WENN EINE TÜR INS SCHLOSS FÄLLT - F. R. Lockridge - E-Book

WENN EINE TÜR INS SCHLOSS FÄLLT E-Book

F. R. Lockridge

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

»Hier soll die Bar aufgebaut werden. Und dort drüben wird getanzt.« Mrs. North steckte voller Begeisterung mitten in den Vorbereitungen für die Party in der leeren Etage ihres New Yorker Hauses.

»Und das Badezimmer wird auf Hochglanz...« Mrs. North öffnete die Tür. Als das Streichholz aufflammte, entdeckte sie in der Badewanne - einen Toten...

 

Der Roman Wenn eine Tür ins Schloss fällt von F. R. Lockridge (eigentlich Richard Orson Lockridge; * 26. September 1898 in Missouri; † 19. Juni 1982 in South Carolina) erschien erstmals im Jahr 1940; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1969 (unter dem Titel Eine Tür fällt ins Schloss).

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

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F. R. LOCKRIDGE

 

 

Wenn eine Tür

ins Schloss fällt

 

Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

WENN EINE TÜR INS SCHLOSS FÄLLT 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Zwanzigstes Kapitel 

Einundzwanzigstes Kapitel 

Zweiundzwanzigstes Kapitel 

 

 

Das Buch

 

»Hier soll die Bar aufgebaut werden. Und dort drüben wird getanzt.« Mrs. North steckte voller Begeisterung mitten in den Vorbereitungen für die Party in der leeren Etage ihres New Yorker Hauses.

»Und das Badezimmer wird auf Hochglanz...« Mrs. North öffnete die Tür. Als das Streichholz aufflammte, entdeckte sie in der Badewanne - einen Toten...

 

Der Roman Wenn eine Tür ins Schloss fällt von F. R. Lockridge (eigentlich Richard Orson Lockridge; * 26. September 1898 in Missouri; † 19. Juni 1982 in South Carolina) erschien erstmals im Jahr 1940; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1969 (unter dem Titel Eine Tür fällt ins Schloss).  

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME. 

 WENN EINE TÜR INS SCHLOSS FÄLLT

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

DIENSTAG 25. OKTOBER

16.45 Uhr bis 17.15 Uhr

 

Mr. North kam an diesem Nachmittag ziemlich früh nach Hause. Seine Frau merkte sofort, dass er schlechte Laune hatte. Er ärgerte sich über die ungewöhnliche Witterung. Petrus möge sich endlich entscheiden, ob in Zukunft das ganze Jahr über Sommerwetter herrschen solle. Dann könne man sich entsprechend kleiden.

»Aber so ist es...« Er stapfte missgelaunt in sein Zimmer, um die Schuhe auszuziehen.

»Was sagst du?«, rief Mrs. North, die im Wohnzimmer saß, ihm nach. Sie hörte zwar, dass ihr Mann weiterredete, konnte aber kein Wort verstehen. Wenige Sekunden später kam er in Hemdsärmeln und Hausschuhen zurück.

»...seit siebenundneunzig Jahren nicht gegeben«, sagte er.

»Was hat es seit siebenundneunzig Jahren nicht gegeben?«, fragte Mrs. North.

Mr. North musterte seine Frau mürrisch. Ob sie denn nicht zugehört habe, brummte er verdrossen. Wenn er jedes Mal davonlaufe, sobald er ihr etwas erzählen wolle, könne sie selbstverständlich nichts verstehen, erwiderte Mrs. North.

»Das Wetter«, erklärte Mr. North. »Der wärmste Oktober seit siebenundneunzig Jahren. Steht in der Zeitung.«

»Aha.« Mrs. North versank in Nachdenken. »Warum eigentlich seit siebenundneunzig Jahren? Stets sind es siebenundneunzig Jahre. Warum eigentlich?«

»Ach so«, meinte Mr. North. »Vor siebenundneunzig Jahren wurde der amtliche Wetterdienst gegründet.«

»Aha«, sagte Mrs. North. Es sei aber auch wirklich sehr warm, fügte sie hinzu. Und da sei ihr eine prächtige Idee gekommen.

»Mir ebenfalls«, entgegnete Mr. North. »Eine ausgezeichnete Idee sogar. Cocktails - vielleicht einen Tom Collins. Und du bereitest sie zu.«

»Nein.« Mrs. North schüttelte den Kopf. »Meine Idee ist wirklich prächtig. Sie kam mir bereits gestern.«

»Hör zu. Für mich ist ein Tom Collins eine prächtige Idee.«

Mrs. North nickte. Gewiss, aber ihre Idee sei besser. »Außerdem trinkst du jeden Nachmittag Cocktails. Das ist bestimmt nicht gut für deine Gesundheit.«

»Hör zu...« Mr. North brach ab, stand auf und trottete mürrisch in die Küche.

Nach einer Weile kehrte er mit zwei Tom Collins zurück. Mr. und Mrs. North nippten und stießen fast gleichzeitig ein genüssliches »Ah!« aus. Ob vielleicht noch etwas Zucker fehle, fragte Mr. North. Die Drinks seien perfekt, erwiderte Mrs. North und beobachtete, wie sich die Laune ihres Mannes langsam besserte. Schließlich lächelte er sogar. Das Dumme sei, meinte er, dass der Körper sich um diese Jahreszeit auf kaltes Wetter eingestellt habe, und da spüre man natürlich die ungewohnte Hitze.

