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Der Beginn einer neuen Gay Crime-Reihe! Das London von heute – in einer parallelen Welt Ian und Marcus sind Ermittler im Kampf gegen Schwerverbrechen, die von übernatürlichen Kreaturen wie Werwölfen und Vampiren begangen werden. Als Normalsterbliche sind sie im Nachteil, die Gesetze, die von den Kreaturen selbst festgelegt werden, verhindern beinahe jede Form von Gerechtigkeit. Solche Kleinigkeiten können diese Männer genauso wenig aufhalten wie aufdringliche Kobolde, fette Vampire oder Yetis, die es eigentlich gar nicht geben dürfte – oder die Geheimnisse, die jeder von ihnen mit sich trägt. Ca. 72.000 Wörter Im normalen Taschenbuchformat hätte diese Geschichte knapp 375 Seiten. Weniger lesen
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Veröffentlichungsjahr: 2021
Der Beginn einer neuen Reihe!
Das London von heute – in einer parallelen Welt
Ian und Marcus sind Ermittler im Kampf gegen Schwerverbrechen, die von übernatürlichen Kreaturen wie Werwölfen und Vampiren begangen werden. Als Normalsterbliche sind sie im Nachteil, die Gesetze, die von den Kreaturen selbst festgelegt werden, verhindern beinahe jede Form von Gerechtigkeit. Solche Kleinigkeiten können diese Männer genauso wenig aufhalten wie aufdringliche Kobolde, fette Vampire oder Yetis, die es eigentlich gar nicht geben dürfte – oder die Geheimnisse, die jeder von ihnen mit sich trägt.
Ca. 72.000 Wörter
Im normalen Taschenbuchformat hätte diese Geschichte knapp 375 Seiten.
von
Sonja Amatis
„Heute kommt der Neue.“
Marcus hörte durchaus die Worte seines Vorgesetzten, doch er weigerte sich, darauf zu reagieren. Stattdessen schrieb er weiter.
„Marcus? Hey, Erde an Marc! Ich sagte, heute kommt der Neue! Um Punkt 10.00 Uhr. Das betrifft niemanden mehr als dich.“
Marcus hasste es, wenn sein Name abgekürzt wurde. Leider interessierte das kaum jemanden. Zwei Buchstaben einzusparen schien erstaunlich vielen Menschen das Gefühl zu geben, der Weltherrschaft ein Stück näher gerückt zu sein. Mindestens. Genauso wie sie besessen von elektronischem Spielzeug waren. Handys, Computer … Er galt als Dinosaurier in ihrem Team, und das nicht nur, weil er seine Berichte ausschließlich handschriftlich verfasste. Schön mit seinem goldbesetzten Lieblingsfüllfederhalter. Der lieferte ein phantastisches Schriftbild und kleckste niemals. Er war auch nicht auf Ladekabel und ähnliche Spielereien angewiesen. Wenn es nach ihm ginge …
„Marcus, verdammt!“ Hector schlug mit beiden Fäusten zugleich auf Marcus’ Schreibtisch. Hector war sein Chef. Für gewöhnlich war er eine Seele von Mensch, trotz seines Äußeren, das einer Bulldogge zur Ehre gereicht hätte. Groß, breit, irgendwie bissig. Wenn Hector sich zu einer solchen Unbeherrschtheit hinreißen ließ, war es wohl tatsächlich ernst. Unwillig legte Marcus seinen Füller ab und blickte zu ihm auf.
„Ich bekomme einen neuen Partner, ich weiß“, entgegnete er ruhig. „Er wird mich nach vierundzwanzig Stunden hassen und sich weigern, eine weitere Minute mit mir zusammenzuarbeiten. Wie jeder andere vor ihm auch. Ist das wirklich ein Grund, mich anzuschreien? Spar dir das lieber für Willowby, damit der endlich aufhört, es weiter zu versuchen.“
„Willowby ist gesetzlich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass wir immer zu zweit unterwegs sind. Dafür ist er nun einmal der oberste Einsatzleiter unserer Abteilung, wie du sehr genau weißt. Weder du noch er seid berechtigt, diese Gesetze zu ignorieren. Darum schreie ich dich an, wenn du meinst, mich ignorieren zu dürfen, wenn ich mit dir über deinen neuen Partner reden will. Noch weitere dumme Fragen?“
Seufzend starrte Marcus auf seinen fast vollendeten Einsatzbericht herab. Diese Diskussion war sinnlos und zeitraubend. Er konnte, wollte und durfte nicht mit einem Partner zusammenarbeiten. Hector war sogar der einzige Mensch auf dieser Welt, der zumindest ansatzweise ahnte, warum das so war. Da er seinen Job als Ermittler wirklich gut machte, hatte man ihm bislang von oben her verziehen, dass er in diesem Punkt nichts als Ärger bedeutete. Na ja, und seine anderen kleinen Macken ebenfalls. Er wusste allerdings auch, wann er seinen Mund zu halten hatte, denn sonst würde Willowby ihn an den Schreibtisch ketten und nicht mehr in den aktiven Dienst lassen. Das wäre noch viel schlimmer, als die gelegentlichen Belästigungen durch arme Schweine, die sich als sein Partner versuchen sollten.
„Wie heißt er? Der Neue?“, fragte er beherrscht.
„Ian Grant.“ Hector warf ihm eine Akte zu, die Marcus misstrauisch anstarrte, als könnte sie ihn beißen.
„Was ist sein Problem? Ist er unerträglich fröhlich? Trinkt er zu viel? Redet er mehr als zehntausend Wörter pro fünf Minuten? Hat er üblen Körpergeruch? Liebt er Johnny und Jack zu sehr?“, fragte er, bemüht, nicht allzu verächtlich zu klingen. Bei ihm landeten alle Katastrophen und gescheiterten Existenzen. Jeder, der verzweifelt genug war, es mit ihm versuchen zu wollen – oder genau dazu gezwungen wurde. „Vielleicht hat er auch eine Lese-Rechtschreibschwäche? Oder warum will ihn niemand sonst als Partner? Und aus welcher Abteilung stammt er überhaupt? Hat er sich beworben oder ist es eine Strafversetzung?“ Marcus wusste, die sicherste Methode, Hector zum Reden zu bringen, war anhaltendes Geplapper. Das war dem Ärmsten selbst nicht bewusst und er hoffte, dass es dabei noch lange bleiben würde. Ja … Hector atmete tief durch und blickte auf die Akte herab. Gewonnen!
„Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Der Mann wechselt aus Irland zu uns, aus Limerick in der Grafschaft Munster, um genau zu sein. Alle weiteren Informationen musst du dir selbst anlesen, denn irgendjemand hat versäumt, die Akte zu übersetzen und ich habe keine schmutzigen Geheimnisse von Willowby erzählt bekommen.“
Seit vierzehn Jahren war Gälisch wieder die einzige Amtssprache in Irland, das außerdem politisch hartnäckig Großbritannien und der Europäischen Union Absagen erteilte. Angeblich hatte die Konfiszierung einiger Koboldschätze etwas damit zu tun, jedenfalls gab es keine Hinweise, dass die wirtschaftliche Lage des kleinen Nachbarn in Gefahr sein könnte. Seit der Sprachreform geschah es oft genug, dass wichtige Dokumente nicht übersetzt wurden.
