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Ein verzweifelter Briefmarkensammler wendet sich an Harald Harst, weil eine seiner kostbaren Marken durch einen Tintenkleckser verdorben wurde. Jedoch gibt es keine Möglichkeit für einen Einbrecher, in den Raum mit der Briefmarkensammlung zu gelangen. Schon bald erfahren Harald Harst und sein Gefährte Max Schraut, dass es bei diesem Fall in Bangkok um viel mehr als nur eine Briefmarke geht... ein raffiniertes Verbrechen kündigt sich an, und das Detektivduo hat nur wenig Zeit, um es zu verhindern. In der Walter-Kabel-Edition werden sowohl die Kriminalromane um Harald Harst wie auch andere Werke neu herausgegeben.
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Seitenzahl: 48
Walter Kabel
Nur ein Tintenfleck
Walter-Kabel-Edition
Walter Kabel
Nur ein Tintenfleck
Harald Harst
Kriminalroman
Edition Corsar D. u. Th. Ostwald
Braunschweig
Impressum
Texte: © 2024 Copyright by Thomas Ostwald
Umschlag:© 2024 Copyright by Thomas Ostwald
Durchgesehen, korrigiert und verantwortlich für den Inhalt:Thomas Ostwald
Am Uhlenbusch 17
38108 Braunschweig
Harald Harsts Entschluss, vor unserer Heimkehr nach Deutschland noch einen Monat das hinterindische Königreich Siam zu bereisen, hatte meinen vollen Beifall gefunden.
Siam ist ja sozusagen das östliche Vorland des großen indischen Kolonialreichs und sollte, wie mir in der Erinnerung noch unklar vorschwebte, mindestens ebenso viele Merk- und Sehenswürdigkeiten besitzen, wie Indien selbst.
An einem glutheißen Vormittag brachten zwei elegante Rikschas (Rikscha, zweiräderiges Bambuswägelchen) Harst und mich von unserem Fremdenheim in Bangkok, der Hauptstadt Siams, aus in gleichmäßig schneller Fahrt nach P’hrabat, dem heiligen Berg nördlich von Bangkok, wo sich das gleichnamige Kloster, einer der berühmtesten Wallfahrtsorte der Buddhisten, befindet. Die Hauptreligion in Siam ist der Buddhismus, was man schon an der Unmenge buddhistischer Mönche merkt, die in den Straßen Bangkoks zu sehen sind. Diese frommen Nichtstuer kosten den Staat jährlich Unsummen. Trotzdem dürfte es niemand wagen, an dieser Einrichtung zu rütteln. Die Siamesen sind, was ihre religiösen Gebräuche angeht, genauso halsstarrig wie die Inder in Bezug auf das Kasten(un)wesen.
Unsere beiden Rikschakulis, die nur das Hüfttuch und den großen Hut aus Palmenblättern trugen, mussten offenbar Patentlungen besitzen, denn sechzehn Kilometer in flottem Trab ein belastetes Wägelchen zu ziehen, dazu gehört mehr als ein europäischer Dauerläufer nach langem Training leistet.
Das Kloster P’hrabat ist von mehreren Mauern umgeben. In diesen Vorhöfen schwärmen die Mönche wie die Bienen und lassen keinen Schritt des neugierigen Europäers unbeobachtet. Und sie tun recht daran. Das P’hrabat-Kloster enthält Kostbarkeiten, deren Wert auf annähernd 120 Millionen Mark geschätzt wird.
Im inneren Hof erhebt sich der goldene Turm, ein phantastisches Bauwerk, das tatsächlich über und über dick vergoldet ist. Betritt man die Halle dieses Turmes, dessen Fußboden aus dicken, reinsilbernen Platten besteht, so wird man wie ein Verbrecher behandelt, das heißt, Priester und Mönche spielen, für jeden Fremden gut ein halbes Dutzend, die Polizei „zur Verhütung von Diebstählen oder deren Vorbereitung“.
Dass diese Halle die Habgier selbst eines sonst redlich gesinnten Menschen reizen kann, ist kein Wunder. Zunächst sieht man nämlich vor sich ein hohes silbernes Gitter, das im Viereck die heilige Fußspur Buddhas umgibt. Auf diesem Berg und an dieser Stelle soll Buddha, als er einst die Erde besuchte, auf einem Beine stehend ausgeruht haben.
