Change for sinfulness - Sonja Amatis - E-Book

Change for sinfulness E-Book

Sonja Amatis

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Beschreibung

Sehe ich dich in deiner ganzen Sündhaftigkeit Weiß ich, die Welt hat ihr selbstgewähltes Ende verdient Straßenschlachten toben in Shonnams Straßen, denn der brüchige Frieden zwischen den Syndikaten droht zu zerbrechen. Sam und Brian werden ausgeschickt, um einen Syndikatsangehörigen zu beschützen. Dylan beschäftigt sich mit merkwürdigen Botschaften über Hass und Sünde. Und ein scheinbar nebensächlicher Mordfall rückt plötzlich in den Fokus des Geschehens. Wie hängt das alles zusammen? Das herauszufinden, könnte viele Leben retten … Ca. 75.000 Wörter Im normalen Taschenbuchformat hätte diese Geschichte knapp 375 Seiten. Dies ist der achte Teil der Change for …-Reihe. Es ist zum Verständnis empfehlenswert, die vorherigen Teile in der chronologischen Reihenfolge gelesen zu haben. Bisher erschienen : Change for a kill Change for obsession Change for madness Change for cruelty Change for desire Change for love Change for evil

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Sehe ich dich in deiner ganzen Sündhaftigkeit

Weiß ich, die Welt hat ihr selbstgewähltes Ende verdient

 

Straßenschlachten toben in Shonnams Straßen, denn der brüchige Frieden zwischen den Syndikaten droht zu zerbrechen.

Sam und Brian werden ausgeschickt, um einen Syndikatsangehörigen zu beschützen.

Dylan beschäftigt sich mit merkwürdigen Botschaften über Hass und Sünde.

Und ein scheinbar nebensächlicher Mordfall rückt plötzlich in den Fokus des Geschehens.

Wie hängt das alles zusammen? Das herauszufinden, könnte viele Leben retten …

 

Ca. 75.000 Wörter

Im normalen Taschenbuchformat hätte diese Geschichte knapp 375 Seiten.

 

Dies ist der achte Teil der Change for …-Reihe. Es ist zum Verständnis empfehlenswert, die vorherigen Teile in der chronologischen Reihenfolge gelesen zu haben.

 

Bisher erschienen :

 

Change for a kill

Change for obsession

Change for madness

Change for cruelty

Change for desire

Change for love

Change for evil

 

 

 

 

 

 

 

 

Es war einfach demütigend.

Hier zu hängen, gefangen im Dunkeln, mit Eisenschellen an die Wand gekettet, dergestalt, dass Wandeln unmöglich war – es war demütigend. Als wäre er ein Opfer. Ausgerechnet er!

Sid legte den Kopf in den Nacken und schnaubte angewidert. Er war mittlerweile mit seiner Situation extrem unzufrieden, denn die Bedingungen hatten sich deutlich verändert. Dass man ihn, den mächtigsten Syndikatsboss von Shonnam und den reichsten Mann der USA wie eine drogensüchtige Straßenratte nackt ausgezogen, verprügelt und zurück in dieses dunkle Loch geworfen hatte … Das fand er sehr schwierig zu akzeptieren. Noch schlimmer war seine Gesellschaft. Nora Lee war schon unter den besten Bedingungen keine Person, mit der er sich gerne in einem Raum aufhalten mochte.

Im Moment hing sie ihm gegenüber, ebenso angekettet wie er, ebenso nackt und verprügelt, und murmelte auf Chinesisch finster vor sich hin. Ob das Todesflüche waren oder irgendetwas anderes, wusste er nicht, und es interessierte ihn auch nicht.

Es war demütigend!

Beinahe am schlimmsten war die Tatsache, dass er hier nur rauskommen würde, wenn Dylan und Sam die richtigen Rückschlüsse ziehen würden.

Nora Lees Gemurmel verstummte.

„Sid?“, fauchte sie. Sie stank nach Angst. An für sich war das schon interessant. Er hätte es nicht für möglich gehalten, dass sie so etwas zu empfinden überhaupt in der Lage war. „Hast du das gehört? Was war das?“

Er lauschte in Richtung Tür.

„Es scheint weiterzugehen“, erwiderte er sachlich. „Bist du bereit für die nächste Runde?“

Sie brüllte unbeherrscht. Er konnte es ihr nicht einmal vorwerfen, als Frau hatte sie andere Probleme als er. Jedenfalls ging er davon aus, dass man sie nicht bloß geschlagen hatte.

Schritte vor der Tür. Auch in seinen Innereien begann Angst zu wühlen. Zumindest etwas, das über Anspannung hinausging. Psychopathen waren keine Roboter. Wenn man intellektuell begriff, sich in Todesgefahr zu befinden, reagierte der jämmerliche Körper. Natürlich konnte er das deutlich besser überdecken als normale Leute mit neurotypischen Gehirnen, und immer noch besser als Nora Lee. Dennoch war es nicht zu leugnen, er reagierte. Wie demütigend …

 

Einige Tage zuvor …

 

„Aaaah!“

„Komm schon, Großer, komm schon!“

„Ich kann nicht mehr!“

„Weiter, weiter, noch ein bisschen!“

„Ich kann … nicht … verdammt!“

„Das muss tiefer und du kannst!“

 

Samuel starrte milde irritiert an die Decke. Über ihnen ging es im Raum von Rick und Maggie ziemlich heftig ab. Das war nicht weiter ungewöhnlich, die beiden ließen sich von eventuellen Zuhörern nicht daran hindern, extrem leidenschaftlichen Sex zu genießen. Da gingen gelegentlich auch mal Gegenstände zu Bruch, die Rick dann anschließend reparierte oder neu kaufte, ohne mit der Wimper zu zucken; lediglich ein geseufztes: „Das war es mir wert!“ bekam Dylan als Entschuldigung. Normalerweise bevorzugten die beiden allerdings die nächtlichen Stunden für diese Aktivitäten, um sechs Uhr morgens war Maggie als Eulenwandlerin meistens zu nichts mehr zu bewegen. Zu Dirty Talk neigten sie eigentlich auch nicht. Aber nun, es gab wohl ein erstes Mal für alles und was die beiden betraf, hatte er bereits vor längerer Zeit aufgehört, sich noch zu wundern.

„Sie haben keinen Sex“, murmelte Dylan schläfrig. Er saß auf der Wohnzimmercouch, die Füße lagen auf dem Tisch, und er klammerte sich an eine Kaffeetasse, als hinge sein Leben davon ab. Was vermutlich der Wahrheit entsprach, denn letzte Nacht hatte es Straßenschlachten im Norden Shonnams gegeben und Dylan hatte mit zum Deeskalationsteam gehört. Er war erst gegen halb vier morgens ins Bett gefallen. Leider bekam man in Brookdarn selten die Gelegenheit, länger als bis ungefähr halb sechs zu schlafen, seit drei Babys auf einmal hier bei ihnen lebten.

Levin war der Jüngste, der Sohn von Daniel und Eva. Sie wohnten fest in Brookdarn, im Gegensatz zu Emma und Melody, die Töchter von Brian und Erika. Die vier lebten dem Papier nach im Vogelwandlerterritorium. Seit einiger Zeit fühlten sie sich allerdings bei ihnen derartig heimisch, dass sie kaum noch heimkehrten. Eigentlich war das auch absolut wundervoll und die Jungs mochten es wirklich, Frauen und Kinder um sich zu haben und hatten auch kein Problem mit dem frühen Aufstehen. Es sei denn, die Nacht war irrsinnig kurz ausgefallen, dann konnte es anstrengend werden.