»Ich fühle mich völlig ausgetrocknet«, sagte Mr. North und leerte sein Glas.

Mrs. North nickte und kam noch einmal auf ihre Idee zurück.

»Was hältst du von einer Party?«, fragte sie, und als ihr Mann ein missbilligendes Schnaufen vernehmen ließ, fuhr sie rasch fort: »Keine Party, die viel Geld kostet. Lediglich oben. Mir kam bereits gestern die Idee. Mrs. Buano ist einverstanden. Wir können tanzen. Wäre das keine nette Abwechslung?«

»Oben?«, fragte Mr. North verständnislos.

Mrs. North nickte. »Im obersten Stock. Die Wohnung steht schon so lange leer. Arme Mrs. Buano. Wir könnten den Strom einschalten lassen, könnten das Radio mitnehmen und...«

»Hör mal«, unterbrach sie Mr. North. »Wozu überhaupt eine Party? Und warum oben unter dem Dach?«

Sie hätten schon so lange keine Party mehr gehabt, erklärte Mrs. North. Deshalb sei es endlich wieder einmal an der Zeit. Und die leerstehende Wohnung biete reichlich Platz. »Ihre Sachen können unsere Gäste hier unten lassen.«

Mr. North gab sich einen Ruck und mixte frische Drinks. Dann erörterte er die Angelegenheit gründlich, denn er legte stets Wert darauf, dass es keine Unklarheiten gab.

Zweifellos eignete sich das leerstehende Apartment ausgezeichnet für eine Party. Und Mrs. Buano, die Hauseigentümerin, überließ es ihnen gewiss gern, denn sie konnte im Moment mit dem Atelier, wie sie die Räumlichkeiten in ihren Anzeigen anpries, nichts anfangen. Die Norths konnten allerdings nicht verstehen, weshalb es so schwierig sein sollte, einen Mieter zu finden.

Das Apartment nahm das gesamte Dachgeschoss ein, das Mrs. Buano hatte aufstocken lassen, als die Hausbesitzer in der Gegend des Washington Square glaubten, dass es mehr Wohnungssuchende als Unterkunftsmöglichkeiten gäbe. Zuvor war es das übliche New Yorker Wohnhaus gewesen: Dreigeschossig mit Halbsouterrain. Die älteren New Yorker hatten wohl alle irgendwann einmal in einem solchen Haus gewohnt.

Vor rund achtzig Jahren hatte man sie als Einfamilienhäuser gebaut. Doch die Familien waren kleiner geworden, oder sie hatten ihr Vermögen verloren. Man hatte die Etagen in Apartments aufgeteilt, die von Leuten bezogen wurden, die es für schick hielten, südlich der 14. Straße zu wohnen.

Das Haus von Mrs. Buano schloss sich an die Ziegelgebäude am Greenwich Place an, die sich ähnelten wie ein Ei dem anderen. Von hier aus konnte man den Lärm der spielenden Kinder auf dem Washington Square vernehmen. Mrs. Buano bewohnte Erdgeschoss und Halbsouterrain.

Das Haus war neun Meter breit und zwanzig Meter tief. Eine breite Treppe führte zur zweiflügeligen Haustür. Rechts neben der Treppe befand sich ein Eisenzaun mit einem Tor. Dort führten einige Stufen hinab ins Halbsouterrain zu Mrs. Buanos Tür, die unter der Haupttreppe lag. Obwohl Mrs. Buanos Wohnung auch von der Eingangshalle aus erreicht werden konnte, benutzte sie - ebenso wie ihre Besucher - fast ausschließlich den Kellereingang. Der Mensch steigt eben lieber eine Treppe hinab als hinauf.

Über die Haupttreppe gelangte man zur doppelflügeligen Haustür, die unverschlossen war. Trat man in die quadratische Eingangshalle, sah man sich erneut Türen gegenüber, die allerdings verschlossen waren. Die Hausbewohner besaßen selbstverständlich einen Schlüssel. Besucher aber mussten sich nach links wenden, wo die Klingeln angebracht waren.

An dieser Wand befanden sich ebenfalls die Briefkästen - der von Mrs. Buano, der der Norths vom ersten Stock, der der Nelsons vom zweiten und der vom dritten Stock, der zurzeit namenlos war. Der Briefkasten der Nelsons quoll seit einigen Tagen über, denn sie verbrachten ihren Urlaub in Kalifornien, hatten aber versäumt, die Post nachsenden zu lassen.

Rechts von den Briefkästen waren die vier Klingeln, jede mit einem Namensschildchen versehen. Die Norths hatten einfach eine Visitenkarte zurechtgeschnitten, das Namensschild der Nelsons war mit Maschine, das von Mrs. Buano mit Tinte von Hand geschrieben. Jeder Besucher drückte auf den entsprechenden Knopf, worauf in der betreffenden Wohnung die Klingel so laut schrillte, dass die Bewohner erschrocken in die Höhe fuhren. Theoretisch begab man sich nunmehr zum Haustelefon und fragte an, wer da sei. Der Besucher vertraute seine Wünsche lautstark dem kleinen Lautsprecher an, der gleichzeitig als Mikrofon diente. Da die Anlage permanent defekt war, verlief das Gespräch entweder einseitig, oder es fiel ganz ins Wasser. Da half auch höchste Lautstärke nichts. Alte, erfahrene Mieter wie die Norths drückten deshalb nur noch wortlos auf den Knopf, der den automatischen Türöffner auslöste.