Neugierig griff Marcus nach der erstaunlich dicken Akte und schlug sie auf, was er bis eben noch nicht vorgehabt hatte. Ein waschechter Ire! So jemanden hatte er noch nicht als Partner des Tages gehabt.
„Er ist auf jeden Fall kein Neuling“, murmelte er, während er über das viele Papier strich und die persönlichen Daten scannte. Es war nicht wie erwartet ein sommersprossiger, blasser Rotschopf, der ihm vom Foto entgegenblickte, sondern ein sympathisch aussehender Mann mit offenen Gesichtszügen, dunkelbraunem Haar und blauen Augen.
„Anfang dreißig ist er, nicht verheiratet, keine Kinder“, las er vor. Marcus beherrschte Gälisch fließend in Wort und Schrift, in sämtlichen schottischen und irischen Varianten. Er mochte diese Sprache sehr und bei seiner Arbeit war es hilfreich, da sich viele irischstämmige Koboldclans in England niedergelassen hatten. „Er arbeitet seit fünf Jahren für die Kriminalermittlung für übersinnliche Verbrechen, ist auf Wassergeschöpfe aller Art, Kobolde und Gargoyles spezialisiert, hat zahllose Fortbildungsmaßnahmen in vampirischer Etikette, britannischer Dämonologie und Magiekunde genossen. Neben Gälisch spricht er Englisch, Französisch, Deutsch und, halt dich bitte fest, vierundzwanzig – also, VIERUNDZWANZIG! – verschiedene Kobolddialekte.“
„Ich wusste gar nicht, dass es so viele davon gibt!“, entgegnete Hector verblüfft. Marcus nickte, ihm erging es ähnlich. Er kannte keinen einzigen Menschen, der freiwillig Koboldjia gelernt hatte. Dass die Wichte dies einem Menschen überhaupt erlaubten, erschien ihm ebenfalls seltsam. „Es gibt keinen Hinweis darauf, warum er auswandert. Nur, dass er ein großartiger Mitarbeiter mit hoher Erfolgsstatistik ist.“ Augenrollend klappte er die Personalakte wieder zu und warf sie auf den Schreibtisch zurück. „Der Kerl hat’s verbockt. Wer derartig überqualifiziert ist, den lässt man nicht freiwillig gehen. Nicht ohne entsprechenden Vermerk in der Akte. Der hat entweder die Frau des Polizeichefs flachgelegt oder den falschen Vampir getötet. Andernfalls würde Willowby mir einen solchen Goldjungen ja auch nicht zum Fraß vorwerfen. Gibt schließlich keine Garantie, dass der Knabe nicht morgen früh wieder im Flieger nach Hause sitzt.“ Er griff nach seinem Füllfederhalter und blickte Hector ins Gesicht. Sein Chef sah eindeutig nicht glücklich aus, und das hatte diesmal nichts mit den Möhrensticks zu tun, die Hectors Frau für die Mittagspause eingepackt hatte. Die gute Liza war der Meinung, dass ihr Gatte dringend abspecken müsse. Hectors Arzt teilte diese Ansicht. Er selbst leider nicht.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, verschwand Hector an den eigenen Schreibtisch in diesem zugigen, überalterten Großraumbüro. Marcus hingegen beendete in Ruhe seinen Bericht von der Verhaftung einer Werwölfin. Die Dame hatte sich geweigert, ihre Hormontabletten zu nehmen, mit denen die Verwandlung zwar nicht verhindert, aber der animalische Kontrollverlust weitestgehend gehemmt wurde. Sie war der Meinung, es würde ihre Kreativität ebenfalls hemmen, was für sie als bildende Künstlerin wirtschaftlich untragbar wäre. Die Argumentation, dass sie ohne diese Tabletten zwei Mal im Monat – während ihres Eisprungs und bei Vollmond, sprich: Frauen waren die gefährlicheren Werwölfe – zur reißenden Bestie wurde und mehrere unschuldige Menschen schwer verletzt und obendrein mit Tollwut infiziert hatte, war nichts, was sie hatte gelten lassen wollen. Für Werwölfe war Tollwut schließlich nicht schlimmer als ein Schnupfen, während er für Menschen gegebenenfalls tödlich verlaufen konnte. Zum Glück war das Werwolfsgen nicht auch noch übertragbar, außer durch Geburt auf die nächste Generation und das ausschließlich dann, wenn beide Eltern Werwölfe waren. Die uneinsichtige Dame würde ein empfindliches Schmerzensgeld an ihre Opfer zahlen müssen und sollte sie danach noch einmal erwischt werden, drohte ihr lebenslange Inhaftierung für die gefährlichen Tage im Monat – durch ihren Clan, nicht der menschlichen Obrigkeit. Das Warlington-Abkommen, in dem die Grundlagen für ein Zusammenleben aller Rassen und Spezies geregelt wurde, kannte in diesem Fall wenig Gnade mit Missetätern.
Marcus brachte den Bericht zu Hector und blätterte sich danach durch den Stapel ungelöster Fälle auf seinem Schreibtisch. Noch zehn Minuten, vorausgesetzt, dieser Ian kam pünktlich. Er ging davon aus, dass dies geschehen würde. Leute, die Mist gebaut hatten und sich in einem anderen Land ein neues Leben suchen wollten, um noch einmal durchzustarten, leisteten sich nicht den Fehler, am neuen Arbeitsplatz unpünktlich zu erscheinen. Weder am ersten noch an irgendeinem anderen Tag. Wobei das ihn, Marcus, lediglich heute zu kümmern brauchte. Morgen würde sein neuer Partner heulend in Willowbys Büro stehen und darum betteln, jemand anderem zugewiesen zu werden. So war es noch immer gewesen, seit zehn Jahren, und so würde es bleiben.
Ian atmete tief durch. Der erste Tag seines neuen Lebens. Das würde hart werden, er wusste es. Ein Spießrutenlauf. Unausgesprochene Fragen der neuen Kollegen. Indiskrete, laute Fragen. Vorverurteilung. Er rechnete mit allem und noch viel mehr. Noah, sein alter Chef und langjähriger Freund, hatte ihn vor diesem Schritt gewarnt. Doch er wusste, es war das Einzige, was er hatte tun können. Davonlaufen war manchmal kein Zeichen von Feigheit, sondern geistiger Gesundheit und Überlebenswillen. Wäre er in Limerick geblieben, hätte ihn zu viel an sein altes Leben erinnert. Hier in London war alles fremd und anders. Er konnte vollkommen neu anfangen. Die Arbeit als solche – Ermittler im Kampf gegen übernatürliche Verbrechen – blieb schließlich dieselbe, egal, wo er sie ausübte.
Noch einmal tief durchatmen. Seinen Anzug richten. Dezentes Dunkelblau, weißes Hemd, dunkelblaue Krawatte ohne Muster. Zurückhaltend und funktional statt übertriebene Eleganz. Er wollte schließlich arbeiten und keinen Opernball besuchen. Die Haare waren ordentlich, er war sauber und von Kopf bis Fuß adrett. Perfekt.