Aus diesem Grund hing Dylan wie ein Zombie auf dem Sofa, Tyrell und Blake, die ebenfalls bei dem Aufstand helfen mussten, schnarchten gemeinschaftlich in dem Sessel, den sie sich teilten, und der Rest der Truppe versuchte es mit Mitgefühl und Kaffeelieferservice.

Samuel war nicht bei dem Einsatz dabei gewesen, obwohl er sich angeboten hatte, genau wie all die Male zuvor. Man wollte weder ihn noch Brian auf der Straße haben, wenn der Mob durchzudrehen begann, aus Angst, die Anwesenheit von Vogelwandlern könnte die Wut der Massen noch weiter anstacheln. So etwas war nicht rational, auch wenn die Kämpfe zwischen Vögeln und Säugetieren seit einer ganzen Weile beendet waren. Darum war er weitestgehend ausgeschlafen und ärgerte sich darüber, denn lieber hätte er dem Team beigestanden.

Einen Moment lang beobachtete er Melody und Emma, die friedlich brabbelnd über den Boden kullerten. Die beiden Kleinen waren schon über ein Jahr alt und begannen allmählich mit dem Laufen. Vogelwandlerkinder fingen damit generell etwas später an als etwa junge Geparden – ihre Knochen waren dünner und leichter, ihre gesamte körperliche Entwicklung etwas verlangsamt im Vergleich zu Säugetierwandlergruppen. Erika war darüber nicht allzu unglücklich, die beiden Mädchen hielten sie auch so schon ordentlich auf Trab. Sicherlich genoss sie es auch deshalb sehr, hier zu sein. Daheim hockte sie mit den Kindern allein im Haus und wartete bloß, dass Brian nach Hause kam, der nach Feierabend einen zweistündigen Flug absolvieren musste, um seine Familie zu sehen. War sie in Brookdarn, hatte sie Gesellschaft und Ansprache und immer jemanden, der Spaß daran hatte, mit den Kleinen zu spielen.

„DU BRINGST MICH UM!“, brüllte Rick über ihren Köpfen.

„Du stellst dich an wie ein Baby!“, entgegnete Maggie völlig ungerührt.

„Muss man sich Sorgen machen?“, fragte Samuel und nahm dankend einen Kaffeebecher von Robin an.

„Rick hat sich beim Einsatz was gezerrt“, brummte Dylan. „Maggie versucht ihn gerade mit irgendwelchen therapeutischen Kniffen wieder fit zu biegen. Ich glaube, am meisten leidet momentan sein Ego. Er wird eben auch älter und ist nicht mehr unbesiegbar wie noch vor einigen Jahren.“

Armer, armer Rick. Für einen Löwen war es wirklich hart, wenn die körperlichen Kräfte langsam schwanden.

Das Geschrei oben verstummte endlich. Gut so. Samuel liebte Rick wie einen Bruder, aber so früh am Morgen war jämmerliches Löwengebrüll irgendwie schwer zu ertragen. Leider wählte Levin diesen Moment, um mit noch sehr viel jämmerlicherem Babygeschrei zu übernehmen. Der Kleine war ein Frühchen und litt nach wie vor gelegentlich an Koliken. Es wurde allmählich besser, trotzdem stöhnte Dylan genervt, grabschte sich eine Serviette, die noch von gestern Abend auf dem Tisch lag, zerpflückte sie und stopfte sich die Fetzen in die Ohren, was zwar kaum helfen dürfte und ziemlich dämlich aussah, aber vielleicht fühlte es sich dennoch besser für ihn an.

„Sorry“, murmelte Eva.

„Ist nicht deine Schuld“, entgegnete Dylan gequält lächelnd. „Oder seine. Er ist ein Baby, er kann definitiv nichts dafür. Die verdammten Idioten von heute Nacht, die sind schuldig.“ Er verstummte und es war klar, warum. Die Wölfe, Kojoten und Raubkatzen, die letzte Nacht randaliert hatten, waren keineswegs Idioten. Es waren Jugendliche gewesen, die ihre Angst rausgelassen hatten.

Schon seit etlichen Wochen waren die Syndikate nervös. Warum genau, wollten sie nicht verraten. Wenn ein Syndikatsboss wie Sid unruhig wurde, musste es dafür einen gewichtigen Grund geben und egal, wie sehr man sich bemühte, es zu verbergen: Die Leute spürten diese Unruhe und wurden selbst nervös. Die Nervosität hatte sich längere Zeit aufgestaut und dann gestern Nacht zum ersten Mal entladen.

Es hatte zum Glück keine Toten gegeben. Reihenweise Verletzte, einige wenige davon hatte es schwer erwischt. Es würde nicht dabei bleiben. Ein kleiner Zündfunke, irgendeine Kleinigkeit, eine eskalierende Schlägerei, und schon würde wieder ein Stadtviertel im Chaos versinken, Autos brennen, Geschäfte geplündert werden.

Manchmal war es ermüdend …

Das waren tatsächlich die wenigen Zeiten, in denen Samuel sich nach der alten Heimat sehnte, wo so etwas wie eine Straßenschlacht vollkommen absurd wäre.

„Kann ich nachher mal mit dir reden?“, wisperte Robin ihm zu, der einige Minuten verkrampft herumgehampelt war, als hätte er Bauchschmerzen.

„Natürlich. Gerne auch sofort, ich bin soweit munter“, entgegnete Samuel, doch der Junge winkte ab. „Lieber heute Abend. Ich muss noch ein bisschen nachdenken, bis ich alles im Kopf geordnet habe.“

Das klang ernst, musste bei Robin allerdings nicht unbedingt etwas zu bedeuten haben. In den meisten Fällen hatte er mit einem seiner wissenschaftlichen Themen einen Knoten im Hirn und brauchte bloß eine Klagemauer, wo er sich den gesamten Frust runterreden konnte. Oft genügte es, damit sich seine Gedanken sortierten und er die Lösung fand. Robin arbeitete zwar offiziell an der DNA-Decodierung eines harmlosen Grippevirus‘, tatsächlich hielt er allerdings die Arbeiten am Laufen, mit denen man der Ursache der Stunde Null auf die Spur kommen wollte – den Grund, warum ein Drittel der Menschheit zu Wandlern geworden war, während ein Drittel auf der Stelle den Tod gefunden hatte und ein weiteres Drittel unverändert überleben konnte. Im Augenblick verbiss man sich anscheinend genau in dem letzten Punkt. Eben warum so viele Menschen immun gegen das Geschehen waren.

All dies war hochbrisant, denn die Nicht-Wandler-Regierung arbeitete mit ganzer Macht dagegen an, dass diese Forschungen weitergeführt wurden und kontrollierte Robin und dessen internationale Kollegen auf hochnotpeinliche Weise. Jede Mail wurde gelesen, bei jedem Anschein von Grenzüberschreitungen wurden die Wissenschaftler zum Verhör geholt. Jeder wünschte, Robin würde aufhören und sich wirklich nur noch den harmlosen, legalen Dingen widmen. Doch je stärker der Gegendruck wurde, desto entschlossener zeigte er sich und er würde wohl wirklich erst aufhören, wenn entweder der Durchbruch geschafft war oder man ihn ins Gefängnis steckte.

