Ab in den Urlaub! - Petra Weise - E-Book

Ab in den Urlaub! E-Book

Petra Weise

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Beschreibung

Urlaub ist die schönste Zeit des Jahres. Die einen nutzen diese Zeit, um in die Ferne zu reisen, die anderen bleiben lieber daheim in ihrem Garten. Der eine erholt sich am Meer, der nächste beim Wandern in den Bergen, der eine bevorzugt das Abenteuer, der nächste will nur seine ungestörte Ruhe. In 22 Reisegeschichten werden spannende Erlebnisse, seltsame Begebenheiten und sogar katastrophenähnliche Zustände erzählt. Reisen Sie mit, während Sie gemütlich in Ihrem Lesesessel sitzen!

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Seitenzahl: 204

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Wir möchten

die Welt durchreisen,

um das Schöne zu finden,

aber wir müssen es in uns tragen,

sonst finden wir es nicht.

Ralph Waldo Emerson

Inhalt

Urlaub in Bulgarien

Zurück aus dem Urlaub

Urlaub am Meer

Meine Oma

Wanderzirkus

Schwedischer Härtetest

Paradies am Waldsee

Benno in Tirol

Urlaub auf Sardinien

Ein ganz anderer Urlaub

Ferien in Tirol

Pfingstferien in der Schweiz

Der fränkische Brauereiweg

Ein fränkischer Gasthof

Unser Reise-Schutzengel

Der Ausreiseantrag

Freiberg – immer eine Reise wert

Besuch zu Weihnachten

Der Chemnitzer Weihnachtsmarkt

Ab in den Urlaub

Feiertage sind wie Kurzurlaube

Die letzte Reise?

Urlaub in Bulgarien

21 Uhr. Um schlafen zu gehen, ist es noch zu früh. Außerdem bin ich viel zu aufgedreht. Es ist mein erster Urlaubstag am Schwarzen Meer, das ich von meinem Hotelzimmer aus dunkel schimmern sehe. Von der Straße unter mir dringt Lärm herauf. Ich öffne die Balkontür und schaue hinunter auf das bunte Treiben. Leute schlendern zwischen den bunt beleuchteten Geschäften und Gaststuben hin und her. Genau dort will ich jetzt hin.

Ich wende mich nach rechts und bummle die Straße entlang. Die Menschen sind alle in guter Stimmung. Kein Wunder, sie haben Urlaub und wollen feiern.

Schließlich lande ich in einer kleinen Bar und bestelle mir einen Gin Tonic. Schnell komme ich mit zwei netten Mädchen ins Gespräch. Es sind hübsche Bulgarinnen mit langen dunklen Haaren, die ebenfalls Urlaub hier an der Goldküste machen, und in einem Hotel ganz in der Nähe wohnen. Wir verständigen uns auf Englisch und haben richtig Spaß miteinander. Ich schaue auf meine Uhr – es ist noch nicht einmal Mitternacht.

Oje! Mein Schädel brummt. Habe ich gestern so viel getrunken? Ich kann mich nicht erinnern, noch ein zweites oder gar drittes Glas bestellt zu haben. Mein linker Arm tut weh. Ich drehe mich zur Seite, um auf meine Uhr zu schauen. Wo ist meine Uhr? Habe ich sie abgenommen? Das mache ich normalerweise nicht – nicht einmal beim Duschen. Mühsam richte ich mich auf und halte mit der Hand meinen schmerzenden Kopf. Was ist das? Schockiert schaue ich auf mein Kopfkissen. Es ist rot, blutrot – überhaupt ist alles voller Blut. Auch meine Arme. Ich taste nach meiner Brille auf dem Nachttisch, kann sie aber nicht finden. Schnell steige ich aus dem Bett und laufe ins Bad. Großer Gott! Wie sehe ich aus? Mein Gesicht und meine Haare sind voller Blut. Vorsichtig taste ich meinen Kopf ab. Alles ist klebrig und von getrocknetem Blut verkrustet.