Entschlossen drückte er auf den elektronischen Türöffner. Der registrierte automatisch, dass er zu hundert Prozent menschliche DNA besaß. Werwölfe, Vampire und zahllose andere Kreaturen würden an dieser Tür Alarm auslösen. Natürlich könnten sie sich eine menschliche Geisel nehmen und diese zwingen, die Tür für sie zu öffnen. Oder einem Unglücklichen einfach die Hand abreißen, das war einfacher und mit weniger Aufwand verbunden. Trotzdem verließ man sich auf dieses System, um den Leuten, die dort arbeiteten, verkaufen zu können, dass man alles für ihre Sicherheit tat.
Ein Großraumbüro empfing ihn. Die Abteilung „Schwerverbrechen von übersinnlichen Kreaturen und Wesenheiten“. Es gab noch eine Abteilung für geringfügige Delikte, bei denen es um Diebstahl, Verstöße im Straßenverkehr, falsche Identitäts- und Altersangaben und ähnliche Bagatellen ging. Zehn Schreibtische standen in dem schäbigen Raum, zum Glück nicht dicht gedrängt. Grüner Vinylboden, abblätternde hellbraune Farbe an den Wänden, nichtssagende Bilder, flackernde Deckenbeleuchtung. Keine Fenster, dafür intensiver Geruch nach frittiertem Essen und kaltem Kaffee. Das war unwesentlich anders als in Limerick oder Dublin, er fühlte sich in dieser Hinsicht gleich wie zu Hause.
Ein stämmiger Mann mit schütteren grauen Haaren und schlecht sitzendem Anzug kam auf ihn zu.
„Ian Grant“, sagte er. Eine Feststellung, keine Frage. „Ich bin Hector Miles, Ihr neuer Vorgesetzter. Wir freuen uns, Sie in unserem Team begrüßen zu dürfen.“
„Vielen Dank, Sir. Es ist mir eine Ehre, bei Ihnen zu sein.“ Er wusste, dass seine Vorgängerin, eine gewisse Gloria Tibbons, an einer Blutvergiftung gestorben war. Großflächige Ghoulbisse, so etwas war selbst bei sofortiger Antibiotikabehandlung fast immer tödlich. Das war nicht seine Schuld, dennoch war er gegen Feindseligkeit und Misstrauen seiner neuen Kollegen gewappnet, die ihn, den Nachfolger, reflexiv ablehnten. Seltsamerweise hatte er aber eher das Gefühl, dass die Blicke, die ihm von sieben Schreibtischen aus zugeworfen wurden, eher mitleidig wirkten.
Mr. Miles zeigte ihm kurz die Örtlichkeiten – die Toiletten, ein Pausenraum, die Verhörräume; kehrte ins Büro zurück und rappelte im Schnellfeuertempo Namen herunter, die Ian sich absichtlich nicht zu merken versuchte. Er würde sowieso durcheinander geraten, Namen waren nicht seine starke Seite. Im Laufe der Zeit würde er sie schon noch lernen. Vor Schreibtisch Nummer acht, direkt neben einem leeren Exemplar, das offenkundig für ihn reserviert war, blieb sein neuer Chef stehen.
„Ihr Partner, Grant. Marcus Berkley. Er wird Sie gleich auf einen Einsatz mitnehmen. Sollte es Probleme geben, wenden Sie sich als Erstes an mich und erst danach an Mr. Willowby, unseren Abteilungsleiter.“ Er wies mit dem Daumen auf die einzige Tür, die noch verblieben war. Sie besaß kein Glasfenster, wie es sonst üblich war, um zumindest die Illusion von Nähe und Transparenz zu vermitteln. Das und die Tatsache, dass Mr. Willowby seinen Neuzugang offenkundig nicht persönlich begrüßen wollte, zeigte, dass der Mann es hasste, mit Nebensächlichkeiten belästigt zu werden. Ian nickte also Mr. Miles zu und konzentrierte sich auf seinen neuen Partner.
Marcus Berkley war eine Legende, sein Ruf hatte sich weit über die Landesgrenzen verbreitet. Niemand hatte eine höhere Erfolgsquote als er, egal ob es um Aufklärung von Raub, Einbrüchen, Entführung oder Mord ging. Er hatte zahllose leichte und schwere Verletzungen im Einsatz erlitten, die er dennoch stets ohne bleibende Schäden überlebt hatte. Man munkelte gerne, dass er Vampirblut in den Adern haben musste. Stark genug verdünnt, dass es sich nicht mehr wissenschaftlich nachweisen ließ – was angeblich mehrfach bei ihm versucht worden war, denn antiquierte Gesetze sprachen ein striktes Verbot gegen Polizisten mit übersinnlichen Wurzeln aus. Denkbar wäre es jedenfalls. Diese weit entfernten Nachkömmlinge besaßen zumeist eine gesegnete Gesundheit und hohe Widerstandskraft gegen Gifte. Es würde Marcus’ Zähigkeit am besten erklären.
Legendär war auch sein Ruf als einsamer Wolf. Er ließ niemanden an sich heran, weder privat noch beruflich. Aufgrund der Gesetze musste regelmäßig versucht werden, ihm einen Partner zu geben, denn streng genommen dürfte er ohne einen zweiten Mann nicht einmal daran denken, im Dienst zum Coffeeshop zu gehen. Leider hielt es niemand länger als ein paar Stunden mit ihm aus. Ian war fest entschlossen, in dieser Hinsicht keinen Widerstand zu leisten. Seine Feuertaufe in der neue Heimat trug den Namen Marcus Berkley. Kein Problem! Er würde sich von ihm demütigen und verächtlich behandeln lassen und ab morgen brav einen Schreibtischjob einnehmen, bis man ihm einen neuen Partner zuwies. Marcus sollte äußerst höflich und kollegial sein, solange man nicht versuchte, mit ihm gemeinsam einen Fall zu bearbeiten. Ian freute sich darauf. Zunächst aber musste er diesen grässlichen ersten Tag hinter sich bringen.
Mr. Miles hatte sich inzwischen verzogen und jeder Anwesende im Raum beschäftigte sich damit, auf Akten oder Bildschirme zu starren. Wie ein Schuljunge stand Ian vor dem Schreibtisch von Marcus Berkley. Dieser Mann war zum Glück nicht sein Direktor. Er wirkte nicht einmal älter als er, obwohl er es bei seiner beruflichen Karriere eigentlich sein müsste. Zumindest sah er wie höchstens Mitte zwanzig aus. Nun, viele Menschen schienen jünger, als sie eigentlich waren, auch wenn das in diesem Job eher selten zutraf – lange Tage, kurze Nächte, schlechte Ernährung, zu viel Kaffee und Stress und Druck von oben forderten ihren Tribut.
Auf den ersten Blick schien Marcus beinahe unauffällig – mittelgroß, schlank, dunkle Augen, braunes Haar, das kürzer geschnitten und ein bisschen heller als Ians war. Auf dem zweiten Blick hatte er etwas Intensives an sich, eine Art von Energie, die an ein Raubtier gemahnte. Dort vor ihm saß ein Jäger, daran hatte er keinen Zweifel. Dieser Jäger war gerade damit beschäftigt, ein Formular auszufüllen und Ian vollständig zu ignorieren. Er hatte schöne, kräftige Hände. Wohlgeformte Finger, die Sensibilität und Geschick verrieten und sich gerade um einen Füller schlossen. Kein Ehering oder sonstiger Schmuck zierten diese Finger. Es gab nicht einmal eine Armbanduhr an den Handgelenken.
