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Er war einäugig und hässlich, aber hart wie Granit. Lance Fergusson war ein texanischer Spion. Er wagte sich bis in die Lager der mexikanischen Armee vor, die auf dem Marsch nach Texas war, um den Freiheitskampf Sam Houstons, Jim Bowies und Stephen Austins zu zerschlagen. Zusammen mit seinem Bruder kämpfte er für das Land unter dem einsamen Stern.Ihr Schicksal wurde die Festung Alamo in San Antonio, wo nicht nur über ihr Leben und Sterben, sondern auch über die Freiheit von Texas entschieden wurde.
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Seitenzahl: 199
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Western Legenden
In dieser Reihe bisher erschienen
9001 Werner J. Egli Delgado, der Apache
9002 Alfred Wallon Keine Chance für Chato
9003 Mark L. Wood Die Gefangene der Apachen
9004 Werner J. Egli Wie Wölfe aus den Bergen
9005 Dietmar Kuegler Tombstone
9006 Werner J. Egli Der Pfad zum Sonnenaufgang
9007 Werner J. Egli Die Fährte zwischen Leben und Tod
9008 Werner J. Egli La Vengadora, die Rächerin
9009 Dietmar Kuegler Die Vigilanten von Montana
9010 Thomas Ostwald Blutiges Kansas
9011 R. S. Stone Der Marshal von Cow Springs
9012 Dietmar Kuegler Kriegstrommeln am Mohawk
9013 Andreas Zwengel Die spanische Expedition
9014 Andreas Zwengel Pakt der Rivalen
9015 Andreas Zwengel Schlechte Verlierer
9016 R. S. Stone Aufbruch der Verlorenen
9017 Dietmar Kuegler Der letzte Rebell
9018 R. S. Stone Walkers Rückkehr
9019 Leslie West Das Königreich im Michigansee
9020 R. S. Stone Die Hand am Colt
9021 Dietmar Kuegler San Pedro River
9022 Alex Mann Nur der Fluss war zwischen ihnen
9023 Dietmar Kuegler Alamo – Der Kampf um Texas
9024 Alfred Wallon Das Goliad-Massaker
9025 R. S. Stone Blutiger Winter
9026 R. S. Stone Der Damm von Baxter Ridge
9027 Alex Mann Dreitausend Rinder
9028 R. S. Stone Schwarzes Gold
9029 R. S. Stone Schmutziger Job
9030 Peter Dubina Bronco Canyon
9031 Alfred Wallon Butch Cassidy wird gejagt
9032 Alex Mann Die verlorene Patrouille
Dietmar Kuegler
Alamo Der Kampf um Texas
Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2021 BLITZ-VerlagRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-533-3Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!
Er hatte die uniformierten Reiter von weitem gesehen. Kurz darauf hatte er sie aus den Augen verloren. Trotzdem hatte er immer gewusst, wo sie sich befanden. Er hatte den Falken am Himmel beobachtet. An seinem Kreisen und der Art und Weise, wie er aufstieg und niedersank, hatte er erkannt, in welche Richtung sie sich bewegten.
Jetzt trieb er seinen Falben eine Anhöhe hoch. Die Reiter waren wieder vor ihm. Er selbst war durch einen Buschgürtel gedeckt.
Der Tag war grau, der Wind kühl. Der Himmel hatte die Farbe von kaltem Haferschleim. Fünf Meilen vom Rio Grande. Der Wind versetzte das kniehohe Gras der Ebenen in fließende Wellenbewegungen.
Der Mann stützte sich auf das Horn seines Sattels. Manche sagten von ihm, er sähe aus wie ein Pirat. Das lag an der schwarzen Lederklappe über seiner linken Augenhöhle. Ein Messerstich hatte ihn vor Jahren getroffen. Er hatte längst aufgehört, dieses Unglück zu bedauern. Das fehlende Auge behinderte ihn nicht. Im Gegenteil. Inzwischen fand er es manchmal sehr praktisch, dass er beim Schießen das linke Auge nicht mehr zuzukneifen brauchte.