Was kann nur passiert sein? Ich gehe zurück ins Zimmer. Dort steht ein Radio, das 15 Uhr anzeigt. Ich erinnere mich, kurz vor Mitternacht auf meine Uhr gesehen zu haben. Wo ist sie überhaupt? Für volle fünfzehn Stunden fehlt mir jegliche Erinnerung.

Hektisch suche ich nach meiner Brille, sogar im Bad und unter dem Bett. Sie ist nirgendwo zu finden, verschwunden wie meine Uhr. Fehlt noch mehr? Mein Geldbeutel! Der steckt immer in meiner Hosentasche. Er ist da. Erleichtert klappe ich ihn auf. Das Geld fehlt. Es waren nur siebzig Euro und einhundertfünfzig Lewa darin. Diesen Verlust kann ich verschmerzen. Doch Ausweis, Bank- und Kreditkarte fehlen ebenfalls. Das ist kein Zufall. Ich bin bestohlen worden. Ausgeraubt! Ich muss die Polizei anrufen. Doch wo ist mein Handy!

Was soll ich jetzt tun? Irgend etwas muss ich machen. Zuerst duschen. So blutverschmiert kann ich nicht aus dem Zimmer.

„Ich bin beraubt worden“, erkläre ich dem Mann an der Rezeption.

„Können Sie sich ausweisen?“

Ich halte ihm meinen Arm entgegen, an dem ein Band befestigt ist, das mich in diesem Hotel zum Genuss von all inclusive berechtigt. Mir fällt ein, dass mein Ausweis noch von der Anmeldung gestern Abend vorliegen müsste. Ich sage ihm das. Und nach einem Abgleich der Personalien glaubt mir der Mann. Doch er will keine Schadensmeldung annehmen, nur für frische Bettwäsche sorgen und das Zimmer säubern lassen.

„Haben Sie vielleicht gesehen, wer mich hierher ins Hotelzimmer begleitete?“

Der Mann schüttelt den Kopf. Dann erklärt er mir, dass es verboten sei, Fremde mitzubringen. Das weiß ich. Doch ich weiß nicht, wie und wann ich von der Bar hierher kam. Ich kann mich an nichts erinnern. Der Mann kann oder will mir nicht helfen. Er mag auch seine Kollegen nicht befragen.

Ich muss unbedingt meine Kreditkarte sperren lassen. Auch mein Handy. Doch sämtliche Daten und der Kontakt zu meiner Bank sind auf meinem Handy hinterlegt. Ich bin praktisch hilflos. Nicht einmal ein Adressbuch besitze ich, wo ich wie früher wichtige Nummern notiert hätte.

Schließlich fällt mir ein, dass ich im Koffer mein tablet habe. Ich weiß selbst nicht, weshalb ich es einpackte. Nun könnte es mir helfen, zumal ich beim Einchecken sofort Internetzugang buchte.

Schnell stelle ich eine Verbindung zu meinem Konto her und muss erst einmal durchatmen. Wie kann es möglich sein, dass über Nacht mein kompletter Kreditrahmen ausgeschöpft ist? Von meinem Konto wurden bereits zahlreiche Barabhebungen und Einkäufe abgebucht. Ich lasse meine Karten sperren, erfahre aber dabei, dass noch weitere Einkäufe im Hintergrund warten, aber nicht mehr gestoppt werden können. Wieso nicht? Ich habe doch soeben den Vorfall gemeldet.

„Ihr Kreditrahmen ist ohnehin ausgeschöpft“, erklärt mir die Dame.

„Dann muss ich ihn eben erhöhen. Ich habe kein Geld mehr und noch zwei Wochen Urlaub.“

„Das geht leider nicht, weil die Abbuchungen in der Warteschleife noch so hoch sind. Nur weitere Einkäufe können ab jetzt mit Ihren Karten nicht mehr getätigt werden.“

Ich kann das alles nicht fassen und sage erst einmal gar nichts mehr.

„Melden Sie den Vorfall der Polizei! Andernfalls haben Sie versicherungstechnisch keine Möglichkeit zur Klage.“

Auch das noch.