Samuel nickte ihm zu und wollte ihm etwas Aufmunterndes sagen, in der Hoffnung, dass er sich entspannte, doch in diesem Moment pingte eine Textnachricht auf sein Handy ein. Sie kam von Esther, ihrer Teamleiterin.

 

Esther: „Wie sieht die allgemeine Lage bei euch aus?“

Samuel: „Dylan ist gerade wach genug, um Kaffee zu inhalieren. Rick ist leicht verletzt, aber Maggie hat es offenkundig im Griff. Blake und Tyrell könnte vermutlich nicht mal ein Erdbeben wachrütteln. Alle anderen sind munter. Wie geht es dir?“

Esther: „War noch nicht im Bett. Sag Dylan, ich will ihn heute nicht sehen. Dich und Brian brauche ich gleich, aber erst zur üblichen Zeit. Also frühstückt gut. Bis später.“

 

„Alles klar?“, fragte Brian und musterte ihn scharf.

„Ich bin mir nicht sicher.“ Samuel zeigte ihm den Nachrichtenverlauf. „Wenn Esther noch nicht mal im Bett war, liegt irgendwas an. Offenkundig brennt die Hütte noch nicht, sonst hätte sie uns sofort herbeigeordert, und das in voller Mannesstärke.“

„Hm. Ich nehme dich gleich auf dem Motorrad mit rein in die Stadt und dann werden wir es ja sehen.“ Brian drückte ihm eine Schale mit Nussmüsli in die Hand, die er eigentlich für sich selbst zubereitet hatte, und ging noch einmal ans Werk. „Iss!“, kommandierte er. „Du hast die Chefin gelesen. Wenn sie schon ein gutes Frühstück empfiehlt, könnte es stressig werden.“

Samuel seufzte auf seine Haferflocken mit Nüssen hinab. Er hatte keine Lust auf Müsli. Oder Stress. Der letzte große Fall hatte noch immer Nachwirkungen. Sie hatten Gillian verloren. Donald Fuego hätte ihn und Dylan beinahe umgebracht. Nach wie vor war Eva damit beschäftigt, Protokollabschriften zu erstellen, denn dieser Fall war eine gottverdammte Papierschlacht gewesen, mit Manuskripten, die aus jeder Ritze zu wachsen schienen. Eigentlich wäre er ganz zufrieden, wenn es noch eine Weile bei der Routinearbeit bleiben würde, die schließlich auch mehr als anstrengend genug war. Tödliche Unfälle, Streitigkeiten mit Todesfolge, Mörder, die sich aufgrund ihrer Witterung sofort verrieten – solche Fälle brauchten Null Ermittlungsarbeit, produzierten aber sehr viel Papierkram, der sich über Wochen hinweg ziehen konnte. Dafür konnten sie allerdings pünktlich Feierabend machen und gerieten nur dann in Lebensgefahr, wenn sie zu Rick ins Auto stiegen.

„Irgendwas los?“, brummte Dylan von der Couch aus.

„Ja. Esther erteilt dir Arbeitsverbot für heute. Es sei denn, es ergibt sich was“, rief Samuel zu ihm hinüber.

„Is‘ recht.“ Dylan stellte die Kaffeetasse ab und ließ sich seitlich wegkippen. Keine fünfzehn Sekunden später schnarchte er leise. Es war ihm vom Herzen gegönnt. Hoffentlich waren Samuels Befürchtungen falsch und Esther hatte bloß einen Einlauf von oben verpasst bekommen, dass sie die Berichte schneller einfordern musste. Leider war das nicht allzu wahrscheinlich, denn Roy, ihr oberster Chef, hatte aufgrund der Anspannungen in den Syndikaten ganz andere Sorgen als ausgerechnet Fallberichte zu lesen …

 

Die Fahrt war halbwegs erträglich gewesen, Brian hatte sich beim morgendlichen Verkehrschaos zurückgehalten. Man spürte hier in der Gegend nichts von der Straßenschlacht, alles wirkte normal und friedlich. Man konnte bloß beten, dass die kommende Nacht ruhig bleiben würde.

Im Revier war sehr viel weniger Betrieb als sonst. Die wenigen Gestalten, die dort umherliefen, zeigten sich mit blutunterlaufenen Augen und grimmigen Mienen. Auch Esther sah aus, als wäre sie durch die Mangel gedreht worden. Sie hatte Krallenspuren im Gesicht und an den Armen, die nicht sonderlich gesund aussahen und ihr eine martialische Aura verlieren. Genug jedenfalls, um den jungen Mann nervös zu machen, der in ihrem Büro saß. Er war ein Wolfswandler. Gerade junge Wölfe neigten dazu, in Gruppen von Gleichaltrigen draufgängerisch und forsch zu sein, aber eher scheu und verunsichert, wenn man sie allein auf für sie unbekanntem Terrain antraf.

Dieser hier besaß wunderschön gezeichnetes weißes Haar mit einigen schwarzen Strähnen, dazu strahlend blaue Augen. Definitiv ein Hingucker und sicherlich ein Magnet für junge Frauen. Zudem war er teuer gekleidet, sein weißer Anzug war maßgeschneidert, das hellblaue Hemd aus kostbarem Stoff, die Knöpfe aus echtem Silber.

„Maximilian, dies sind Sam und Brian“, sagte Esther. „Jungs, das ist Maximilian Whitefield.“ Ihr Blick wurde eindringlich, sie versuchte eindeutig, ihnen etwas mitzuteilen. Bei Samuel klingelte etwas im Hinterkopf. Es gab seit Moodys Tod drei große Syndikatsbosse in Shonnam. Sid war unter ihnen der Mächtigste, Nora Lee eine Naturgewalt für sich. Der dritte im Bunde, der eher international tätig war, in Shonnam bloß das kleinste Revier kontrollierte und sich insgesamt auch sonst mehr zurückhielt als seine Kollegen, hieß Alexandros Whitefield. Ein Wolfswandler mit griechischen Wurzeln. Er galt als besonnen und sein Wort war ehernes Gesetz. Wer ihn sich allerdings zum Feind machte, brauchte in diesem Leben nicht mehr auf Gnade zu hoffen, denn er vergaß nie und kannte keine Vergebung, wie man sich erzählte. Samuel wusste, dass Mr. Whitefield zwei Töchter hatte. Für einen Schwiegersohn war der Junge noch nicht alt genug, er schätzte ihn auf unter zwanzig.

„Geht es Ihrem Onkel gut, Maximilian?“, fragte er darum, als er ihm die Hand schüttelte. Einen forschen Händedruck besaß er, und er bemühte sich zumindest, seine Nervosität zu verbergen. Von Alexandros‘ Neffen hatte er noch nicht viel gehört, lediglich, dass es ihn gab.

