfalls verlassen und hetzte geduckt an der Hauswand entlang den Sidewalk hinunter.

Cole Younger galoppierte auf ihn zu und streckte die rechte Hand aus, um ihn hinter sich in den Sattel zu ziehen. Sein Staubmantel war zerrissen, er blutete aus mehreren Wunden.

Vor den Hitchrails der Bank lag ein totes Pferd.

*

John Allen war in seinen Laden gelaufen, nachdem er den Alarm ausgelöst hatte. Jetzt stand er hinter der Theke und hatte seinen Waffenschrank geöffnet. Er verteilte Winchester-­Gewehre und Schrotflinten an die Männer, die ihm gefolgt waren. Auf dem Tresen lagen ­Patronenschachteln.

„Wir stellen sie auf dem Bridge Square“, rief einer der Männer. „Wir müssen sie in die Zange nehmen.“

Horan French, der Posthalter, stürmte durch die Vordertür in den Laden.

„Bunker ist raus!“, schrie er. Alle fuhren herum. „Anscheinend haben sie Heywood abgeknallt. Eine Kugel in den Schädel.“

„Was ist mit Willcox?“

„Er hat wohl auch was abgekriegt. Bunker hat ihn nicht mehr gesehen. Er hat eine Kugel in der Schulter. Die Kerle wollen jetzt raus.“

Im selben Moment verstärkte sich draußen das Feuer.

Vor der Bank waren die Banditen zu sehen. Sie versuchten, ihre Pferde zu besteigen. Aus allen Ecken krachte es. Aus den Hofeingängen und Seitengassen wurde ­geschossen.

Stinkend ballten sich Pulverdampfschwaden in der Hitze. Die Detonationen dröhnten zwischen den hohen Holz- und Backsteinfassaden der Gebäude.

Andrew Manning, ein bärtiger Geschäftsmann, rannte aus einer Seitengasse heraus. Im selben Moment ritten zwei Männer auf ihn zu. Sie hingen tief in den Sätteln. Manning sah kaum ihre Köpfe; er wusste nicht, dass er Clell Miller und Cole Younger vor sich hatte. Er riss instinktiv seine Schrotflinte hoch und feuerte.

Die Pferde bäumten sich wiehernd auf. Clell Miller zog sein Tier herum, während Cole Younger vom zweiten Schuss Mannings gestreift wurde. Er hielt sich im Sattel, sah seinen Bruder Bob, Frank James und Charlie Pitts aus der Bank auftauchen und galoppierte über die Straße auf sie zu.

Clell Miller galoppierte die Division Street wieder hoch. Aus den Augenwinkeln bemerkte er einen schnauzbärtigen jungen Mann mit einem Gewehr an einem Fenster im ersten Stock eines Hotels. Miller drehte sich im Sattel und schwenkte den Colt hoch. In diesem Moment leckte ein langer Mündungsblitz auf ihn zu.

Das war das Letzte, was er wahrnahm.

Die Kugel bohrte sich von schräg oben zwischen Hals und Schulter in seinen Körper und traf sein Herz. Miller verspürte keinen Schmerz. Er hatte das Gefühl, zu fliegen. Um ihn drehte sich alles. Er prallte hart auf dem Boden auf und wollte noch schreien – aber er versank in unendlicher Finsternis, und sein Schrei erstarb schon in ihm selbst, bevor er ihn ausstoßen konnte.

*

Manning lief auf den Bridge Square zu. Wheeler tauchte mit dem rauchenden Gewehr aus dem Dampier-Hotel auf und folgte ihm. Weitere Männer stürmten auf die Straße, standen vor ihren Geschäften und Werkstätten und feuerten noch immer. Die Banditen leisteten keine Gegenwehr mehr. Sie wollten nur noch weg.

Wild und verzweifelt um sich schießend, galoppierten sie zum Stadtrand. Ihre Staubmäntel flatterten im Reitwind wie die Flügel von großen Vögeln.