Ich finde im tablet die Daten für mein Handy und kann die Sim-Karte sperren lassen. Nun haben die Diebe zwar mein Handy, können es aber nicht auf meine Kosten nutzen.

Eigentlich wollte ich heute nicht vor die Tür gehen. Mein Gesicht und die Arme sind voller roter Schrammen und blauer Flecken. Ich sehe aus, als wäre ich in eine Prügelei geraten und wirke mit Sicherheit nicht vertrauenserweckend. Doch ich muss zur Polizei und Anzeige erstatten. Zumindest ist zu sehen, dass man mir übel mitgespielt hat.

Der Polizist lässt mich eineinhalb Stunden draußen in einem Vorraum warten. Dann sagt er mir, dass er weder Deutsch noch Englisch versteht und er erst einen Dolmetscher herbeirufen muss. Ich warte eine weitere Stunde. Dann erscheint der Dolmetscher, der kein Deutsch und nur wenig Englisch beherrscht. Wie will er unter diesen Bedingungen meine Anzeige aufnehmen? Immer wieder spricht er mit dem anderen Polizisten.

„Wollen Sie sich keine Notizen machen?“, hake ich nach.

Die beiden Männer wirken auf einmal verärgert.

„Was ist?“, frage ich ziemlich irritiert.

In einem Kauderwelsch aus Bulgarisch und ein paar englischen Brocken gibt man mir zu verstehen, dass ich mich in Widersprüche verwickelt und mich somit strafbar gemacht hätte. Jetzt bin auch ich ärgerlich.

„Ich habe Ihnen bereits fünf Mal den Hergang geschildert. Sie haben nichts aufgenommen und plötzlich bin ich nicht mehr der Geschädigte, sondern der Beschuldigte? Das kann doch nicht möglich sein!“

Die Polizisten stehen auf und wirken auf einmal direkt bedrohlich. Ich verstehe nur soviel, dass ich jetzt und nur jetzt die Möglichkeit habe, in mein Hotel zurückzukehren. Andernfalls müsse ich mit einem Verfahren rechnen, das sie gegen mich einleiten werden.

Mein Zorn ist verschwunden. Mir ist plötzlich zum Heulen zumute. Schon im Hotel hat man mir nicht geglaubt und hier bei der Polizei ebenfalls nicht. Ich habe keine Lust, mir in einem fremden Land Schwierigkeiten aufzuhalsen und verlasse grußlos das Revier.

Am liebsten würde ich nach Hause fliegen. Doch wie soll das gehen? Mein gebuchter Flug ist erst in zehn Tagen. Geld habe ich keins und kann auch keines abheben. Zum Glück habe ich all inclusive gebucht und muss mir somit keine Gedanken um Mahlzeiten und Getränke machen. Dabei fällt mir ein, dass ich seit gestern Abend überhaupt nichts gegessen habe. Eigentlich habe ich keinen Hunger. Offenbar ist mir der Appetit komplett vergangen oder der ganze Ärger auf den Magen geschlagen. Ich mag so verunstaltet nicht in die Gaststube gehen und will ohnehin niemanden sehen. Also lege ich mich ins Bett und prüfe vorher zweimal, ob die Tür ordnungsgemäß verriegelt ist.

Am nächsten Morgen taste ich automatisch nach meiner Brille, dabei fällt mir schlagartig der gestrige Katastrophentag ein. Im Spiegel sehe ich, dass meine Blessuren vergrinden, doch immer noch mein Gesicht furchtbar entstellen. Trotzdem beschließe ich, in den Frühstücksraum zu gehen. Ich hoffe, dass sich zu dieser frühen Stunde nur wenige Urlauber dort aufhalten. Nur mit Mühe finde ich das Buffet und anschließend einen Tisch in einer Ecke. Ich brauche dringend eine Brille. Ich bin kurzsichtig und sehe nur das, was unmittelbar vor meinen Augen ist.