„Sind Sie fertig?“, fragte Marcus, ohne aufzublicken.
„Entschuldigung?“, entgegnete Ian verwirrt.
„Damit, mich anzustarren.“ Mit einer einzigen fließenden Bewegung erhob sich Marcus und stand nun vor ihm. Er überragte Ian um vielleicht eine Fingerbreite. Aus der Nähe konnte man sein Aftershave riechen, er war glatt rasiert. Eine holzige, würzige Note besaß dieser Duft, sehr männlich und unaufdringlich. Erst jetzt nahm Ian wahr, wie gut gekleidet sein heutiger Partner war: Ein Anzug aus feinster Wolle, in dezentem Anthrazit. Dazu ein bordeauxroter Pullover, dessen edelste Qualität mühelos zu erkennen war, wenn man sich wie Ian gezwungenermaßen mit der Materie auskannte. Ein Kashmirschal und dunkle Lederschuhe, die ein Vermögen gekostet haben mussten, rundeten das Bild ab. Ian leistete sich solche Eleganz nicht selbst, hatte es nie getan, auch wenn er es könnte.
„Sie starren schon wieder“, flüsterte Marcus ihm ins Ohr. „Falls Sie nicht vorhaben, mich auf ein Date einzuladen, folgen Sie mir jetzt besser. Wir haben ein Mordopfer.“
Marcus sprach leise genug, dass niemand sonst im Raum ihn gehört haben konnte. Er wich einen Schritt zurück, setzte an, sich umzudrehen – und stutzte kurz. Rasch beugte er sich wieder sehr nah an Ian heran, was unbegreiflicherweise beinahe unerträglich demütigend war. Aufdringlich genügte nicht als Wort, um das zu beschreiben.
„Sollten Sie tatsächlich Hoffnung auf ein Date gehabt haben, vergessen Sie das bitte. Sex am Arbeitsplatz verkompliziert die Dinge vollkommen unnötig, denken Sie nicht?“
Was Ian gerade dachte, würde ihn selbigen Arbeitsplatz kosten, sollte er es laut aussprechen. Verwirrend war dabei vor allem, wie sehr ihn diese arrogante Provokation traf. Es war offensichtlich, dass Marcus einen harten Schlag unter die Gürtellinie versucht hatte, um ihn billig loszuwerden. Obwohl er sich geschworen hatte, in dieser Hinsicht keinen Widerstand zu leisten, war er nicht geneigt, bereits nach einer Minute das Handtuch zu werfen. Darum folgte er seinem Partner, der sich bereits endgültig abgewandt hatte und davonmarschiert war. Er fing den Blick seiner neuen Kollegen auf. Eindeutig mitleidig, in diesem Punkt war er sich nun sicher. Ian atmete tief durch und nickte im Vorbeigehen jedem Einzelnen zu. Er wollte keine Angriffsfläche bieten. Marcus’ Art war nichts Persönliches, sie kannten sich ja auch gar nicht. Das war in Ordnung, er wollte nichts Persönliches daraus werden lassen. Vielleicht sollte er den Kerl von dieser Absicht unterrichten …
Marcus fuhr sehr gesittet. Das war angesichts der fast leeren Straßen erstaunlich. Vor vier Jahren, am ersten Januar 2013, hatte man ein zwanzigjähriges Großprojekt seitens der Regierung erfolgreich abgeschlossen. Autofahren war durch Steuern und Benzinpreise so unglaublich teuer geworden, dass es für normale Bürger unerschwinglich war. Zugleich hatte man das Netz von U-Bahn und Straßenbahnen derartig gut ausgebaut, dass es innerhalb von London praktisch unnötig war, ein eigenes Auto zu benutzen. Zumal jeder registrierte Bürger von London ein kostenloses Jahresticket beantragen konnte. Auf den Straßen fand man darum nur noch Polizei, Feuerwehr, Krankenwagen, einige wenige Taxis und die Nobelkarrossen für Leute mit wirklich viel Geld. Damit war London die erste Stadt der Welt, die ihr Verkehrsproblem praktisch aufgelöst hatte. Andere Großstädte arbeiteten nach ähnlichen Prinzipien daran. Der Nebeneffekt war, dass die kleineren Städte quasi ausstarben, überall dort, wo das öffentliche Netz schlecht, Autofahren aber dennoch zu teuer war. Die Folgen dieser Landflucht waren hinlänglich bekannt – Massenarbeitslosigkeit, Ghettobildung, Probleme mit Ernährung und Gesundheit der Menschen. Der Ursprung dieser Pläne waren nie Umweltbedenken gewesen, sondern Machtstreben. Dahinter steckten die in Familienclans organisierten übernatürlichen Kreaturen. Vor rund dreihundert Jahren hatten sie beschlossen, nicht mehr länger im Verborgen zu lauern, sondern Teil der menschlichen Gesellschaft zu werden. Sie zahlten Steuern, bemühten sich, Zusammenstöße mit natürlichen Menschen zu vermeiden und beriefen sich bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit auf das Warlington-Abkommen. Manchmal stellte Ian sich eine Welt vor, in der man nichts von diesen Wesen wusste. In der sie Legenden und Fabelgeschöpfe waren und die Menschheit sich eitel für die Krönung halten konnte, bevorzugt von ihren Göttern und berechtigt, sich die Erde untertan zu machen. Das wäre sicherlich eine schöne Welt …
Die Fahrt war schweigend verlaufen. Marcus ignorierte ihn auf eine Weise, die irgendwie körperliche Schmerzen verursachte. Ian hatte sich zuvor intensiv gefragt, wie es einem Menschen gelingen konnte, ausnahmslos jeden Partner innerhalb eines Tages nervlich fertig zu machen, ohne brutal zu werden. Es gab genug Leute, die kein Problem mit aggressiven oder arroganten Zeitgenossen hatten. Was Marcus allerdings gerade wortlos ausstrahlte, war eine Art von Psychoterror, der Ian so noch nie begegnet war. Ohne ihn anzublicken oder einen Laut zu äußern vermittelte Marcus ihm das Gefühl, dass er ihn für etwas äußerst Ekelerregendes und Abstoßendes hielt. Für etwas, das man in großen Tiefen aus der Erde gezogen hatte oder unter einem umgedrehten Stein fand. Das brachte sein Herz zum Jagen und seine Muskeln zum Zittern. War das nicht lächerlich? Dieser Mann berührte ihn nicht, sprach kein Wort, und dennoch wünschte sich Ian gerade nichts sehnlicher, als sich aus dem fahrenden Wagen werfen zu dürfen, nur um ihm zu entkommen. Zwanzig Minuten Fahrt zogen sich auf diese Art bis in die Unendlichkeit. Als sie hielten, floh er regelrecht aus dem Auto, um durchzuatmen, und um sich daran zu hindern, wie ein Kind loszuweinen oder sich auf die Knie zu werfen und um Gnade zu bitten. Ihm war schlecht, jeder einzelne Nerv in ihm vibrierte. Gütiger Gott im Himmel, was war das? Marcus ignorierte ihn und marschierte auf ein weißes Gebäude zu. Ian folgte ihm, so rasch es ihm möglich war. Die Gerichtsmedizin war bereits vor Ort, genau wie die Spurensicherung, wie er an den Autos mit der entsprechenden Aufschrift sah.
