Beverly Christmas - Nick Living - E-Book

Beverly Christmas E-Book

Nick Living

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Beschreibung

Es ist Weihnachtszeit. Und das bedeutet, dass wir eine ganz bestimmte, heimliche Stimmung in uns tragen. Wenn die Straßen verschneit, die Äste der Bäume vor Kälte funkeln, dann scheinen wir auf irgendetwas zu warten. Vielleicht auf den Weihnachtsstern von Hollywood oder auch auf die Geschichten in diesem Buch? In den ausgesuchten Weihnachtsgeschichten finden sich so manche Sterne, so manche Träume, die in uns schlummern. Lassen Sie uns noch mal Kind sein und doch die Dinge von einer spannenden Seite betrachten. Also dann: FROHE WEIHNACHTEN - MERRY CHRISTMAS TO YOU.

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Seitenzahl: 179

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INHALT

Eine Weihnachtsgeschichte

Das Haus zwischen den Bäumen

Im Banne der Venus

Tommys Wunder

Blizzard

Eiszapfen

Der Engel auf den Gleisen

Spekulatius

Der Weihnachtsengel

Die Bommelmütze

Der Hauch des Lebens

Die Weihnachtsstiefel

Der seltsame Pfarrer

Der Geist von Wao Chung

Der Lift des Todes

Die Zauberwürstchenbude

Besuch im Herbst

Der Schauspieler [Gedicht]

Eine Weihnachtsgesichte [Gedicht]

Weihnacht [Gedicht]

Am Deich [Gedicht]

Die Herde [Gedicht]

Der Taxifahrer [Gedicht]

Erinnerungen [Gedicht]

Für meine Mama [Gedicht]

Der Clown [Gedicht]

Träume der Erinnerung [Gedicht]

Der alte Baum [Gedicht]

Weihnachtswunsch [Gedicht]

Winterwald [Gedicht]

Ein Weihnachtswunder

Die Nacht vor Weihnachten

Der Weihnachtsstern von Hollywood

Die Weihnachtsshow

Der Weihnachtsteddybär

Eine Weihnachtsgeschichte

Es war die Nacht vor Weihnachten. Police Officer Pete Garland hatte seinen Dienst beendet und wollte eigentlich noch gar nicht nach Hause gehen. Und so nahm er sich vor, noch einmal durch seinen Distrikt in der „McAllister-Street“ der riesigen Stadt San Francisco zu fahren. Es war schon recht dunkel, und ziemlich kalt war es auch. Doch Pete schien das nicht zu stören. Er zog seine Uniformjacke über und wünschte seinen Kollegen, die auf der Wache zurückblieben, ein frohes Weihnachtsfest. Ein Weihnachtslied auf den Lippen verließ er die Wache, die in einem kleinen Eckhaus untergebracht war und ließ sich mit einem leisen Stöhnen in seinen Streifenwagen fallen. Doch sollte er jetzt wirklich noch einmal die „McAllister-Street“ hinunterfahren? War er da nicht vor einer Stunde noch? Als er jedoch an die Einsamkeit daheim dachte, und ihm klar wurde, dass er sonst nicht sehr viel zu tun hatte, fuhr er schließlich los. Langsam glitt der Wagen an den weihnachtlich geschmückten und hell beleuchteten Häusern vorüber. In so manchem Vorgarten stand ein funkelnder Weihnachtsbaum und die Lichterketten überstrahlten den Scheinwerferkegel, der gemächlich über den dunklen Straßenasphalt streifte. Irgendwie kam Pete ins Träumen. Wenn jetzt plötzlich der Weihnachtsmann vor seinem Auto auftauchen würde und ihn fragte, was er sich wohl von ganzem Herzen wünschte, dann wüsste er genau, was er darauf antworten würde. Natürlich, er wollte nicht mehr länger allein durch sein Leben gehen. Er wollte endlich eine nette Frau, die vielleicht sogar Ann hieß wie seine Mutter. Und Kinder wollte er auch, doch zum Suchen nach einer Partnerin hatte er nie Zeit, oder? Hatte er sich die Zeit vielleicht nie genommen, oder vielleicht gar nehmen wollen? Langsam bog er in eine schmale Seitenstraße ein und hielt den Wagen an. Kein Mensch war zu sehen, und es schien wohl immer kälter zu werden, denn die Scheiben seines Streifenwagens beschlugen und er konnte nicht mehr sehen, was draußen geschah. Mit einer gekonnten Handbewegung zog er sich den Kragen seiner Uniformjacke bis unters Kinn und stieg aus. Doch was war das - was fiel denn da vom Himmel? Im Licht eines hell erleuchteten Weihnachtsbaumes am Straßenrand tänzelten ganz sachte Myriaden von Schneeflocken zur Erde. Pete konnte es beinahe nicht glauben: hier in San Francisco schneite es, unfassbar! Aber es war wunderschön. Und weil diese Nacht so seltsam und so unglaublich schien, begann sich Pete ganz langsam zu drehen. Dabei pfiff er sein Weihnachtslied, welches er eben noch leise im Auto gesungen hatte, vor sich hin:

