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Noch immer verfolgt die indische Würgersekte der Thugs die Familie von Lord Wolpoore und will sich rächen, weil einst der Vizekönig von Indien, ebenfalls ein Lord Wolpoore, die Mitglieder der Sekte verfolgte und hinrichten ließ. In der Witwe des Anführers finden Harald Harst und Max Schraut einen gefährlichen Gegner, und es kommt zu einem Kampf auf Leben und Tod... Die Walter-Kabel-Romane gehörten einst zu den vielgelesenen der Vorkriegszeit. Die Walter-Kabel-Edition soll dazu beitragen, sein Werk wieder neu zu entdecken!
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Seitenzahl: 50
Walter Kabel
Der Tempel der Kali
Walter-Kabel-Edition
Walter Kabel
Der Tempel der Kali
Harald Harst
Kriminalroman
Edition Corsar D. u. Th. Ostwald
Braunschweig
Impressum
Texte: © 2024 Copyright by Thomas Ostwald
Umschlag: © 2024 Copyright by Thomas Ostwald
Durchgesehen, korrigiert und verantwortlich für den Inhalt:Thomas Ostwald
Am Uhlenbusch 17
38108 Braunschweig
„Ich finde das Leben jetzt ziemlich öde“, meinte Harst und gähnte verstohlen hinter der vorgehaltenen Hand. „Vierzehn Tage fast reisen wir nun schon wie jeder gewöhnliche Globetrotter. Ich fühle mich geradezu krank infolge dieser Untätigkeit. Und Dir, mein lieber Schraut, bekommt dieses behagliche, friedfertige Dasein auch nicht. Du wirst täglich dicker.“
Wir saßen im Speisesaal des Exzelsior-Hotels in Dehli, der ältesten und an Baudenkmälern reichsten Stadt Indiens, hatten soeben gefrühstückt und bisher am heutigen Morgen sehr wenig gesprochen. Gab es doch ringsum genug, übergenug zu sehen, denn kaum eine Stadt Indiens ist ja so sehr das Ziel und die Sehnsucht ganzer Scharen von Touristen wie gerade dieses wunderbare, märchenhaft schöne Dehli am rechten, hoch aufgemauerten Ufer des Dschamma-Flusses.
Auf Harald Harsts Stoßseufzer über „das öde Leben“, mit dem ich übrigens sehr zufrieden war, wollte ich gerade erwidern, dass man doch schließlich auch als Liebhaberdetektiv einmal sich „Urlaub gönnen“ könnte, als ein kleiner, magerer, glattrasierter Herr auf unseren Tisch zugesteuert kam, davor stehen blieb, sich leicht verbeugte und in etwas mangelhaftem Deutsch erklärte:
„Sie gestatten. Mein Name ist Garratt Molgedey. Ich habe doch die Ehre, Herrn Harald Harst und Herrn Max Schraut vor mir zu sehen, nicht wahr? Ich las schon gestern Abend Ihren Namen im Fremdenbuch. Da konnte ich nicht anders, ich mmusste mir einen seit langem gehegten Wunsch erfüllen, nämlich den, Sie persönlich kennen zu lernen, Herr Harst.“
Wir hatten uns höflich erhoben.
„Bitte — wollen Sie nicht Platz nehmen, Herr Molgedey“, meinte Harst liebenswürdig. Wir setzten uns wieder. Molgedey strahlte. Er hatte wohl gefürchtet, Harst könnte sich ihm gegenüber sehr zugeknöpft zeigen.
„Ich bin nämlich begeisterter Verehrer von Leuten, die wie Sie, Herr Harst, den Kampf gegen das Verbrechertum zu einer Kunst erhoben haben“, begann der kleine Herr sofort wieder und entnahm seiner Zigarrentasche eine offenbar sehr kostbare Importsorte, deren Staniolpapierumhüllung er gewandt loslöste. „Ja, sogar ein so begeisterter Bewunderer, dass ich Ihre Kunst, Herr Harst, weit über alle anderen Talente stelle“, fuhr er fort. „Mit größtem Interesse habe ich stets in den Zeitungen Ihre neuesten Erfolge gelesen, habe mir diese Artikel gesammelt und kann mich rühmen, über Ihre Erlebnisse so gut unterrichtet zu sein wie selten einer.“
Er rieb sein Feuerzeug an und setzte seine Zigarre in Brand.
