Western Legenden 44: Ein freier Mann - Dietmar Kuegler - E-Book

Western Legenden 44: Ein freier Mann E-Book

Dietmar Kuegler

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Beschreibung

Einst kämpfte Moses Cardigan zusammen mit Sam Houston um die Unabhängigkeit von Texas. Jetzt will er gemeinsam mit seiner Frau Rebekka nur noch in Frieden auf seiner Farm leben. Früher war er ein Sklave und erlitt großes Unrecht, aber nun ist er ein freier Mann. Doch man gönnt ihm seinen Frieden nicht, denn er ist schwarz und seine Frau weiß. Grund genug für die Menschen in Bastrop, um Moses und Rebekka zu hassen.

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Western Legenden

In dieser Reihe bisher erschienen

9001 Werner J. Egli Delgado, der Apache

9002 Alfred Wallon Keine Chance für Chato

9003 Mark L. Wood Die Gefangene der Apachen

9004 Werner J. Egli Wie Wölfe aus den Bergen

9005 Dietmar Kuegler Tombstone

9006 Werner J. Egli Der Pfad zum Sonnenaufgang

9007 Werner J. Egli Die Fährte zwischen Leben und Tod

9008 Werner J. Egli La Vengadora, die Rächerin

9009 Dietmar Kuegler Die Vigilanten von Montana

9010 Thomas Ostwald Blutiges Kansas

9011 R. S. Stone Der Marshal von Cow Springs

9012 Dietmar Kuegler Kriegstrommeln am Mohawk

9013 Andreas Zwengel Die spanische Expedition

9014 Andreas Zwengel Pakt der Rivalen

9015 Andreas Zwengel Schlechte Verlierer

9016 R. S. Stone Aufbruch der Verlorenen

9017 Dietmar Kuegler Der letzte Rebell

9018 R. S. Stone Walkers Rückkehr

9019 Leslie West Das Königreich im Michigansee

9020 R. S. Stone Die Hand am Colt

9021 Dietmar Kuegler San Pedro River

9022 Alex Mann Nur der Fluss war zwischen ihnen

9023 Dietmar Kuegler Alamo - Der Kampf um Texas

9024 Alfred Wallon Das Goliad-Massaker

9025 R. S. Stone Blutiger Winter

9026 R. S. Stone Der Damm von Baxter Ridge

9027 Alex Mann Dreitausend Rinder

9028 R. S. Stone Schwarzes Gold

9029 R. S. Stone Schmutziger Job

9030 Peter Dubina Bronco Canyon

9031 Alfred Wallon Butch Cassidy wird gejagt

9032 Alex Mann Die verlorene Patrouille

9033 Anton Serkalow Blaine Williams - Das Gesetz der Rache

9034 Alfred Wallon Kampf am Schienenstrang

9035 Alex Mann Mexico Marshal

9036 Alex Mann Der Rodeochampion

9037 R. S. Stone Vierzig Tage

9038 Alex Mann Die gejagten Zwei

9039 Peter Dubina Teufel der weißen Berge

9040 Peter Dubina Brennende Lager

9041 Peter Dubina Kampf bis zur letzten Patrone

9042 Dietmar Kuegler Der Scout und der General

9043 Alfred Wallon Der El-Paso-Salzkrieg

9044 Dietmar Kuegler Ein freier Mann

9045 Alex Mann Ein aufrechter Mann

9046 Peter Dubina Gefährliche Fracht

9047 Alex Mann Kalte Fährten

Dietmar Kuegler

Ein freier Mann

Diese Reihe erscheint als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2022 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-665-1Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

1. Kapitel

Früher einmal war er gejagt worden. Das war eine Zeit, die er vergessen wollte. Damals hatte er sich geschworen, sich nie mehr jagen zu lassen, sondern selbst Jäger zu sein.

Daran dachte er, als er die Spur vor sich sah: vier Pferde. Sie hatten eine deutliche Fährte im hohen Büffelgras hinterlassen.

