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Eine Frau, die er noch nie gesehen hatte, lag auf dem von der Tür entfernteren Bett. In einem grauen Kostüm, dessen Jacke ordentlich zugeknöpft war, lag sie auf dem Rücken, den Kopf auf einem Kissen in dem aufgeschlagenen Bett. Lag da, als habe sie nur ausruhen wollen und sei sanft eingeschlafen, und Jerry hätte beinahe gerufen, was sie - so meinte er - wecken würde. Doch schon bevor er es tat, wusste er, dass sie es nicht hören würde. Ihre Augen waren offen, also schlief sie nicht. Sie lag, wie sich beim genaueren Hinsehen erkennen ließ, in merkwürdig steifer Haltung. Und das klar geschnittene Gesicht war sonderbar bläulich gefärbt...
Der Roman Alice macht sich unbeliebt von F. R. Lockridge (* 26. September 1898 in St. Joseph, Missouri; † 19. Juni 1982 in Tyron, North Carolina) erschien erstmals im Jahr 1958; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1961.
Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.
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F. R. LOCKRIDGE
Alice macht sich unbeliebt
Roman
Signum-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
ALICE MACHT SICH UNBELIEBT
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Eine Frau, die er noch nie gesehen hatte, lag auf dem von der Tür entfernteren Bett. In einem grauen Kostüm, dessen Jacke ordentlich zugeknöpft war, lag sie auf dem Rücken, den Kopf auf einem Kissen in dem aufgeschlagenen Bett. Lag da, als habe sie nur ausruhen wollen und sei sanft eingeschlafen, und Jerry hätte beinahe gerufen, was sie - so meinte er - wecken würde. Doch schon bevor er es tat, wusste er, dass sie es nicht hören würde. Ihre Augen waren offen, also schlief sie nicht. Sie lag, wie sich beim genaueren Hinsehen erkennen ließ, in merkwürdig steifer Haltung. Und das klar geschnittene Gesicht war sonderbar bläulich gefärbt...
Der Roman Alice macht sich unbeliebt von F. R. Lockridge (* 26. September 1898 in St. Joseph, Missouri; † 19. Juni 1982 in Tyron, North Carolina) erschien erstmals im Jahr 1958; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1961.
Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.
Der lange Sekundenzeiger der elektrischen Wanduhr trippelte zur 30 hinab und wieder nach oben. Ein Regieassistent hielt die rechte Hand hinters Ohr, den Zeigefinger senkrecht ausgestreckt. Alice Thorn blickte mit der Miene kummervoller Überraschung auf ihre winzige Armbanduhr und schüttelte leicht den Kopf. Sie wandte sich, das Kinn erhoben, der Großmutter des Jahres zu, die neben ihr auf dem Sofa saß, und für genau zwei Sekunden noch war auf beiden Gesichtern der Gedanke zu lesen, dass leider auch das Schönste im Leben ein Ende hat.
Der Regieassistent klappte seinen Zeigefinger nach unten, wie ein Duellant die Pistole anschlägt. Alice Thorn wandte ihr Gesicht wieder nach vorn, die Kamera glitt etwas zur Seite und entzog die Großmutter des Jahres den Blicken.
»Ist sie nicht wunderbar?«, fragte Alice Thorn in beschwingtem Ton und mit leisem Anklang an den Dialekt des heimatlichen Arkansas. »Ich weiß, dass Sie alle ihr wünschen, sie möge noch lange leben, lange, lange. Jedoch Sie ließ den Satz unvollendet, deutete den Schluss mit einer kleinen resignierten Bewegung ihrer graziösen Hände an und neigte sich ein wenig vor. Ihre Augen leuchteten, und ihre gleichmäßigen Zähne glänzten noch weißer auf den Bildschirmen im ganzen Lande. »Und jetzt hat Jimmy Ihnen noch etwas zu sagen über unsere nächsten Gäste und...« Wieder beendete sie den Satz nicht, ihr Lächeln schwebte für zwei Sekunden wohlwollend im Bild, dann war es vom Kontrollbildschirm verschwunden und an seine Stelle das väterliche von James Fergus getreten. »Wir danken Ihnen, Alice Thorn. Und jetzt noch, bevor ich etwas über die Sendung Unsere Nachbarn am nächsten Freitag erzähle, ein Wort über Fluff, die Seife...«
Die Kamera war von Alice Thorn abgeschwenkt, das Mikrophon, das über ihrem Kopf und dem der Großmutter des Jahres gehangen hatte, kletterte an seinem Kabel in die Höhe. »Ich begann die Großmutter des Jahres, doch Alice legte einen Finger auf die Lippen.
»...bis Freitag um dieselbe Zeit«, erklang eine weiche, tiefe Stimme, »wenn wir wieder mit Unseren Nachbarn zusammenkommen. Auf Wiedersehn und alles Gute! Es sprach James Fergus.«
Alice Thorn nahm den Finger von den Lippen, und ihr Lächeln verging. »Sie haben’s fein gemacht, Mrs. Burney«, sagte sie. »Sehr fein sogar.«
»Ich dachte...«, begann die Großmutter des Jahres.