I´ll Be Home For Christmas. Immer schneller drehte er sich, und schließlich tanzte und sprang er vergnügt wie ein siebenjähriger Schuljunge die Straße entlang. Irgendwie schien er alles um sich herum zu vergessen, und die Schneeflocken, die recht eisig vom dunklen wolkenverhangenen Himmel schwebten, schienen ihn noch anzutreiben. Was war das nur für ein merkwürdiges, wundervolles Gefühl. So unbeschreiblich gut hatte er sich seit langer Zeit nicht mehr gefühlt. Und als er seine Augen aufschlug, konnte er es nicht glauben: vor ihm stand tatsächlich und lebensecht ein Weihnachtsmann!

Ja, das da vor ihm war tatsächlich Santa Claus in voller Größe, und der schien ihn auch noch auszulachen. Doch zum Stehenbleiben hatte Pete einfach keine Lust. Kurzerhand umarmte er den sichtlich erstaunten Santa Claus und gab ihm einen dicken Schmatz auf die Wange. Dann zog er ihn einfach mit sich. Gemeinsam drehten die beiden Runde um Runde auf der mittlerweile recht glatten Straße. Wo sie sich befanden, wusste Pete schon lange nicht mehr. Es war ihm auch egal. Er wollte nur noch tanzen und Weihnachtslieder singen. Immer wieder trällerte er sein schönstes Weihnachtslied „I´ll Be Home For Christmas“. Und der sonderbare Weihnachtsmann tat es ihm gleich. Auch er schien einfach nicht mehr aufhören zu wollen. Und auch er drehte sich wild im Tanze und schien regelrecht süchtig geworden zu sein von dem wundersamen Gesang. Die beiden bahnten sich ihren Weg durch den ganz plötzlich ziemlich hoch liegenden Schnee. Und noch immer war niemand zu sehen, der sich hätte am weihnachtlichen Singen und Tanzen beteiligen können. Nicht einmal ein Fahrzeug fuhr an den beiden verrückten Tänzern vorüber. Es war verrückt, aber es war den beiden egal. Irgendwann rutschten sie auf einer Schneewehe aus und fielen der Länge nach auf den Hosenboden. Nachdem sie noch einige Meter auf der spiegelblanken Fahrbahn entlang geschlittert waren, blieben sie schließlich laut lachend nebeneinander liegen. Unwillkürlich starrten sie in den trüben Nachthimmel. Da stoben plötzlich die dicken Wolken auseinander und gaben den Blick auf einen blinkenden strahlend hellen Stern frei. War das vielleicht der Weihnachtsstern? Ein greller Lichtstrahl fiel von dem Stern auf die beiden herab und hüllte sie sekundenlang in sich ein, so, als ob er sie beschützen wollte. Es war wohlig warm in seinem Licht, und die beiden Glücklichen fühlten sich wie Kinder. Und erst jetzt bemerkte Pete, wer da wirklich neben ihm lag. Denn der vermeintliche Santa Claus hatte längst seine Maske verloren, und auch seine lange weiße Haarpracht war bei dem wilden Tanze irgendwo abhanden gekommen. Pete riss seine Augen weit auf und starrte fassungslos in das makellose Gesicht einer wunderschönen jungen Frau. Ihre langen schwarzen Haare umspielten ihr verlegenes, aber recht witziges Lächeln, sodass ihm unweigerlich dicke Tränen über seine rosaroten Wangen kullerten. Wie war so etwas nur möglich? Ein Wunder? Wo kam nur diese unsagbar schöne Frau so plötzlich her? Pete staunte, und ehe er sich wieder fassen konnte, flüsterte die vermeintliche Weihnachtsfrau: „Frohe Weihnachten Fremder.“