Mit dem rechten Auge spähte Lance Fergusson in die Senke hinunter, die sich vor ihm ausbreitete. Die drei Soldaten vor ihm ritten hinein. Sie lenkten ihre Pferde auf einen kleinen Rancho zu. Er stand neben einem Bach, der sich von Norden nach Süden durch die Senke schlängelte.
Auf dem Hof scharrten Hühner im Sand. In einer Koppel grasten zwei Pferde. Auf einer Weide neben dem Bach standen zehn oder zwölf Hereford-Rinder. Das war ungewöhnlich so tief im Süden und um diese Zeit, im Jahr 1836. Die meisten Züchter hielten magere Longhorns.
Der Besitzer des Ranchos verstand offensichtlich etwas von Viehzucht, dass er fleischstarke, ausdauernde und wetterharte Herefords hielt. Auch sonst wirkte das Anwesen sauber und gepflegt.
Die drei Soldaten ritten auf den Hof und hielten an der hölzernen Tränke an. Sie stiegen ab. Einer tat ein paar groteske Sprünge hinter einem Huhn her, schnappte es, riss es hoch und zog sein Messer. Fergusson sah, wie er dem flatternden Tier mit einer kurzen Bewegung den Kopf abschnitt und es dann zu Boden warf, wo es noch eine Weile zuckte.
In der Tür des Wohnhauses erschien eine Frau. Der Soldat, der das Huhn getötet hatte, deutete auf das Tier und redete. Fergusson vermutete, dass er die Frau aufforderte, das Huhn für ihn und seine Begleiter zuzubereiten.
Die Frau verschwand unvermittelt wieder im Haus. Fergusson beugte sich interessiert vor. Er sah die drei Soldaten auf das Haus zugehen, als die Frau wieder auftauchte. Diesmal hielt sie ein Gewehr in den Händen.
Der Schuss verwehte über der Senke. Er peitschte den Staub des Hofes auf.
Die drei Soldaten waren schneller gewesen. Einer hatte sich mit einem mächtigen Satz nach vorn geworfen und den Gewehrlauf runtergeschlagen. Er hielt die Waffe fest, konnte sie der Frau aber nicht entwinden. Sie kämpfte. Dann wurde sie von den beiden anderen geschnappt. Sie ließ das Gewehr los und kämpfte noch immer. Sie trat nach vorn und nach hinten und schlug nach allen Seiten.
Fergusson sah, wie die Männer lachten. Der Wind trieb Stimmengewirr zu ihm hoch. Er zog die Zügel seines Pferdes herum und ritt im Schutz des Buschgürtels bis zum Ufer des Baches. Hier befand er sich in einem toten Winkel zum Rancho. Er lenkte den Falben am Bachufer entlang auf das Anwesen zu.
Fergusson hörte die Frau schreien, ohne sich deshalb zu beeilen. Es galt zwar, keine Zeit zu verlieren, aber Fergusson hatte in seinem Leben gelernt, nichts zu überstürzen. Große Hast war von Übel und führte zu Fehlern.
Die Stimme der Frau wurde vom rauen Lachen der Männer übertönt.
Fergusson erreichte die Rückseite der Scheune. Er ritt im Schritt weiter und zog eine gekürzte Brown Bess aus dem Scabbard am Sattel. Als er um die Scheunenecke zum Hof einbog, sah er, dass die Soldaten die Frau bis zum Corral geschleift hatten. Dort hatten sie sie mit ausgebreiteten Armen an das Koppelgatter gefesselt.
Sie wehrte sich noch immer. Sie versuchte zu treten und spuckte die Männer an, die sich ihr näherten. Sie konnte aber nicht verhindern, dass ihr einer der Soldaten das Kleid aufriss. Üppig quollen ihre Brüste unter dem zerfetzten Stoff hervor, und die Soldaten begannen zu johlen.