»Sehr fein«, wiederholte Alice Thorn energisch, »das Publikum war bestimmt begeistert von Ihnen.« Sie stand auf. »Mein Gott, Jimmy«, sagte sie, »musst du denn immer reden wie bei einer Beerdigung? Kannst du denn nicht mal ein bisschen...« Sie sprach wieder nicht zu Ende, sondern schloss achselzuckend: »Aber du kannst gewiss gar nicht anders, wie?« Damit wandte sie sich von James Fergus ab, dessen rundes Gesicht langsam rot und schlaff wurde.
»Ich möchte bloß gern fing die Großmutter des Jahres wieder an.
»Sie waren prächtig«, unterbrach Alice Thorn sie, und für einen Augenblick erschien wieder ihr Lächeln, ganz kurz. »Wir sind alle so zufrieden mit Ihnen - oh, da sind Sie ja.«
Sie sprach über den Kopf von Oma Burney hinweg, deren sechzehn Enkelkinder alle so tüchtig waren. Ihre Worte galten einer kleinen, rundlichen Frau mit schwarzen Augen und noch schwärzerem Haar.
»Nun?«, fragte Alice Thorn.
Die Schwarzhaarige nickte kurz. Sie ging auf die hagere, grauhaarige Mrs. Burney zu und sagte: »Wundervoll, meine Liebe. Ich gehe mit Ihnen zur Garderobe.« Sie schien die Großmutter des Jahres, als sie sie fortführte, förmlich in Wohlwollen einzuwickeln.
»Puh!«, machte Alice Thorn und schaute sich, ohne zu lächeln, im Atelier um. »Tony!«, rief sie. »Tony Gray!«
»Hier, Madam«, sagte Tony Gray, der hinter einer Kamera hervorkam. Ein sehniger junger Mann mit rotem Haar und einer fast penetrant unschuldigen Miene.
»Na?«, fragte Alice ohne Sympathie. Er wollte sprechen, doch sie ließ ihn nicht dazu kommen. »Keine Ausrede. Du hattest doch mit ihr vorher gesprochen. Und?«
»Na ja, Miss Thorn«, erwiderte Tony Gray, »sie wurde ein bisschen steif, muss ich sagen, Miss Thorn.«
»Ja, Miss Thorn, nein, Miss Thorn, das stimmt wohl, Miss Thorn, ich wüsste wirklich nicht, Miss Thorn«, parodierte sie ihn.
»Na, schon gut, Alice«, sagte Tony Gray. »Sie ist eingefroren. Kommt ja mal vor. Manchen geht’s so. War noch fidel wie ein Spatz, als ich mit ihr sprach.«
»Wäre sie doch einer gewesen!«, gab sie zurück. »Einen Spatzen hätte ich lieber interviewt. Mit einem ganzen Schwarm Spatzenenkel.«
»Na, so schlecht war’s ja nicht. Ist doch ’ne nette alte Frau«, sagte Tony Gray. »Und das Nette kam raus. Nicht ärgern, Alice. Einige frieren ja immer ein. Sogar bei Unseren Nachbarn heute. Ich...«
»Habe sie in ein Taxi verfrachtet«, sagte die Schwarzhaarige, die wieder ins Atelier kam. »Regen Sie sich bloß nicht auf, Alice.«
»Sie haben’s ja gehört«, sagte Alice Thorn. »Haben gesehen, dass ich ihr jedes Wort mit der Brechstange rausziehen musste. Und lächeln, bis mir die Zähne wehtaten. Und da redet mir der Tony vor, dass manche eben einfrieren, und Sie erzählen mir, ich soll mich nicht aufregen! Und...«
»Nur Ruhe, Ruhe, Herzchen«, sagte Ada Fleming.
»Beschmusen musste ich sie, besänftigen, ihr Honig um den Mund schmieren!«
»Na schön, Alice«, sagte Ada Fleming, »die letzten zehn Minuten ging's vielleicht etwas stockend, aber sonst war’s glatt wie Seide. Sag’s ihr doch, Tony.«
»Wie Seide«, wiederholte Tony Gray. »Hat genau hingehauen.« Er lächelte Alice Thorn an. »Pech ist nur, dass Sie am liebsten jeden Tag einen Richter Parkman bloßstellen möchten. Die Times brachte heute einen Artikel darüber.«
»Gute Kritik?«
»Och ja«, erwiderte Tony, »Populäres Nachmittagsprogramm für die Fernseher, schreiben sie. Und Eine Reporterin ersten Ranges. So sagt die Times. Der Mensch kann ja nicht alles haben.«
Alice Thorn lachte kurz, aber es klang ehrlich erfreut. Dann seufzte sie, da sie endlich entspannte. Wenn sie bei ihrer Arbeit nicht ihre Nerven gebraucht hätte, wäre sie nicht Alice Thorn gewesen, die über alle Sender im Lande ging und über zwei Stationen in Kanada. Alice Thorn, die für mehr Firmen Reklame machte, als sich in eine Sendestunde pressen ließ. Nach der die Auftraggeber riefen, um Mixgetränke, Schlankheitskuren oder Seife mit fabelhaften Eigenschaften anpreisen zu lassen.