„Bestens, alles bestens“, murmelte der Junge. „Nennen Sie mich bitte Max. Sie sind der berühmte Adlerwandler, ja? Wo ist denn der Gepard?“

„Er hatte letzte Nacht alle Hände voll zu tun und ist darum heute Morgen verhindert“, sagte Esther. „Mit Sam und Brian haben Sie trotzdem bestmöglichen Schutz.“ Sie wandte sich zu ihnen um. „Wie du schon richtig erkannt hast, Sammy, Max ist der Neffe vom Syndikatsleiter Alexandros Whitefield. Der hat mich gebeten, Personenschutz für Max zu gewährleisten, der auf dem Weg nach New York ist, um dort ein Studiensemester zu verbringen.“

„Ihre Familie kann doch perfekt aus eigener Kraft für Ihre Sicherheit sorgen, wozu braucht es dann Polizeiunterstützung?“, fragte Samuel verwirrt.

„Ein Thema, das ich nicht gut in der Öffentlichkeit diskutieren darf, kann oder will“, murmelte Max. „Es hängt mit den Geschehnissen der letzten Nacht zusammen, dass ich sofort aufbrechen soll.“

Was vermutlich übersetzt bedeutete, dass die Syndikate jeden einzelnen Mann brauchten, um den zerbrechenden Frieden noch irgendwie zu wahren. Sicherlich war es auch kein Zufall, dass Max ins Gebiet der Nicht-Wandler gebracht werden sollte. Dort war die Gefahr geringer, entführt und als Druckmittel missbraucht zu werden.

„New York liegt nicht gerade um die Ecke“, sagte Brian. „Und du weißt es besser, als uns beide für einen Flug abzustellen. Wie ist die Reise also geplant?“

„Per Auto, in einem einfachen, unmarkierten Fahrzeug, und …“

„Moment“, fuhr Max ihr ins Wort. „Ihr zwei seid doch Vogelwandler. Warum wäre ein Flug ein Problem für euch?“

„Weil wir eher sterben, als uns ohne Not in einer engen Büchse aus Blech einsperren und zehntausend Fuß über dem Erdboden hochkatapultieren zu lassen“, grollte Brian und Samuel nickte grimmig zur Bestätigung.

„In einer leichtmotorigen Kleinmaschine bin ich schon unterwegs gewesen, wo ich unterwegs aus- und einsteigen konnte“, ergänzte er. „Ein normales Passagierflugzeug ist vollkommen indiskutabel, solange es noch eine Alternative gibt, und Helikopter kann ich gar nicht leiden. Als Vogel fliegt man eben bevorzugt selbst.“

„Verstehe.“ Der Tonfall zeugte von blasierter Arroganz und schaffte es mühelos, Samuels Puls in die Höhe schnellen zu lassen. Der Knabe legte es also darauf an und wollte sich in Machtkämpfchen mit ihnen proben. Na, ob ihm das gut bekommen würde, blieb abzuwarten.

„Mit dem Auto sind wir tagelang unterwegs“, brummte Brian.

„Wenn wir die Karre in New York stehenlassen und einfach so heimfliegen können, sollte es halbwegs zügig gehen. Wäre das möglich, Esther?“, fragte Samuel.

„Es ist ein Mietwagen und der Hauptsitz der Verleihfirma ist sowieso in New York und ihr könntet es dort zurücklassen. Ich hatte es schon eingeplant, dass ihr nur eine Tour damit fahrt.“

„Dann brauchen wir wohl nur noch die Zieladresse und dann kann es losgehen, oder?“ Samuel seufzte innerlich. Das war absolut kein Auftrag, den er mochte und er war wirklich nicht gerne vom Rudel und von Dylan getrennt. Wenn es helfen sollte, die Lage hier in Shonnam stabil zu halten, gut, dann kutschierten sie eben einen stinkreichen, verwöhnten Syndikatsjungen durch die Gegend. Hoffnung, dass er ihnen keinen Kummer bereiten würde, hegte er keine. Also gar keine. Es blieb abzuwarten, wie schlimm es wirklich werden würde.

 

 

Dylan schreckte hoch, als sich eine Hand auf seine Schulter legte. Er war noch einmal fest eingeschlafen, das war definitiv nicht geplant gewesen! Ein rascher Blick auf die Uhr informierte ihn, dass es halb neun morgens war. Nachdem er heute Nacht geschätzt vierzig Meilen hin- und hergerannt war, größtenteils im gestreckten Sprint, und etliche Male einem wutentbrannten Mob in die Augen geblickt hatte, war es immer noch viel zu früh. So ganz allmählich fühlte er sich tatsächlich zu alt für den Scheiß, dabei war er gerade mal Anfang dreißig. Im Moment schien es ihm eher Anfang achtzig zu sein und ja, verdammt, er hasste Straßenschlachten.

Er blickte zu Sam hoch, der viel zu munter aussah.

„Solltest du nicht auf dem Revier sein?“, murmelte er schlaftrunken und setzte sich auf. Alles schmerzte. Verdammt. Vielleicht war er doch über Nacht neunzig geworden?

„Da war ich. Esther hat einen Spezialauftrag für Brian und mich“, entgegnete Sam und wies auf eine Tasche. Mit wenigen Worten erklärte er, was er und Brian in den nächsten zwei bis drei Tagen tun sollten.

„Max Whitefield, hm?“ Er verdrehte die Augen. „Mein herzliches Beileid. Der tut gerne so, als wäre er ein lieber kleiner Junge, wenn er mit Autoritäten zu tun hat, die er respektiert. De facto respektiert er nichts und niemanden. Es gibt Gerüchte, dass sein Onkel ihn nur deshalb noch nicht erwürgt hat, weil er seiner toten Schwester auf dem Sterbebett versprochen hatte, ihren Sohn zu beschützen. Und sein Wort nun mal heilig ist.“

„Woran ist sie gestorben?“, fragte Brian, der ebenfalls mit einer gepackten Tasche bereitstand.

„Sie hat ein Foto von dir gesehen. Der Schock war zu viel“, brummte Rick, der gerade die Treppe hinabgehumpelt kam.

„Spinner.“ Brian verdrehte gutmütig die Augen.

„Krebs, soweit ich weiß.“ Dylan versuchte sich an die Details zu erinnern, aber es war schon zu lange her. „Max war jedenfalls noch ein Kleinkind damals und es war ein natürlicher Tod, keine Syndikatssache. Sein Daddy ist auch tot. Seit einigen Jahren ist der Bengel in Internaten unterwegs. Ich habe es nicht explizit verfolgt, aber er scheint aus ziemlich vielen rausgeflogen zu sein, und das weltweit. Wie er es zu einem High School-Abschluss geschafft hat, ist ein Rätsel.“

„Ihr tut mir leid, Jungs. Der Rotzlöffel wird euch Freude machen.“ Rick schlug Sam und Brian nacheinander auf den Rücken, was beide stoisch über sich ergehen ließen.

„Ab auf die Couch mit dir“, kommandierte Maggie, die in diesem Moment ebenfalls die Treppe heruntergeschwebt kam. Sie war eine ätherische Schönheit, eine zart gebaute Eule mit großen Augen. Niemand hatte Rick besser im Griff als sie. Es war gerade ihre Furchtlosigkeit, die er liebte. Je härter sie mit ihm umsprang, desto williger sank er vor ihr auf die Knie. Sie trug eine riesige Moorpackung im Arm, die sie in den Backofen legte, um sie aufzuheizen. „Lass die Jungs in Ruhe und leg dich hin. Ich hab jetzt nicht stundenlang an dir gearbeitet, damit du das mit einer falschen Bewegung wieder kaputtmachen kannst.“

„Gibt es Anlass zur Sorge?“, fragte Dylan. An einem einzelnen gezerrten Muskel arbeitete auch Maggie nicht mehrere Stunden herum.