Sie waren alle verletzt, bluteten aus mehreren Wunden. Genau wie ihre Pferde.

Bill Stiles war der Letzte. Er preschte auf der Division Street hinter den anderen Reitern her, als sein Tier getroffen wurde und mit schrillem Wiehern zusammenbrach. Stiles wurde aus dem Sattel geschleudert. Er richtete sich benommen wieder auf und taumelte auf eine Regentonne zu, um dahinter Deckung zu finden. Vorher trafen ihn zwei Kugeln und stießen ihn nieder. Stiles wälzte sich herum und streckte Arme und Beine von sich. Er blieb am Straßenrand liegen.

In die belfernden Detonationen mischte sich noch immer das Geschrei von Menschen, die in Hofeingängen Deckung gesucht hatten. Der Pulverdampf bildete einen so dichten Nebel, dass die flüchtenden Reiter nur noch wie bizarr verzerrte Schattenrisse zu erkennen waren.

Als die James-Younger-Bande aus der Stadt galoppierte, sahen sie noch einzelne Männer mit wutverzerrten Gesichtern, die ihre leergeschossenen Gewehre schwenkten und hinter den Banditen her brüllten.

„Zwei sind tot!“, rief ein Mann. „Zwei haben wir geschnappt. Die anderen sind entwischt. Aber sie haben alle was abgekriegt. Ihre Pferde auch. Die machen es nicht mehr lange.“

„Ein Aufgebot!“, rief ein anderer. „Die dreckigen Halunken haben Heywood umgebracht. Keiner darf entwischen!“

„Irgendjemand muss Missis Heywood Bescheid geben“, sagte ein dritter. „Mein Gott – die arme Frau ...“

Der stinkende Rauch auf der Division Street klarte auf. Die Fassaden der Häuser waren von Kugeleinschlägen gezeichnet. Viele Fenster waren zerbrochen. Der ganze Kampf hatte gerade einmal sieben Minuten gedauert, sieben Minuten, nach denen die Welt in Northfield nie mehr dieselbe sein sollte.

Vor der Bank lag ein totes Pferd. Hier versammelten sich die meisten Männer. Einige betraten die Bank und trugen die blutüberströmte Leiche des Kassierers heraus.

Irgendjemand fand eine Tasche mit dem Aufdruck First National Bank. Darin fanden sich etwa zwanzig Dollar – das war die Beute gewesen. Neben dem Gehsteig lag ein leergeschossener Revolver, unweit des toten Pferdes fand sich ein abgerissener silberner Sporn im Straßenstaub.

Ein Mann in einem wehenden Gehrock näherte sich. Mittelgroß, schlank, mit langem, dichtem Backenbart. Er ging neben dem Leichnam des Kassierers in die Knie und nahm dessen Hand.

„Heywood ...“

„Er ist tot, General Ames“, sagte Andrew Manning neben ihm. „Wie es aussieht, hat er die Bank verteidigt, so gut er konnte.“

Aus einem Hofeingang taumelte Bunker heran, einer der Clerks. Er blutete aus einer Streifwunde am Hals und hatte die rechte Hand auf seine Schulter gepresst; zwischen seinen Fingern quoll Blut hervor. Er blieb neben Heywood stehen. Der schlanke Mann im Gehrock richtete sich auf. Er legte Bunker die Rechte auf die Schulter.

„Sie haben überlebt – Gott sei Dank.“

„Heywood hat sich geweigert, den Safe zu öffnen“, sagte Bunker. Seine Stimme brach. „Er hat ihnen erzählt, der Safe habe ein Zeitschloss. Und dann haben sie ihn einfach erschossen ...“ Er begann zu schluchzen. Sein ganzer Körper schüttelte sich. „Sie haben ihn einfach abgeknallt.“

„Wir kriegen sie“, sagte Ames. Auch seine Stimme zitterte.