»Er hat mich angerufen«, sagte sie. »Wollte wissen, ob ich denn gar nichts machen könnte. Und ich fragte ihn bloß Inwiefern denn, Mr. Parkman? Ganz harmlos. Stellt euch das vor!«
Sie stellten es sich vor. Ada Fleming, Alice Thorns Sekretärin, und Tony Gray, der für Alice die Sendungen vorbereitete, stellten es sich vor, und dann lachten sie alle drei zufrieden.
»Was der sich einbildet«, meinte Tony. »Als ob Sie je so etwas täten.«
»Genau das habe ich ihm auch erklärt, ganz harmlos«, sagte Alice.
Das klang noch komischer, und sie lachten wieder befriedigt.
»Ist ja jetzt egal«, sagte dann Tony Gray, »der ist ausgebootet.«
Alice Thorn blickte nachdenklich auf ein Schild mit der Aufschrift Rauchen strengstens untersagt und zündete sich eine Zigarette an. Sie tat einen tiefen Zug, und Ada seufzte wieder erleichtert, denn Alice kam jetzt entschieden wieder zu sich.
»Um ganz ehrlich zu sein«, sagte Alice - wobei Tony Gray sich hütete, seine roten Augenbrauen deutlich hochzuziehen -, »ich war auch wirklich harmlos dabei. Wollte ihn nur ein bisschen zappeln lassen, diesen Wichtigtuer, aber...« Sie zuckte leicht die Schultern in ihrer tadellos atzenden Kostümjacke. »Und schließlich hat er ja nichts weiter gesagt als...«
»Die Anspielung darin, Herzchen«, sagte Mrs. Fleming, »Sie und er zusammen gegen die vulgäre Welt. Und erzählen Sie mir bloß nicht, dass Sie ihm nicht den Gedanken nahegelegt hätten.«
»Der kleine Finger, der berühmte kleine Finger der gefeierten Alice Thorn«, sagte Tony rasch und erntete ein Lächeln für seine Bemühung.
»In Ordnung, ihr habt euren Teil getan, beide. Aber trotzdem, Tony, ich möchte nicht noch mal hören, dass du...« Sie unterbrach sich, und Tony Gray sagte gleich: »Ach, fas andere, worüber Sie nichts verraten wollen?«
»Wir werden sehen«, entgegnete sie. »Das heißt: Ich werde sehen. Und - diesmal nicht harmlos, klar?«
»Ja, Herzchen«, sagte Mrs. Ada Fleming. »Wünschen Ne, dass Bart und ich Ihnen dabei assistieren?«
Sie bedauerte gleich, das gesagt zu haben, denn Alice Thorn kniff die blauen Augen zusammen und sagte, ein wenig kühler: »Das sollten Sie eigentlich auch allein fertigbringen, Verehrte.« Sie machte eine Pause. »Das - jedenfalls. Wenn man bedenkt...« .Eine längere Pause. »Wenn man alles in allem nimmt...«, begann sie wieder, legte sich eine Pelzstola um die Schultern und ging.
Tony Gray und Ada Fleming schauten ihr nach.
»Ist ja heute so gereizt«, sagte Tony. »Hübschen Nerz hat sie um.« Er zündete sich eine Zigarette an. »Man kriegt doch mit allerhand Typen zu tun, wenn man hier seine Brötchen verdient, sage ich immer.«
»Würde ich aber nicht so laut ausposaunen, mein Söhnchen«, riet ihm Ada Fleming.
»Und jetzt hat Jimmy Ihnen noch etwas zu sagen über...«, kam aus dem Fernsehgerät eindringlich und freundlich die klare Stimme, und Pamela North tat das Nächstliegende: Sie drehte am Schaltknopf. Das weißeste aller Lächeln verschwand zuerst, dann das strahlende Weiß der fehlerfreien Zähne, bis nur noch ein weißes Pünktchen im Mittelpunkt des Bildschirmes blieb, ein Punkt von so scharfem Weiß, dass man meinen konnte, er würde das Glas durchbrennen.
Das also ist Alice Thorn, dachte Pam, und wenn man Enkel haben will, braucht man eigentlich nichts weiter zu tun als einen Anfang machen und dann abwarten, was geschieht, womit allerdings noch keine Garantie gegeben ist, dass ein Enkel Richter und der andere Schuldirektor wird. Die arme Alte hatte ja eine Heidenangst da im Fernsehen, dachte Pam weiter, und hoffentlich kommt Mr. Prentori nicht so spät.