Ein Passant begleitet mich zu einem Optiker. Dort wird mir innerhalb einer Stunde eine neue Brille angefertigt. Doch der Mann händigt sie mir nicht aus, weil ich nicht bezahlen kann. Darauf hätte ich auch selbst kommen können. Ich brauche dringend Geld! Doch woher?

Ich gehe auf mein Zimmer und suche mit Hilfe meines tablets nach Lösungsmöglichkeiten. Und finde sie! Es gibt eine Blitzüberweisung, die nur ganz bestimmte Stellen durchführen. In der Stadt, in der meine Eltern leben, gibt es eine Poststelle für schnellen Geldversand. Doch leider schließt sie in einer halben Stunde, denn es ist Samstag.

An der Rezeption lasse ich mich mit meinen Eltern verbinden und versuche, ihnen meine unangenehme Situation zu schildern.

„Das kannst du uns alles später erzählen“, unterbricht mich mein Vater. „Du sagst mir jetzt, was ich tun kann! Wohin soll ich das Geld überweisen?“

Ich gebe ihm die Daten durch und schon hat er aufgelegt.

Am Nachmittag kann mir mein Vater die PIN-Nummer durchgeben, mit der ich das Geld ausgehändigt bekomme. Es war gut, dass er sofort auflegte, denn die Poststelle, die die Überweisung ausführen sollte, hat direkt hinter ihm abgeschlossen. Ich suche das Geschäft auf, wo ich mir das Geld auszahlen lassen kann. Es ist zum Glück nicht weit von meinem Hotel entfernt. Der Laden ist geschlossen! Samstag. Auch hier in Bulgarien schließen die Läden zum Mittag. Nur wenige Boutiquen und Gaststuben haben geöffnet.

Ziemlich ratlos bleibe ich am Schaufenster stehen. Schemenhaft erkenne ich einen Zettel an der Tür. Ich beuge mich näher heran, um die Schrift entziffern zu können. Von 13 bis 17 Uhr geschlossen. Ich hoffe, dass dies auch für Samstag gilt und gehe erst einmal zurück zum Hotel. Es hat keinen Sinn, an den Geschäften entlang zu bummeln. Ich kann sowieso nichts erkennen und kaufen schon gar nicht. Auch an den Strand zu schlendern bringt nichts. Dazu habe ich weder Lust noch Ruhe.

Kurz nach 17 Uhr stehe ich an der Tür, die gerade von innen geöffnet wird. Ich muss nur diese lange Geldtransferkontrollnummer nennen und bekomme sofort den Betrag ausgezahlt. Nun kann ich meine Brille vom Optiker holen. Sie ist nicht so komfortabel und leicht wie meine Brille, die mir gestohlen wurde. Doch mit ihr kann ich alles wieder gut erkennen: die Leute, das Buffet im Hotel, Fernsehprogramme, den Strand und überhaupt …

Mein Urlaub ist noch richtig schön geworden. Nur diese Bar habe ich kein zweites Mal betreten.

Zurück aus dem Urlaub

Wo ist mein Auto? Ich bin mir sicher, es genau hier in dieser Parkbucht abgestellt zu haben, direkt am Eingang bzw. Ausgang zur Bahnhofs-Unterführung. Soll ich nun ein Taxi rufen oder zuerst die Polizei? Ich bin hundemüde, obwohl ich eben aus dem Urlaub komme.

Am kurzen Flug habe ich nichts zu meckern. Doch auf dem Flughafen Leipzig ging irgendwie alles schief.

Ich stand ewig am Laufband und wartete lange auf meine Reisetasche. Als ich sie endlich entdeckte, hielt die Freude nur kurz, denn sie stank ziemlich aufdringlich nach Anis. Du lieber Himmel! Meine zwei Flaschen Mastika! Ohne auf die Leute um mich herum zu achten, setzte ich die Tasche auf einer nahen Bank ab und öffnete sie. So ein Mist! Eine Flasche war kaputt, die Scherben und der Schnaps zwischen meinen Kleidern verteilt. Ich sammelte die gröbsten Teile in ein T-Shirt und warf das Bündel in den nächsten Abfallkorb.