In der Eingangshalle begann es nunmehr geräuschvoll zu schnarren. Unerfahrene Besucher starrten dann misstrauisch zur Tür. Hatten sie den Sinn des Schnarrens endlich begriffen, warfen sie sich gegen die Tür, die sich auch prompt öffnete. Jetzt führte eine Treppe, die mit einem dicken Läufer belegt war, nach oben. Obwohl sie sich in einem Lichthof befand, herrschte stets ein schwaches Dämmerlicht. War eine Glühbirne durchgebrannt, war es sogar stockdunkel. Wie überall im Haus von Mrs. Buano, herrschte auch hier größte Sauberkeit. Im Winter war es meistens zu warm, während im Sommer eine angenehme Kühle herrschte.

Die Norths wohnten im ersten Stock. Die Wohnung bestand aus zwei großen und zwei kleinen Zimmern. Die großen Zimmer - eins lag auf der Straßenseite, eins nach hinten zum Garten - besaßen einen Kamin, hohe Wände und tiefe Fensternischen. Sie dienten als Schlaf- und Wohnzimmer. Dazwischen befanden sich die Diele und das Bad. Das kleine Arbeitszimmer von Mr. North lag, wie das Schlafzimmer, auf der Straßenseite. Die ebenso kleine Küche ging nach hinten zum Garten. Martha, das Dienstmädchen, füllte sie fast völlig aus, was sie jedoch glücklicherweise nicht störte.

Die Etage über den Norths wies den gleichen Grundriss auf. Die Räume waren lediglich niedriger. Diese Wohnung war fast stets vermietet. Anders verhielt es sich mit dem Atelier. Hier erstreckte sich das Wohnzimmer über die gesamte Vorderseite des Hauses, und die großen Fenster ließen viel Licht herein. Dies war auch der Grund, weshalb diese Wohnung von Mrs. Buano als Atelier bezeichnet wurde. Es hatten auch tatsächlich schon Kunstmaler darin gewohnt. In den letzten Jahren interessierten sich allerdings hauptsächlich Klavierlehrer für das Atelier. Mrs. Buano vertrat jedoch die Ansicht, es sei besser, die Wohnung leer stehen zu lassen, als den ganzen Tag Klaviergeklimper anhören zu müssen und auf der Treppe immerfort Schülern zu begegnen.

Aus diesem Grund also stand das Atelier für eine Party zur Verfügung.

»Ich habe bereits einen genauen Plan gemacht«, erklärte Mrs. North und leerte ihr Glas. »Komm mit.«

»Ich soll mitkommen?«, fragte Mr. North entgeistert. »Wohin?«

»Wir sehen es uns einmal an«, erwiderte Mrs. North. »Ich will dir zeigen, wo wir das Radio aufstellen. Und du kannst mir sagen, was du von gelber Tapete hältst.«

»Wozu denn nun wieder gelbe Tapete?«, brummte Mr. North.

»Zur Dekoration«, antwortete Mrs. North. »Nun komm.«

Mr. North seufzte, aber der Tom Collins hatte ihn besänftigt, und so folgte er seiner Frau nach oben. Als sie ankamen, sah er, dass die Tür zum Atelier geschlossen war.

»Wir können es uns ja auch morgen ansehen«, sagte Mr. North rasch. »Es ist abgeschlossen.« Damit machte er kehrt.

Es sei nicht abgeschlossen, meinte Mrs. North ein wenig gereizt und drückte die Tür auf. »Ich war gestern schon hier, da war auch nicht abgeschlossen. Mrs. Buano schließt nie ab, damit Interessenten die Wohnung besichtigen können, ohne dass sie mit hinaufgehen muss. Komm.«

Mr. North dachte sehnsüchtig an den nächsten Tom Collins und folgte seiner Frau seufzend ins Atelier. Er sah mit einem Blick, wie staubig und trostlos alles wirkte. Obwohl durch ein geöffnetes Fenster an der Rückseite eine leichte Brise wehte, herrschte brütende Hitze. Mr. North blickte sich kurz um und erklärte, es sei alles okay.

»Eignet sich wirklich ausgezeichnet für die Party«, fügte er hinzu. »Ganz ausgezeichnet. Gehen wir wieder.«

Er wollte sich entfernen, doch seine Frau fasste ihn am Arm.

»Hier...« Sie betrachtete den kleineren, nach hinten gelegenen Raum. »Hier richten wir die Bar ein.«

»Bar?«, murmelte Mr. North.

Mrs. North führte ihren Mann durch die Diele ins eigentliche Atelier. »Hier können wir tanzen. Das Radio stellen wir da drüben auf.« Sie zeigte auf die Stelle. »Du sorgst dafür, dass der Strom eingeschaltet wird. Und sprich mit Mrs. Buano wegen des Wassers.«

»Wasser?«, fragte Mr. North.