„Sie sind Tabakplantagenbesitzer und wohnen den größten Teil des Jahres auf der Insel Kuba“, sagte Harst, dem diese Schmeicheleien Molgedeys sichtlich angenehm waren. „Vor etwa einem Jahr hatten Sie wohl ein ernsteres Abenteuer mit jener Sorte von Leuten, die mich nicht gerade lieben dürften.“
Molgedey nickte eifrig und lächelte pfiffig. „Aha — Sie wissen, dass diese Art Zigarren mit dem braun-grün gestreiften Deckblatt im Handel nicht zu haben ist und nur von Tabakzüchtern auf Kuba für sich selbst und sehr gute Freunde hergestellt wird. Deshalb nehmen Sie an, ich sei Tabakplantagenbesitzer.“
Harst nickte nur.
„Hm“, meinte Molgedey darauf und schaute Harst gespannt an, „aus welchem Grund aber behaupten Sie, ich hätte mit Einbrechern ein Renkontre gehabt. Lasen Sie davon in einer Zeitung?“
„Nein, Herr Molgedey. Ich las es aus Ihrem Gesicht und von Ihren Händen ab. Sie wollen durch die in die Stirn gekämmte rechte Scheitellocke eine Schussnarbe verbergen, die nach dem Grad ihrer Vernarbung etwa ein Jahr alt sein dürfte. Ebenso alt schätze ich die Schnittwunde, die über die Unterglieder der vier Finger Ihrer linken Hand hinläuft und die ganz so aussieht, als ob Sie jemand mit dieser Hand einmal gepackt hätten, der sich durch einen Messerschnitt von dieser Umklammerung zu befreien suchte. Die Wunden rühren also offenbar von demselben aufregenden Ereignis her. Und dieses kann bei einem Herrn von Ihrem friedlichen Beruf doch nur ein Zusammenstoß mit Einbrechern oder dergleichen Leuten gewesen sein.“
„Sehr richtig, Herr Harst, sehr richtig“, erklärte Molgedey, plötzlich ganz ernst, ja fast traurig werdend. „Man stahl mir in jener Nacht eine der wertvollsten Raritäten der ganzen Welt: eine echt goldene Inka-Krone, besser, einen goldenen Stirnreif, wie ihn die Herrscher des alten Inkareiches in Peru einst trugen. Der erhabene Bildschmuck dieser Krone war allerfeinste Künstlerarbeit und stellte die Lebensgeschichte eines der Inkakönige dar. Ich besitze in New York noch ein zweites Heim außer dem auf meiner Plantage in Kuba. Und New Yorker Einbrecher waren es, die mir unter sehr merkwürdigen Begleitumständen den Goldreifen raubten und mich dabei fast umgebracht hätten. Ich lag drei Monate infolge der Stirnwunde schwer krank danieder. Wäre ich damals gesund gewesen, hätte ich sofort nach dem Diebstahl an Sie depeschiert und Sie gebeten, mir wieder zu meinem Eigentum zu verhelfen. Unsere New Yorker Detektive, selbst die berühmte Firma Pinkerton, haben nichts in dieser Sache ausgerichtet. Sie glauben gar nicht, wie sehr mich der Verlust der Inka-Krone schmerzt. Nicht etwa des Geldwertes wegen. Nein, lediglich weil ich sie selbst einst als junger Mensch während meiner Sturm- und Drangperiode — ich bin von Hause aus Schneider, Herr Harst — in den peruanischen Anden (Anden oder Kordilleren, der Hauptgebirgzug Südamerikas) in einem uralten Bergwerk gefunden habe.“
Harst blickte Garratt Molgedey jetzt freundlich an, nickte ihm vertraulich — aufmunternd zu und meinte:
„Nun wollen Sie mir Ihren Fall vortragen, in der Hoffnung, ich könnte den Goldreifen jetzt noch wieder herbeischaffen, nicht wahr? Wenn Sie diese Hoffnung hegen, müssen Sie wohl Beweise dafür haben, dass von den Spitzbuben die Goldkrone nicht etwa eingeschmolzen worden ist. Dieses Einschmelzen liegt ja so nahe, da eine solche Rarität als Ganzes in ursprünglicher Gestalt kaum zu veräußern ist.“
Molgedey streckte Harst freudig erregt die Hand hin.