Eine Weile vor meiner Maschine muss eine aus Asien gelandet sein, denn die gesamte Halle war voller Araber und Muslime. Das konnte ich leicht an der Kleidung und den Kopftüchern der Frauen erkennen. Ich erfuhr, dass die Technik ausgefallen war und man deshalb die Pässe nicht identifizieren konnte und nicht gewillt war, die Reisenden einfach unkontrolliert durchzulassen. Eine volle Stunde stand ich zwischen den vielen Menschen, die erheblich geduldiger als ich auf die Abfertigung warteten.

Bis zum S-Bahnhof musste ich einen schier unendlichen Gang entlang laufen. Dort stand ich ziemlich ratlos vor einem Schild: „eingeschränkte Zugverbindung wegen Baumaßnahmen“. Vermutlich gab es Schienenersatzverkehr. Doch wo? Die elektronischen Anzeigen funktionierten nicht und auf der Anzeigetafel mit den Plänen für Ankunft und Abfahrt stand kein einziger Hinweis. Hier kam ich nicht weiter, also stieg ich die Treppen wieder hinauf zu dieser langen Halle, wo es viele Geschäfte, doch keinen einzigen Hinweis auf Schienenersatzverkehr gab.

Immerhin entdeckte ich eine Toilette. Dort gab es bodentiefe Fenster, von denen ich auf die Autobahn hinunter schauen konnte. Also in dieser Richtung brauchte ich nicht weiterzusuchen, da konnte kein Bus halten. Das hieß, ich musste wohl oder übel den langen Gang wieder zurück gehen und irgendwo vor der Flugabfertigung einen Ausgang finden.

Neben der Treppe schaute ich mich um. Nur die Werbetafeln leuchteten, doch die vielen elektronischen Anzeigen blieben schwarz und ganz ohne Text. Neben mir standen zwei ältere Leute, die genauso hilflos wie ich umher schauten. So ein Mist! Gibt es hier keinen Schaffner oder wie das heute heißt?

„Hallo!“, rief ich so laut ich konnte, als ich endlich einen Mann in Uniform auf mich zukommen sah. Ich winkte ihm entgegen und sprach ihn an.

„Wo bitte fährt der Zug zum Bahnhof ab?“

Der Mann wies mit dem Arm in die Richtung, aus der ich gerade gekommen bin.

„Da war ich“, sagte ich etwas schroffer als ich eigentlich wollte. „Da steht ein Schild mit „Baumaßnahmen.“

Der Mann zuckte mit der Schulter. Dann schaute er auf eine Art unförmiges Handy und meint: „Keine Ahnung. Terminals ausgefallen. Fahrn Se Taxe!“

„Und wo?“, fauchte ich?

„Da müssn Se vor zum Ausgang.“

Na, bravo! Gefühlte sieben Kilometer lief ich erneut den endlosen Gang Richtung Abfertigungshalle und schleppte dabei immer meine Reisetasche mit, die mir inzwischen bleischwer in den Armen hing und nach wie vor Anis ausdünstete. So langsam wurde ich wütend. Fast wäre ich mit den beiden älteren Leuten zusammen gestoßen, die mir bereits vor der Toilette begegneten.

„Wissen Sie, wo die S-Bahn zum Hauptbahnhof fährt?“, wollte die Frau von mir wissen. Sie machte schon einen ziemlich genervten Eindruck.

„Es scheint ein technisches Problem zu geben. Ich nehme ein Taxi.“

„Dürfen wir uns anschließen?“, fragte die Frau hoffnungsvoll.

Ich zuckte nur die Schulter und ging dorthin, wo ich den Ausgang vermutete.

Einige Minuten später stand ich draußen, doch einen Taxistand gab es hier nicht. Ich drehte mich um und sah, dass die alten Herrschaften mir gefolgt waren. Bedauernd hob ich meinen Arm und zuckte ich mit der Schulter.