„Der große Affe da drüben hat sich von einer Horde Wisentwandler über den Haufen rennen lassen“, grollte Maggie, was ihr ein empörtes „Hey!“ von Rick einbrachte – vermutlich wegen der Bezeichnung Affe. „Seine Muskelmasse hat Schlimmeres verhindert, aber er hat angebrochene Rippen und schlimme Prellungen von oben bis unten. Dazu gezerrte Oberschenkelmuskeln, eingeklemmte Nerven im Rücken und verdrehte Ileo-Sacral-Gelenke. Sprich, einen fetten Hexenschuss, weil er vor und nach der panischen Herde noch wie ein Junglöwe umherspringen und seinen Job machen musste. Ich muss neue Heilsalbe ansetzen, meine Vorräte sind fast aufgebraucht. Aber jetzt kommt erst einmal eine lavaheiße Hitzepackung auf deinen Rücken, mein Schatz, neue Eispackungen auf die restlichen Prellungen, und dann bewegst du dich erst wieder, wenn ich es dir sage.“

„Sie hat versprochen, dass ich morgen wieder einsatzfähig bin“, murmelte Rick in Dylans Richtung und schaffte es dabei, gleichzeitig kleinlaut und schwer verliebt auszusehen.

„Ich muss mich beeilen, wenn ich dich heiraten will, bevor du völlig auseinanderfällst“, knurrte sie angriffslustig.

Maggie und Rick planten eine Doppelhochzeit zusammen mit Eva und Daniel. Die war aus Rücksicht auf Evas angeschlagene Gesundheit nach der für sie extrem anstrengenden Schwangerschaft und danach wegen Levins Problemen aufgeschoben worden. Mittlerweile gab es einen festen Termin, in drei Monaten wollten die vier ihren jeweiligen Ehebund schließen. Im Moment war es noch recht ruhig, aber bald würden die Vorbereitungen losgehen.

Eva, die draußen telefoniert hatte, kam ins Haus. Sie trug Levin in einem Tuch vor dem Bauch, der Kleine schlief satt und zufrieden.

„Sammy, ich hab meine Ex-Chefin in New York erreicht“, sagte sie. „Wenn ihr zwei irgendwelche Probleme drüben haben solltet, egal welcher Art, dann meldet euch bei ihr. Sie wird euch beistehen.“ Sie drückte Sam einen Zettel mit der Telefonnummer in die Hand und ließ zu, dass er sie kurz stumm umarmte. Es war nach wie vor eine offene Wunde für sie, dass sie ihren Job als Ermittlerin aufgeben musste, den sie wie verrückt geliebt hatte. Das war alternativlos gewesen, als feststand, dass sie ungeplant mit einem Wandlerbaby schwanger geworden war und sich geweigert hatte, es abzutreiben. Ihre Chefin stand nach wie vor hinter ihr, war allerdings machtlos gewesen – kein Kollege hätte noch freiwillig mit Eva zusammengearbeitet. Eine Frau, die sich mit Gestaltwandlern einließ, stand dort drüben noch weit unter drogensüchtigen Prostituierten. Der letzte Dreck und Abschaum wäre wertvoller als sie. Sogar ihre Familie, ihre Brüder, mit denen sie solch ein enges Band hatte, wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben.

Das alles hatte Eva gewusst, als sie sich für das Kind und für Daniel entschieden hatte, und sie trug ihre Last ohne Kompromisse und Stolz. Leichter wurde es dadurch trotzdem nicht und manchmal brauchte sie Gesten wie die von Sam.

„Ich hoffe sehr, die Probleme warten, bis wir in der Stadt sind“, sagte er und steckte den Zettel ein. „Dank dir auf jeden Fall. Ich bin mir sicher, dass wir es brauchen werden.“

„Verliert den Bengel bloß nicht“, rief Rick von seinem Platz auf der Couch, ein Zweisitzer, den er mit seinen Löwenmuskeln allein ausfüllte. „Sein Onkel könnte ziemlich viel Ärger machen, sollte das passieren.“

„Ich fürchte, Ärger ist genau das, worauf Klein-Maxi aus ist“, knurrte Brian und verabschiedete sich von Erika und den beiden Mädchen.

„Robin? Du wolltest noch mit mir reden. Ein paar Minuten hätte ich für dich“, sagte Sam. Robin hatte sich auf einem Regal zusammengerollt, eine magere, ziemlich kleine Falbkatze, die nun zu Boden sprang und sich wandelte.

„Ich … nun … ich warte lieber … bis … bis du … zurück … bis du zurück bist“, stammelte er. Sams Gesicht umwölkte sich vor Sorge und auch Dylan setzte sich angespannt auf. Robin stammelte in ihrer Gegenwart eigentlich nur noch, wenn er sehr nervös war.

„Ich kann Esther bitten, einen anderen Mann für diesen Trip zu suchen“, sagte Sam und legte Robin eine Hand auf die Schulter. „Wenn du Hilfe brauchst, hat das Vorrang.“

„Nein … nein. Ich brauche keine Hilfe.“ Robin schaffte ein Lächeln. „Nur Redebedarf. Aber das kann warten. Es gibt keine Schwierigkeiten. Gute Reise!“ Er wandelte sich zurück und entwischte durch das offene Fenster ins Freie. Eine Minute später hörte man ihn oben in seinem Zimmer.

„Wir haben einen Blick auf ihn“, sagte Dylan. „Macht euch auf den Weg, ihr zwei. Umso schneller seid ihr wieder zurück.“ Ein fester, leidenschaftlicher Kuss seines Liebsten musste genügen. Dylan hatte spontan ein halbes Dutzend Ideen, was er mit Max Whitefield anstellen würde, sollte der es wagen, Sam in ernste Schwierigkeiten zu bringen. Scheiß drauf, wer der Onkel dieser kleinen Ratte war! Immerhin hatte Dylan einen Cousin, und der hatte im Vergleich zu Alexandros eindeutig den längeren Schwanz.

