Das Fernrohr Kapitän Pellertons - Walter Kabel - E-Book

Das Fernrohr Kapitän Pellertons E-Book

Walter Kabel

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Harald Harst und Max Schraut, die beiden deutschen Detektive, sind auf der Motorjacht 'India' von Lord Wolpoores unterwegs, als es einige seltsame Vorfälle an Bord gibt, die die beiden Freunde aufschrecken. Es muss sich jemand an Bord geschlichen haben, der üble Absichten gegen die Familie des Lords verfolgt - aber wo steckt der Kerl? Harald Harst und Max Schraut, die beiden Detektive aus Berlin, in einem weiteren Abenteuer. Unsere Walter-Kabel-Edition soll das Interesse an seinem Werk neu beleben - neben Detektivgeschichten gibt es auch Abenteuerromane in dieser Reihe.

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Seitenzahl: 53

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Walter Kabel

Das Fernrohr Kapitän Pellertans

Walter-Kabel-Edition

Walter Kabel

Das Fernrohr Kapitän

Pellertans

Harald Harst

Kriminalroman

Edition Corsar D. u. Th. Ostwald

Braunschweig

Impressum

Texte: © 2024 Copyright by Thomas Ostwald

Umschlag: © 2024 Copyright by Thomas Ostwald

Durchgesehen, korrigiert und verantwortlich für den Inhalt:Thomas Ostwald

Am Uhlenbusch 17

38108 Braunschweig

[email protected]

Es war ein altehrwürdiges Sehfernrohr aus Messing mit sechs Auszügen, so ein Ding, wie man es heute in der Handelsmarine kaum noch gebraucht. Es hatte vorn einen Durchmesser von 12 Zentimeter, und Harald Harst meinte einst scherzend zu dem glücklichen Besitzer, Kapitän Joe Pellertan, eigentlich gehöre zu diesem Rieseninstrument beim Gebrauch stets ein Stativ, da man schon über gehörige Muskelkräfte verfügen müsse, um es frei in den Händen still zu halten.

Joe Pellertan war jedoch noch ein Seemann aus der alten Schule, der von modernen Trieder-Binokeln1 und so weiter nichts wissen wollte, der noch manchen Aberglauben festhielt und der bessere Münchhausiaden erfand als der älteste Förster.

Die große Motorjacht ‚India‘ Lord Wolpoores schaukelte bei völliger Windstille auf einer langen Dünung träge auf und ab. Über dem Meer lag eine erschlaffende Backofenglut. Die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel unbarmherzig auf das stets feucht gehaltene Deck der India herab. Aber was nützte diese stete Bewässerung der Deckplanken bei einer Temperatur von 35 Grad im Schatten?

Es war kurz nach der gemeinsamen Mittagsmahlzeit im Salon der Jacht. Die Familie Wolpoore hatte sich in ihren Wohnsalon zurückgezogen. Dass der Lord mit den Seinen gern allein sein mochte, konnte man verstehen. Wer wie er seine Gattin und seine Söhne jahrelang als tot betrauert hatte, wem sie dann plötzlich wiedergegeben werden, der will auch das lang entbehrte Glück eines trauten Familienlebens ohne Zeugen auskosten.

Wir saßen jetzt zu fünft in der Kajüte Kapitän Joe Pellertans um den ovalen Tisch herum in bequemen Korbsesseln und lauschten mit jener völligen Abspannung, die die Folge der Tageshitze war, der Erzählung des Kapitäns, deren spannende Momente an unserer matten Gleichgültigkeit heute sozusagen wirkungslos abprallten.

Pellertans braunrotes, zerfurchtes Gesicht mit dem grauen Schifferbart wurde immer finsterer. „Den Deubel!“, rief er jetzt. „Ihr hört ja gar nicht zu! Ich rede mir das Maul trocken, und Ihr sitzt da wie schlafkranke Eingeborene.“ Er langte nach seinem steifen Eispunsch und nahm einen tüchtigen Schluck, fuhr dann fort: „Natürlich glaubt Ihr nicht an derlei Vorkommnisse, Ihr modernen Herren! Natürlich nicht! Und doch: es ist Tatsache, was ich soeben berichtete. Der Kopf des enthaupteten Piraten sprach wirklich noch den Satz, den ich vorhin wiederholte. Der Unterkiefer bewegte sich. Es war, dass einem das Grausen ankam!“

In diesem Augenblick trat nach kurzem Anklopfen der Jachtingenieur Moore ein, nickte uns zu und wandte sich dann an Pellertan:

„Käpten, haben Sie sich mein Fernglas ausgeliehen? Es ist aus meiner Kabine verschwunden.“

„Ich – nein! Aber – verschwunden Deubel, was ist denn jetzt eigentlich los auf der Jacht? Heute früh fragt mich Sinclair (das war der Steuermann) genau dasselbe. Auch dessen Glas ist futsch!“ - „Nicht möglich“, meinte der Ingenieur, ein noch junger Mann von sehr gewinnenden Umgangsformen, der einen ölfleckigen Leinenanzug anhatte und recht übermüdet aussah. „Wir haben doch keine Diebe an Bord! Bei der Polizeiaufsicht, unter der wir dauernd stehen!“, fügte er hinzu.