In diesem Moment kam ein Taxi direkt auf uns zu gefahren. Es stiegen zwei Leute aus. Sofort lief ich hin und fragte den Fahrer, ob er uns zum Hauptbahnhof Leipzig bringen könnte. Eine knappe Stunde später und vierzig Euro ärmer stand ich endlich am Bahnhof und saß bald darauf in meinem Zug nach Chemnitz.

Und jetzt stehe ich ziemlich ratlos auf dem Platz, auf dem ich vor genau einer Woche mein Auto abstellte und weiß nicht, was ich machen soll. Ich lasse mein Gepäck einfach auf den Fußweg fallen und ziehe mein Handy aus der Tasche. Genau in diesem Moment sehe ich aus den Augenwinkeln mein kleines rotes Auto keine zwanzig Meter von mir entfernt – drei Parkbuchten weiter. Seltsam.

Nun – ich hatte mich schon mehrmals geirrt und mein Fahrzeug mal in der falschen Etage im Parkhaus und mal in der falschen Straße gesucht. Nun hatte ich eben meinen Lieblings-Parkplatz verwechselt. Ich schüttle über mich und meine Schussligkeit den Kopf, gehe die paar Schritte zum Auto und öffne über mich selbst lachend die Heckklappe, stelle meine Reisetasche hinein und fahre los.

Da entdecke ich auf der Frontscheibe unter den Scheibenwischer geklemmt einen Zettel. Während der Fahrt komme ich nicht ran, doch an der nächsten Kreuzung kann ich das Blatt greifen. Ein Strafzettel wegen Falschparkens. Das verstehe ich nicht. Mein Auto war vorschriftsmäßig in einer ausgewiesenen Parkbuchte am Straßenrand abgestellt. Es gibt für diesen Platz keine zeitliche Begrenzung und es fallen nicht wie am Parkplatz vor dem Bahnhof Gebühren an. Der Zettel ist kein Irrtum, denn er trägt einen Behördenstempel. Wahrscheinlich hat ein anderer tatsächlicher Falschparker den für ihn bestimmten Strafzettel einfach an mein Auto geklemmt. Anders kann es gar nicht sein.

Daheim sehe ich mir den Strafzettel genauer an. Er trägt das Datum von letztem Samstag und eindeutig mein Fahrzeugkennzeichen. Es hat keinen Zweck, darüber nachzugrübeln. Flüchtig schaue ich die Post durch. Viel ist es nicht, meist Werbungen und ein grauer Behördenbrief. In dem teilt man mir mit, dass ich umgeparkt werden musste und dies 110 Euro kostet. Außerdem fallen 15 Euro Gebühren für das Parken im absoluten Halteverbot und 25 Euro für die behördliche Bearbeitung an. Ich verstehe überhaupt nichts. Wieso musste mein Auto umgeparkt werden? Es stand doch in der Parkbucht. Oder hatte ich die Bremse nicht angezogen und es ist auf die Straße gerollt? Das ist mir schon einmal mit meinem alten Auto passiert. Doch seitdem kontrolliere ich den Gang und die Handbremse immer drei Mal nach, bevor ich aussteige und absperre. Es hat keinen Sinn, länger darüber nachzugrübeln. Ich rufe die Nummer an, die auf dem Briefbogen steht.

Dabei erfahre ich, dass am Samstag ein Fußballspiel stattfand und die Polizei die Fans vom Stadion bis zur Unterführung zum Bahnhof begleitete. Damit keiner aus Frust oder aus Übermut parkende Fahrzeuge beschädigt, ist für diese wenigen Stunden das Parken an der gesamten Strecke verboten, auch in der Parkbucht, in der mein Auto stand. Woher sollte ich das wissen?

„Das kann ich doch nicht wissen!“, beklage ich mich.

„Es werden rechtzeitig, meist einen ganzen Tag vorher, entsprechende Hinweisschilder aufgestellt.“

„Die Schilder konnte ich nicht sehen, denn ich war eine Woche im Urlaub.“

„Nun, das ist allein Ihr Problem. Sie sind verpflichtet, sicherzustellen, dass Ihr Fahrzeug ordnungsgemäß abgestellt ist.“

„Es WAR ordnungsgemäß abgestellt“, fauche ich.