»Es ist natürlich ebenfalls abgestellt«, erklärte Mrs. North. »Alles ist abgestellt. Und dann brauchen wir jemanden, der saubermacht. Falls du nicht selbst...«

»Nein«, fiel Mr. North seiner Frau ins Wort. »Keinesfalls. Ich werde jemanden besorgen.«

Atelier und Hinterzimmer müssten gründlich gesäubert werden, fuhr Mrs. North fort. Die Küche sei nicht so wichtig. Gekocht werden könne in der eigenen Wohnung. Aber das Bad natürlich. Das müsse sehr gründlich geputzt werden, denn die Leute...

»Schon gut«, unterbrach Mr. North. »Ich verstehe.«

Mrs. North ging zum Bad, und ihre Absätze klapperten laut. Sie öffnete die Tür. Da das Bad kein Fenster besaß, herrschte tiefe Finsternis. Nur von der Diele fiel ein schwacher Lichtschimmer hinein.

»Ein Streichholz«, sagte Mrs. North. »Ein kurzer Blich genügt.«

Mr. North, der hinter ihr stand, knipste sein Feuerzeug an und hielt das flackernde Flämmchen in die Höhe. Sie spähten beide in das Bad. Plötzlich schnappte Mrs. North erschrocken nach Luft. Ihr Mann löschte rasch das Feuerzeug aus, fasste seine Frau an den Schultern, drehte sie um und presste sie fest an sich.

»Schon gut«, sagte er und bemühte sich, seiner Stimme Festigkeit zu verleihen. »Schon gut, Pamela.« Wie aus weiter Ferne drangen seine Worte an ihr Ohr, und es gelang ihr, nicht zu schreien. Im nächsten Moment hatte Mr. North seine Frau von der Tür weggezogen. »Schon gut, mein Kind«, sagte er immer wieder. »Schon gut.«

Nach einigen Sekunden hatte sie sich beruhigt. Sie nickte, wagte aber noch nicht, zu sprechen. Mr. North drückte ihr die Schultern, dann knipste er das Feuerzeug an und trat noch einmal in die Badezimmertür. Es war kein erfreulicher Anblick, der sich ihm bot.

In der Wanne lag ein Mann. Der Mörder hatte mit unnötiger Härte zugeschlagen, falls man überhaupt bereit war, die Notwendigkeit eines Mordes zu bejahen. Der Kopf wirkte seltsam flach. Nicht nur der Hinterkopf war zertrümmert, sondern auch das Gesicht. Ansonsten wies der Körper keine Spuren auf. Mr. North sah dies mit einem Blick, denn der Tote war völlig nackt - nackt und weiß im flackernden Schein der kleinen Flamme. Mr. North hatte plötzlich den Eindruck, die Leiche schwimme davon, und er drehte sich rasch um, schloss die Tür hinter sich. Seine Frau stand noch immer an der Stelle, an der er sie verlassen hatte. Im nächsten Augenblick klammerte sie sich an ihn. Sie zitterte am ganzen Körper und machte eine Bemerkung über die Party, die Mr. North nicht verstand. Offensichtlich war ihr der Gedanke schrecklich, die Party geplant zu haben.

  Zweites Kapitel

 

 

DIENSTAG

17.15 Uhr bis 19 Uhr

 

Mrs. North zitterte noch ein wenig, als sie wieder in der eigenen Wohnung waren. Sie fühle sich aber schon wieder gut, meinte sie.

»Schrecklich! Gerade als wir über die Party sprachen«, fügte sie hinzu. Sie habe schon immer wissen wollen, wie man sich fühlt, wenn man einen Mord entdeckt, aber zu ihrer Verwunderung könne sie es auch jetzt nicht sagen. »Es geht alles viel zu schnell. Ich meine, man hat überhaupt keine Zeit, etwas zu fühlen. Und dann wäre es natürlich etwas anderes, wenn wir ihn gekannt hätten.«

Mr. North musste feststellen, dass seine Frau den Schock schneller überwunden hatte als er selbst. Offensichtlich hing es damit zusammen, ob man eine rasche Auffassungsgabe besaß. Ihm selbst zum Beispiel begannen erst jetzt die Knie zu zittern, und er war froh, sich setzen zu können. Er sank auf einen Stuhl und langte nach dem Telefonhörer.

»Du willst die Polizei verständigen?«, fragte seine Frau.

Mr. North nickte. »Weißt du, ich habe noch nie die Polizei angerufen. Ich habe auch nie geglaubt, es jemals nötig zu haben.« Immerhin wusste er Bescheid, was man zu unternehmen hatte. Endlich meldete sich die Telefonistin in der Vermittlung. Ihre Stimme klang unpersönlich kühl - sie hatte schließlich auch keine Leiche entdeckt. »Ich brauche einen Polizisten«, sagte Mr. North, dann korrigierte er sich rasch. »Einen Polizeibeamten.«

»Wie bitte?« Die Telefonistin wirkte irritiert.

Vielleicht hat sie ebenfalls noch nie die Polizei angerufen, dachte Mr. North. Er wiederholte seinen Wunsch, nannte Namen und Adresse. »Es scheint sich um einen Mord zu handeln«, fügte er hinzu.

»Danke«, sagte die Telefonistin und unterbrach die Verbindung.

Mr. North fühlte sich jetzt besser, war aber trotzdem froh, noch zu sitzen. Seine Frau schien sich wieder gefasst zu haben. Sie wirkte nicht mehr erschrocken, sondern aufgeregt.