„Marc!“, rief ein älterer Mann mit gepflegtem, weißen Bart. Er nickte und wirkte durchaus erfreut, Marcus zu sehen. Schwer vorstellbar. Ian presste sich beide Fäuste gegen den Magen, im Kampf gegen die anhaltende Übelkeit. Er hielt dabei so weit Abstand von Marcus, wie es ihm möglich war, ohne den Raum zu verlassen.
„Harry, wie oft soll ich dir sagen, dass ich allergisch auf die Verstümmelung meines Namens reagiere?“, fragte Marcus. Das klang gut gelaunt und er lächelte den Pathologen freundlich an. Die seltsame Ausstrahlung war verschwunden und allmählich gelang es Ian, wieder frei zu atmen.
„Was haben wir denn heute auf dem Plan?“, fragte Marcus weiter und stieß auf eine Tür, hinter der sich vermutlich die Leiche befand. Jedenfalls waren von dort Stimmen zu hören, während hier, in diesem kahlen Flur, in dem sie herumstanden, lediglich Blutspuren auf dem nackten Betonboden zu sehen waren.
„Du wirst es lieben. Es ist … originell.“ Harry warf Ian einen neugierigen Blick zu, sprach ihn allerdings nicht an. Es war, als hätte jeder beschlossen, ihn zu ignorieren, bis Marcus mit ihm fertig war. Genervt schüttelte Ian den Kopf. Es war so lächerlich! Wie konnte ein einzelner Mann das Recht haben, solche Macht auszuüben und ein gesamtes Department nach seiner Pfeife tanzen zu lassen? Legende hin, komischer Kauz her, das war definitiv nicht mehr normal. Nichts davon!
Der Pathologe führte sie durch die Stahltür. Erst jetzt registrierte Ian, dass dies kein Wohnhaus war, sondern ein industrielles Gebäude sein musste. Ein Beweis mehr, wie stark Marcus ihn aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Er wischte sich über die Stirn und zwang sich mit aller Kraft, sich endlich auf die Arbeit zu konzentrieren. Vor ihnen öffnete sich eine weitläufige Halle. Es war nicht erkennbar, wofür dieses Gebäude einst gedient haben könnte, welche Art von Produktion hier wohl stattgefunden hatte. Man sah lediglich, dass dies bereits einige Jahre her sein musste, so hoch, wie die Staubschicht angewachsen war. Der Putz bröckelte von den feuchten Wänden. Nahezu alle Fensterscheiben waren zerstört, dazu roch es nach Schimmel, Vogelkot und allgemeinem Verfall. Geräte oder Werkzeug gab es hier nicht mehr. Im Staub fanden sich zahllose Spuren von Nagetieren und Katzen. Vermutlich Streuner, die sich hier über ein reichhaltiges Nahrungsangebot freuten. Auffallend war die Kälte, die das Atmen erschwerte und in die bloße Haut biss. In der Mitte der Halle hingen schwere Ketten von der Decke herab. An ihnen war die Leiche einer jungen Frau befestigt, die in der Luft schwebte, alle Gliedmaßen aufs äußerste überstreckt. Das wahrhaftig Bemerkenswerte an ihr erkannte Ian erst auf den zweiten Blick. Sie war …
„O mein Gott, sie ist tiefgefroren!“ Mit einem Ausdruck äußerster Faszination eilte Marcus näher heran. „Taut sie bereits?“, rief er über die Schulter.
„Nein“, erwiderte Harry vergnügt. „Nicht wirklich jedenfalls. Die Blutspuren nebenan sind hingegen komplett durchgetrocknet. Gesetzt den Fall, dass diese von ihr stammen, kann man davon ausgehen, dass sie bereits vor mehr als fünf Stunden knusperkalt hier aufgehängt wurde.“
„- 61,2°C beträgt ihre aktuelle Außentemperatur, Harry“, verkündete ein blonder junger Mann, der vermutlich der forensische Assistent war.
„Das ist beachtlich“, murmelte Marcus.
„Und ziemlich sicher übersinnlich. Die Spurensicherung hat einen frischen Abdruck in Schuhgröße 96 gefunden. Die Tiefe lässt vermuten, dass auf diesem Fleck Erde mehr als fünfhundert Kilo gelastet haben müssen. Das Gebäude war mit einer Stahlkette gesichert, deren Überreste in fünfzig Meter Umkreis gefunden worden sind. Es spricht somit alles dafür, dass der Täter kein natürlicher Mensch war.“
Das stellte in vielen Fällen die größte Schwierigkeit dar – die Unterscheidung, ob Menschen oder übersinnliche Kreaturen für ein Verbrechen verantwortlich waren. Beide Gruppen versuchten oft, es der jeweils anderen in die Schuhe zu schieben.
„Wenn wir von einem übersinnlichen Täter ausgehen, Harry, was wäre dein Tipp?“, fragte Marcus.
„Ich habe keine Ahnung. Größe und Gewicht sprechen für einen jungen Bergtroll oder einen Riesenmischling. Beide Rassen sind nicht intelligent genug, geschweige denn dazu fähig, ihre Opfer magisch tiefzufrieren, um sie länger haltbar zu machen. So etwas können Erzdämonen, die bekanntlich keine jungen Frauen fressen. Andererseits wäre dies keine schlechte Stelle, um sich ein Vorratslager aufzubauen und vielleicht unterschätzen wir die Trolle ja auch.“
„Wie wurde das Opfer gefunden?“, hakte Marcus nach.
„Der Besitzer wollte seinen monatlichen Rundgang machen, ob alles in Ordnung ist. Die gesamte Anlage ist seit zehn Jahren stillgelegt, das war früher eine Produktionsstätte für Autozubehör. In einigen Monaten wird der Abriss beginnen, es sollen schicke Häuser und Supermärkte gebaut werden.“
„Ich habe noch nie gehört, dass ein Troll etwas so Intelligentes getan hat, wie sich einen Geheimvorrat anzulegen und Magie beherrschen sie überhaupt nicht“, murmelte Ian vor sich hin. Zudem gab es die seriösen Schätzungen nach noch etwa ein Dutzend Vertreter dieser eher unangenehmen Spezies in Europa, und die sollten sich in die schottischen Highlands zurückgezogen haben.
„Was ist Ihre Vermutung in dieser Sache, Partner?“ Er zuckte zusammen, verwirrt darüber, dass Marcus seine allgemeine Ignoranzhaltung aufgegeben und ihn tatsächlich direkt angesprochen hatte.
„Ein Yeti“, sagte er spontan und ohne nachzudenken. Wie erwartet begannen Harry und der namenlose Assistent schallend zu lachen, und die Kollegen von der Spurensicherung, die sich im hinteren Teil der Halle herumtrieben, fielen ohne zu zögern mit ein. Marcus hingegen lachte zu seiner Überraschung nicht, sondern musterte ihn mit einer Mischung aus Überraschung und Respekt.
„Erklären Sie, wie Sie zu dieser Annahme kommen“, befahl er, was die übrigen Anwesenden schlagartig zum Schweigen brachte.
Mit Ausnahme von Harry, der rief: „Komm schon, Kumpel, jeder weiß, dass es keine Yetis gibt!“
Marcus hob ruckartig die Hand und schnitt ihm damit das Wort ab. „Erklären Sie es“, wiederholte er scharf an Ian gewandt.