„Eben nicht. Zu der Zeit stand es nachweisbar im Halteverbot.“ Die Stimme der Dame am Telefon klingt ungeduldig.

„Gibt es keine Möglichkeit, mir die Strafe zu erlassen?“

„Dazu bin ich nicht befugt. Die zuständige Sachbearbeiterin ist im Urlaub. Ich rate Ihnen nur, sofort zu zahlen, sonst kommen Mahngebühren dazu.“

Da haben wir den Salat. Ich hätte es mir denken können, dass wieder einmal keiner zuständig ist.

„Kann ich irgend etwas tun? Ich meine, wenn ich Ihnen meine Urlaubsbuchung maile und damit beweise ...“

„Bedaure“, unterbricht mich die Frau. Dann setzt sie freundlicher hinzu: „Ich vermerke Ihren Anruf. Die Kollegin ist am Montag wieder am Arbeitsplatz. Rufen Sie also am Montag noch einmal an!“

Diese Kollegin hatte offenbar einen sehr erholsamen Urlaub, denn sie wirkt entspannt am Telefon. Sofort erlässt sie mir die 15 Euro für das Falschparken und weitere zehn Euro der Bearbeitungsgebühr. Doch an den Kosten für das Umsetzen des Fahrzeuges kann sie nichts machen, das sei ein Fremdunternehmen mit festen Preisen – auch wenn es sich in meinem Fall nur um drei Parkbuchten Entfernung handelt.

Also überweise ich noch am gleichen Tag 125 Euro an die Behörde. Das Parken vor dem Bahnhof oder sogar im Parkhaus wäre erheblich billiger gewesen.

Urlaub am Meer

aus „Eine verhängnisvolle Diagnose“

„Schau, Schatz, das Meer!“ Begeistert wirft Dieter beide Arme in die Luft. Jetzt jubelt der schon wieder. Klar ist dort das Meer. Überall hier ist das Meer – mehr Meer als ich verkraften kann. Fuerteventura ist so winzig, dass man von jeder Stelle aus das Meer sehen kann.

Ich hasse das Meer. Und ich hasse diesen Urlaub. Inseln hasse ich ganz besonders. Auch den Strand. Und vor allem das viele Wasser. Wie konnte ich mich nur zu dieser Reise überreden lassen? Ein Glück, dass jetzt Januar ist und kein Sommer. Bei 20 Grad Lufttemperatur hat nicht einmal Dieter Lust, von morgens bis abends am Strand herumzuliegen. Ich finde es eklig, wenn sich die Leute voller Öl schmieren und sich so fettig glänzend direkt in die Sonne legen und braten. Wie ein Schnitzel in der Pfanne liegen sie im Sand und drehen sich auf die andere Seite, damit auch diese braun wird. Oder rot. Das sind dann meist Engländer. Aber die liegen selten am Strand, sie halten sich lieber am Pool auf. Die Neuen sind weiß wie Frischkäse und schon am ersten Abend rot wie ein gebrühter Krebs. Gesund kann das nicht sein. Und schön sowieso nicht.

Für mich ist das schönste an diesem Urlaub das Frühstück. Ein englisches Frühstück mit Eiern und Speck, Tomaten, Würstchen, Bohnen, verschiedenen Sorten Müsli und Toast mit Marmelade. Köstlich!

Das Mittag schmeckt leider ebenso wie in England: fade und wässrig.

Wir fahren mit unserem Mietauto eine schmale Straße entlang. Die Gegend ist kahl. Mich erinnert alles an die Kohlenhalden bei uns daheim im Ruhrgebiet. Wobei diese grüner sind und es im Gegensatz zu hier Bäume gibt. Bäume vermisse ich am meisten.