Mr. Prentori erschien so pünktlich, wie er versprochen hatte, um 3 Uhr nachmittags am Mittwoch, dem 13. November. Die Türglocke schlug zweimal kurz an, und Martini, die Letzte der Katzenschar bei Norths, verzog sich blitzschnell.
Vermutet wohl, der Tierarzt käme, das arme Ding, dachte Pam, während sie zur Tür ging, wo Mr. Prentori mit Eimern wartete. »Sie sind ja ungewöhnlich pünktlich«, sagte sie, bemüht, sich ihr Erstaunen nicht anmerken zu lassen. Und Mr. Prentori erwiderte: »Klar. Wieso?« Worauf er keine Antwort bekam.
Mr. Prentori trat ins Wohnzimmer und sah sich um. »Grundierung ist letztes Mal durchgekommen, wie?«, sagte er. Für Pamela war das ein böhmisches Dorf. »Sie wollen gewiss wieder dieselbe Farbe haben?«, fragte er in fast heiterem Ton, als sei ihm nichts lieber als das.
»Nein«, antwortete Pam, »leider nicht, Mr. Prentori.«
»Oh.« Mr. Prentori seufzte, ziemlich eindeutig. »Nun. Die ganze Wohnung? Die anderen Räume in demselben Farbton, ja?«
»Nein, leider nicht, Mr. Prentori«, sagte Pam auch jetzt. Mr. Prentori, der Malermeister, hatte große braune Augen, aus denen Kummer zu tropfen schien,
»Alles verschieden?«, fragte er, und hoffte noch schwach auf ein Nein.
»Leider ja«, sagte Pamela North.
»Haben Sie bestimmte Wünsche?«
Pam stählte sich für die harte Aufgabe, Mr. Prentori das Gewünschte beizubringen. »Ja«, sagte sie, und schwer hing das kleine Wort im Zimmer wie der letzte Klang eines Trauergeläuts.
»Hier hatten wir«, erklärte Pam, »an - an ein warmes Grau gedacht. Mit einem ganz zarten Unterton von - von Grün vielleicht. Aber kein grünes Grün, Sie verstehen mich schon?«
»Nein«, entgegnete Mr. Prentori. »Wie soll ich verstehen, was Sie meinen, Mrs. North? Ein warmes Grün?«
Ach, es wird wieder genauso gehen wie sonst, wie alle zwei Jahre, dachte Pam. Wäre eine Sache für Alice Thorn, die bis oben hin mit nützlichen Winken für die Hausfrau voll ist und für fast jede Lebenslage den besten Weg weiß! Man brauchte das klare, strahlende Gesicht von Alice Thorn nur einmal auf dem Bildschirm gesehen zu haben - dann wusste man, dass sie auch Malermeister richtig zu behandeln verstand.
»Müsste erst vorgestrichen werden, weil die Grundierung so durchgekommen ist«, meinte Mr. Prentori. »Grün ist übrigens keine warme Farbe, Mrs. North.« Er blickte wieder an den Wänden entlang. »Hat Ihr Gatte letztes Mal wohl selbst gemacht?«, fragte er, und seine Stimme hatte ebenso wenig Wärme wie die Farbe Grün.
»Mein Mann«, sagte Pam, »kann gar keine Farbe riechen. Wird krank davon.«
»Ich auch«, sagte Mr. Prentori. »Da haben Sie den Salat.«
Welchen Salat, wusste Pamela North selbstverständlich nicht genau. Bei Malern kennt man sich nie so recht aus, dachte sie. Weil es für Farben keine rechten Worte gibt. Und weil...
»Nun«, sagte Mr., Prentori, »wir können’s ja mal ausprobieren. Fangen mit Grau an, und dann sehen wir weiter.« Er breitete ein mit Farben bekleckstes Stück Segeltuch aus, ergriff Eimer und Kanister und sagte: »Wenn’s nach mir ginge, ich würde ein mattes Weiß nehmen. Das Zimmer ist ziemlich dunkel und...«
»Grau«, sagte Pamela. »Ein weiches Grau mit einem bisschen Grün, aber so warm wie...«
»Sieht zu sehr wie Butter aus«, sagte sie, viel später, in einem anderen Zimmer.
»Nein, nicht so rosa. Eigentlich überhaupt kein Rosa. Einen etwas anderen Farbton«, erklärte sie im letzten Zimmer, als ihr vom Geruch der Farben schon ein bisschen übel wurde und die Farbtöne vor ihren Augen undeutlich ineinander verschwammen - als das Grün ihr grau vorkam und das Rosa - richtig rosa war das sowieso nicht - zu sehr nach Anilinrot aussah, als sie ihr sicheres Urteil und zielbewusstes Auftreten verloren und sich, ohne es zu merken, einen Klecks Farbe - Rosa oder warmes Grau? - auf die Nasenspitze gesetzt hatte.