Als sie Fergusson bemerkten, ritt der bereits über den Hof. Er war ein großer, hagerer, aber breit gebauter Mann mit einem länglichen, hohlwangigen Gesicht, das von einem sichelförmigen Schnauzbart und tiefliegenden, dunklen Augen beherrscht wurde. Er trug einen hochkronigen Sombrero und einen indianischen Poncho.
Die Soldaten fuhren herum. Da schoss Lance Fergusson das erste Mal: Der Knall der Brown Bess verhallte über der Senke. Die großkalibrige Kugel riss einem der Soldaten die Brust auf. Er wurde rücklings gegen das Corralgatter geschleudert und sackte neben der gefesselten Frau in den Staub.
Fergusson ließ die Brown Bess vor sich in den Sattel gleiten, zog eine langläufige Dragonerpistole unter dem Poncho hervor und feuerte abermals.
Ein zweiter Soldat, der ihn hatte angreifen wollen, wurde von der .54er Kugel gestoppt. Er drehte sich einmal um die eigene Achse und brüllte, bis er am Boden aufschlug und die Finger in den Dreck krallte, bevor er starb.
Der dritte Soldat wollte flüchten. Er hastete zu den Pferden hinüber, die beim Donnern der Schüsse unruhig die Köpfe gehoben hatten. Fergusson folgte ihm mit der kalten Entschlossenheit eines Mannes, der keine Kompromisse kennt, der sich Kompromisse nie hatte erlauben dürfen und der wusste, dass Mitleid oder Schwäche in bestimmten Situationen den eigenen Tod bedeuten konnten.
Er hatte nicht vor, zu sterben. Nicht jetzt und nicht später.
Er holte den Soldaten ein, als dieser sich gerade in den Sattel zog. Das Pferd tänzelte. Der Soldat drehte den Kopf. Er sah Lance Fergussons hölzern-starres Gesicht vor sich und schrie.
Fergusson riss die Brown Bess hoch und schwang das schwere Gewehr wie eine Keule. Die eiserne Kolbenplatte traf den Soldaten unters Kinn. Sein Kopf wurde zurückgeschleudert. Sein Genick brach. Er war sofort tot. Er stürzte rücklings von dem scheuenden Pferd. Der trübe Himmel spiegelte sich in den gläsern schimmernden Augen des Mannes.
*
Fergusson ritt zum Corral und stieg ab. Die Frau blickte ihm mit einer Mischung aus Neugier, Trotz und Angst entgegen.
Sie war Mexikanerin. Mittelgroß, kräftig, mit breiten Hüften und prallen Brüsten. Obwohl sie sich in einer denkbar ungünstigen Situation befand, ging von ihr eine natürliche, ungehemmte, fleischliche Sinnlichkeit aus, sowie eine bemerkenswerte Kraft.
Ihr Gesicht war ausdrucksvoll und von herber Schönheit. Es wurde von ihrem tiefschwarzen Haar, das bis auf die Schultern fiel, eingerahmt.
Fergusson blieb vor ihr stehen. Er zog sein Messer und schnitt die Fesseln durch.
Die Frau sackte zu Boden, richtete sich aber sofort wieder auf.
„Gracias“, sagte sie. „Danke.“
„Por donde“, antwortete er. „Weswegen?“
Sie lächelte unsicher. Sein Gesicht blieb unbewegt. Er folgte ihr zum Haus. Sie trat ein und erschien eine Weile später wieder in der Tür. Sie hatte sich ein neues Kleid übergestreift und ihr Haar im Nacken zusammengebunden. Den Toten auf dem Hof schenkte sie keinen Blick.
„Ich war gerade dabei, das Essen aufzusetzen“, sagte sie.