Von der Riesenfußspur oder besser der einer solchen ähnlichen Vertiefung in dem Felsen bemerkt man nichts, da dieses längliche Loch vollständig mit Juwelen aller Art bedeckt ist. Im Hintergrund wieder steht eine mit Diamanten verzierte, zwei Meter hohe Statue Buddhas unter einem Baldachin, der vor Juwelen in allen Farben schillert.
Alles, was ich bisher in Indien an Anhäufungen von Diamanten gesehen hatte, verblasste gänzlich gegenüber diesen Millionenwerten. Harst machte mich auf drei taubenei-große Smaragde aufmerksam, von denen jeder allein auf eine Million geschätzt wird. Der Andrang von Fremden war heute nicht sehr bedeutend. Außer uns beiden befanden sich noch sechs Europäer in der Halle, darunter zwei Damen. Wir hätten also alles in Ruhe anstaunen können, wenn nicht eben die Mönche gewesen wären, die in sehr wenig höflicher Art uns ständig überwachten, ohne sich auch nur irgendwie Mühe zu geben, ihr Misstrauen zu verheimlichen.
An dem Baldachin musste etwas in Unordnung sein. Ein älterer, sonngebräunter Europäer mit leicht ergrautem blonden Bart stand auf einer Leiter und handhabte allerlei Werkzeuge. Offenbar hatte sich die Verschraubung der Stützen des Baldachins gelockert. Mir fiel auf, dass die frommen, meist wohlgenährten Herren diesen Mann so wenig mit Ihrer sonst so regen Wachsamkeit bedachten. Als ich Harst dies flüsternd mitteilte, nickte er nur zerstreut und betrachtete weiter mit einer mir unverständlichen Aufmerksamkeit den Rücken einer schlanken Europäerin, deren tadellos sitzendes Leinenkostüm und rotblondes Haar ich schon vorhin bemerkt hatte. Sie war noch jung, diese Dame, und fraglos eine eifrige Photographin. Die Buddha-Statue knipste sie von allen Seiten, ganz besonders von rechts, wobei sie, soweit ich zählte, sechs Filme verbrauchte. Ich hätte mir an ihrer Stelle einen anderen Tag für diese Aufnahmen ausgesucht, da sie ja notwendig den auf einer Trittleiter stehenden Kunstschlosser (falls es ein solcher war) mit auf die Bilder bekam.
Harsts Interesse für die Rotblonde blieb das gleiche. Als sie jetzt mit ihrem Begleiter, einem stattlichen älteren Herrn, die Halle verließ, sagte er ganz leise zu mir:
„Hast Du etwas beobachtet, mein Alter? Es gab nämlich etwas zu beobachten!“
„Natürlich die Rotblonde!“, erklärte ich. „Fraglos eine Engländerin. Der Herr war anscheinend ihr Vater. Zum Ehemann schien er zu alt. Sie ist leidenschaftliche Zigarettenraucherin, denn der Nagel ihres rechten Zeigefingers war von dem aufsteigenden Rauch der zwischen den Fingern gehaltenen Zigarette braungelb verfärbt. Außerdem liebt sie ein Parfüm, das ich abscheulich finde: Patschuli!“
Harst schob jetzt seinen Arm in den meinen und sagte:
„Gehen wir. Man wird sonst wirklich hier zu allerlei Gedanken verleitet, die man besser weit von sich weist.“
Als wir draußen im grellen Sonnenschein des Hofes standen, fügte er hinzu: „Was die Rotblonde betrifft, so hast Du gerade das Wichtigste nicht gesehen. Dort vor uns schlendert sie mit ihrem Begleiter dem zweiten Hof zu. Eine schöne Frau. Aber — gefährlich!“
Ich musste lachen. „Für Männerherzen ist jede Schönheit gefährlich, lieber Harald.“
Er drückte meinen Arm. „Du, mir ist zum Scherzen wenig zumute. Ich habe eine feine Witterung für große Dinge, die ihre Vorzeichen voraussenden.“
Meine heitere Stimmung war wie weggeweht.
„Vorzeichen? Witterst Du etwa ein Verbrechen?“, fragte ich nun ebenfalls ganz ernst.
„Nein. Nur die ersten Vorbereitungen eines solchen. Wenigstens muss ich dies nach dem, was ich sah, annehmen.“ - „Und was sahst Du denn?“ - „Nur dasselbe wie Du, mein Alter. Der Unterschied zwischen uns liegt lediglich in der geistigen Verarbeitung des Geschauten.“
„