Pete saß inmitten des Schneechaos auf der Straße und wusste nicht einmal mehr, ob er grinsen oder laut lachen sollte. Er war so unglaublich glücklich, dass er eben einfach nur so da saß. Die schöne Weihnachtsfrau ertastete ganz vorsichtig, aber auch ein wenig unsicher seine kalten Hände und raunte dann: „Wollen wir hier ewig liegen bleiben? Wir holen uns nur noch ne Erkältung.“ Pete half der Schönen wieder auf die Beine, und dann schauten die beiden wieder zum Himmel. Der blinkende Wunderstern war verschwunden, stattdessen ertönte von irgendwoher leises Glockengeläut. Beinahe ebenso leise flüsterte Pete ein andächtiges: Amen. Die beiden stellten sich einander vor; die schöne Weihnachtsfrau hieß Ann, wie die Frau in seinem Weihnachtswunsch. Und als sie ihre Santa-Claus-Verkleidung abstreifte, verschlug es Pete schon wieder die Sprache. Denn auch sie trug eine Uniform, und auch sie war Police-Officer in San Francisco. Andächtig liefen die beiden zu Petes Streifenwagen, der noch immer in der Seitenstraße stand und nur darauf zu warten schien, dass zwei Polizisten in ihn einstiegen. Pete konnte nicht mehr anders- ganz vorsichtig zog er Ann an sich heran und küsste sie – ganz einfach so. Und Ann schien das zu gefallen. Die beiden lagen sich in den Armen, als hätten sie sich ein Leben lang gesucht. Als es ihnen schließlich doch zu kalt wurde, setzten sie sich in den Wagen und sprachen sehr lange miteinander. Pete meinte, dass er sich vor ein paar Minuten noch gewünscht hatte, endlich jemanden kennenzulernen. Und auch Ann hatte diesen Wunsch in jener Nacht, denn auch sie war allein in dieser großen Stadt.

Später stellte sich heraus, dass sie nicht einmal sehr weit auseinanderlebten. Jahrelang hatten sie Haus an Haus gewohnt und sich doch niemals kennengelernt. Schon nach kurzer Zeit zogen sie zusammen und arbeiteten gemeinsam auf einem Revier: in der kleinen Wache in der „McAllister-Street“. Und immer in der Nacht vor Weihnachten fuhren sie als Santa Claus verkleidet die „McAllister-Street“ hinauf, um in dieser schmalen Seitenstraße, in welcher sie sich über den Weg gelaufen waren, stundenlang Weihnachtslieder zu singen und zu tanzen. Und immer war es das gleiche Lied „I´ll Be Home For Christmas“. Ja, es war wohl kein Wunder, dass diese eine märchenhafte Nacht für die beiden die schönste Nacht des ganzen Jahres war. Als sie schließlich in ihrem Polizeirevier erzählten, wie sie sich kennengelernt hatten, staunten die Kollegen nicht schlecht. Doch als Pete von dem vielen Schnee und von dem hell blinkenden Stern am Himmelszelt berichtete, schauten die Kollegen recht seltsam und ungläubig in die Runde. Und der Reviervorsteher meinte dann: „Das kann gar nicht sein. Ich war in dieser Nacht selbst auf Streife. Aber geschneit hatte es nicht und kalt war es auch nicht. Es war angenehm lau, so um die dreizehn Grad. Und einen blinkenden Stern, nein, einen solch hellen Stern habe ich auch nicht bemerkt.“

Im selben Augenblick schaltete sich das Radio wie von Geisterhand betätigt ein und ein sehr bekanntes Lied ertönte da ganz leise:

„I´ll Be Home For Christmas“

Das Haus zwischen den Bäumen

Sandra Sheppard hatte endlich Urlaub. Und den wollte sie so richtig genießen. Aus diesem Grund hatte sie sich eine Hütte tief in den Bergen der Rocky Mountains bei „Harpers Point“ gemietet. Schon der Prospekt glänzte nur so von Erholung und Frieden. Sandra wusste, dass sie sich in genau diesem kleinen Häuschen besonders gut erholen würde. Die Fahrt hingegen dauerte ewig und Sandra glaubte schon, niemals in ihrem Domizil anzukommen. Irgendwann jedoch sah sie in der Ferne die Gipfel des gewaltigen Felsmassivs, in welchem sie schon in wenigen Stunden ihren lang ersehnten Urlaub genießen würde.