Er trat ein. Sie sagte: „Ich heiße Marina Sobego.“
„Ich weiß“, antwortete er. „Du bist die Frau, die mexikanischen Deserteuren über die Grenze hilft. Du solltest dich in Acht nehmen. Santa Annas Armee ist im Anmarsch. Wir leben nicht in Zeiten, in denen Hilfe zum Desertieren leichtgenommen wird.“
„Woher weißt du das?“ Ihr Lächeln wirkte jetzt wie eingefroren.
„Ich komme von Santa Anna“, erwiderte er. „Er ist mein Freund.“
Ihre Augen weiteten sich. Sie bewegte sich rückwärts.
„Falls du noch eine Waffe im Haus hast, lass die Finger davon.“
Er folgte ihr. Sie blieb an der Kochstelle in der sauberen, einfach eingerichteten Stube stehen. Er sah, wie sie nach dem Griff der Bratpfanne tastete, und begann zu lachen.
„Ich habe gesagt, dass Santa Anna mein Freund ist“, sagte er. „Ich habe nicht gesagt, dass ich sein Freund bin.“
Er nahm den Sombrero ab und warf ihn auf einen Stuhl. „Ich bin nicht sein Freund. Sonst hätte ich die drei Soldaten auf dem Hof nicht erledigt, sondern ihnen geholfen.“
Er setzte sich an den blankgescheuerten Tisch.
„Es riecht nach Chili“, sagte er.
„Wer bist du?“, fragte sie.
„Lance Fergusson“, antwortete er. „Ich bin der Mann, der dich losgeschnitten hat. Ich esse sehr gern Chili. Danach brauche ich einen Spaten, um die Toten zu begraben. Es ist nicht gut, wenn sie auf dem Hof liegen bleiben. Es könnte jemand vorbeikommen, der wirklich Santa Annas Freund ist. Dann hast du schlechte Karten.“
Er sah sie abwartend an. Sie schwieg.
*
Ihr Körper war warm und weich und von genau dem Temperament erfüllt, wie er es vermutet hatte.
Die Schlafkammer des Ranchos war winzig. Durch ein kleines Fenster fiel Sonnenlicht herein. Die graue Wolkendecke war aufgerissen. In dem Lichtbalken, der ein helles Viereck auf die Bodendielen zeichnete, tanzten Milliarden von Staubpartikelchen.
Marina saß auf ihm. Sie hatte die Hände auf seine Oberarme gestemmt, die lang und schmal waren, an denen sich die Muskeln aber flach und hart wie Eisen hervorwölbten.
Ihre Augen hatten jenen unbestimmbaren Glanz, den Frauen immer haben, wenn sie mit dem, was der Mann ihnen gegeben hat, mehr als zufrieden sind.
Lance Fergusson wurde von ihrem Gewicht in die weichen Kissen gepresst. Er genoss dieses Gefühl. Über sich sah er Marinas schwere, volle Brüste. Wenn er die Füße gegen den unteren Bettrand stemmte und sich von unten gegen sie stieß, wippten ihre Brüste hin und her. Das lange schwarze Haar, das ihr glatt nach unten hing, berührte sein Gesicht. Er blies es weg und fühlte, wie seine Erregung, kaum dass sie erschöpft war, zurückkehrte.
Noch spürte er die Wärme ihres Schoßes. Noch war er in ihr, und als er hochstieß, stöhnte sie durchdringend und gab damit zu verstehen, dass sie noch immer bereit war.
Sie hatte Ausdauer, und ihr Hunger nach Liebe war groß. Während sie sich mit der linken Hand weiter auf seinen rechten Arm stützte, ließ sie ihre Rechte über seine knochige Brust gleiten. Sie zog die gespreizten Finger durch das gekräuselte Haar auf seinem Oberkörper und berührte mit den Fingerspitzen seine Brustwarzen.
Das Pochen in seinen Adern wurde stärker. Er begann sich zu bewegen, erst langsam, dann immer schneller. Ihr Gesicht spiegelte Verzückung wider, und er merkte, wie er selbst davon erfasst wurde.