Und so kauerte sie, mit Martini auf dem Schoß, in einem Sessel, als Jerry, um fünf bereits, vom Verlag nach Hause kam. Kaum hatte er die Tür geöffnet und den Kopf ins Zimmer gesteckt, da sagte er schon »Oh, Himmel, nein!« zog den Kopf wieder zurück, holte erst im Flur tief Luft - die auch nicht gerade von belebender Frische war - und hielt, als er eintrat, noch möglichst lange den Atem an. Martini sprang von Pamelas Schoß und begrüßte ihn in klagenden Tönen mit ihrer durchdringenden siamesischen Stimme. Pam starrte weiter auf die mit Pinselstrichen in den verschiedensten Farbabstufungen bedeckte Wand gegenüber und sagte leise, wie aus weiter Ferne: »Hallo, Jerry.« Er neigte sich über den Sessel, küsste sie und sagte: »Du schmeckst nach Farbe.«
»Alles schmeckt danach«, ergänzte sie.
»Ich hatte es ganz vergessen. Ja, ich weiß, du hattest es mir gesagt, aber...«
»Es wurde Zeit«, sagte Pamela trostlos. »Ist schon zwei Jahre her. Mr. Prentori sagt, die hässlichen Flecken wären Grundierung. Keine Ahnung, was das bedeutet. Er meint, vielleicht geht es bis Samstagabend, aber dann müssten Überstunden gemacht werden, und das liegt an dem Mann, den er schickt, also würde es wahrscheinlich bis Montag dauern. Und ich kann keine Farben mehr unterscheiden. Möchtest du nicht mal sehen...«
»Nein«, sagte Jerry. »Bin ganz mit deiner Wahl einverstanden. Wann?«
»Acht Uhr morgen früh«, erwiderte Pamela. »Natürlich könnten wir - so wie voriges Mal - das hieße aber - weil wir doch nur noch Martini haben und sie ganz allein ist - und überhaupt - meinst du nicht, dass wir’s tun sollten?«
Unerfahrene Leute haben zuweilen behauptet, Pamela North drücke sich nicht immer klar aus, und manche haben sie sogar der Sprachverstümmelung bezichtigt.
»Hast du’s schon versucht?«, fragte Jerry.
Sie nickte. »Die meisten möchten keine Katzen«, sagte sie. »Im Breckenridge geht’s nur, wenn wir ein ganzes Appartement nehmen und für Schäden an Sesseln und so weiter aufkommen.«
»Und der Preis für die Zimmer?«
»Hm - na ja«, sagte Pam, »fünfunddreißig, genau genommen.«
»Autsch!«, rief Gerald North.
»Sie wird auch von der Farbe ganz krank«, sagte Pam, »und dann hätten wir wieder für den Tierarzt zu bezahlen.«
Jerry schüttelte sich.
»Natürlich hat uns kein Mensch gezwungen, eine Katze zu halten«, sagte Pam.
Martini ließ einen langen Heulton los, als wolle sie gegen solchen Unsinn protestieren.
»Martha kommt gern schon früh her, um die Leute reinzulassen«, erklärte Pam. »Und vielleicht werden sie ja bis Samstagabend noch fertig und...«
»Pam«, sagte Jerry, »du hast wohl die Zimmer schon fest bestellt?«
»Na ja«, sagte Pam, »du bist doch hauptsächlich derjenige, den die Farbe krank macht, und sie wollen zuerst das Schlafzimmer machen, und alles wird danach schmecken, sogar unsere Cocktails, aber natürlich, wenn du...« Sie unterbrach sich. Jerrys Blick verlangte Klarheit. »Ja«, sagte sie.
»Und gepackt auch schon?«
»Hm, ja, ich...«
Repräsentativ ist vielleicht der rechte Begriff vom Hotel Breckenridge in Manhattan, nicht weit von der oberen Fifth Avenue, aber auch die Bezeichnung geräumig« wird oft angewendet, vor allem seitens der Direktion. Die Gesellschaftsräume unten wirken würdevoll in ihrer Größe, das vielbesuchte Restaurant ist mit Holz getäfelt und hat kleine rotbeschirmte Lämpchen auf den Tischen. Die Beleuchtung ist so gedämpft, dass man nicht immer erkennen kann, was man isst, aber es schmeckt vorzüglich. Und geräumig ist es auch in den oberen Stockwerken. Das Appartement für Norths, einschließlich Katze Martini, die in dem ihr so verhassten Reisekästchen mit Drahtgitter raue, zornige Laute ausstieß, hätte einer viel größeren Familie reichlich Platz geboten. Sogar Martini, sonst so unverdrossen neugierig, fühlte sich erschöpft, nachdem sie den Salon, das Schlafzimmer links davon und das Bad, zwecks künftiger Benutzung mit der Nase begutachtet hatte. Sie kuschelte sich unter einem Sessel zusammen, für alle Fälle in guter Deckung, denn sie hatte in zwölf Lebensjahren Vorsicht gelernt. In neuer Umgebung kann eine Katze nie wissen, was ihr blüht.