Eine schmale Bergstraße schlängelte sich schier endlos zwischen den massiven Kiefernwäldern hindurch. Immer wieder hielt Sandra ihren Wagen an, um sich zu orientieren. War sie hier wirklich richtig? Ein altes verwittertes Holzschild, welches an einen Baumstamm genagelt war, wies immer geradeaus. Kein Zweifel, hier ging es lang, hier war sie richtig! Nach einer weiteren Stunde hatte sie endlich ihr Ziel erreicht. Das alte Holzhaus stand eingerahmt von zwei riesigen Bergen, von Tannen und Kiefern eingeschlossen vor ihr. Das also war „Harpers Point“ – es war einfach wunderschön! Seltsam erschien ihr lediglich, dass das Haus irgendwie anders aussah als das aus dem Prospekt. Es erschien ihr älter und recht windschief. Dennoch wurde sie von einer alten Dame, die ihr schon entgegen kam, herzlich empfangen. „Hallo!“, rief die Alte schon von weitem, „Ich bin Mrs. Johns! Hatten Sie eine gute Fahrt?“ Sandra wunderte sich sehr über den merkwürdigen Aufzug der alten Dame. Ihre Kleider schienen zerlumpt und auch ihr Gesicht war fahl und zeigte leichte Schrammen. Schnell erkundigte sich Sandra, ob es ihrer Gastgeberin auch wirklich gut ging. Die vermeintliche Mrs. Johns zögerte einen Moment und meinte dann kurz, dass es ihr nie besser gegangen sei. Und weil Sandra viel von ihrer Reise zu erzählen hatte, vergaß sie schließlich, weitere dumme Fragen zu stellen. Mrs. Johns sagte, dass sie drei Meilen hinterm Wald wohnen würde und jederzeit vorbei kommen könnte, wenn es Sandra wollte. Dann verabschiedete sie sich unerwartet schnell und verschwand. Sandra schaute sich um. Wie schön es hier doch war. Dieses Blockhaus war genau das richtige für einen erholsamen Erholungsurlaub. Im Inneren des Hauses roch es nach trockenem Holz und nach abgebrannten Kerzen. Eine Steckdose und elektrisches Licht schien es nicht zu ge ben. Sonderbar, denn eigentlich stand im Prospekt, dass das Haus ans elektrische Stromnetz angeschlossen sei. Warum hatte sie Mrs. Johns nicht danach gefragt. Als die jedoch die entzückende kleine Zinkbadewanne erblickte, vergaß sie all diese Dinge und verspürte plötzlich einen unbändigen Drang, ein heißes Kräuterbad zu nehmen. Draußen dämmerte es bereits und der laue Abendwind bewegte sanft die Äste der Bäume. Ein seltsames Rauschen breitete sich geheimnisvoll im Inneren des Hauses aus. Sandra bemerkte es zwar, wollte sich allerdings nicht beim Baden stören lassen. Die gusseisernen, sehr antik anmutenden Armaturen der Wanne quietschten, als Sandra sie betätigte. Und die alten Glasflaschen, in welchen die Kräuteressenzen aufbewahrt wurden, schienen ebenfalls schon bessere Tage erlebt zu haben. Sie waren beschmiert und zeigten Risse. Dennoch ließ sich Sandra auch davon nicht stören. Genussvoll ließ sie sich in das heiße Wasser sinken und spielte wie ein Kind mit den aufgetürmten Schaumbergen um sich herum. Ach, wie herrlich das doch war. Davon hatte sie immer schon geträumt. Ein richtiger Urlaub in den Bergen, einfach wundervoll. Wie sie so schwelgte, konnte sie nicht bemerken, wie ihr Handy ganz langsam das Funknetz verlor und es draußen zu schneien begann. Immer dichter fielen die Flocken und der Wind verstärkte sich, verwandelte sich urplötzlich in einen starken Sturm. Eine halbe Stunde später fegte ein heftiger Blizzard um die alte Holzhütte und erzeugte dabei ein beängstigendes Pfeifen. Sandra tauchte zwischen ihrem Schaum hervor und lauschte. Zunächst glaubte sie noch, dass dieses sonderbare Geräusch