Wohlige Schauer durchfluteten seinen Körper. Sie übermannten ihn. Er drückte sie auf die Seite. Ohne sich voneinander zu lösen, wälzten sie sich herum. Ihr gemeinsames rhythmisches Atmen wurde zum an- und abschwellenden Stöhnen. Sie pressten ihre Körper aneinander, verloren fast die Kontrolle über sich. Seine Hände umspannten ihre Brüste, klammerten sich an ihre vollen, festen Oberarme und hielten schließlich ihre Hüften, so dass er sie fester an sich heranziehen konnte, während sie seine Schultern presste und seinen Rücken zerkratzte.
Der Höhepunkt kam, als sie beide außer Atem waren und fast die Besinnung verloren. Der Rausch, in den sie geraten waren, hielt noch eine Weile an. Ineinander versunken lagen sie da, während der Schweiß auf ihren Körpern trocknete.
Er ließ sich zurücksinken. Die Kissen waren zerwühlt. Sein Brustkorb hob und senkte sich. Sie stützte sich auf die Ellenbogen, strich sich das Haar aus der Stirn und streichelte über seinen Oberkörper. Von ihr ging jetzt eine tiefe, sinnliche, zufriedene Erschöpfung aus.
„Ich habe nie einen Mann wie dich gekannt, Querido1. Du bist stark und hart und trotzdem zärtlich.“
Er lächelte. Er sah verwegen aus mit seiner schwarzen Augenklappe und dem sichelförmigen, struppigen Schnauzbart.
„Hast du mit allen Männern geschlafen, die du vor Santa Annas Armee bewahrt hast?“
Sie schüttelte den Kopf. Sie nahm ihm die Frage nicht übel.
„Nicht mit allen. Mit einigen. Keiner war wie du. Die meisten waren sehr jung, mit heller, weicher Haut und einer Menge Angst im Bauch. Du bist erfahren und von der Sonne verbrannt. Dein Körper ist dunkel, zäh und voller Narben, deine Muskeln sind wie Stein, und du steckst voller Kraft. Du kennst keine Angst.“
Er lächelte wieder und sagte: „Es ist dumm, keine Angst zu haben. Angst ist der Bruder des Mutes. Man muss nur wissen, wann es richtig ist, Angst zu haben, und wann nicht.“
Er stützte sich auf und drückte sich das Kopfkissen ins Kreuz, um besser sitzen zu können. Fergusson kannte Marinas Geschichte. Er hatte sie in den Armeecamps gehört. Marinas Mann war einst Coronel in der Armee gewesen, bis Santa Anna ihn verdächtigt hatte, gegen ihn zu konspirieren. Er hatte ihn ohne Beweis erschießen lassen. Marina war damals aus Sabinas weggezogen und hatte sich auf dem Rancho niedergelassen. Jeder wusste, dass sie auf Rache aus war. Doch Santa Anna musste sie nicht fürchten. Ihre kleine Rache war es, Deserteure der Armee zu beherbergen und zu verstecken, mit Zivilkleidung zu versehen und ihnen weiterzuhelfen. Beweise dafür gab es nicht, aber Fergusson wusste, dass die mexikanischen Soldaten, die am Rio Grande stationiert waren, alle ihren Namen kannten.
Man tat ihr nichts, weil die mexikanischen Behörden in den letzten Jahren andere Sorgen gehabt hatten. Aber ebenso wie die meisten Soldaten der Rio-Grande-Presidios wussten, dass Marina Sobego ihnen half, wenn sie die Armee verlassen wollten, wussten sie auch, dass kein Gericht sie bestrafen würde, wenn sie ihr etwas antaten.
„Ein verdammt einsames Leben“, sagte Lance Fergusson.