Moses Cardigan beugte sich aus dem Sattel. Er studierte die Hufabdrücke am Boden und blinzelte dann in die Sonne. Keine Wolken. Ein Himmel wie erkaltendes Schmiedeeisen. Mittendrin die Sonne: Ein funken­sprühender Amboss. Die Luft flimmerte. Das weite Land atmete Dürre und Erschöpfung.

Irgendwo lauerte der Tod.

Die Spur war höchstens zwei Stunden alt. Moses Cardigan trieb sein Pferd an, einen mausgrauen Wallach. Ein kräftiges Tier, dessen breite Brust davon zeugte, dass es Ausdauer besaß. Moses Cardigan zog sein Gewehr aus dem Scabbard. Eine langläufige Hawken Rifle. Ein gutes Gewehr. Schwer, aber gut ausgewogen. Cardigan prüfte den Sitz des Zündhütchens.

Er war bereit zu töten. Er ritt im Schritt. Aufmerksam behielt er die Umgebung im Auge. Die Wildnis hatte viele Gesichter. Meist verbarg sich hinter dem, was man offen sah, ein ganz anderes Antlitz, und die Gefahr zeigte sich selten offen.

Die Pferdespur führte in leichtem Bogen auf ein Gehölz zu, das in einem Einschnitt zwischen zwei Hügelrücken deutlich zu erkennen war.

Als Cardigan die Hügel erreichte, sah er in wenigen hundert Yards Entfernung die primitive Overlandstraße, die kaum mehr war als zwei tief eingeprägte Radspuren. Sie wand sich von Westen nach Osten durch die texanische Ebene. In Sichtweite davon befand sich Nash’s Creek. Er führte kaum Wasser. Auf dem Überlandweg zeigte sich jetzt eine Karawane; zwei Kutschen, jeweils zweispännig, ein Kastenwagen und sieben Reiter. Cardigan wandte sein Interesse wieder dem Gehölz zu. Als er es dort unvermittelt aufblinken sah, wusste er, dass seine Vermutung richtig gewesen war. Er lockerte die beiden Johnson-Holster-Pistolen im Gürtel und öffnete den Verschluss der Klappe des Sattelholsters, in dem eine riesige Waters-Pistole steckte. Geduckt ritt er weiter. Es blinkte wieder. Metall. Kein Zweifel. Die Sonne verriet es. Cardigan zog sein Pferd nach rechts und stieg aus dem Sattel.

Er war ein hochgewachsener, athletischer Mann mit ausladenden Schultern. Obwohl es sengend heiß war, schwitzte er nicht. Er hatte andere Strapazen ertragen müssen, ohne zu schwitzen.

Seine Haut war schwarz wie Ebenholz. Ein breitrandiger Hut beschattete sein dunkles Gesicht. Ein leichter Wind trieb von Norden heran. Er trug das Geräusch von Geschirrketten und knarrenden Wagenrädern mit sich. Cardigan bewegte sich geschmeidig wie eine Raubkatze. Er hielt sich im Schutz dichter Pappeln und Eschen und wich geschickt dem Dornengehölz aus, das überall wucherte. Dann sah er den Mann mit dem Gewehr. Das metallische Blinken, das entstand, wenn die Sonne den Lauf traf, hatte ihn verraten. Der Mann lag am Waldrand. Der Gewehrlauf deutete auf die Overlandstraße.

Cardigan hätte gern gewusst, wo sich die anderen drei Männer befanden. Er konnte nicht warten. Die Wagen und Reiter waren schon zu nahe. Er hob sein Gewehr. Moses Cardigan zielte nur kurz. Sein Herz schlug nicht ein bisschen schneller, als er abdrückte.