„Ich habe viele Tote gesehen, Bunker“, sagte er leise. „Viel zu viele. Der Krieg hat vor keinem Halt gemacht. Aber das hier ist etwas anderes. Wir haben seit elf Jahren Frieden. Heywood hatte keine Feinde. Heywood war der sanftmütigste Mensch, den ich kannte. Er hätte keiner Fliege etwas zuleide getan.“

Adalbert Ames stützte sich auf einen Stock mit Silberknauf. Er starrte die Straße hinunter. In seinen Augen lagen Trauer und Wut. Er war General im Bürgerkrieg gewesen. Danach hatte er als Militärgouverneur von Mississippi amtiert. Er war einer der Inhaber der Bank.

„Ich möchte wissen, wer die Kerle waren.“ Er redete zu sich selbst. „Sie haben genau Bescheid gewusst – und es war kein Zufall, dass sie zu uns gekommen sind.“

Er drehte sich um und schaute einige der Männer an, die ihn umstanden. „Ich war auf dem Weg zur Bank, da sind drei der Burschen an mir vorbeigeritten. Ich habe einen sagen hören: Da geht Gouverneur Ames. Die kannten mich. Niemand hier in Northfield hat mich jemals Gouverneurgenannt.“

„Seien Sie froh, dass Sie nicht in der Bank waren, General“, sagte Manning. „Dann wären Sie wahrscheinlich auch tot.“

„Vielleicht.“ Ames schaute wieder zum Stadtrand, wohin die Banditen verschwunden waren. „Vielleicht wäre ich aber auch nicht so tapfer wie Heywood gewesen und hätte den Safe geöffnet. Mein Gott, ich schulde diesem Mann etwas. Und seiner Familie. Die arme Frau und das Kind ...“

„Ich denke, ich weiß, wer die Kerle waren“, sagte einer der Umstehenden. „Ich habe einen gehört, wie er einen Namen gerufen hat: Cole Younger. Das war die James-Bande. Jesse, Frank und die Youngers.“

„Aus Missouri? Die waren noch nie so hoch im Norden ...“ Ames wiegte den Kopf. „Aber das passt in das Schema dieser Halunken.“

„Wir sollten uns die beiden Toten ansehen“, sagte Manning. „Und dann sollten wir ein Aufgebot zusammentrommeln. Wir dürfen keine Zeit verlieren.“

Frank James

2.

Jesse James setzte das Spektiv ab. Er kroch den Hügel hinunter und richtete sich neben den hohen Doughwood­sträuchern, hinter denen Frank James, Bob, Jim und Cole Younger und Charlie Pitts und die Pferde warteten, auf. Sie alle hatten Schusswunden davongetragen. Sie sahen hungrig und erschöpft aus. Ihre Kleidung war zerrissen und mit Blut verschmiert. Die Wunden hatten sie mit Stoffstreifen aus ihren Hemden notdürftig verbunden. Jesse James zog sein rechtes Bein nach. Eine Kugel hatte ihn oberhalb des Knies getroffen.

„Sie sind hinter uns her. Ich habe Staubwolken gesehen. Viele Reiter. Wahrscheinlich ein Aufgebot.“

Jesse James schob das Spektiv in die Tasche. „Hätte mich auch gewundert, wenn sie uns in Ruhe abziehen lassen würden. Ich wette, sie wissen inzwischen, wer wir sind. Diesmal wollen sie uns um jeden Preis erwischen.“

Frank James blickte seinen Bruder an. In sein hageres Gesicht hatten sich scharfe Falten gegraben. Er hatte Schmerzen, so wie die anderen.