„Mein Leben?“ Marina fuhr fort, seine Brust zu streicheln. „Es ist ein gutes Leben. Niemand macht mir Vorschriften. Ich bin frei.“
„Um frei zu sein, muss man sich wehren können.“
„Ich kann mich wehren. Noch einmal passiert es mir nicht, dass solche Bastarde mich überrumpeln.“ Sie blickte ihn scharf an. „Weshalb bist du hier? Bist du wirklich ein Freund Santa Annas?“
„Wüsste ich sonst so gut über deine Geschichte Bescheid? Ich bin nicht sein Freund. Er hält mich dafür. Ich kenne ihn. Er ist ein Dreckstück.“ Er grinste und kratzte sich an seiner Augenklappe. „Ohne die drei Soldaten wäre ich nicht zu dir gekommen. Ich wollte mich in dieser Gegend mit meinem Bruder treffen. Er kommt aus Texas.“
„Hat der auch nur ein Auge?“
„Mindestens“, antwortete er. „Im Kopf zwei. Die Hühneraugen habe ich nicht gezählt.“ Er kicherte.
„Glaubst du nicht, dass Santa Anna es dir übel nimmt, dass du drei Soldaten erschossen hast?“
„Deswegen habe ich sie begraben“, antwortete er. „Du wirst ihre Pferde verkaufen.“
„Nein“, sagte sie. „Dann kann ich mich gleich aufhängen.“
„Dann wird mein Bruder die Pferde mitnehmen und sie in Texas verkaufen.“
„Warum triffst du dich mit deinem Bruder?“
„Weil ich wissen will, wie es in Texas aussieht.“
„Du könntest einfach hinreiten.“
„Ich reite zurück zu Santa Anna.“
Ihre Augen waren die reinste Glut. Sie sagte: „Dein Bruder will vermutlich wissen, wie es in Mexiko aussieht?“
„Du bist schlau, Mujer2. Fast ein bisschen zu schlau.“
„Ich verstehe, Hombre. Wenn Santa Anna erfährt, was du für ein Spiel spielst, bleibt von dir nichts übrig. Reitest du mit seiner Armee?“
„Ich habe dir schon viel zu viel gesagt.“
„Keine Sorge, Lance Fergusson. Bei mir kannst du dich immer verkriechen, wenn es nötig sein sollte.“
Ihre Linke strich über seine Brust und glitt nach und nach immer tiefer, bis sie an seinen Oberschenkeln angelangt war und er erneut eine wachsende Spannung in seinen Lenden verspürte.
Als er nach ihrem Körper tastete, war draußen plötzlich Hufschlag zu vernehmen. Sofort war er aus dem Bett. Marina richtete sich ebenfalls auf. Sie griff nach ihrem Kleid.
Lance Fergusson war bereits in seine Köperhosen3 geschlüpft und hatte sich die Hosenträger über die nackten Schultern gestreift. Mit seiner Dragonerpistole in der Faust ging er nach vorn in den Wohnraum des kleinen Rancho und spähte aus dem Fenster.
„Alles in Ordnung.“ Er kehrte zur Schlafkammertür zurück. „Es ist mein Bruder.“
„Woher wusste er, dass du hier bist?“ Marina zog sich rasch an, während er keine Anstalten unternahm, Hemd und Stiefel überzuziehen.
„Mein Pferd steht vor deinem Haus“, antwortete Lance. Er öffnete die Tür. Sein Bruder, ebenso groß, glattrasiert, nicht ganz so hager, näherte sich mit einer Baker Rifle im Hüftanschlag dem Haus. Er ließ das Gewehr erst sinken, als der Einäugige in der Tür auftauchte.
„Hallo, Mell“, sagte Lance Fergusson. „Schön, dass du mich gefunden hast.“
Der andere blickte Lance von oben bis unten an. Als er die breithüftige, üppige Mexikanerin hinter seinem Bruder sah, grinste er verstehend.
Die Brüder reichten sich die Hände.
„Wir haben nicht viel Zeit.“ Mell Fergusson trat über die Schwelle. „Weiß sie Bescheid?“, flüsterte er.