Der dumpfe Knall der Detonation hallte weit über die Ebene. Die Kugel traf den Mann, der mit dem Gewehr auf der Lauer lag, seitlich in den Hals. Er wurde vom Aufprall hochgerissen, stürzte auf die Seite und blieb reglos in einem Beerengehölz liegen. Cardigan schob die Hawken Rifle schnell in den Scabbard zurück und riss die beiden Johnson-Pistolen aus dem Gürtel. Im nächsten Moment sah er einen Mann zwanzig Yards weiter am Rand des Buschlandes auftauchen. Mexikaner. Klein, drahtig. Er legte ein langläufiges Gewehr an und schoss im selben Moment, als auch Cardigan eine der Pistolen abdrückte. Cardigan fühlte den sengenden Hauch des vorbeistreichenden Projektils. Seine Kugel traf den Mexikaner in die linke Schulter. Der Mann stürzte, richtete sich aber sofort wieder auf.

Cardigan schwang sich in den Sattel und hämmerte seinem Pferd die Absätze in die Weichen. Er preschte durch das Unterholz am Waldrand. Tief geduckt im Sattel sitzend, wich er herabhängenden Ästen aus. Er verlor nicht mal seinen Hut. Als er einen grellen Kampfschrei ausstieß, blitzten seine weißen Zähne in scharfem Kontrast zu seiner schwarzen Haut.

Der Mexikaner zog eine Pistole und lehnte sich bleich gegen einen Baum. Das Blut rann ihm am linken Arm hinunter. Sein Hemd war bereits damit getränkt. Der Mann hob seine Waffe, versuchte mit aller Gewalt, sie ruhig zu halten und zielte auf Cardigan. Cardigan sah die große Mündung unnatürlich deutlich. Alle seine Sinne hatten sich, wie immer, wenn Gefahr drohte, über­mäßig geschärft. Er handelte fast automatisch. Er schoss aus vollem Galopp. Die Kugel traf den Mexikaner in die Brust. Cardigan sah nicht mehr, wie der andere ins Moos sackte. Er preschte vorbei. Die wirbelnden Hufe des Wallachs erzeugten ein dumpfes Trommeln auf dem weichen Waldboden. Auf der Overlandstraße hatte die Karawane angehalten. Die Reiter hatten einen der beiden Zweispänner umrundet und deckten ihn. Da krachte es aus dem Dickicht. Cardigan sah den Mündungsblitz vor sich. Zwei Männer fehlten ihm noch. Beide hatten gute Nerven. Sie hatten die Stellung gehalten, während ihre beiden Kumpane gestorben waren. Der Schuss aus dem Unterholz fegte einen der Reiter vor dem ­Zweispänner aus dem Sattel. Es krachte sofort wieder. Die Kugel donnerte in den Seitenschlag der Kutsche und durchschlug glatt das Holz. Cardigan sah es nicht. Er konzentrierte sich auf das Versteck des Schützen, der gut gedeckt lag. Er konnte ihn noch immer nicht sehen.

Blindlings feuerte er auf das Gesträuch, aus dem die Mündungsblitze gezuckt waren.

Die große Kugel fetzte Laub und Gezweig beiseite. Ein Schrei ertönte. Cardigan beugte sich weit aus dem Sattel. Er sah einen dritten Mexikaner taumelnd hochfahren. Der Mann feuerte. Die Kugel wirbelte Cardigan den Hut vom Kopf. Dann war er heran und warf sich mit einem Hechtsprung aus dem Sattel. Er prallte gegen den Mexikaner und riss ihn zu Boden.

Cardigan wurde vom Schwung des Sprungs über den anderen hinweggeschleudert und kam auf den Rücken zu liegen. Der Mexikaner war nur leicht verletzt. Er blutete an der rechten Hüfte. Streifschuss.

Er war flink, geschmeidig und stark, obwohl er kleiner als Cardigan war. Sein Gesicht war vor Wut und Anstrengung verzerrt. Die Augen quollen ihm fast aus den Höhlen. Er wusste, dass es um sein Leben ging. Cardigan sah das Messer des Mexikaners über seinem Hals. Er riss die Beine an den Leib. Seine hochschnellenden Knie trafen den Mexikaner. Der Mann wurde zur Seite geschleudert. Mit der Linken griff er nach Cardigans Hals und krallte sich fest. Die Verzweiflung verlieh ihm übermenschliche Kraft. Cardigan fühlte, wie seine Sinne schwanden. Er bekam mit der linken Faust das rechte Handgelenk des Mexikaners zu packen und umspannte es wie eine Schraubzwinge. Er drückte das Messer zur Seite, schlug mit der rechten Faust zu und spürte, wie die Kraft des anderen unvermittelt nachließ. Er stieß die messerbewehrte Faust des Mannes von sich weg und spürte Widerstand.