Und er lachte Chester Blindley vergnügt an, denn dieser kleine, dürre Herr war ja der Chef der Privatpolizei Lord Wolpoores, die dieser sich lediglich zum Schutz seiner Person hielt. Sie bestand aus zwanzig ausgesucht tüchtigen Detektiven.

Blindley zuckte die Achseln. „Die Ferngläser werdet Ihr verlegt haben! Macht doch nicht so viel Aufhebens davon!“

Doktor Halfing, der Leibarzt des Lords, meldete sich jetzt jedoch gleichfalls und gab der Angelegenheit plötzlich ein weit ernsteres Aussehen.

„Leider muss ich hierzu bemerken, dass auch ich meinen Krimstecher seit zwei Tagen umsonst suche. Er ist spurlos verschwunden!“, meinte er bedächtig und schaute Blindley ein wenig ironisch an. „Verschwunden, obwohl der Herr Polizeichef mit fünf Detektiven die Reise wie stets so auch jetzt mitmacht. Lieber Blindley, Sie haben also Arbeit! Suchen Sie die drei Ferngläser. Wenn Sie sie finden, können Sie wenigstens in diesem Monat behaupten, Ihr fürstliches Gehalt nicht umsonst bezogen zu haben.“

Es war das eine ganz harmlose Neckerei von Seiten des Doktors. Denn Halfing kränkte nie jemanden mit Absicht.

Blindley lachte. „Das ist ja die reine Fernglasflucht! Bester Pellertan, ich rate Ihnen, legen Sie Ihr Kanonenrohr an die Kette, sonst reißt es auch noch aus!“

„Oho, das sollte mal einer wagen, mir mein Glas zu stehlen!“, brummte der alte Seebär und schaute nach dem Wandbrett hin, wo das Messingperspektiv halb ausgezogen lag.

„Scherz beiseite!“, sagte nun aber Blindley in ganz anderem Tone. „Wer wie ich in diesen Jahren, seit ich über Seiner Lordschaft Leben und Gesundheit wache, die scheinbar auch noch so gleichgültigsten Vorfälle mit ganz anderen Augen anzusehen gelernt hat, wer wie ich stündlich auf der Lauer liegt und nach irgendwelchen Anzeichen für ein neues Attentat sucht, der beachtet selbst das Verschwinden von drei Ferngläsern, zumal wenn diese an Bord einer Jacht abhandenkommen, deren Besatzung aus alterprobten Leuten besteht.“

Ich schaute unwillkürlich zu Harst hinüber. Ich war neugierig, wie er über diese Sache dächte. Aber er rauchte sehr gelassen seine Zigarette weiter und blickte durch das runde Fenster hinaus auf die wie flüssiges Blei schillernde endlose See.

Ingenieur Moore hatte sich ein Glas mit Eislimonade aus der großen Kanne gefüllt, die auf einem Stuhl in einem Eiskühler stand, trank, sagte dann: „Wenn es so weiter geht, haben wir sehr bald kein einziges modernes Fernglas mehr auf der India. Es muss doch jemand die Dinger gestohlen haben! Drei Krimstecher – drei! Das ist doch kein Zufall! Die können doch nicht alle drei verlegt worden sein!“ Eine Weile herrschte Schweigen. Dann wandte Chester Blindley sich an Harald. „Was halten Sie davon, lieber Harst?“ - „Ich möchte Sie bitten, mir mitzuteilen, weshalb Sie heute vor neun Tagen, als wir uns vor dem Schloss des Lords auf der Landstraße trafen, mir zuraunten, dass ‚etwas passiert sei‘. Sie haben mir bisher nichts Näheres darüber gesagt, Blindley.“

„Ganz richtig. Ich habe es nicht vergessen, aber ich glaubte, durch diese Seereise, die wir auf Ihre Veranlassung nun unternehmen, wäre jede Gefahr vorläufig beseitigt. Wenn ich mich damals wirklich so ausgedrückt habe: ‚Es ist etwas passiert‘, dann meinte ich damit nur, dass gewisse Anzeichen dafür sprachen, es sei wieder etwas im Gange. Sie verstehen: gegen Seine Lordschaft!“

„Und diese Anzeichen?“, fragte Harst ohne besonderes Interesse.

„Waren vier Siegellacktröpfchen!“