„Zum einen: Wenn alle wahrscheinlichen Möglichkeiten auszuschließen sind, sollte man sich nicht scheuen, die unwahrscheinlichen in Betracht zu ziehen“, begann er. „Trolle beherrschen keine Magie, Riesen und deren Mischlinge noch viel weniger. Zum zweiten: Verschiedene Typen von Dämonen wären fähig, einen entsprechenden Eiszauber zu wirken, würden aber niemals sichtbare Abdrücke hinterlassen, oder sich damit aufhalten, Türen zu sprengen. Sie wollen schließlich nicht mit dem Warlington-Abkommen in Konflikt geraten und solche Spuren sind auffällig statt geheim. Des Weiteren: Yetis sollen durch drei Merkmale charakterisiert sein. Sie sind so groß und schwer wie Kodiakbären, das Büschel weißer Haare dort an der Kette“ – er wies auf einen Punkt neben Harry –, „entspricht der landläufigen Vorstellung ihrer Fellfarbe, und sie beherrschen angeblich Eiszauberei in verschiedenster Ausführung.“
„Das ist korrekt. Was besagt die Legende außerdem?“, fragte Marcus, als wäre er ein Professor im Hörsaal.
„Eine Menge. Yetis sind vermutlich Gestaltwandler, ähnlich wie Werwölfe. Über den Verwandlungsmodus weiß ich nichts, auch nicht, wie lange der Zustand anhält. Soweit ich weiß, gibt es keine zuverlässigen Daten, nicht einmal in der Legendenforschung. Es heißt, sie wären vollkommen normale Menschen, ahnen nichts von ihrer Veranlagung und spüren auch keine Erinnerungslücken. Verletzungen oder Erwachen in fremder Umgebung wird vermutlich mit Schlafwandeln erklärt.“
„So sagt man, ja. Seit man jedes Neugeborene einem DNA-Test unterzieht, sollten Überraschungen in dieser Hinsicht eigentlich ausgeschlossen sein. Das ist der Grund, warum man sicher glaubt, es gäbe keine Yeti – man hat keinen Beweis für ihre Existenz.“ Marcus legte eine bedeutsame Pause ein und blickte jedem Anwesenden ins Gesicht. „Erinnert ihr euch an Eliza Green?, fragte er.
„Die Hexe?“ Eine junge Spurenermittlerin mit schulterlangen, kupferroten Haaren erschauderte.
„Korrekt. Die Dame konnte mittels Flammen von einem Ort zum nächsten reisen und hatte einige höchst üble Tricks auf Lager. Und was war ihre Besonderheit?“
„Laut DNA war sie ein stinknormaler Mensch“, murmelte Harry kleinlaut.
„Jawohl. DNA ist eben nicht der Weisheit letzter Schluss. Aus diesem Grund war ich schon immer der Meinung, dass wir Narren davon ausgehen sollten, dass Yetis, Drachen, Elfen und so weiter tatsächlich existieren und weder Einbildung noch Märchen für kleine Kinder sind. Egal, ob wir ihnen bereits einmal begegnet sind oder nicht. Immerhin ist es noch gar nicht so lange her, dass wir Dämonen, Vampire, Einhörner und Kobolde für dummen Aberglauben halten mussten.“ Marcus nickte Ian zu. „Habt ihr in Irland schon einmal einen ähnlichen Fall gehabt?“
„Nein. Zumindest keinen Yeti. Oder Hexen. In meinem ersten Jahr bei der irischen Polizei habe ich allerdings einen aufgescheuchten Drachen erlebt. Einen Wasserdrachen, um genau zu sein. Der hatte wohl einige Jahrhunderte auf dem Grund des Shannon geschlummert, tief im Flussbett vergraben. Als wir einen Kelpie verfolgten – ihr wisst bestimmt Bescheid, das sind wassergebundene Pferdewandler, die gerne unschuldige Reisende auffressen. Heutzutage fordern sie gemäß Abkommen Proviant als Wegzoll, statt die Leute aufzufressen. Jedenfalls hatten wir den Kelpie gesucht, der sich im Fluss verbergen wollte, nachdem er sich nicht an das Abkommen gehalten hat, und sind dabei über den Wasserdrachen gestolpert.“
„Was ist geschehen?“, fragte Marcus interessiert. Da war keine Spur mehr von der zersetzenden Ablehnung, die er eben noch ausgestrahlt hatte.
„Der Drache hat den Kelpie und vier unserer Leute gefressen, gegähnt, sich herzhaft gestreckt, irgendetwas in Altgälisch gemurmelt, und ist wieder abgetaucht. Wir haben seine Worte übersetzen lassen. Es war etwas Ähnliches wie: Lasst mich gefälligst noch ein halbes Jahrtausend weiterschlafen, ihr Narren! Da wir nicht wussten, mit welcher Waffe man dieses Biest töten könnte, und ob wir überhaupt ein Recht dazu haben, weil es sich möglicherweise um den letzten seiner Art handelt, wurde von höchster Stelle beschlossen, die Sache zu vertuschen und das Problem späteren Generationen zu überlassen.“
„Hätten wir auch so gehandhabt“, murmelte Harry. „Ein Wasserdrache. Ja, stimmt schon, es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als wir uns eingestehen wollen. Warum also nicht auch Yetis?“
Es gab an diesem Tatort nicht viel für sie zu tun. Spuren waren kaum zu finden und die Identität des Opfers ließ sich erst feststellen, wenn sie aufgetaut und in die Pathologie gebracht worden war. Der große Vorteil der flächendeckenden DNA-Bestimmungen jedes Bürgers war, dass es keine unbekannten Personen gab. Zumindest nicht, sofern sie europäischer, japanischer, kanadischer oder australischer Abstammung waren. In einigen nordamerikanischen Bundesstaaten hatte man das Gesetz nicht etablieren können, und in vielen asiatischen und afrikanischen Ländern war es nicht möglich, die Bewohner zu registrieren, die in sehr isolierter Umgebung lebten. Dort gab es demzufolge Lücken im System. Ian hatte keine Sorge, dass dies auf ihr Opfer zutreffen könnte. Die Frau besaß ein nordisches Aussehen, ihre Kleidung entsprach europäischem Standard, ihre Armbanduhr war ein Schweizer Modell, soweit er aus mehreren Metern Entfernung vermuten konnte. Der Zeiger war laut der Spurensicherung auf 4:23 Uhr stehen geblieben, was mit einiger Sicherheit dem Todeszeitpunkt entsprach.
„Wir versuchen es mit einem Gesichtsabgleich, ansonsten warten wir, bis du uns die DNA-Ergebnisse lieferst“, sagte Marcus zu Harry, verabschiedete sich herzlich von den Leuten der Spurensicherung und marschierte zu seinem Wagen zurück, ohne sich umzuschauen, ob sein ungewollter Partner folgte. Augenrollend folgte Ian ihm nach. Seine Entschlossenheit, den heutigen Tag abzusitzen und sich morgen ohne Widerstand einem anderen Partner zuweisen zu lassen, war mittlerweile stark gedämpft. Ein Yeti! Sollte das stimmen, wollte er um jeden Preis an diesem Fall dranbleiben. So etwas bekam man höchstens einmal in seinem Leben geboten!