»Sie werden annehmen, dass wir es waren«, sagte sie. »Das ist immer so.«

Mr. North konnte nicht verstehen, dass alles wie gewohnt weitergehen sollte, dass sie wie sonst auch ruhig miteinander sprachen. Das muss wohl so sein, dachte er.

»Weil wir die Leiche gefunden haben«, murmelte er. »Ja, das glaubt die Polizei.« Er dachte nach. »Und meist haben sie wohl auch recht.« Etwas beunruhigte ihn. »Du hast die Leiche nicht gesehen, als du gestern oben warst? Natürlich nicht, aber...«

Mrs. North blickte ihren Mann an. Ein Mundwinkel zuckte, aber ihre Stimme klang wie gewohnt.

»Nein«, erwiderte sie. »Sonst hätte ich es erwähnt.« Sie wartete, bis ihr Mann den Kopf hob. »Ich...«

Mrs. North brach ab, denn Sirenengeheul näherte sich. Gleich darauf hielt ein Wagen mit quietschenden Reifen an, und eilige Schritte näherten sich der Haustür. Im nächsten Moment klingelte es auf eine Weise, wie nur ein Polizeibeamter klingelt - oder der Telegrammbote.

»Die Polizisten«, sagte sie und drückte auf den Knopf des elektrischen Türöffners.

Sie kamen zu zweit.

»North?«, fragte der erste. Offensichtlich hielt er Mr. North für schwerhörig. »Gerald North? Was gibt es?«

»Wir...« Mr. North schwieg, denn durch das offene Fenster drang erneut Sirenengeheul, übertönte seine Stimme. Reifen quietschten. In der Ferne näherte sich weiteres Sirenengeheul.

»Du lieber Himmel!«, rief Mrs. North, die zum Fenster hinaussah. »Sieh dir das an. Diese vielen Polizisten!«

»Ich habe genug Polizisten hier«, erwiderte Mr. North.

»He, Sie!«, begann der Beamte, doch inzwischen kamen weitere zwei die Treppe herauf.

»Sechs Wagen, aus beiden Richtungen«, verkündete Mrs. North aufgeregt. »Die kümmern sich nicht um Einbahnstraßen. Und die vielen Neugierigen!«

Mr. North sah sich nunmehr vier Polizeibeamten gegenüber, und immer mehr trafen ein. Es war geradezu absurd. Er musste unwillkürlich an die Leiche in der Badewanne denken, an die Haut, die im Schein des Feuerzeugs weiß geglänzt hatte. Dort oben herrschte Stille, hier unten aber Lärm und Betriebsamkeit.

»Oben«, brachte er endlich heraus. »Im obersten Stock, im Bad. Wir haben ihn gefunden.«

Die zuerst gekommenen Polizeibeamten stapften die Treppe hinauf, zwei folgten ihnen, und zwei blieben bei Mr. North.

»Was geht hier eigentlich vor, Mann?«, fragte der eine von ihnen.

Mr. North blickte ihn fassungslos an. »Um Himmels willen!«

»Hören Sie, Mann...«

»Glauben Sie etwa, hier brennt’s?«, stieß Mr. North wütend aus.

»Da kommt wieder ein Wagen.« Mrs. Norths Stimme klang zufrieden. »Eine große Limousine. Und noch ein Streifenwagen.«

»Gehen Sie rein«, sagte der Polizeibeamte barsch, und Mr. North ging in die Wohnung. Die beiden Beamten gingen hinterher und musterten ihn.

»Was geht hier vor?«, fragte eine ruhige Stimme von der Tür her, und die beiden Uniformierten drehten sich um. Der Mann, der auf der Schwelle stand, schien tatsächlich wissen zu wollen, was passiert war.

»Wir sind gerade erst angekommen, Lieutenant«, sagte einer der beiden Polizeibeamten. »Ein paar von uns sind schon oben.«

»Einige?«, meinte der Lieutenant. »Dann holt ein paar wieder herunter. Bevor sie alles auseinandernehmen.« Er wirkte völlig gelassen, wandte sich nunmehr Mr. North zu. »Sie haben angerufen? Mr. Gerald North?« Mr. North nickte. »Und Sie haben die Leiche gefunden?« Mr. North nickte nochmals.

Glücklicherweise trug dieser Beamte Zivilkleidung, und er benahm sich auch entsprechend. Er hatte einen blauen Straßenanzug an und in der Brusttasche ein weißes Tüchlein. Der graue Hut war leicht in die Stirn gezogen. Mr. North schätzte ihn auf Ende Dreißig. Offensichtlich interessierte er sich tatsächlich dafür, was Mr. North zu sagen hatte.

»Ich bin Lieutenant Weigand vom Morddezernat. William Weigand. Ich hätte mich dann gern mit Ihnen unterhalten. Aber zunächst möchte ich mich oben umschauen. In Ordnung?«

»Selbstverständlich«, erwiderte Mr. North. Seine Frau kam vom Fenster herüber und nickte.