Der Salon war lang und ungewöhnlich breit, die Fenster gingen nach einem Innenhof. Das Schlafzimmer war kaum kleiner und enthielt ein mächtiges Doppelbett. Das Bad, mit Zugang vom Vorflur, enthielt eine Wanne, in der Jerry - wenn er wollte, aber er wollte nicht, denn er war Spezialist in Duschen - lang ausgestreckt hätte liegen und Pam beinahe hätte schwimmen können. Pam charakterisierte die Großzügigkeit des Hotels Breckenridge treffend durch die zwei mit ehrlicher Überzeugung gesprochenen Worte: »Meine Güte!«
Es war sechs Uhr, als sie sich eintrugen - die Zimmer waren bereit, die Katze sollte geduldet werden, vorausgesetzt, dass für zerkratzte Textilien und andere Ärgernisse entsprechender Schadenersatz geleistet würde. Kurz nach sieben gingen sie zum Abendessen fort, frisch gebadet und gestärkt durch ebenfalls überdimensionale Cocktails, die sie sich hinaufbringen ließen.
Um Viertel vor elf kamen sie zurück, nachdem sie erfreulich gut gespeist hatten, wenn auch nicht im getäfelten Restaurant ihres Hotels, denn dort fühlte man sich - hatte Pam behauptet - wie im vorigen Jahrhundert. Sie hatten die letzten zwei Drittel eines Films gesehen, denn die waren nach Pamelas Ansicht immer die sehenswertesten, weil erst dann - wenn überhaupt - die entscheidenden Dinge passierten.
Im Salon brannte gedämpftes Licht, als sie eintraten. Martini kam, als sie ihren Namen riefen, unter einem Sofa hervor und gab durch einige Geräusche kurz, aber deutlich ihren Kommentar zum langen Ausbleiben der Herrschaften.
»Oh, je!«, sagte Pam, »wir können doch nicht vergessen haben...« Sie drehte sich um und bildete zum Bad. »Verflixte Geschichte«, setzte sie hinzu, ging hin und öffnete die Tür des Badezimmers. Martini miaute erbittert und schritt mit empört erhobenem Schwanz hinein. Dann wurde drinnen ein Gekratze zwischen zerrissenem Zeitungspapier hörbar, das heftige Scharren einer Katze, deren Geduld fast auf die äußerste Probe gestellt worden war, die sie aber wohl - so hofften Norths inständig - noch ausgehalten hatte.
»Wer von uns beiden?«, fragte Pam. Jerry schüttelte den Kopf, er meinte, keiner von ihnen, und fand die Sache rätselhaft. Er hatte doch, als sie fortgingen - ganz bestimmt hatte er sich doch überzeugt, dass die Badezimmertür für Martini offenblieb.
»Natürlich könnte sie sie auch selbst zugemacht haben«, sagte Pam, »allerdings wüsste ich nicht, warum. Und wenn sie’s getan hätte, wäre sie ja drin. Das heißt...« Sie hielt inne und ging rasch zum Schlafzimmer. »Das ist es«, sagte sie auf der Schwelle. »Das Zimmermädchen, das die Betten...« Und jetzt verstummte sie so jäh, als habe man ihr die Kehle zugedrückt, so plötzlich, dass Jerry, der gerade seinen Mantel in den Flurschrank hängen wollte, erschreckt herumfuhr.
Pam schrie nicht und kreischte nicht, doch ihre schlanke rechte Hand war fest an den Türrahmen geklammert, als müsse sie sich stützen, um nicht zu fallen. Jerry hatte seinen Mantel losgelassen und war zu ihr geeilt. Er hielt ihre Schultern umfasst und blickte über ihren Kopf ins Schlafzimmer - starrte das an, was sie dort sah und was ihr den Atem genommen hatte.
Eine Frau, die er noch nie gesehen hatte, lag auf dem von der Tür entfernteren Bett. In einem grauen Kostüm, dessen Jacke ordentlich zugeknöpft war, lag sie auf dem Rücken, den Kopf auf einem Kissen in dem aufgeschlagenen Bett. Lag da, als habe sie nur ausruhen wollen und sei sanft eingeschlafen, und Jerry hätte beinahe gerufen, was sie - so meinte er - wecken würde. Doch schon bevor er es tat, wusste er, dass sie es nicht hören würde. Ihre Augen waren offen, also schlief sie nicht. Sie lag, wie sich beim genaueren Hinsehen erkennen ließ, in merkwürdig steifer Haltung. Und das klar geschnittene Gesicht war sonderbar bläulich gefärbt.
