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Erzfeind und Superschurke James Palperlon hat Harst und Schraut in seinem Testament beauftragt, sich um sein Erbe zu kümmern. Doch schon das Testament ist ein kaum lösbares Rätsel, und dann gibt es plötzlich weitere Interessenten, die auf der Jagd nach dem Vermögen des Verbrechers sind - keine leichte Aufgabe für das Duo Harst/Schraut! In der Walter-Kabel-Edition erscheinen Werke des Schriftstellers in Neuausgaben. Sowohl Abenteuerromane für die bekannte Serie 'Der Detektiv' um seine Protagonisten Max Schraut und Harald Harst sind darunter vertreten.
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Seitenzahl: 47
Walter Kabel
James Palperons Vermächtnis
Walter-Kabel-Edition
Walter Kabel
James Palperons Vermächtnis
Harald Harst
Kriminalroman
Edition Corsar D. u. Th. Ostwald
Braunschweig
Impressum
Texte: © 2024 Copyright by Thomas Ostwald
Umschlag: © 2024 Copyright by Thomas Ostwald
Durchgesehen, korrigiert und verantwortlich für den Inhalt:Thomas Ostwald
Am Uhlenbusch 17
38108 Braunschweig
Wir saßen in der Kabine nebeneinander auf dem kleinen Wandsofa. Harst hatte das eng zusammengelegte Testament Palperlons nochmals eingewickelt gehabt, entfernte nun die Hülle und faltete das Papier auseinander. Es war ein weißer Briefumschlag in der Größe 12 mal 15 Zentimeter. Als Adresse stand darauf, in einer steilen, schmucklosen und sehr energischen Handschrift:
Nach meinem Tode an Herrn Harald Harst, Berlin-Schmargendorf, Blücherstraße 10, ungeöffnet zu senden. James Palperlon
Der Umschlag war nur zugeklebt. Nachdem Harst ihn von außen so genau besichtigt hatte, wie eben nur er das tat, selbst wenn es sich um scheinbar noch so lächerliche Kleinigkeiten handelte, reichte er ihn mir ungeöffnet und meinte:
»Bitte — Vortrag!«
Das hieß: ich sollte nun ebenfalls den Umschlag erst fünf Minuten lang hin und her drehen und dann mein Licht leuchten lassen, also erklären, was mir an dem Kuvert auffiel.
Etwas Auffallendes war ja fraglos daran. Sonst hätte Harald nicht um »Vortrag« gebeten. Ich gab mir die redlichste Mühe, irgendetwas zu entdecken.
Aber obwohl ich genau wie Harst mit einem Vergrößerungsglas den Umschlag Millimeter für Millimeter absuchte, ich musste schließlich den Brief doch wieder auf den Tisch zurücklegen und erklären:
»Mein Vortrag fällt kurz aus: Ich finde an dem Ding nichts Auffälliges!«
Harst hatte sich eine seiner geliebten Mirakulum-Zigaretten angezündet.
»So so, schade!«, meinte er. »Sieh mal, lieber Alter, dort auf dem Wandbrett steht eine sicher hier nur als Dekoration dienende Briefwage. Vielleicht langst Du mal hin und stellst sie auf den Tisch. Was wiegt ein leerer Briefumschlag von dieser Größe und Papierstärke?«, fragte er nun.
»Offen gesagt: ich habe keine Ahnung.«
»Drei bis vier Gramm, schätze ich. Wiege mal nach.«
Er hatte recht: vier Gramm wog der Briefumschlag, den er seiner Brieftasche entnommen hatte und der in Größe und Papierstärke dem Palperlonschen sehr ähnlich war.
»So, und nun Palperlons Brief auf die Waage!«, ordnete er weiter an.
Der Erfolg? Auch Palperlons Testament wog vier Gramm, vielleicht ganz wenig mehr.
Da ging mir ein Licht auf. »Der Umschlag ist leer!«, rief ich.