Mr. North schloss die Tür hinter dem Kriminalbeamten und ging mit seiner Frau zum Fenster. Die Straße war tatsächlich mit Polizeifahrzeugen übersät. Sie waren aus beiden Richtungen gekommen, standen kreuz und quer, wo sich gerade eine Parkmöglichkeit geboten hatte. Vorn an der Ecke leitete ein Polizeibeamter den Verkehr um. Die Fenster waren mit Neugierigen besetzt. Mrs. Buano kam aus ihrer Kellerwohnung und sprach mit einem Polizeibeamten. Gleich darauf blickte sie verwundert zu den Norths auf, dann wanderte ihr Blick zu den Atelierfenstern weiter. Die Leute, die auf der anderen Straßenseite standen, starrten ebenfalls hinauf. Immer mehr Neugierige sammelten sich an. Plötzlich war erneut Sirenengeheul zu vernehmen. Ein Rettungswagen schlängelte sich durch die parkenden Fahrzeuge und hielt an. Ein junger Mann in Weiß sprang heraus. Er hatte eine schwarze Tasche in der Hand. Auf der Mütze stand in absurd großen Buchstaben Arzt. Er sprang die Stufen hinauf und verschwand im Haus.

Nun ereignete sich eine ganze Weile nichts. Lediglich die Stimmen der Polizeibeamten schallten durch das Treppenhaus. Dann kam ein Auto, und Männer mit Fotoausrüstung stiegen aus. Gleich darauf traf eine besonders große Limousine ein, der drei Hünen entstiegen. Mit der dicken Menschen eigenen Würde schritten sie zur Treppe. Trotz der schweren Läufer im Treppenhaus konnte Mr. North hören, wie sie die Stufen zum Atelier hinaufstapften. Bereits nach wenigen Minuten stapften sie die Treppe wieder hinab, stiegen in ihren Wagen und fuhren davon.

»Vermutlich gefiel ihnen die Geschichte nicht«, bemerkte Mr. North. »Sie sind wohl für größere Fälle zuständig.«

Fast gleichzeitig trafen zwei Taxis ein. Einige junge Männer sprangen heraus. An ihren Hüten steckten Karten.

»Reporter«, erklärte Mr. North.

Die Reporter rannten die Vortreppe hinauf, doch dann würden sie aufgehalten. Die Norths hörten, wie sie sich mit den Polizeibeamten in der Eingangshalle stritten.

»Zum Teufel, was geht hier vor?«, wollten die Reporter wissen. Anscheinend war dies die Standardfrage des Tages.

Plötzlich wurde an die Tür geklopft, und Mr. North öffnete. Es war Lieutenant Weigand. Er befand sich in Begleitung eines Mannes, der genauso aussah, wie man sich einen Kriminalbeamten vorstellt: viereckiges Gesicht und breite Schultern. Gewiss der Inspektor, dachte Mr. North. Oder ein noch höheres Tier.

»So, nun hätte ich gern gehört, wie alles war«, sagte Weigand. »Dies hier ist Mullins - Kriminalbeamter Mullins. Nehmen Sie den Hut ab, Mullins.«

»Okay, Lieutenant.« Mullins nahm den Hut ab.

»Setzen wir uns doch«, meinte Mr. North. »Viel wissen wir allerdings nicht. Er ist natürlich tot, oder?«

»Das kann man wohl sagen«, antwortete Weigand. »Schon eine ganze Weile. Und Sie haben ihn gefunden, richtig?«

»Wir haben ihn gemeinsam gefunden«, erklärte Mrs. North. »Es war schrecklich.« Ihr Gesicht verriet deutlich, wie schrecklich es gewesen war.

»Gut.« Weigand nickte. »Sie beide haben ihn also gefunden. Und wie kam das?«

»Tja«, sagte Mrs. North, bevor ihr Mann den Mund aufgemacht hatte. »Das war wegen der Party. Ich zeigte Jerry, wie ich mir alles gedacht hatte, und dann haben wir nachgeschaut, ob das Bad recht schmutzig ist.«

»Eine Party?«, wiederholte Weigand. »Hm, verstehe. Was für eine Party?« Sein verdutztes Gesicht verriet allerdings deutlich, dass er gar nichts verstanden hatte.

»Die Party, die wir da oben veranstalten wollten«, erläuterte Mrs. North. »Jetzt natürlich nicht mehr. Sie doch wohl auch nicht?«

»Nein«, meinte Weigand. »Vermutlich nicht. Aber weshalb wollten Sie die Party dort oben feiern? Warum nicht hier? Das verstehe ich noch nicht ganz, Mrs. North. Sie sind doch Mrs. North, richtig?«

»Dies ist Lieutenant Weigand«, beeilte sich Mr. North. »Er ist vom Morddezernat, Pam. - Ja, das ist meine Frau, Lieutenant.«

»Gut«, sagte der Lieutenant.

»Warum setzen wir uns eigentlich nicht?«, meinte Mrs. North, und alle nahmen Platz. Nur Mullins blieb stehen.

»Setzen Sie sich, Mullins«, sagte der Lieutenant.

»Okay«, murmelte Mullins und setzte sich. Es war nun Mr. North klar, dass es sich nicht um den Inspektor handelte.