genau so schön sei wie der gesamte Urlaub. Doch als das Pfeifen schließlich immer lauter wurde, wurde sie ängstlich und stieg irritiert aus der Wanne. Schnell hatte sie sich abgetrocknet und stand Sekunden später vorm Fenster. Sie konnte nichts mehr sehen, so dicht jagten die Schneeflocken an der Scheibe vorüber. Sollte sie Mrs. Johns anrufen? Als sie die Telefonnummer, die im Prospekt angegeben war, wählen wollte, bemerkte sie, dass ihr Handy gar kein Netz hatte. Sie fand das zwar recht merkwürdig, aber hier draußen in den Bergen, da konnte das schon vorkommen, dachte sie. Doch plötzlich erschrak sie! Waren da nicht Stimmen? Zunächst ignorierte sie sie, meinte, es sei der Blizzard, der ums Haus fegte. Doch dann kamen sie wieder. Sie hörten sich beinahe so an, als würde jemand um Hilfe rufen - was ging hier nur vor? Durchs Fenster konnte sie niemanden erkennen. Und als sie die Tür einen winzigen Spalt öffnete, um nach den Stimmen zu hören, verstummten sie wieder. Der Sturm knallte wie eine Walze gegen die Tür und Sandra hatte große Mühe, die Tür wieder zu schließen. Eigentlich wollte sie sich gemütlich in den kleinen Sessel vorm Kamin setzen, doch ihre Ruhe und ihr Frieden schienen für immer dahin. Woher nur waren diese Stimmen gekommen und warum meldete sich Mrs. Johns nicht bei ihr. Immerhin nahm der Blizzard an Heftigkeit zu. In ihrem Magen begann es zu rumoren und tief in ihrem Inneren verspürte sie ein stechendes Gefühl: Angst! Mittlerweile war es so dunkel geworden, dass sie die Kerzen auf dem kleinen runden Holztisch in der Mitte des Raumes entzündete. Wenigstens konnte sie in der bedrohlichen Dunkelheit wieder etwas sehen. Als sie sich umdrehte, traf sie beinahe der Schlag! Hinter ihr stand Mrs. Johns! Wie war sie nur so unbemerkt hier hereingekommen, und wie war sie bei diesem Wetter überhaupt zu ihr gelangt? War ihr Haus nicht drei Meilen von hier entfernt? Mrs. Johns zog ein wahrhaft ernstes Gesicht und raunte mit dunkler Stimme: „Komm mein Mädel, komm jetzt mit mir. Wir können nicht mehr bleiben.“ Sandra verstand nicht, was die Alte da meinte. Wieso sollte sie mit ihr kommen? Bei diesem Wetter jagte man doch keinen Hund vor die Tür. Dennoch ließ Mrs. Johns nicht locker. Eilig packte sie ein paar Sachen zusammen und drängte Sandra, mit ihr zu gehen. Die junge Frau wusste zwar überhaupt nicht, was sie davon halten sollte, tat aber, wie ihr Mrs. Johns geheißen hatte. Hastig warfen sich die beiden Frauen ihre Jacken über, schnappten die Reisetaschen und verließen das Holzhaus. Kaum waren sie im mehr oder weniger schützenden Wald verschwunden, donnerte auch schon eine mächtige Gerölllawine aus den Bergen hinter ihnen ins Tal hinab. Und dort, wo eben noch das Haus stand, war nichts mehr. Sandra verschlug es vor Schreck die Sprache, doch Mrs. Johns zerrte sie am Ärmel, was wohl bedeuten sollte, dass sie sich sputen müssten. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten sie schließlich eine tiefer gelegene Stelle und es wurde langsam wieder ruhiger. Der Sturm ließ nach und die beiden Frauen fielen sich erleichtert in die Arme. Als Sandra jedoch nach dem Haus und nach ihrem Wagen fragte, schaute Mrs. Johns wieder so merkwürdig. Es sah beinahe so aus, als ob sie nie etwas davon gehört habe. Und dann ergriff Mrs. Johns schweigend Sandras Hand, und die beiden Frauen verschwanden zwischen den noch immer umherwirbelnden Flocken des Blizzards der sich eigentlich längst verzogen hatte.