Auf dem Rückweg blieb Ian still, wie bereits zuvor auch. Marcus stellte fest, dass er starke Schwierigkeiten hatte, seine Wand aus Verachtung und Ablehnung hochzuhalten. Ian dachte offenbar nicht in den üblichen festgefahrenen Bahnen, wie es sonst leider bei den meisten Leuten weit verbreitet war. Wofür man den Kollegen kaum einen Vorwurf machen konnte. Es war schwierig, nicht sämtliche Illusionen zu verlieren, wenn man ihrem Job nachging. Einerseits gab es eindeutige Gesetze, was übersinnliche Kreaturen tun durften und was nicht. Andererseits wurden mindestens achtzig Prozent aller Verbrechen von Vampiren und Werwölfen verübt, die sich hinter ihren Clans versteckten. Das waren uralte Dynastien mit noch älterem Geld. Die Anwälte regelten diese Kleinigkeiten wie Anklagen für Raub, schwere Körperverletzung oder auch Mord ganz nebenbei. Schlimmstenfalls wurde eine großzügige Spende an das Opfer oder dessen Hinterbliebenen gezahlt, damit die Verhandlungen gar nicht erst zustande kamen, weil Zeugenaussagen annulliert wurden.
Zudem war es extrem gefährlich, als Normalsterblicher mit übernatürlichen Kreaturen zu kämpfen. Die Waffen, die man ihnen dafür zur Verfügung stellte, waren veraltet, oft genug unwirksam und taugten im schlimmsten Fall nicht einmal zum Selbstmord, um sein Elend möglichst schmerzarm zu beenden. Viele Ermittler gaben nach wenigen Jahren auf, wenn sie verletzt wurden oder mehrfach mitansehen mussten, wie ihre Freunde und Partner verstümmelt oder getötet wurden. Sie kämpften nicht auf gänzlich verlorenem Posten, da die Clanobersten jeder Spezies sehr daran interessiert waren, allgemeinen Frieden zu halten. Leider konnte man sich allzu rasch sehr verloren fühlen, weil es keinerlei Gerechtigkeit für die Opfer zu geben schien …
Dementsprechend wurde der Dienst nach Vorschrift abgerissen, ohne Leidenschaft, ohne sich zu fragen, was wirklich hinter den Ereignissen steckte. Marcus war anders. Und Ian schien ebenfalls anders zu sein. Er hatte das Feuer eines Mannes, der gerade erst in diese Parallelwelt hineingestolpert war, gerüstet mit dem Wissen und der Erfahrung eines altgedienten Veteranen. Das war höchst interessant! Genau deshalb wollte Marcus mehr von ihm wissen und hatte Schwierigkeiten, die sonst gewohnte Ablehnung auszustrahlen. Das war ihm noch nie passiert und er kämpfte so energisch wie möglich dagegen an. Andernfalls wurde er den Mann nicht los und das wollte er bei aller Neugier nicht riskieren. Mehr über ihn erfahren und kollegial mit ihm zusammenarbeiten konnte er schließlich noch, wenn sie keine Partner mehr sein mussten!
Zurück auf dem Revier warf er Ian wortlos einige Akten ungelöster Fälle zu. Sollte der sich damit amüsieren, Marcus hatte Wichtigeres zu tun. Der Kerl sollte sich nicht einbilden, dass er gleichberechtigt mit an diesem Fall arbeiten durfte. Sie waren keine echten und spätestens morgen gar keine Partner mehr.
Falls sie tatsächlich einen Yeti in der Stadt hatten, wäre das ein riesiges Problem. Gerade wenn es dieser Kreatur nicht bewusst sein sollte, was sie tat, und es keinen Hinweis darauf gab, nicht einmal für den Täter selbst, wer und was sie wirklich war. Ein solches Monster, das von keiner stringenten Clan-Organisation effektiv an den schlimmsten Verbrechen gehindert werden konnte, auf so etwas war ihre Abteilung nicht vorbereitet. Der letzte Mord, den etwa ein Werwolf verübt hatte, war zum Beispiel mehr als dreißig Jahre her, da ein gewaltiges Interesse daran bestand, diese Sorte Gestaltwandler zu Vollmond sicher wegzusperren. Querschläger wie jene Künstlerin hatten eher die Clans als die Polizei zu fürchten. Viel problematischer waren Werwölfe sowieso in der restlichen Zeit des Monats, wenn sie mit menschlichem Intellekt agierten.
Marcus scannte das Foto der Eisprinzessin ein. So hatte eine Kollegin von der Spurensicherung die arme Frau benannt, die vermutlich bei lebendigem Leib schockgefrostet worden war. Das absolute Entsetzen auf ihrem Gesicht, der zum Schrei geöffnete Mund, die weit aufgerissenen blauen Augen, das alles sprach dafür. Sie war eine Schönheit gewesen, im klassischen Sinn – zierlich, klein, sportlich, zarte Gesichtszüge, blondes Haar. Ein Vampir hätte seine Freude an ihr gehabt, die waren durch die Bank weg Ästheten. Ein Bergtroll hingegen würde sich eher für jemanden entscheiden, der hundert Kilo mehr auf die Waage brachte; sie bevorzugten einfach Häppchen mit ordentlich Speck auf den Rippen. Was konnte einen Yeti dazu verleitet haben, sich diese Frau auszusuchen? Marcus konnte sich nicht vorstellen, dass Ästhetik eine Rolle gespielt hatte.
„Verfügbarkeit“, murmelte es am Schreibtisch neben ihm. Das war Ian. Verärgert blickte Marcus auf, was störte ihn dieser Kerl in seinen Überlegungen? Warum kümmerte er sich nicht um die Aufgabe, die ihm zugewiesen worden war?
Ian starrte auf Marcus’ Bildschirm.
„Ihre Kleidung ist nicht typisch für eine Joggerin, aber weiter und bequemer geschnitten, als es Frauen wie sie normalerweise in der Öffentlichkeit tragen“, sagte er nachdenklich. „Was, wenn sie sich dort herumgetrieben hat, um trotz der Novemberkälte Tai Chi oder ähnliche Entspannungsübungen an der frischen Luft zu machen? Um halb fünf morgens ist die Sonne um diese Jahreszeit noch nicht aufgegangen, aber ich denke, dass es Leute gibt, die an einem solchen Gelände und dessen Einsamkeit einen gewissen Reiz finden. Dabei könnte sie ihre Mörder direkt in die Arme gelaufen sein.“
Unfassbar – der irische Störenfried hatte tatsächlich recht. Marcus brummte widerwillig eine Bestätigung und starrte Hannah, seine Lieblingskollegin zu seiner Rechten, finster an, weil die es wagte, amüsiert zu kichern. Vermutlich hatte sie seinen Gesichtsausdruck bemerkt. Wild entschlossen schränkte er das Suchfeld des Gesichtserkennungsprogramms auf fünf Kilometer im Umkreis des verlassenen Geländes ein. Sollte die Unbekannte dort tatsächlich mit Absicht hingegangen sein, statt vom Yeti verschleppt zu werden, dürfte sie in der Nähe wohnen und – Treffer!
„Virginia Ann Hemmlock, neunundzwanzig Jahre alt“, rief er triumphierend und nahm es schicksalsergeben hin, als Ian mit seinem Stuhl neben ihn rollte, um die Daten besser lesen zu können.