„Du sagst gar nichts, Schatz. Siehst du das herrlich glitzernde Meer nicht?“

„Natürlich sehe ich das Meer. Es gibt nichts anderes zu sehen als das Meer“, entgegne ich mürrisch. „Willst du runter zum Strand fahren?“

„Habe ich auch schon überlegt.“

„Willst du nun oder nicht?“

„Wäre nicht schlecht.“

„Heißt das JA?“ Ich atme aus. Nur jetzt keinen Streit. „Schau! Hier ist ein Abzweig.“

„Hier?“ Dieter fährt weiter. „Soll ich wenden?“

„Nein. Wir finden einen anderen Weg.“

Keine zwei Minuten später führt ein Schotterweg direkt zum Strand, der gut hundert Meter unter uns liegt. Dort stehen mehrere Autos, keine Geländewagen. Also dürfte dieser steinige Weg kein Problem für unseren kleinen gemieteten Fiesta werden.

Endlich sind wir unten. Leute sehen wir keine, nur kleine Steinhaufen, die wie Maulwurfshügel aus dem Sand kriechen. Als wir näher kommen, entpuppen sich diese Haufen als Strandburgen, in denen Paare geschützt vor dem Wind liegen. Wir wählen ein solches Nest direkt an der schwarzen Steilwand. Dort liegen wir etwas erhöht und können die ganze Bucht überblicken. Ein schöner Platz.

Ich packe unsere Handtücher und mein Buch aus. Meine Schuhe und die Jeans lege ich auf die Steine. Dieter zieht sein Shirt aus und wirft es zur Seite.

„Kommst du mit ins Wasser, Schatz?“

„Nee, ganz sicher nicht.“ Glaubt er wirklich, ich gehe freiwillig ins Meer?

Dieter balanciert vorsichtig über die Steine in Richtung Wasser. Ich freue mich auf mein Buch. Die Geschichte ist spannend: zwei Franzosen reisen allein durch Tibet, die Mongolei und China. Das wäre mal ein Abenteuer ganz nach meinem Geschmack. Die Beiden würden nicht stundenlang am Strand herumliegen wie wir.

Auf einmal wird es lebhaft am Strand. Große Gruppen halbnackter Leute laufen vorbei. Sie kommen alle von rechts und gehen nach links. Ich schaue ihnen nach und entdecke in der Ferne ein Hochhaus. Sicher ein Hotel. Mittagszeit. Schön, dann haben wir den Strand für uns allein.

Dieter kommt zurück. „Das Wasser ist kalt.“

Ich werfe ihm sein Handtuch zu und stehe auf. „Wollen wir ein Stück gehen?“ Dieter verzieht das Gesicht, rubbelt sich in Ruhe ab und setzt sich auf mein Handtuch.

„Ich muss mich bewegen“, sage ich, steige schnell in meine Jeans und kremple die Hosenbeine hoch. Meine Schuhe binde ich an den Senkeln aneinander und werfe sie mir über die Schulter.

„Bleibst du hier bei den Sachen oder kommst du mit?“

Dieter rümpft die Nase. „Wo willst du denn hin?“

„Da lang!“ Ich zeige nach rechts. „Von dort kamen vorhin so viele Leute. Mal schauen, was da los ist.“

Dieter zuckt die Schulter und schaut mich an. Er lächelt. Langsam verliere ich die Geduld. Hoffentlich merkt er das nicht. Sonst fragt er tausend sinnlose Dinge, die mich nur ärgerlich machen. Warum ich immer so unruhig wäre. Warum ich nicht abwarten kann. Was ich mir vorstelle.

So ruhig wie möglich sage ich: „Vielleicht gibt es dort was zu essen?“

„Hast du Hunger?“

Eigentlich bin ich noch pappesatt vom Frühstück. Aber wenn ich ihm das sage, geht die Fragerei weiter. Also antworte ich: „Ja, mächtig. Soll ich dir was mitbringen?“

„Glaubst du wirklich, dass es dort was zu essen gibt? Ist doch nichts zu sehen.“

„Keine Ahnung. Ich werde einfach mal nachschauen.“ Und schon laufe ich los.

„Warte!“