Als Mr. Shepard am darauf folgenden Morgen seine Tochter Sandra anrufen wollte, um sich zu erkundigen, ob sie gut in „Harpers Point“ angekommen sei, ging niemand ans Telefon. Mehrmals schaute der betagte Mann, ob er sich auch nicht verwählt hatte, doch die Nummer war richtig. Nur seine Tochter Sandra meldete sich nicht. Auch nach vier geschlagenen Stunden ging niemand ans Telefon. Irgendwann rief der besorgte Vater schließlich die Polizei.

Als die Beamten und der vollkommen aufgelöste Mr. Shepard Stunden später schließlich in den Bergen eintrafen, fanden sie das Ferienhaus bei „Harpers Point“ unbeschadet und wie im Tiefschlaf träumend zwischen den Felsen und dem säuselnden Nadelwald vor. Auch Sandras Wagen stand noch dort, wo sie ihn am Vortag abgestellt hatte. Nur von ihr fehlte jede Spur. Plötzlich entdeckte Mr. Shepard ein merkwürdiges Bild, welches im Inneren des Hauses hing. Es zeigte ein altes Blockhaus, welches gespenstisch und unheimlich zwischen den Felsen ruhte. Als Shepard wissen wollte, ob jemand dieses Haus kennen würde, wurden de Beamten sehr still. Dann meinte einer der Polizisten mit gesenkter Stimme: „Das ist das Haus der alten Mrs. Johns. Die lebte vor über hundert Jahren hier auf „Harpers Point“. Eines Tages wurde die windschiefe Blockhütte von einer Gerölllawine mitgerissen und sie und ihre Tochter Silva kamen dabei ums Leben. Seitdem, sagt man, soll ihr Geist hier umherspuken und nach Silva suchen.“

Und während der Beamte sprach, bemerkte Mr. Shepard eine alte Frau, die neugierig durchs Fenster schaute und sich plötzlich in Luft auflöste. Der vollkommen aufgelöste Shepard war sich plötzlich sogar sicher, neben der Alten seine geliebte Tochter Sandra gesehen zu haben. Und als man Shepard das Bild von Mrs. Johns Tochter Silva zeigte, traf den alten Mann beinahe der Schlag. Denn die damals tödlich verunglückte Tochter der umherspukenden Mrs. Johns sah seiner Tochter Sandra wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich …

Im Banne der Venus

Majestätisch ruhte der Planet in der Dunkelheit des unermesslichen Universums. Nachdenklich schob Steve das Teleskop ein wenig zur Seite. Er wusste nicht so recht, ob er weiter hindurchsehen sollte oder lieber zum Abendessen eine Etage tiefer gehen mochte. Anne, seine Ehefrau hatte Spiegeleier mit Schinken gemacht und freute sich schon darauf, das Neueste aus dem Weltall zu hören. Leider verspätete sich Steve ein wenig und trapste langsam die enge Wendeltreppe nach unten. Ihm war schlecht und er spürte, dass irgendetwas anders war als sonst. Ein wenig schwindelig war ihm ja immer, aber diesmal? Anne hatte sich wirklich große Mühe gegeben, wenngleich sie sich Sorgen machte, als ihr Mann so lustlos und taumelig zu dem liebevoll gedeckten Tisch torkelte. Doch als er ein leichtes Lächeln in sein Gesicht zimmerte und sich behäbig wie immer auf seinen Metallstuhl fallen ließ, wich ihre Besorgnis einer gewissen Erleichterung. Steve erzählte von der dichten Atmosphäre und von seinem Wunsch, vielleicht irgendwann einmal auf die Oberfläche seines geliebten Planeten Venus zu blicken. Anne verstand das zwar nicht so recht, doch sie lauschte scheinbar interessiert den spannenden Ausführungen ihres Mannes. Plötzlich jedoch versiegte die Unterhaltung. Steve schien abwesend und starrte wie gebannt auf die Empore, von welcher er gerade herab gestiegen war, wo sich auch sein Beobachtungsraum mit dem kleinen Teleskop befand. Anne erschrak, und als Steve wirr herum faselte, Worte benutzte, die er eigentlich gar nicht kannte, stockte ihr beinahe das Blut in den Adern. Sie wusste, was das bedeutete – schon einmal hatte sie das alles durchgemacht. Steve hatte einen Schlaganfall! Hastig wählte sie die Telefonnummer des Notdienstes. Doch die Zeit verstrich und jede Sekunde wurde zur Ewigkeit. Würde die Zeit noch reichen? Würde ihr Mann auch dieses Mal überleben?

Steve hatte von alledem nichts bemerkt. Er wusste, dass er eben noch am Tisch saß, wo ihm seine geliebte Anne das Abendessen aufgetischt hatte. Aber es war alles so komisch, so anders, so seltsam. Um ihn herum war es hell, sehr hell und es wurde immer heller. Schließlich war es derart grell, dass er seine Augen zusammenkneifen musste, um überhaupt etwas zu erkennen. Was war das nur? Das Licht um ihn herum schien sich zu bewegen, zu flimmern. Und plötzlich erkannte er, was es war: es war ein hell leuchtender bunter Lichtball, in dessen Innerem er sich befand. Doch er saß nicht einfach so auf seinem Stuhl – nein, er schwebte, und um ihn herum pulsierte in gleichmäßigem Rhythmus