„Nicht verheiratet, keine Kinder. Angestellte bei Gamblin & Söhne. Das ist eine angesehene Anwaltskanzlei“, fügte er hinzu, als er Ians fragenden Seitenblick bemerkte. „Keine Vorstrafen, keine Auffälligkeiten, einen Führerschein besitzt sie auch nicht. Sprechen wir also einmal mit ihrem Boss. Der hat zwar garantiert nichts Spannendes über ihre Ermordung zu erzählen, aber er wird sich freuen, von uns zu hören, dass er eine neue Angestellte braucht, statt es aus der Zeitung zu erfahren. Ich kenne ihn, im Gegensatz zu dieser Dame.“ Marcus nickte einem seiner Kollegen zu. „Maze, sagst du bitte Harry Bescheid, dass die DNA zweitrangig ist?“ Maze hieß eigentlich Malvin Zedecki. Ein kleiner, dürrer Kerl mit dem Gesicht eines Zwergpinschers, dem Gemüt eines Bernhardiners und dem Jagdinstinkt eines Bluthunds. Auf ihn war Verlass. Und Genetik hin oder her, einer seiner Vorfahren hatte den Mond angeheult, davon war jeder hier im Revier überzeugt. Zumal man ihm bei Vollmond besser nicht auf die Nerven gehen sollte, um Explosionen zu vermeiden, die ansonsten undenkbar waren. Maze nickte brav und zwinkerte zugleich Marcus zu. Zweifellos, weil er nichts tat, um Ian daran zu hindern, mit ihm zu kommen. Er hatte ihn sogar eingeladen, oder? Unglaublich. Irgendetwas an dem Kerl war gefährlich, so viel stand fest.
„Ist das eigentlich dein Dienstwagen?“, fragte Ian, als sie erneut in Marcus’ tannengrünen Toyota einstiegen. Ein uraltes Modell, das an zahlreichen Gebrechen im Bereich Motor, Getriebe und Karrosserie litt. Marcus betrachtete ihn, als wäre er geisteskrank.
„Du glaubst hoffentlich nicht, dass ich auch privat eine solch lächerliche Klapperkiste fahren würde?“, knurrte er. „Mein eigener ist der dort drüben.“ Er wies auf einen edlen, silbergrauen Bentley, der auf dem Parkplatz der Polizei auf ihn wartete. Ein schickes, nobles Gefährt. Womit automatisch auch klar war, dass Marcus finanziell zu den oberen Zehntausend von London gehören musste.
„Der kleine passt besser zu dir.“ Hupps, hatte Ian das etwa laut gesagt?
„Findest du das, hm?“
„Nun ja ... Diese Klapperkiste, wie du sie nennst, hat einen robusten Charme. Genau wie du.“ Ian biss sich energisch auf die Zunge, um sich daran zu hindern, noch weiter zu sticheln. Bislang war es überraschend gut mit ihm und Marcus gelaufen, das sollte er nicht unnötig riskieren. Immerhin waren sie zu einer persönlicheren Ansprache gewechselt. „Schnallst du dich jetzt endlich mal an oder brauchst du dafür eine schriftliche Einladung?“, knurrte Marcus, ohne auf den Charme-Kommentar einzugehen. Ian gehorchte mit Blitzgeschwindigkeit. Bloß den Mund halten!
Diesmal flog Marcus in halsbrecherischem Tempo durch die Straßen. Er war ein begnadet sicherer Fahrer, was auf die meisten Menschen nicht zutraf. Selbst in Irland, wo es noch mehr Privatpersonen gab, die einen Führerschein und Besitzerlaubnis für ein Fahrzeug besaßen. Ian gehörte ebenfalls zu dieser Gruppe, hatte aber seit Jahren nicht mehr hinter dem Steuer gesessen.
„Hast du drüben auch ein Auto gehabt?“, fragte Marcus prompt.
„Ich hatte früher mal einen. Einen mitternachtsblauen Mini. Ein Einhorn hat es versehentlich niedergetrampelt, danach habe ich mir kein neues Auto gekauft.“
„Ein Mini?“ Marcus grinste spöttisch und musterte ihn mit einem raschen Seitenblick.
„Passt zu mir?“, soufflierte Ian brav. Dabei war er höchstens drei Zentimeter kleiner.
„Perfekt sogar. Und sag nichts. Die Größe ist entscheidend.“
„Macho“, murmelte Ian fast lautlos.
„Zwerg“, erwiderte Marcus und parkte schwungvoll vor dem altviktorianischen weißen Gebäude, dessen edle Eingangstür mit einem Kanzleischild verschandelt wurde.
Eine elegant gekleidete, vollbusige Blondine führte sie ohne Umwege in das Heiligtum von Gamblin & Söhne, zu Mr. Gamblin persönlich. Dort hockte ein feister, rotgesichtiger Glatzkopf hinter dem Schreibtisch aus Mahagoni, für dessen Besitz er sicherlich fünfhundert Pfund oder mehr jährlich an Strafsteuer leisten musste. Erstaunlicherweise brachte es eher Respekt als einen Prestigeschaden ein, wenn man diese Steuer zahlte und seine illegalen Tropenholzmöbel dennoch behielt. In manchen Kreisen galt dies als Zeichen von Macht. Ian hatte solche Spielchen noch nie verstanden.
Die zweite Überraschung folgte, als er erkannte, dass der Mann ein Vampir sein musste – er atmete nicht und seine Hände besaßen die kalte Leichenblässe, die seine Art mühelos verriet. Ian hatte davon gehört, dass Rotgesichtigkeit bei englischen Vampiren neuerdings als schick galt, während es bei Menschen auf Herzerkrankung und Bluthochdruck hinwies.
„Einen wunderschönen Tag wünsche ich Ihnen. Was kann ich für Sie tun, Inspector Berkley?“, fragte Mr. Gamblin überaus höflich und musterte Ian unter halb geschlossenen Lidern hervor. „Und wie heißt der verehrte Kollege? Es gibt doch nicht etwa Schwierigkeiten mit einem meiner Klienten?“
„Keineswegs. Ian Grant – Gregory Gamblin. Mr. Gamblin vertritt die Dynastie der Avagors, einen angesehenen Vampirclan aus der Bretagne, der sich im letzten Jahrhundert nach London ausgebreitet hat. Mr. Grant arbeitet seit heute in unserem Department.“
„Wie aufregend. Ihrer Gesichtsform nach sind Sie Brite, junger Mann?“
„So ist es“, erwiderte Ian höflich.
„Ah, ein Ire. Nein, ich frage jetzt nicht, was Sie von Ihrer schönen Insel vertrieben hat. Traditionell würde die Antwort Armut oder gebrochenes Herz lauten. Abenteuerlust können wir glücklicherweise ausschließen, da wären Sie wohl nicht in London gelandet. Da Sie nicht liebeskrank auf mich wirken und die Gehälter im Staatsdienst erbärmlich genug sind … Sie wollen vermutlich immer noch nicht in meine privaten Dienste treten, Inspector Berkley?“
„Keineswegs, mein lieber Mr. Gamblin. Für Mr. Grant kann ich nicht sprechen, aber zumindest heute ist dies nicht der Grund unseres Besuches. Leider sind wir aus offiziellen Gründen hier.