Als Jerry das alles bemerkt hatte, ging er hinein und betrachtete die Tote. Sanft berührte er ihr Gesicht und stellte fest, dass es, wie er erwartet hatte, kalt war und sich hart anfühlte. Nun sah er sich nach Pamela um, die ihre Hand noch immer so fest an den Türrahmen gekrampft hielt, dass die Knöchel weiß hervortraten. Zu erklären brauchte er ihr nichts. Er ging zu ihr und sagte, ganz sinnlos: »In Ordnung, Pam«, obgleich hier wahrhaftig nichts in Ordnung war. Sie schaute ihn fragend an.
»Ich weiß nicht«, sagte Jerry. »Es sieht aus - sieht aus, als hätte sie sich nur so hingelegt und sei gestorben. Vor einer ganzen Weile schon, glaube ich. Die Totenstarre...« Er sprach nicht zu Ende. »Ich habe diese Frau noch nie gesehen. Ich...«
Aber Pam sagte: »Warte mal«, ging jetzt auch an das Bett und blickte auf die Frau hinab, die so friedlich dalag, sah wieder Jerry an, und jetzt nickte sie langsam, wie nach sorgsamer Überlegung.
»Im Fernsehen«, erklärte Pamela und sprach ebenso langsam und bedächtig wie sie den Kopf bewegte. »Sie bat Leute interviewt. Heute Nachmittag...« Jetzt schüttelte sie den Kopf. »Ach, das ist ja unwichtig«, sagte sie. »Ich sah nur zu, als sie...«Wieder hielt sie inne, und Jerry w artete auf mehr.
»Ich kann mich nicht auf ihren Namen besinnen«, sagte Pam. »Es ist - Moment mal. Thorn! Richtig, ja: Alice Thorn.«
Sie ging zu Jerry, der ihr den Arm um die Schultern legte und sie in den Salon zurückführte. »Ich bin ganz in Ordnung«, sagte sie, doch das war sie gewiss nicht, denn sie setzte sich ein Weilchen aufs Sofa. Als sie dann wieder beteuerte, sie sei all right und Jerry sie tief und ruhig Atem holen sah, sagte er: »Sicher bist du das«, und war beruhigt.
»Nur«, sagte Pam, fast in ihrem normalen Ton, »es ist so schauerlich. Sie sieht so - so lebendig aus. Und noch heute Nachmittag hat sie...«
»Schon gut«, sagte Jerry, indem er zum Telefon ging.
»So eine - eine schreckliche Farbe«, begann Pam wieder. »Ihr Gesicht...«
»Ja, eine sehr merkwürdige Färbung«, sagte Jerry. »Wir werden...« Er nahm den Hörer auf. Als er kein Geräusch wahrnahm, hielt er ihn etwas vom Ohr weg und schüttelte ihn. Aber jetzt sprach auch schon eine klare Summe in sein Ohr, betont liebenswürdig und sehr aufmerksam, »Sie wünschen bitte?«, fragte das Mädchen in der Zentrale.
Jerry North zögerte eine Sekunde. So absurd es gewesen wäre - er hätte beinah in demselben liebenswürdigen Ton gesagt: Würden Sie bitte jemanden zum Abholen einer I eiche heraufschicken? Stattdessen sagte er: »Bitte verbinden Sie mich mit der Polizei.«
»Ja«, sagte das Mädchen, noch genauso höflich und aufmerksam. »Ich werde - wie bitte? Was hatten Sie gesagt?«
Das menschliche Gehirn arbeitet langsam, es bewahrt manchmal den Verstand noch für Augenblicke vor dem Unerwarteten, dem Unglaublichen.
»Die Polizei«, wiederholte Gerald North geduldig. »Es ist nämlich leider...« Er fand es schwierig, so etwas einfach auszusprechen. Das musste man anderen Leuten sanft beibringen. »Leider hat es einen - einen Unfall gegeben.« Und das fand er auch nicht gerade sanft. »Das heißt: Eine Frau ist anscheinend - gestorben. In unserem Zimmer. Die Nummer ist...« Im Moment wusste er sie nicht und las sie von dem Schild am Telefon ab. »Sieben-achtzehn. Meine Frau...«
»Tot?«, fragte das Mädchen in der Zentrale. Ihre Stimme hatte den Schliff ganz verloren. »Sagten Sie, dass jemand bei Ihnen tot ist?«
Jerry bestätigte es.
»Oh, mein Gott«, sagte das Mädchen wie in einem Wort. »Wer denn?«
Das war entschieden eine sachliche, unerwartet logische Frage.
»Meine Frau meint, es könnte eine Miss Thorn sein«, sagte Jerry. »Sie war tätig beim...«
»Thorn?«, rief das Mädchen. »Oh, mein Gott – doch nicht- Alice Thorn?«
»Leider doch...«, sagte Jerry.