»Also«, fuhr Weigand fort, »wenn ich Sie richtig verstanden habe, wollten Sie in der leeren Wohnung eine Party geben, Mrs. North. Heute Nachmittag gingen Sie mit Ihrem Mann hinauf, um - warum eigentlich, Mrs. North?«

»Um nachzusehen, wie es oben aussah«, erwiderte Mrs. North. »Weshalb?«

Weigand wirkte irritiert und ein wenig erschrocken. »Was?«

Mr. North musste wieder einmal feststellen, wie ansteckend die verwirrende Art seiner Frau war.

»Ich wollte Jerry zeigen, wie wir alles stellen«, erklärte Mrs. North. »Die Idee war mir gestern gekommen. Er wollte es sich ansehen. Stimmt’s, Jerry?«

»Nein«, murmelte Mr. North. »Aber ich hatte nichts dagegen. Zunächst wenigstens.«

»Nun ja, davon hatte ich natürlich keine Ahnung«, sagte Mrs. North. »Gestern war die Leiche noch nicht da. Und man erwartet so etwas ja auch nicht. Vor allem nicht in einer Badewanne.«

»Hören Sie!«, unterbrach Weigand. »Kommen wir zur Sache.«

Die beiden Norths blickten ihn irritiert an, dann lachten sie.

»Entschuldigung«, sagte Mr. North. »Wir schweifen ab. Also - Pam war bereits gestern einmal oben, und da war keine Leiche vorhanden. Das ist alles.«

Lieutenant Weigand war plötzlich sehr interessiert, und seine Miene wirkte auch nicht mehr irritiert, als er Mrs. North ansah. Er zog eine Zigarette aus einem Päckchen und zündete sie an.

»Wie war das gestern?«, begann er erneut. »Sie waren gestern ebenfalls oben? Beide?«

»Nein«, antwortete Mrs. North. »Ich war allein oben.«

»Und da war keine Leiche da?«

»Als ich oben war, nicht«, entgegnete Mrs. North. »Zumindest glaube ich...« Sie überlegte, und ihr Gesicht nahm langsam einen erschrockenen Ausdruck an. »Ich weiß nicht«, murmelte sie schließlich. »Ich glaube, ich habe gar nicht ins Bad gesehen. Nur die anderen Räume habe ich besichtigt. Und die Tür zum Bad war geschlossen. Deshalb habe ich wohl...« Sie riss die Augen auf. »Ich bin froh, dass ich nicht hineingesehen habe. Nicht allein.«

»Hören Sie«, warf Mr. North ein. »Wann - wann wurde er denn ermordet?«

»Gestern«, erwiderte Weigand. »Vermutlich zwischen zwölf Uhr mittags und sechs Uhr abends.« Er schwieg einen Augenblick. »Jemand hat den Mann mit großer Gewalt auf den Kopf geschlagen. Mit einem flachen, schweren Gegenstand. Dadurch wurde die Schädeldecke eingeschlagen.« Der Lieutenant musterte die Norths. Sie schwiegen beide, und Mrs. North wirkte bleich. »Vielleicht hatte er eine etwas dünne Schädeldecke. Die Haut ist nur leicht aufgeplatzt. Deshalb hat die Wunde kaum geblutet. Und dann wurde dem Ermordeten auch noch das Gesicht zerschlagen.«

Daran erinnerte sich Mr. North, und er nickte.

»Das wären die Fakten«, fuhr Weigand fort. »Gestern Nachmittag. Vermutlich wurde der Mann zunächst mit einem Schlag betäubt. Dann schlug der Mörder noch mehrmals zu. Ein Kampf hat nicht stattgefunden. Also hat das Opfer nicht damit gerechnet. Und nun, Mrs. North, erzählen Sie mir doch noch einmal genau, wie das gestern war. Damit ich auch nichts übersehe. Richtig?«

»Alles?«, meinte Mrs. North. »Auch, wie ich die Nadel eingefädelt habe, und die Sache mit Pete?«

Sowohl Weigand als auch Mr. North musterten sie nachdenklich, und Mr. North war erstaunt, wie sehr das Gesicht des Lieutenants seine eigenen Gefühle widerspiegelte.

»Nun, ob es wichtig ist, kann ich natürlich nicht ohne weiteres sagen«, antwortete Weigand. »Ich muss alles wissen, was zur Sache gehört. Aber erzählen Sie trotzdem. Sollte es mir unwichtig erscheinen, sage ich es Ihnen. Richtig?«

»Sagen Sie eigentlich immer richtig?«, fragte Mrs. North interessiert.

Weigand wurde ein wenig rot, dann lächelte er. »Das ist eine Angewohnheit von mir. Nun also zu den gestrigen Ereignissen...«

Sie sei ziemlich spät aufgestanden, berichtete Mrs. North, und habe gefrühstückt. »Auch ein Ei, denn es war Montag.« Dann hätte sie etwas auszubessern gehabt. Damit sei sie den größten Teil des Vormittags beschäftigt gewesen. »Das lag an der Nadel«, erklärte sie. »Das Einfädeln klappte nicht. Die Öse, wissen Sie. Sie war wohl zu klein. Entweder spaltete sich der Faden, oder er ragte nicht weit genug hindurch, so dass ich ihn nicht fassen konnte.«

Sie schwieg und blickte den Lieutenant fragend an.

»Schon gut, Kind. Nur weiter«, sagte Mr. North, und Weigand dankte ihm mit einem freundlichen Lächeln.