»Vermutlich!«, nickte Harst. »Das geringe Gewicht dieser letztwilligen Verfügung hättest Du merken müssen, mein Alter. Außerdem verriet einem ja auch das Gefühl, wie dünn der Brief war.«
»Es hätte nur ein einzelnes dünnes Blatt darin stecken können«, verteidigte ich mich.
Harst schnitt schon den Umschlag vorsichtig auf und zog dann doch etwas heraus!
Ich triumphierte. Dieses Etwas war allerdings ein sehr merkwürdiges Testament, nämlich eines jener hauchdünnen Seidenpapierblätter, wie sie in Konfitürengeschäften als Decke für einen gefüllten Konfektkarton benutzt werden.
Jeder kennt diese Seidenpapierblättchen. Sie sehen wie ein etwas faseriger Seidenstoff aus, haben einen verzierten Rand und tragen oft in Golddruck den Namen des Bonbonladens oder der Fabrik.
Auch dieses Blättchen hier, es war fünf mal vierzehn Zentimeter groß, zeigte einen solchen Firmenaufdruck:
Vapaures Freres,
Confiserie,
Pondicherry, Boulevard de la Gare 19
Also:
Gebrüder Vapaures,
Konfektgeschäft,
Pondicherry, Bahnhofs-Boulevard 19
Pondicherry ist bekanntlich eine kleine französische Kolonie an der Westküste Vorderindiens mit gleichnamiger Hauptstadt.
»Recht eigenartig«, lächelte Harst und hielt das Seidenpapierblättchen gegen das Licht. »Siehst Du etwas darauf außer dem Firmenaufdruck? Ich nicht! Und es dürfte auch nichts darauf zu sehen geben, denn auf solchem Seidenpapier kann kein Mensch etwa mit wieder verschwindender Tinte schreiben, ausgeschlossen!«
»Mithin hat Palperlon uns — gefoppt«, meinte ich zögernd. Ich glaubte selbst nicht an eine solche Möglichkeit.
Harst hatte meinem Ton diese Zweifel angemerkt.
»Du bist Dir Deiner Sache bei diesem ‚gefoppt worden sein‘ nicht ganz sicher. Und mit Recht. Bedenke, dass Palperlon in seinen letzten Sekunden von seinem Vermächtnis sprach. Wie wird er, nur um uns zum Narren zu halten, wohl für dieses ‚Testament‘ ein solches Versteck wie seinen Absatz gewählt haben! Nein, mein Alter, es ist schon ein Testament! Nur eben eins, das, falls es in andere Hände und nicht gerade in die meinen geriet, nicht entziffert werden sollte. Palperlon hat hier also eine geheime Urkunde in der Überzeugung geschaffen, dass ich ihren Text schon heraustüfteln würde. Na, unser ehemaliger Feind hat sich in mir nicht getäuscht. Der Text ist schon gefunden.«
Ich blickte ihn überrascht an.
»Du meinst wohl, ich renommiere?«, lachte er.
Als ich schwieg und das Seidenpapierblättchen abermals gegen das Licht hielt, fuhr er fort: »Gib Dir keine Mühe, lieber Alter. So kommst Du nicht dahinter. Niemals! Ich werde Dir hier auf ein Stück Papier etwas aufschreiben. Das Papier tue ich in den Umschlag, den wir zu der Wiegeprobe benutzten. Wenn wir dann Palperlons letzten Willen erfüllt haben, kannst Du den Umschlag öffnen, den Du bis dahin bei Dir behalten magst. Dann wirst Du auf dem Zettel das finden, was ich vorläufig verschweigen möchte, um Dir die Spannung an diesem neuen Abenteuer nicht zu verderben. Denn ein Abenteuer wird es auf jeden Fall. So — da hast Du den Umschlag. Verwahre ihn gut.«
Ich legte ihn zwischen Stoff und Futter meiner weichen Reisemütze.
»Sehr gut so!«, lobte Harald. »Da ist er vorläufig gut aufgehoben! Sobald wir in Kapstadt sind, erkundigen wir uns nach dem nächsten Schiff nach Indien. Ich bin sehr neugierig, was wir in der Confiserie Vapaures Freres erleben werden.«