Brian und Sam fuhren ab, um Max zu holen. Maggie legte die Hitzepackung auf Ricks unteren Rücken, und Eispackungen auf so ziemlich den gesamten Rest von ihm. Warum hatte der verdammte Löwe nicht gesagt, dass er beinahe zu Tode getrampelt worden war? Wenigstens ging es ihm gut genug, um wohlig zu schnurren, als Maggie ihn mit zwei Wolldecken einhüllte und einen zärtlichen Kuss auf seine Nase hauchte, mit dem energischen Befehl, sich jetzt gefälligst schön gesund zu schlafen. Eva saß am Küchentisch und tippte sterbenslangweilige Protokolle ab. Daniel telefonierte draußen mit seinem Chef, er hatte seinen schlafenden Sohn im Tragetuch übernommen. Robin lief in seinem Zimmer auf und ab. Ihm jetzt Aufmerksamkeit aufzuzwingen, wäre kontraproduktiv, wie Dylan wusste. Erika war mit den Mädchen an der frischen Luft. Die anderen Rudelmitglieder befanden sich allesamt bei der Arbeit. Kein akutes Problem, das nach einem wachen und fitten Anführer verlangte. Er verzichtete darum auf einen weiteren Kaffee und legte sich lieber zurück auf die Couch. Noch ein Stündchen schlafen. Vielleicht könnte er Maggie fragen, ob …

Noch bevor er diesen Gedanken voll erfasst hatte, stand sie plötzlich neben ihm und legte ihm ungefragt eine weitere ihrer riesigen, vulkanheißen Moorpackungen auf den Rücken, bevor sie eine Decke über ihn ausbreitete und verkündete, sie würde jetzt Heilkräuter sammeln gehen. Er schnaufte behaglich seinen Dank. Sie schnaufte hingegen etwas von Jungs, die man wie einen Sack Flöhe hüten musste, weil sie sich ständig kaputtmachen ließen. Das war ein kleines bisschen unfair, immerhin war es die Schuld der anderen, nicht seine. Aber wozu streiten? Dafür war ihm gerade viel zu mollig und bequem. Nicht einmal die Sorge um Sam und Brian konnte ihn daran hindern, tief einzuschlafen.

 

 

Max lehnte lässig vor dem Eisentor, das die riesige Villa seines Onkels vor neugierigen Blicken schützte. In der Nähe befanden sich Pumas, Bären und Wölfe, die zweifellos mit Argusaugen darüber wachten, dass der Neffe des Bosses heil und unversehrt blieb, bis sich die Polizeieskorte mit diesem mittelgroßen, gut gewachsenen Problem beschäftigen musste. Wenigstens hatte er keine Glitzerjacke angezogen, um noch ein bisschen auffälliger zu wirken, doch mit seiner natürlichen Erscheinung, der teuren Kleidung, dem protzigen Schmuck würde er dennoch aus jeder Menschenmenge herausstechen, egal ob Wandler oder Nicht-Wandler.

Verächtlich musterte er den schlichten, dunkelgrauen Wagen, den Samuel konzentriert zum Stillstand brachte. Fahren war absolut nicht sein Spezialthema. Dylan hatte es ihm beigebracht, und auf offener Strecke, wenn es in erster Linie darum ging, geradeaus zu fahren, kam er gut zurecht. Er würde deshalb vor allem in der ersten Phase das Steuer übernehmen, während Brian für den Stadtverkehr zuständig war. Sie hatten über tausend Meilen Weg vor sich, was sie innerhalb von eineinhalb Tagen schaffen wollten. Was bedeutete, dass sie nur wenige Pausen einlegen konnten und bis tief in die Nacht hinein fahren mussten.

„Er sieht unbegeistert aus“, murmelte Brian. „Sollen wir ihn prophylaktisch ohnmächtig prügeln, sobald wir außer Sicht seiner Leibwächter sind? Könnte uns sehr viel Stress ersparen.“

„Du müsstest ihn schon totschlagen, sonst verpetzt uns der Knabe anschließend beim Onkel.“ Samuel nickte Max durch das Fenster freundlich zu, als dieser zu ihnen herübergeschlendert kam.

„Ach, wir stellen das einfach geschickt an und schlagen so überraschend aus dem Hinterhalt zu, dass er gar nicht sieht, wer ihn angreift. Und behaupten hinterher, du hättest zu rasant das Gaspedal durchgetreten, wodurch er sich den Kopf angeschlagen haben muss.“

„Du verbringst zu viel Zeit mit Rick. Allmählich ergeben deine kreativen Gewaltphantasien Sinn, und das ist beängstigend.“

Max warf sein Reisegepäck in den Kofferraum – erstaunlich wenig, dafür, dass er jetzt mehrere Monate auf der Uni verbringen wollte – und stieg hinten ein. Während er sich ordentlich anschnallte, sagte er freundlich:

„Jungs, ich wurde als Kind mal entführt und hab Verletzungen an den Ohren erlitten, wodurch ich wochenlang stocktaub war. Seitdem kann ich sehr gut Lippenlesen. Wenn ihr über mich lästern wollt, schaut also bitte in die andere Richtung.“

Brian grinste nur entspannt, während Samuel spürte, wie er rot anlief, weil er sich ertappt fühlte. Statt das Thema zu vertiefen, startete er lieber den Wagen und fuhr los, dankbar dass er den Motor diesmal nicht abgewürgt hatte. Allmählich wurde er tatsächlich besser mit der Karre!

„Hast du dein restliches Gepäck schon vorausgeschickt?“, fragte Brian.

„Nee. Sind bloß die Sachen für die Fahrt. Ich kauf mir in New York, was ich brauche. Die Mode ist zwar ziemlich merkwürdig bei diesem Nicht-Wandler-Gesocks, aber wenn ich schon in der Provinz abhängen muss, dann kann ich mich ja auch an die Einheimischen anpassen.“

„Für eineinhalb bis zwei Tage hast du dann mit drei Taschen ziemlich viel dabei“, murmelte Samuel.

„Ausschließlich das Notwendigste. Schuhe zum Wechseln, ein bisschen einfache Kleidung für die Nacht, etwas zum Ausgehen …“

„Wir gehen nicht aus!“ Brian starrte nach hinten, was Max mit einem lässigen Grinsen quittierte, soweit Samuel es im Rückspiegel verfolgen konnte.

„Entspann dich, Mann! Wir fahren ins Reich der Nicht-Wandler, keine Sau kennt da irgendwelche Neffen von irgendwelchen Syndikaten. Ich werde heute Nacht mal die Szene auf dem platten Land abchecken, ein paar Absacker trinken, ein, zwei Bräute klarmachen. Nichts, was gefährlich ist.“

„Die Leute in den Grenzbereichen erkennen Wandler blind und du siehst extrem auffällig aus!“, zischte Samuel. „Wenn die Rednecks merken, dass ein Wandlerbalg ihre Mädchen angräbt und schlimmstenfalls Erfolg dabei hat, dann ist nicht bloß landunter, dann kommen die mit Mistgabeln und Fackeln und nageln dich an die nächste Kirche, um dich zu kastrieren. Glaub mir, wir lassen dich heute überhaupt nichts abchecken und wenn du dich besaufen willst, dann in deinem Motelzimmer. Klar soweit? Wir werden sämtliche größeren Ortschaften meiden und wir gehen nicht aus!“

„Entspann dich, Mann! Is‘ ja schon gut. Ich bin brav, versprochen.“

Man musste keine Supernase sein, um wittern zu können, wie viel dieses Versprechen wert war. Offenkundig hielt Max den ehernen Ehrenkodex seines Onkels nicht aufrecht, dem jedes Versprechen heilig war. Kein Wunder, dass Alexandros diese kleine Ratte am liebsten abschieben wollte.

Das konnte noch so richtig heiter werden …

 

„Dylan?“ Er schreckte hoch, als Eva ihn an der Schulter berührte. „Sorry. Ich hätte dich schlafen lassen, aber Esther hat angerufen.“

„Muss ich los?“, fragte er und hinderte sich zugleich daran, gewaltsam in die Höhe zu springen. Wenn man es eilig hatte, musste man langsam gehen, sonst kam man nie ans Ziel. Also erst einmal durchatmen und hinsetzen, bis sich der Kopf geklärt hatte.