„Fast alles“, antwortete Lance. „Wenn sie noch ein paar Einzelheiten erfährt, schadet es auch nichts mehr.“
Sie setzten sich an Marinas Tisch. Sie schürte geschäftig das Feuer und setzte einen Wasserkessel auf.
*
„Santa Anna hat sich noch nicht endgültig entschieden“, sagte Lance Fergusson. Er schlürfte Marinas Kaffee. Der Kaffee war stark und süß wie die Sünde. Er passte zu ihr. Nur eine Frau wie sie konnte so einen Kaffee brauen. „Er hat verschiedene Pläne entwickelt. Wahrscheinlich bestimmt er die Marschrichtung erst endgültig, wenn er den Rio Grande hinter sich hat. Im Moment schwankt er noch, ob er zuerst nach San Antonio oder nach Washington-on-the-Brazos gehen soll. Er sagt, in Washington sitzt das texanische Parlament. Von dort aus organisiert Houston die Armee. Andererseits ist San Antonio der alte Gouverneurssitz, und es ist näher an der Grenze. Er will ein paar schnelle Siege, um den Texanern die Moral zu nehmen.“
„Im Moment ist die Stimmung noch flau“, erwiderte Mell. Er beobachtete Marina mit unverhohlenem Interesse. „Aber wir kriegen Unterstützung aus den Vereinigten Staaten. In Louisiana haben sich Freiwilligen-Regimenter gebildet, die über die Grenze gezogen sind. Jede Woche treffen Waffentransporte ein. Trotzdem sähe es nicht gut aus, wenn Santa Anna plötzlich aufkreuzen würde. Wir brauchen noch etwas Zeit.“
„Er wird in schätzungsweise acht Tagen am Rio Grande sein“, sagte Lance. „Seine Ausrüstung ist erstklassig. Die Soldaten aber sind jung. Grünschnäbel. Keiner von ihnen hat Felderfahrung, von den Offizieren und Unteroffizieren abgesehen. Er hat fast 6.000 Mann bei sich, davon gut 1.500 Mann Kavallerie. Die bilden die Vorhut. Santa Anna hat Geschütze dabei, schwere Kanonen und Mörser. Deshalb kommt die Armee nicht schneller voran.“
„Damit wird er uns die Hölle heiß machen“, sagte Mell Fergusson. „Trotzdem wird er sich an uns die Zähne ausbeißen.“
„Es wäre sehr beruhigend für mich, wenn ich wüsste, dass du in Texas ein schnelles Pferd für mich bereithalten würdest.“
„Du traust dem Braten nicht?“
„Ich bin vorsichtig.“ Lance leerte seine Tasse. Er senkte die Stimme. Marina war hinausgegangen. „Sie gefällt dir?“
„Dir gefällt sie doch auch.“
„Wir haben denselben Geschmack. Wir sind Brüder. Ist sie in Ordnung?“
„Sie ist gut. Ich hatte lange keine Frau, die so gut ist. Und sie hält nichts von Santa Anna.“
„Sie wird dich also nicht verraten?“
„Bestimmt nicht. Ich habe ihr aus der Klemme geholfen.“
„Ich habe drei Pferde mit dem Brandzeichen der mexikanischen Armee im Corral gesehen.“ Mell Fergusson nickte verstehend.
„Hinter dem Haus ist eine frisch zugeschüttete Grube“, sagte Lance. „Du musst die Pferde mitnehmen, wenn du wieder reitest.“
„Ich erledige das.“ Mell war ernst. „Ich hoffe, Santa Anna kommt nicht zu früh auf die Idee, dass du ein Kuckucksei bist.“
„Ich hoffe, dass ich es rechtzeitig merke, bevor er solche Gedanken hat.“
Sie erhoben sich. Lance Fergusson sagte: „Ich glaube, du solltest dich um Marina kümmern. Wenn Santa Annas große Armee vorbeizieht, kann sie nicht hierbleiben.“
„Ich rede mit ihr.“
Lance Fergusson ging in die Schlafkammer, zog sein Hemd und seine Stiefel an und streifte den Poncho über. Mit der Brown Bess und dem Sombrero in den Händen ging er hinaus. Marina kam vom Bach hoch. Sie trug einen hölzernen Eimer, aus dem Wasser schwappte.