Der Griff an seinem Hals lockerte sich. Sein Blick wurde klarer. Keuchend stemmte er sich hoch. Der ­Mexikaner lag, mit dem eigenen Messer in der Brust, vor ihm. In seinen Augen spiegelte sich der heiße Himmel.

Cardigan taumelte zu seinem Pferd. Irgendwo im Unterholz war der Hufschlag eines Tieres zu hören. Der vierte Reiter, den er nicht zu Gesicht gekriegt hatte, flüchtete. Es war sinnlos, ihn zu verfolgen. Cardigan zog sich in den Sattel und ritt auf die Ebene hinaus. Zwei Männer kümmerten sich um den Reiter, der aus dem Sattel geschossen worden war. Der durchschossene Kutschenschlag stand offen. Ein hochgewachsener, massiger Mann mit kantigem Schädel und struppigem Schnauzbart war ausgestiegen. Er trug einen abgewetzten Gehrock, der an der Hüfte ausgebeult war, wo er eine Waffe verborgen hatte.

„Einer ist entwischt.“

Cardigan stützte sich auf das Sattelhorn.

„Wie geht es ihm?“ Er deutete auf den Verletzten.

„Nur eine Fleischwunde.“

Der kräftige Mann fragte: „Mexikaner?“

„Ja, General Houston.“

„Sie hassen mich wie die Pest.“ Sam Houston blickte zu Cardigan hoch.

Cardigan sagte: „Wenn ich Mexikaner wäre, würde ich das auch tun.“

Houston lachte. „Du hast mir das Leben gerettet, Moses.“

„Ich habe die Burschen nur erwischt, bevor sie das Feuer auf Ihren Wagen eröffnen konnten. Ich glaube nicht, dass Ihnen ein Haar gekrümmt worden wäre.“

„Vielleicht nicht, obwohl die Kugel, die die Tür durchschlagen hat, nur ein paar Zoll an mir vorbeigegangen ist. Aber ein paar von den anderen hätte es bestimmt getroffen. Du hattest recht damit, vorauszureiten und das Land an der Straße abzusuchen.“

„Wir sollten uns nicht aufhalten, General.“ Cardigan zog seinen Wallach herum.

„In drei Stunden ist es dunkel. Es ist besser, wenn wir bis dahin in Gonzales sind.“

„Wenn Mexiko mich vor der Präsidentenwahl abschießen kann, rückt sofort danach die ganze Armee wieder an“, sagte Houston.

„Man wird Sie nicht abschießen, Sir“, sagte Cardigan.

„Nicht, solange Männer wie du in meiner Nähe sind.“

Houston stieg wieder in seinen Einspänner. Er ordnete an, dass der Verletzte zu ihm in die Kutsche gelegt wurde. Cardigan trieb sein Pferd an. Er ritt voraus, während die Kolonne ihm in einigem Abstand folgte. Im Sattel sitzend, lud er seine Waffen nach.

*

Die texanische Flagge wehte am Mast vor der einfachen Holzhütte am Brazos. Überall erklang Musik. Blas­kapellen, Gitarren, Fiedeln. Es wurde gesungen und getanzt. Wein floss in Strömen, aber auch scharf ­gebrannter Whisky. Von den Niederlassungen bei ­Bastrop waren die deutschen Farmer gekommen. Sie hatten selbstgebrautes Bier mitgebracht, das besonderen Zuspruch fand.