„Sie bittet, dass du heute reinkommst, sobald es dir möglich ist. Nach Rick hat sie auch gefragt.“ Sie blickten gemeinsam zu dem gewaltigen Hügel auf der Couch hinüber. Von Rick war nichts zu sehen, er lag irgendwo unter den Decken.

„Bin wach“, knurrte es schläfrig. „Wenn es nicht superdringend ist, bleibe ich lieber brav hier liegen. Ich hab mehr Angst vor meiner Süßen als vor Esther. Maggie skalpiert mich, wenn ich heute woanders hingehe als zum Klo und ins Bett.“

„Ich fahr rüber und horch mal, worum es geht. Wäre es wahnsinnig wichtig, hätte sie persönlich vorbeigeschaut, um uns abzuholen. Oder Larry und Mike geschickt, damit die das erledigen.“ Dylan nahm dankend den Kaffee entgegen, den Eva ihm anreichte. Ihm ging es schon wesentlich besser als noch vor knapp drei Stunden, als er sich hingelegt hatte. Eigentlich fühlte er sich ziemlich munter, und die Muskelschmerzen hatten sich auch deutlich verbessert.

„Nimmst du mich bitte mit?“, fragte Eva. „Ich soll ebenfalls reinkommen. Warum genau, erfahre ich gleich, es ist also kein vergessener Absatz in einem der Protokolle. Daniel hat mit Levin alles im Griff.“ Sie lächelte den beiden zu. Daniel spazierte mit dem Kleinen auf und ab, er hatte demnach gerade seine Mahlzeit genossen. Da er nicht mehr voll gestillt wurde, konnte Daniel ihm jederzeit eine Flasche zubereiten, sollte es auf dem Revier länger dauern. Außerdem würde Marc bald nach Hause kommen und konnte helfen, sollte Daniel Unterstützung brauchen, weil er etwas für die Arbeit zu erledigen hatte.

Es war ein gutes Gefühl, Eva auf den Beifahrersitz zu packen und mit ihr nach Shonnam rein zum Revier zu fahren. Umso mehr, weil Dylan so nicht allein unterwegs sein musste. Ohne Sam an seiner Seite war er einfach nicht vollständig … Eva plauderte entspannt über dies und jenes, genoss es sichtlich, mal wieder rauskommen zu dürfen. Als Nicht-Wandlerin war es gefährlich für sie, sich ohne Begleitung in Shonnam zu bewegen. Die allermeisten Wandler ignorierten sie schlichtweg, aber es gab auch Leute, die sie mit Beleidigungen angingen und die Gefahr eines Angriffs war immer gegeben.

Esther sah aus wie durch den Mixer gedreht, als sie zu ihr ins Büro kamen. Sie war allein auf der Etage, was quasi noch nie vorgekommen war, selbst nach Straßenschlachten nicht, solange sich Dylan erinnern konnte.

„Wo sind denn die anderen?“, fragte er. „Alle noch platt von der Nacht?“

„Larry und Mike sind verletzt. Nichts Ernstes, Prellungen in erster Linie, aber ich hab gesagt, sie sollen sich auskurieren, solange es möglich ist. Schlimmstenfalls geht es ja heute Nacht schon weiter. Dave war nicht mit draußen und erledigt gerade was im Archiv. Na ja, und was der Rest treibt, weißt du selbst.“ Sie stemmte sich ächzend vom Schreibtisch hoch und hakte sich bei Eva unter. „Eva, Süße, du erinnerst dich zweifellos an Greg Silver, ja?“

Eva versteifte sich, bevor sie bejahte. Greg Silver war ein siebzehnjähriger Pumawandler. Eva und Daniel hatten durch puren Zufall auf einer Videoüberwachungskamera herausgefiltert, wie der junge Mann von seinem Begleiter etwas injiziert bekam und dann zusammengebrochen war. Einen Tag später war die Leiche auf einer Müllkippe aufgetaucht, ohne verwertbare Spuren, die auf den Täter hinwiesen. Die Todesursache war eine tödliche Injektion mit einem extrem potenten Nervengift namens Maitotoxin. Es war ein natürlich vorkommender Stoff, der von Algen produziert wurde. Dass man überhaupt noch Spurenelemente davon nachweisen konnte, lag ausschließlich daran, dass winzige Rückstände an Gregs Kleidung gefunden wurden, was vermutlich beim Herausziehen der Nadel geschehen war. Der Fall war längst kalt, wurde aber weiterhin verfolgt – ein Mord wie dieser geschah nicht, weil sich zwei junge Männer wegen einer Frau gestritten hatten. Das war kein Totschlag im Affekt gewesen, denn wer schleppte schon eine Spritze mit solch einem hochspeziellem Gift mit sich?

„Es läuft alles etwas verlangsamt in diesem Fall, weil es leider überhaupt keine heißen Spuren gibt und die Sache mit Donald Fuego Vorrang hatte und die Unruhen mit den Syndikaten und so weiter … Es ist keine angemessene Entschuldigung. Leider gibt es immer noch überhaupt keine Spuren und wir haben bislang lediglich festgestellt, dass das Gift chemisch nicht mit dem übereinstimmt, was in dem einzigen Labor in zweihundert Meilen Umkreis auf Lager liegt, wo man damit arbeitet. Wir haben eine Telefonliste für die anderen Labore in Nordamerika, die damit zu tun haben. Logischerweise liegen die am Meer, also verdammt weit entfernt von uns; aber das muss ja nicht unbedingt was heißen. Könntest du dich dahinterklemmen und die Labore abtelefonieren? Und vielleicht magst du sämtliche Fälle der letzten zwanzig Jahre aus dem Archiv grabbeln, die mit diesem spezifischen Gift zusammenhängen? Du könntest die Akten mit nach Hause nehmen und dir mal anschauen, ob du Parallelen findest. Gerade bei den Cold Cases. Hast du Lust? Ist sicher spannender, als bloß Protokolle abzutippen und es würde sich gut für mich anfühlen. Der Pumajunge lastet mir auf dem Gewissen, leider haben wir keine Ressourcen, um uns angemessen um ihn zu bemühen, solange es keine heiße Spur gibt.“

„Nichts lieber als das!“, entgegnete Eva begeistert. „Denn ja, mir geht der Junge auch nicht aus dem Kopf und ich häng mich da wirklich gerne rein, wenn ich darf.“

„Wundervoll! Dann ab ins Archiv mit dir. Dave kann dir weiterhelfen, der hängt ja da unten auch noch irgendwo ab. Die Telefonliste und das Zeug schick ich dir per Mail zu.“

„Keine Sorge, ich warte auf jeden Fall auf dich“, sagte Dylan, als Eva zu ihm blickte. Sie nickte und verschwand in Richtung Treppenhaus.