„Musst du wieder weg?“
„Mell bleibt da. Ich komme wieder. Später.“
Sie streckte die Linke aus und strich über sein Gesicht. Bartstoppeln knisterten unter ihren Fingerspitzen.
„Sprich mit Mell“, sagte er. „Es könnte sein, dass die Lage hier sehr ungemütlich wird. Bis jetzt hast du Glück gehabt. Es könnte sich ändern. Die Zeit der Plänkeleien ist vorbei. Wir bekommen Krieg. Richtig Krieg.“
Lance Fergusson ging zu seinem Pferd, das im Schatten der Scheune stand und einen Hafersack umgehängt hatte. Er zurrte die Sattelgurte fest und stieg auf.
Der Himmel über dem Grenzland hatte eine taubenblaue Farbe angenommen. Es war etwas wärmer geworden. Fergusson ritt einen weiten Bogen durch die Senke und wandte sich dann nach Südwesten. Wenig später war er wieder allein. Das mexikanische Hügelland umgab ihn.
*
Mell Fergusson hatte am Fenster des Rancho gestanden und seinem Bruder nachgeschaut, bis er hinter der Senke verschwunden war.
Marina Sobego trat ins Haus. Sie blickte ihn an. Ihr Blick, ihre Bewegungen, ihr ganzer Körper waren eine einzige Herausforderung. Sie wusste es, es störte sie nicht. Eine Frau, die allein in einer gottverlassenen Gegend haust, muss sehen, wo sie bleibt. Sie war eine starke Frau, die einen festen Willen und eine Menge Energie besaß, die über Klugheit verfügte und mit beiden Beinen auf der Erde stand. Sie wusste, dass man nur einmal lebte und es nicht allzu viele Gelegenheiten gab, einfach nur zu genießen.
„Lance hat gesagt, ich soll auf dich aufpassen.“
„Ich passe allein auf mich auf.“
„Davon bin ich überzeugt.“ Er musterte sie von oben bis unten. Dass sie stark und unabhängig war, erregte ihn. Solche Frauen waren echte Partner, in jeder Beziehung. Man brauchte nicht viele Worte, um sich mit ihnen zu verständigen, und sie klebten nicht an einem Mann.
Er sagte: „Es gibt Situationen, da kann kein Mensch allein zurechtkommen. Weißt du nicht, dass Santa Annas Armee im Anmarsch ist? 6.000 Soldaten. Sie ziehen auf deinen Rancho zu, weil sie über den Rio Grande wollen, um uns Texaner in den Staub zu werfen. Lance hat gesagt, dass du Schwierigkeiten kriegen könntest, wenn die Armee vorbeimarschiert. Im Grunde müsstest du ihnen helfen, du bist Mexikanerin.“
„Es ist nicht wichtig, wo man geboren ist“, sagte sie. „Es ist wichtig, dass man ein Mensch ist. Santa Annas Kriege sind nicht meine Kriege. Santa Anna ist ein Strauchdieb. Alles, was er jemals besessen hat, hat er geraubt. Seine Stellung in der Armee hat er sich erschlichen. Er hat dem Volk die Freiheit geraubt und das Parlament vertrieben. Er hat sich sogar sein Amt geraubt. Er ist Staatspräsident, weil er sich an die Macht gemordet hat. Jetzt glaubt er, ganz Mexiko sei sein Privateigentum. Ich bin nicht sein Eigentum.“
„Dann würde ich ihm an deiner Stelle nicht begegnen wollen. Mit 6.000 Soldaten kannst du es nicht aufnehmen.“
„Wo reitest du hin?“, fragte sie.
„Nach San Antonio. Ich glaube, es wäre besser, du kämst mit.“
„Wann reiten wir?“