„Der große Allan Pinkerton hat es nicht geschafft, und diese Bauern schaffen es auch nicht.“ Er hob den Revolver, ließ die Trommel klickend rotieren und füllte neue Patronen in die Kammern. „Lass sie nur kommen.“

„Wir werden uns verkriechen müssen.“ Cole Younger saugte gierig an einer Zigarette. „Es gibt tiefe Wälder in der Nähe von Mankato. Und Sümpfe. Ein guter Platz zum Verstecken.“

Jesse James nahm die Zügel und schwang sich wieder in den Sattel. „Diesmal sind es zu viele – und diesmal haben sie uns wirklich im Sack. Wir brauchen einen Arzt, bevor unsere Wunden anfangen, sich zu entzünden. Ich denke, Clell und Bill sind erledigt. Für die kann keiner mehr etwas tun. Und wenn sie überlebt haben sollten, werden sie gehängt oder totgeschlagen. Mein Gott, wie diese Pfeffersäcke gekämpft haben ...“

„Wir hätten uns diesen Ames als Geisel schnappen sollen, als wir ihn gesehen haben.“ Frank James zog sein Pferd herum. „Das war die Chance. Dann wäre alles anders gelaufen. Keiner hätte auf uns geschossen. Und wir hätten diesen verdammten Yankee in die Hölle schicken können.“

Die anderen stiegen ebenfalls wieder auf. Die Pferde waren frisch. Sie hatten sie gleich hinter Northfield von einem Farmer gestohlen.

„Wir müssen über die Grenze – raus aus Minnesota“, sagte Cole Younger.

„Das werden wir zusammen nicht schaffen. Nicht in dem Zustand. Die Frage ist, ob wir uns lange genug verstecken können, bis sie aufgeben. Ich wette, dass in den nächsten Tagen jeder Mann, der ein Gewehr halten kann, hinter uns her ist.“ Jesse James ritt an, die anderen folgten. Dämmerung sank über das weite Land.

James blickte nach vorn. Über die Schulter sagte er: „Es wird das Beste sein, dass wir uns trennen. Wenn unsere Spur sich aufsplittert, bekommen sie Schwierigkeiten, uns zu folgen.“

Sie ritten nebeneinander in den Abend und erreichten die ersten Wälder, die sich düster und scheinbar undurchdringlich vor ihnen dehnten. Das Waldland versprach Sicherheit. Zumindest vorübergehend.

„Missouri ist verdammt weit“, sagte Jesse James.

„Nur sechzig Meilen bis Iowa!“, bemerkte Charlie Pitts.

„Ich meine nicht nur die Meilen.“ Jesse Jamesʼ Kieferknochen mahlten. „Wir werden von Glück sagen können, wenn der Gouverneur nicht die Miliz alarmiert, um die Grenzen dichtzumachen.“

In der Dämmerung wirkte sein bärtiges Gesicht noch düsterer. „Wir sind nicht irgendwer, Freunde. Wir sind die James-Younger-Gang. Habt ihr in den Zeitungen gelesen, dass wir als Staatsfeinde bezeichnet werden? Wir sind die meistgesuchten Männer in den ganzen verdammten Vereinigten Staaten. Im Süden hängen unsere Steckbriefe an jedem Baum. Aber hier in Minnesota haben uns nicht viele Leute gesehen. Unsere größte Chance liegt darin, dass wir uns trennen. Als Gruppe fallen wir auf. Zu zweit oder einzeln kommen wir davon. Keiner kennt uns. Und vergesst nicht: Wer immer hinter uns her ist – es sind Siedler, Städter, Pfeffersäcke, Spießer. Keiner kann richtig Spuren lesen.“

„Ich habe auch nicht gedacht, dass sie schießen können – aber sie konnten es“, antwortete Frank James.

Jesse James blickte in die Dunkelheit. Er hatte seinem Bruder nicht zugehört. Leise, kaum verständlich, mehr zu sich selbst murmelte er: „Zerelda wird schon warten. Ich frage mich, ob Jesse Edwards schon schläft. Sicher schläft er – es ist spät, und Jesse Edwards ist noch so klein ...“

Er verstummte. Frank James blickte Jesse von der Seite an. Er dachte an Northfield, an den Kassierer in der Bank: Er hatte einfach abgedrückt. Es war wie ein Reflex gewesen. Das viele Blut ...

Aber Jesse redete von seiner Frau und seinem Sohn.