„Sie ist ein Prachtmädel und ich kann es kaum erwarten, sie endlich richtig ins Team zu integrieren“, brummte Esther. „Auch wenn sie Schwierigkeiten haben wird, körperlich mitzuhalten, wird sie ein Gewinn sein. Sie verbeißt sich wie ein Terrier in eine Sache, die sie interessiert, ihr Instinkt ist super und der Kopf funktioniert sowieso. Erfahrung hat sie auch. Mehr braucht es eigentlich gar nicht.“

Es würde nicht mehr lange dauern, bis Eva von ihrem Sohn abgehängt werden würde. Sobald der Kurze herausfand, wie man sich wandelte und mobil wurde, hatte sie als Nicht-Wandlerin extrem schlechte Karten und Daniel würde den Hauptpart der Erziehung übernehmen. Eva konnte Levin Liebe schenken, ihm vieles mit auf den Weg geben, um ihn zum Mann reifen zu lassen. Um mit einer verspielten Mini-Raubkatze mitzuhalten, brauchte es die passenden körperlichen Voraussetzungen, die sie leider nicht hatte, Daniel hingegen schon. Es half auch enorm, wenn man jugendliche Raubkatzenwandler in einem Rudel großzog.

„Okay. Warum hast du mich hergeordert?“, fragte Dylan. „Die Sache mit Greg Silver hätte Zeit bis morgen gehabt.“

„Exakt.“

„Haben wir eine Leiche?“, bohrte er weiter, als Esther nicht reagierte.

„Nein. Bislang ist noch niemand gestorben“, murmelte sie und zückte einen Zettel. „Das hier wurde Sid zugeschickt. Er dachte erst, das wäre einfach bloß Unfug, aber dann hat er es mir übergeben, damit ich es im Labor testen lasse. Es gibt keine Fingerabdrücke, keine DNA-Spuren, weder an der Nachricht noch an dem Umschlag. Abgesehen natürlich von dem Mann, der es Sid ins Büro getragen hat. Es wurde unbeobachtet in den Briefkasten geworfen. Was denkst du?“

Dylan las die Verse, die den Charakter eines Gedichts hatten, aber vermutlich nicht poetisch gemeint waren:

 

Du bist das Schrecklichste, was dieser Welt geschehen konnte, ist das nicht wahr?

Doch wann immer ich dich ansehe, denke ich

Deine Seele ist wunderschön

Und ich bin in keiner Position, um zu glauben

Du bist nicht gut genug, um geliebt zu werden

Denn egal was geschieht

Du verdienst Liebe

Und nichts, was du sagst, wird mich glauben lassen

Was für eine verdorbene, sündhafte Kreatur du doch bist

Also vertraue darauf, ich werde mich stets daran erinnern

Frieden zwischen uns ist möglich

Und ich werde mich nicht selbst belügen, indem ich mir sage:

Ich hasse deine Sündhaftigkeit in jeglicher möglichen Art

Denn am Ende des Tages heißt es:

Alles ist gut

also versuche nicht, mich davon zu überzeugen:

Ich bin erfüllt von Hass

 

„Wir haben mal unsere Kryptographen draufgesetzt“, sagte Esther, während Dylan noch versuchte zu entscheiden, warum genau er ein seltsames Bauchgefühl beim Lesen hatte. Eigentlich sprach es ja von Frieden, Liebe und dem Abschwören von Hass. „Unsere hauseigenen Schlauköpfe können natürlich nicht mit Robin mithalten, aber sie kamen doch recht schnell dahinter, dass hier kein spezifischer Code vorliegt, sondern dass man den Sermon einfach bloß von unten nach oben lesen muss, und schon hat man eine zu hundert Prozent gespiegelte Botschaft.“

Irritiert las Dylan die Sätze von unten nach oben, überzeugt, dass er für diese Übung noch nicht genug Kaffee intus hatte. Er spürte, wie seine Augenbrauen ganz von allein in die Höhe wanderten.

 

Ich bin erfüllt von Hass

also versuche nicht, mich davon zu überzeugen:

Alles ist gut

Denn am Ende des Tages heißt es:

Ich hasse deine Sündhaftigkeit in jeglicher möglichen Art

Und ich werde mich nicht selbst belügen, indem ich mir sage:

Frieden zwischen uns ist möglich

Also vertraue darauf, ich werde mich stets daran erinnern

Was für eine verdorbene, sündhafte Kreatur du doch bist

Und nichts, was du sagst, wird mich glauben lassen

Du verdienst Liebe

Denn egal was geschieht

Du bist nicht gut genug, um geliebt zu werden

Und ich bin in keiner Position, um zu glauben

Deine Seele ist wunderschön

Doch wann immer ich dich ansehe, denke ich

Du bist das Schrecklichste, was dieser Welt geschehen konnte, ist das nicht wahr?

 

„Holla!“, murmelte er. „Wann hat Sid das erhalten?“

„Heute morgen. Er sagte übrigens, dass Nora Lee und Alexandros Whitefield dasselbe Ding auf dem Schreibtisch liegen hatten.“ Esther verstummte, und einen Moment später witterte Dylan, dass Roy auf dem Weg zu ihnen war. Der Polizeichef von Shonnam hatte letzte Nacht ebenfalls aktiv im Straßenkampf eingegriffen und ganz allein den Zugang zur Hauptstraße verteidigt. Niemand hatte versucht, ihn zu überwältigen. Er hielt einen Umschlag in der Hand, der winzig in dieser großen Pranke wirkte.

„Auch mir wurde diese Botschaft überbracht“, sagte er leise.

Dylan schauderte es. Wer war verrückt genug, um die Großmächte von Shonnam herauszufordern? Jeden Einzelnen von ihnen als sündhaft, verdorben und schrecklich zu beschimpfen? Er überzeugte sich kurz, dass der Wortlaut bei Roys Nachricht exakt dieselbe war.

„Es ist nicht gerade der Aufruf zu den Waffen“, sagte er langsam. „Der Verfasser sendet Ich-Botschaften. Er – oder sie – ist erfüllt von Hass. Das Ganze klingt nicht nach einem Scherz, aber doch harmlos genug und sogar ein bisschen jugendlich-naiv. Nach etwas, was ein Teenager schreiben würde, der nicht weiß, wohin er mit seinem Weltenschmerz soll. Oder vielleicht eine esoterisch-versponnene Persönlichkeit, die in den Syndikaten Teufel und Dämonen erblickt. Und normalerweise würden wir jetzt alle mit den Schultern zucken. Dass Sid und auch Sie, Sir, das Ganze ernst genug nehmen, um es uns zu zeigen, was bedeutet das jetzt genau?“

„Ich weiß es nicht.“ Roy wirkte unsicher. An für sich war Dylan fest davon überzeugt gewesen, dass es einem Tigerwandler genetisch unmöglich sein müsste, so etwas wie Verunsicherung auszustrahlen. Es versetzte ihn in kaum kontrollierbare Panik, das mitansehen zu müssen, was Roy natürlich witterte – und sich entsprechend zusammenriss.

„Ich spreche mit Sid“, murmelte er. „Wenn wir euch involvieren, müsst ihr wissen, worum genau es geht. Nur so sind Fehler zu vermeiden. Aber das muss er entscheiden, ich darf mich da nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.“

Man spürte deutlich, wie sehr sich dieser Mann wünschte, eine andere Karriere angestrebt zu haben, damals, als er noch die Chance dazu hatte. Als er davoneilte, wohl um schwierige Telefonate zu führen, seufzten Esther und Dylan gleichzeitig.

„Ich hasse alles, was die Syndikate betrifft“, grollte sie. „Vielleicht ist es ja nostalgische Vergangenheitsverklärung, weil sich mit dem Abstand von ein paar Jahren ein rosiger Schleier über das Geschehen legt.

---ENDE DER LESEPROBE---