»Aber«, entgegnete das Mädchen, »die wohnt doch hier! Hier im Hotel. Ich verstehe nicht...«
»Nein, ich auch nicht«, sagte Jerry. »Aber verbinden Sie mich jetzt lieber mit der Polizei.«
Die Polizei kam. Vor ihr erschienen noch ein Hotel-Detektiv und Mr. Mimms, der stellvertretende Geschäftsführer, entsprechend angezogen, der ein Taschentuch mit auffälligem Monogramm benutzte, um seine Stirn zu betupfen, und entsetzt bestätigte, dass die Tote wirklich Alice Thorn sei. Mehrmals fragte er: »Wie ist sie hier herein gekommen?« - was ihm niemand beantworten konnte - und wiederholte immerfort: »Schrecklich, ganz schrecklich«, was keiner abzustreiten geneigt war. Dann kam die Polizei: zuerst uniformierte Beamte, dann welche in Zivil. Fotografen, Fingerabdruckspezialisten. Alice Thorn, die in so viele Kameras geblickt und für jede ein besonderes Gesicht gehabt hatte, konnte den Kameras, die jetzt auf sie niederstarrten und im grellsten, mitleidlosesten Licht arbeiteten, keine wechselnde Mimik bieten. Ein Polizeiarzt kam, der, nachdem die Fotografen fertig waren, die Tote kurz untersuchte und den Lieutenant vom Revier achselzuckend ansah.
»Na?«, fragte der, »was meinen Sie, Doktor?«
»Schon mehrere Stunden tot«, erwiderte der Arzt. »Vier, Vielleicht fünf.«
»Ursache?«
Der Arzt zuckte wieder die Schultern, mit mehr Nachdruck, und spreizte die Finger.
»Tja«, sagte er. »Erschossen wurde sie nicht. Auch nicht erstochen, nicht über den Schädel geschlagen und nicht erwürgt.«
»Danke«, sagte der Polizei-Lieutenant. »Hat sie etwas gegessen, das tödlich wirkte?«
»Möglich«, entgegnete der Arzt. »Oder eine Embolie. Oder hat Gift genommen, oder - denkbar ist so gut wie alles. Wir werden das feststellen.«
»Denke ich auch«, sagte der Lieutenant.
Der Arzt betrachtete die Tote noch einmal, genauer jetzt. Das bläulich-bleiche Gesicht, die Lippen, die noch vor ein paar Stunden gelächelt hatten. Er beugte sich ganz tief über das erstarrte Gesicht.
»In Ordnung«, sagte er, als er sich aufrichtete, »eine Obduktion wird es klären. Anders geht’s nicht. Die Ursache z.u erkennen ist hier äußerst schwierig, jedoch...« Er unterbrach sich. Der Lieutenant wartete geduldig. »Erstickung«, sagte der Arzt. »Nur mal angenommen jetzt. Wäre möglich. Ich würde sagen, dass jemand sie erstickt haben kann, mit etwas, das keine Druckstellen hinterlässt.« Er blickte auf das Bett. »Mit einem Kissen vielleicht«, ergänzte er.
In dem breiten Bett lagen zwei Kissen, auf einem ruhte Alice Thorns Kopf. Sie hoben die Tote hoch: Beide Kissen waren fleckenlos weiß. Der Polizei-Lieutenant stellte die Wandlampe zwischen dem Bett schräg ein und drehte die Kissen um. An der Unterseite des Kissens, auf dem der Kopf der Toten gelegen hatte, war ein matter, aber gut sichtbarer roter Fleck.
»Lippenstift«, sagte der Lieutenant, als sei das ganz selbstverständlich und schon bewiesen. Doch niemand bestritt es ihm.
Das Ehepaar North saß auf einem Sofa im Salon. Ein Polizist, der im Vorflur des Appartements stand, hatte sie betrachtet, gelassen und mit keineswegs feindlicher Miene. Kriminalbeamte gingen ein und aus, denn bei solchen Gelegenheiten gibt es viel zu erledigen, alles hat seine Ordnung, auch das, was dem Laien nicht sofort zweckmäßig erscheint. Die Beamten musterten im Vorbeigehen die Norths, doch nur aus beruflicher Neugier.
Bei vorurteilsloser Betrachtung muss es aussehen, als säßen wir ganz schön in der Patsche, hätten viel zu erklären und keine überzeugende Erklärung bei der Hand, dachte Jerry. De facto jedoch...
Sobald Bill hier ist, wird sich’s klären, dachte Pamela mit ihrem praktischen Sinn für das Nächstliegende. Falls es Mord ist, natürlich nur. Und das nehme ich an, weil es ja immer so zu sein scheint, wenn wir gerade...
Und beide dachten, es sei Zeit, das Bill - Captain William Weigand vom Morddezernat Manhattan-West - hier erschiene und den Fall in die Hand nähme, denn der würde ja wissen, einerlei welches äußere Bild sich ihm bot, dass die Norths wieder einmal mitten hineingeraten waren. Und dann würde auf ihnen bald kein Verdacht mehr lasten.