Mrs. North hatte also ziemlich spät zu Mittag gegessen, und dann war ihr die Idee gekommen, eine Party zu geben. Dabei war ihr das leerstehende Apartment im obersten Stockwerk eingefallen, und sie fragte Mrs. Buano, ob sie es benutzen könne.

Jetzt gab es eine kleine Unterbrechung, denn man musste Weigand erklären, wer diese Mrs. Buano war.

Sie sei dann kurz weggegangen, fuhr Mrs. North fort, um sich Zigaretten und eine Zeitung zu besorgen. Gegen drei Uhr sei sie hinaufgegangen, um sich das Apartment anzusehen. Dann sei sie wieder heruntergekommen und -

»Moment«, unterbrach Weigand sie. »Darüber würde ich gern ausführlicher hören. Richtig?«

Mrs. North hob interessiert den Kopf.

»Wie war das mit dem Apartment?«, fuhr Weigand fort. »Erzählen Sie alles, woran Sie sich erinnern.«

Es sei alles so gewesen wie heute, erwiderte sie. Der Lieutenant sei ja gerade oben gewesen. Da sei dieser große Raum zur Straße hinaus, dann die kleine Diele mit der Tür zum Bad. Der Gedanke an das Bad ernüchterte sie, und sie fasste sich kurz. »Aber das haben Sie ja gesehen. Es war gestern heiß und staubig, und da dachte ich daran, ein Fenster zu öffnen, doch dann ließ ich es sein...« Sie schwieg plötzlich. »Aber als wir heute oben waren, stand ein Fenster offen.«

»Ja.« Weigand nickte. »Und von Ihnen beiden ist es nicht geöffnet worden, richtig?«

Sie schüttelten die Köpfe.

»Und weiter?«, fragte der Lieutenant.

Aber anscheinend gab es nichts weiter zu berichten. Mrs. North hatte sich die Zimmer angesehen, hatte im Geiste den Tisch aufgestellt, der als Bar dienen sollte, und das Radio. Sie hatte sich auch Gedanken gemacht, wie man die Wände dekorieren könne. Dann sei sie wieder nach unten gegangen. Das sei alles.

»Und weiter?« bohrte Weigand.

Sonst habe sich nichts weiter ereignet. Lediglich Pete war verschwunden.

»Pete?«, fragte der Lieutenant.

»Pete!«, riefen die Norths wie aus einem Mund.

Nach einer angemessenen Pause erschien Pete, mit seinem schwarzen Schwanz wedelnd. Weigand musste gestehen, dass es ein sehr schöner Kater war mit seinem schwarzen Rücken und dem weißen – äh...

»Brust und Bauch«, half Mrs. North. Sie blickte zu dem Kater. »Putz dich, Pete!«

Pete musterte sie und streckte sich.

Er müsse sich irgendwo staubig gemacht haben, während er verschwunden war, meinte Mrs. North. Seltsamerweise interessierte sich der Lieutenant mehr für Pete, als Mr. North erwartet hatte. Er wollte unbedingt wissen, was es mit dem Verschwinden des Katers auf sich hatte.

Sie sei am gestrigen Nachmittag ungefähr ein Viertel nach drei von der Besichtigung des Ateliers zurückgekommen, berichtete Mrs. North. Da sei Pete in der Wohnung gewesen. Aber als sie ihn eine halbe Stunde später gerufen hätte, wäre er nicht erschienen. Sie habe überall nachgesehen, Pete aber in der Wohnung nicht gefunden. Schließlich habe sie entdeckt, dass der Kater durch das offene Fenster auf das Dach geklettert war.

»Auf das Dach?«, fragte Lieutenant Weigand.

Um unnütze Zeit zu sparen und Irrtümer zu vermeiden, führte Mr. North den Lieutenant zu den Fenstern im Wohnzimmer und zeigte ihm das Dach. Dieses Dach, erklärte Mr. North, sei einem Umbau zu verdanken, den Mrs. Buano vorgenommen hatte, um Platz für eine Küche und ein zusätzliches Schlafzimmer zu schaffen.

Das flache Dach dehnte sich vor den Fenstern der Norths. Hier endete die Feuertreppe. Lediglich eine Eisenleiter führte hinab in den Garten. Pete kletterte häufig auf das Dach, um sich zu sonnen, und die Norths hatten schon öfter daran gedacht, das Ganze zu einem Dachgarten auszubauen, was für den Sommer sehr schön sein müsste. Aber dann war es doch stets unterblieben.

»Pete klettert oft hinaus«, sagte Mrs. North. »Manchmal klettert er sogar die Feuertreppe hinauf und setzt sich auf den Treppenabsatz, oder er springt auf ein Fenster. Die Nelsons lassen ihn oft hinein.«

»Die Nelsons?« Weigand runzelte die Stirn. »Sie wohnen direkt über Ihnen, oder? Und sie sind jetzt für einen Monat in Kalifornien. Richtig?«

»Richtig!«, erwiderten Mr. und Mrs. North gleichzeitig.

Nach Mrs. Norths Meinung sei Pete ungefähr fünfzehn Minuten weggeblieben. Und er sei zweifelsohne vom Dach gekommen. Das sei alles, was sich am Vortag ereignet habe.

Weigands Gesicht verriet Skepsis. Er wolle Mrs. North nicht antreiben, aber vielleicht sei doch noch etwas gewesen.