Moses Cardigan kam vom Fluss hoch, als er den Reiter sah, der im gestreckten Galopp über die Prärie heran­preschte. Er schwenkte seinen breitrandigen Hut und brüllte schon von weitem: „Er hat es geschafft! Er ist gewählt!“

Unter den Hunderten von Menschen, die sich am Ufer versammelt hatten, brach ein Jubelgeheul los, das alle anderen Geräusche übertönte. Der Reiter donnerte vorbei auf die Hütte zu. Er verschwand darin. Sein völlig erschöpftes Pferd blieb mit dampfenden Flanken stehen. Ein Mann sprang herbei, nahm es am Zügel und führte es herum, bevor ein anderer kam und es abrieb. Dann erschien Sam Houston in der Tür der Hütte. Seine mächtige Gestalt schien noch gewachsen zu sein. Trotzdem sah er aus wie die Siedler, die sich draußen versammelt hatten und Hochrufe anstimmten, als sie ihn sahen. Cardigan fragte sich, was in dem Mann vorging, der einst mit Schimpf und Schande seinen Heimatstaat Tennessee verlassen hatte und nach Texas gegangen war. Hier war er unter dem Namen, den die Cherokee ihm gegeben hatten, „der Rabe“, bald bekannt geworden. Als General der provisorischen Armee von Texas hatte er die mexikanische Armee besiegt, den mexikanischen Staatspräsidenten Santa Anna gefangengenommen und die Unabhängigkeit von Texas erstritten. Der Bote, der soeben eingetroffen war, hatte das Ergebnis der ersten freien Wahl mitgebracht, die es in Texas seit der Lossagung von Mexiko gegeben hatte: Sie war ausgegangen, wie es erwartet worden war. Sam Houston war erster Präsident von Texas geworden.

Moses Cardigan schritt langsam zur Hütte hoch. Er hielt sich im Hintergrund. Niemand achtete auf seine hohe, dunkelhäutige Gestalt. Erst später gelang es ihm, die Hütte zu betreten. Sie war spartanisch eingerichtet. Rotgesichtig, mit dunkel glühenden Augen saß der texanische Präsident auf einer groben Holztruhe.

„Moses! Tritt ein!“ Houston sprang auf. Er barst schier vor Energie. Gerade noch hatte er eine Rede gehalten. Cardigan hatte sie kaum gehört. Das Jubelgebrüll der Siedler war zu laut gewesen. Jetzt wurde draußen wieder gefeiert, lauter als vorher. Sam Houston hatte vor sich auf einem wackligen Tisch Berge von Papier liegen.

„Es gibt eine Menge Arbeit“, sagte er. „Wir bilden uns ein, Texas sei ein Staat. Aber wir sind weit davon entfernt. Wir brauchen Geld, viel Geld, noch mehr Siedler, Städte, Straßen, Schulen. Und wir müssen auf der Hut sein: Die Mexikaner liegen auf der Lauer. Sie wollen uns wieder in die Tasche stecken.“

Er unterbrach sich, trat auf Cardigan zu und legte ihm die Hände schwer auf die Schultern.

Er sagte: „Ich habe nicht vergessen, dass du mir das Leben gerettet hast, Moses. Ich habe gehört, dass du gehen willst?“

„Ich habe eine Farm am Colorado“, sagte Cardigan. „Dort wartet meine Frau.“

„Du wirst es nicht leicht haben“, sagte Houston. „Die meisten Texaner können sich Schwarze nur als Sklaven vorstellen. Aber du bist ein Mann, der sich durchbeißen kann.“

„Keiner hat es leicht“, sagte Cardigan.

Houston beugte sich hinter die alte Truhe. Er hob einen, in ein Leinentuch gewickelten Gegenstand auf. Als er das Tuch wegzog, sah Cardigan eine Waffe, wie er sie nie zuvor gesehen hatte. Sie hatte die Form einer Pistole, war aber ganz aus Metall, das dunkel brüniert glänzte, und hatte eine Trommel.

„Ich hoffe, diese Waffe wird dich an mich erinnern“, sagte Houston. „Ich habe lange überlegt, wie ich mich bei dir bedanken kann. Ich glaube, dies ist das Richtige: Es ist ein Revolver.“

Cardigan nahm die Waffe und wog sie in der Hand. Sie war schwer. Der Griff aus Walnussholz fühlte sich angenehm an.

„Wenn du den Hahn spannst, tritt der Abzug unten aus dem Rahmen“, erklärte Houston. „Die Trommel fasst fünf Pulverladungen. Es ist eine Wunderwaffe. Du kannst fünfmal schießen, ohne nachzuladen. Sie ist neu. Der Erfinder ist ein gewisser Samuel Colt. Ein Freund, der in den Vereinigten Staaten einen Waffenhandel betreibt, hat mir einige Revolver mitgebracht. Ich denke, du wirst diese Waffe richtig zu gebrauchen wissen.“

Moses Cardigan blickte in das derb geschnittene Gesicht Houstons.

Houston sagte: „Du brauchst dich nicht zu bedanken. Ich schulde dir Dank.“

Der Händedruck war fest. Cardigan trat hinaus. Er steckte den Revolver ein. Er blickte sich um. Seine Zeit hier war vorbei. Er war immer ein Außenseiter gewesen, auch in der texanischen Armee. Aber er war gut gewesen, deshalb hatte Houston ihn in seine Nähe geholt.

Cardigan ging zum Fluss hinunter, um sein Pferd zu holen. Da stand ein Weinfass. Ein Mann mit rotem Stiernacken schenkte aus. Über dem Fass lag eine texanische Fahne.

„Gib mir ein Glas“, sagte Cardigan.

Der Mann beachtete ihn nicht. Cardigan wiederholte seine Bitte.

„Scher dich zum Teufel, Nigger!“

Moses Cardigan war wieder auf der Erde, nachdem er für einen Moment auf Wolken gegangen war. Sam Houston war so nah und doch weit weg. Er war wieder allein.

Seine rechte Faust flog hoch. Der Mann neben dem Weinfass taumelte. Cardigan packte ihn am Hemdkragen und riss ihn zu sich heran. Die Linke knallte dem Mann in den Leib. Dessen Augen quollen fast aus den Höhlen. Er krümmte sich und sackte auf die Knie. Cardigan ließ ihn los und versetzte ihm einen Stoß mit dem rechten Knie. Der Kerl plumpste rücklings ins Gras und wimmerte. Cardigan nahm ein bereitstehendes Glas, füllte es aus dem Fass und trank, während er verächtlich auf den Mann im Gras hinunterblickte. In einigem Abstand hatten sich gut zwei Dutzend andere Männer zusammengeschart und starrten ihn feindselig an.

„Der Nigger hat Jasper niedergeschlagen!“, rief einer.

„Was hat der Kerl hier überhaupt zu suchen?“

Drei Männer lösten sich aus der Gruppe und näherten sich. Einer hielt sein Kentucky-Gewehr auf Cardigan gerichtet.

„Dich hacken wir in Stücke!“

Cardigan antwortete nicht. Sein schwarzes Gesicht war starr.

„Schlagt ihn tot!“, schrien sie von hinten.

Cardigan blieb ruhig. Unvermittelt flog das noch halbgefüllte Weinglas nach vorn. Es traf den Mann mit dem Gewehr mitten ins Gesicht. Er beugte sich nach vorn, der Gewehrlauf neigte sich. Der Mann schlug die linke Hand vor das Gesicht.

Cardigans rechtes Bein fuhr hoch, traf das Gewehr und schmetterte es aus der Hand des anderen. Fast gleichzeitig traf er den Mann mit einer gestochenen rechten Geraden. Der Bursche wurde gegen die beiden anderen geworfen. Cardigan setzte nach. Er packte die Männer rechts und links an den Köpfen und knallte sie aneinander, bevor sie die Chance hatten, ihn anzugreifen. Sie stürzten wie Stoffpuppen. Cardigan griff zum Gürtel. Unwillkürlich riss er nicht seine Pistole, sondern den neuen Colt-­Revolver heraus.

Brüllend rückten die anderen Männer näher.

Plötzlich schrie einer: „Lasst ihn in Ruhe! Er gehört zu Houston!“

Cardigan setzte sich in Bewegung. Er ging an den Kerlen vorbei, die er niedergeschlagen hatte. Die wütenden Männer wichen ihm aus. Er hörte ihre Flüche und Beschimpfungen. Niemand griff ihn an. Cardigan wandte ihnen den Rücken zu. Ein unangenehmes Kribbeln zog an seinem Rückgrat hoch. Er ging sehr gerade und wandte sich nicht um. Er erreichte seinen Wallach. Als er den Sattel aufgelegt und festgezurrt hatte, sah er einen Mann im Hirschlederhemd am Fluss stehen. Er hatte seine Feldflasche gefüllt und äugte zu Cardigan herüber.

„Du solltest nicht in Texas bleiben“, sagte er. Er hatte die schleppende, schwer verständliche Sprechweise der Grenzer, die gelegentlich französische und spanische Brocken in ihr Englisch mischten. „Texas ist nicht gut für dich.“

„Ich bleibe in Texas“, sagte Cardigan.

Er stieg in den Sattel. Ein letztes Mal schaute er zu der schlichten Blockhütte. Ein paar Wochen war er in der Nähe Sam Houstons geritten. Jetzt trennten ihn Welten Von diesem Mann. Cardigan ritt davon. Der Lärm blieb hinter ihm zurück.

2. Kapitel

Die Frau war schön. Obwohl sie Stiefel trug, bewegte sie sich locker und leichtfüßig.

Sie war groß, pinienschlank, dabei wirkte sie kräftigund ausdauernd. Wenn sie ging, erinnerte ihr Anblick an eine stolze Raubkatze. Das karierte Männerhemd war ihr zu weit, trotzdem kam ihre ausgeprägte Weiblichkeit unübersehbar zur Geltung. Ihre runden Hüften wiegten mit jedem Schritt hin und her. Unter dem Stoff des Hemdes hoben und senkten sich ihre vollen Brüste. Das pechschwarze Haar fiel lang und seidig auf ihre Schultern und umrahmte ihr ovales Gesicht mit den leicht schräg stehenden Augen.

Moses Cardigan sah sie mit einem Holzeimer Wasser vom Fluss holen. Ihn befiel ein heißes Verlangen. Er ritt von Südwesten heran. Sie sah ihn nicht und hörte ihn auch nicht, da der weiche Boden und das hohe Gras den Hufschlag dämpften. Sie kniete am Flussufer, füllte den Eimer, richtete sich auf und schleppte ihn zum Haus zurück. Bei jedem Schritt schwappte etwas Wasser über den Rand.

Als sie das kleine Blockhaus neben der Bretterscheune erreichte, vernahm sie den Hufschlag. Sie stellte den Eimer ab und griff zu dem langläufigen Gewehr, das an der Hauswand lehnte.

Der hohe Schatten des Reiters rückte um die Scheunenecke. Dann sah sie den dunkelhäutigen Mann, der ebenso wie der Wallach den Staub des langen Ritts auf sich trug.

Cardigan saß leicht gebeugt im Sattel. Er hatte den Hut ein Stück in den Nacken geschoben. Die letzten zwei Tage hatte er kaum geschlafen, daher lagen seine Augen in tiefen Höhlen.

Sie stieß einen hellen Ruf aus. Cardigan stieg ab. Sie ließ das Gewehr fallen und stürmte zu ihm. Er fing sie auf. Seine Arme schlossen sich um sie. Er presste sie an sich, spürte ihre Wärme und empfand, wie sehr sie ihm gefehlt hatte. Er sprach kein Wort. Er küsste sie, bis sie beide fast die Besinnung verloren.

„Jeden Tag habe ich gewartet“, sagte sie. „Seit ich wusste, dass die Wahl Houstons vorbei ist.“